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Eine juristische und agrarfachliche Kommentierung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91
Inhalt Seite
Vorwort 4
Einführung 6
Aufbau 15
Kommentierung
Titel und Einleitung 23
Erwägungsgründe 53
Titel I Ziel, Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen
Artikel 1 Ziel, Anwendungsbereich 98 Artikel 2 Begriffsbestimmungen 129
Titel II Ziele und Grundsätze der ökologischen/
biologischen Produktion
Artikel 3 Ziele 174
Artikel 4 Allgemeine Grundsätze 179
Artikel 5 Spezielle Grundsätze für die
landwirtschaftliche Erzeugung 186
Artikel 6 Spezielle Grundsätze für die Verarbeitung
von ökologischen/biologischen Lebensmittel 193
Artikel 7 Spezielle Grundsätze Verarbeitung Futtermittel 196
Titel III Produktionsvorschriften
Artikel 8 Einhaltung Produktionsvorschriften 198
Artikel 9 GVO 199
Artikel 10 Bestrahlung 211
Artikel 11 Landwirtschaft 211
Artikel 12 Pflanzen 214
Artikel 13 Meeresalgen 223
Artikel 14 Tiere 234
Artikel 15 Aquakulturtiere 256
Artikel 16 Kriterien für Positivlisten Landwirtschaft 268
Artikel 17 Umstellung 290
Artikel 18 Futtermittelverarbeitung 294
Artikel 19 Lebensmittelverarbeitung 298
Artikel 20 Hefe 302
Artikel 21 Kriterien für Positivlisten Verarbeitung 304
Artikel 22 Flexibilität 310
Titel IV Kennzeichnung
Artikel 23 Auslegungsregelung, Kennzeichnungsvorschriften 323
Artikel 24 Pflichtkennzeichnung Kontrollstellencode,
Gemeinschaftslogo, geographische Herkunft 359
Artikel 25 EU-Logo 371
Artikel 26 Ermächtigung Kommission Futtermittel-,
Umstellungs-Saatgutkennzeichnung 379
Titel V Kontrollen
Artikel 27 Kontrollsystem 380
Artikel 28 Teilnahme 440
Artikel 29 Bescheinigungen 448
Artikel 30 Verstöße, Unregelmäßigkeiten 451
Artikel 31 Informationsaustausch 459
Titel VI Importe
Artikel 32 Konformität 461
Artikel 33 Gleichwertigkeit 477
Titel VII Übergangs- und Schlussbestimmungen
Artikel 34 Binnenmarkt 487
Artikel 35 Berichte Mitgliedstaaten an Kommission 491
Artikel 36 Statistik 493
Artikel 37 Regelungsausschuss 493
Artikel 38 Allgemeine Kommissionsermächtigung 497
Artikel 39 Aufhebung Vorgängerverordnung 501
Artikel 40 Übergangsvorschriften 502
Artikel 41 Kommissionsbericht an den Rat 2011,
Wirksamkeitsprüfung 506
Artikel 42 Inkrafttreten 508
Anhang 511
Index 514
Vorwort
Diese Verordnung fordert die Kommentatoren und jeden Leser heraus. Wenn sie ab dem Jahresbeginn 2009 gilt, wird sie gemeinsam mit einer ganzen Reihe von Kommissionsverordnungen anwendbar sein. Diese gibt es aber jedoch noch nicht.
Es wird eine Kommissionsverordnung für Importe erlassen werden. Und eine Kommissionsverordnung für Einzelheiten der landwirtschaftlichen Erzeugung, der Verarbeitung sowie der Kontrolle. Weitere Kommissionsverordnungen werden folgen. Auch diese werden wir kommentieren.
Wir haben diesen Weg der Veröffentlichung gewählt, um den Rechtsanwendern sogleich, wenn sich die Fragen stellen, und nicht erst Jahre später, Hinweise zu den Antworten zu geben.
Die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 hatten wir auf Deutsch 1992 und 1994 und in englischer Sprache 1998 kommentiert. Bei der Arbeit an jenen Kommentaren waren wir von der Qualität der Texte des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht überzeugt. Rückschauend stellen wir nun fest, dass wir damals weniger Grund zur Klage hatten als heute.
Wir wollen nicht bei der Kritik an einem Gesetz, das unvollkommen ist, stehen bleiben. Es müssen Wege der praktischen Anwendung entwickelt werden, die dem Grundsatz bestmöglicher Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gerecht werden.
Die Verordnung (EWG) Nr. 834/2007 bringt aber nicht nur Verwirrung, sondern auch positive Klärung: Der Grundsatz, dass jeder Aspekt der Vorschriften im Falle seiner Nichteinhaltung an den Umständen des Einzelfalles zu prüfen ist, ist für die Praxis sehr wichtig.
Nach der Auffassung der EU-Kommission hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schon immer gegolten, weil er ein Teil des rechtsstaatlichen Prinzips ist. Man kann auch sagen, dass es sich bei diesem Angemessenheitsgebot um ein Prinzip des gesunden Menschenverstandes handelt. Jetzt findet es sich jedenfalls in Artikel 30 Absatz 1, der für Maßnahmen bei Unregelmäßigkeiten verlangt, dass sie nur ergriffen werden, wenn dies in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Vorschrift steht.
Andere Regelungen sehen wir kritisch: Die Flexibilität, die Artikel 22 schaffen soll, könnte zu einer Rechtszersplitterung und zu einem "Fuzzy Image" der Ökoprodukte in der Wahrnehmung der Verbraucher führen. Die Schaffung eines Zweiklassensystems für Ökoprodukte aus Drittstaaten wird möglicherweise zur unfairen Behandlung gerade der Erzeuger führen, die dort in kleinbäuerlichen, genossenschaftlichen Strukturen wirtschaften.
Im Februar 2008
Freiburg im Breisgau Bickenbach
Hanspeter Schmidt Manon Haccius
Die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnis-sen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91
Einführung
Die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 ersetzt mit Wirkung zum 1. Januar 2009 die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91. Die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 bezeichnen wir in dieser Kommentierung als "diese Verordnung".
Manche Fachkreise des ökologischen Landbaus, insbesondere Verbände der Landwirte, hatten sich von der neuen Verordnung erhofft, dass sie dem ökologischen Landbau ein noch klareres Profil durch gut verständliche Formulierungen verschafft. Der fünfte Erwägungsgrund der neuen Verordnung handelt davon, dass "die Ziele, Grundsätze und Regeln" entsprechend "genauer zu formulieren" seien, um zu mehr "Transparenz" und "Verbrauchervertrauen" beizutragen. Man wünschte sich eine leichter lesbare und leichter verständliche Verordnung. Dieser Wunsch hat sich nicht erfüllt.
Der Rechtsanwender wird zum Zickzackleser zwischen sich im Laufe der Zeit immer weiter verzweigten Kommissionverordnungen. Er muss in stärkerem Maße, als bei der Vorgängerverordnung lernen, zwischen den Artikel dieser Verordnung hinundher zu springen.
Die Qualität von Rechtsnormen entscheidet sich hauptsächlich daran, ob die Anwender mit ihnen zurecht kommen. Für Ökoprodukte gibt es zwei wichtige Anwendungsfälle:
- Der aus der Sicht der Verbraucher und der mit ihrem Schutz befassten Behörden wichtigste, erste Anwendungsfall folgt aus der Frage, ob ein Lebensmittel, so wie es als Bioprodukt angeboten wird, den gesetzlichen Vorschriften entspricht, also "wirklich" ein Bioprodukt ist.
- Der zweite Anwendungsfall bezieht sich auf den Landwirt oder einen in anderer Weise für einen Betrieb Verantwortlichen, in dem mit Ökoprodukten umgegangen wird, und für den sich die Frage stellt, ob er alles richtig macht und damit den gesetzlichen Befehlen gerecht wird.
Wer mit Bioprodukten schon länger zu tun hat, weiß aus der Erfahrung mit der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91, der Vorgängerverordnung, dass dort die Prüfung von Artikel 1 der Verordnung von der Frage ausging, ob das Produkt ein nicht verarbeitetes, pflanzliches Agrarerzeugnis oder ein für den menschlichen Verzehr bestimmtes, verarbeitetes Agrarerzeugnis ist. Außerdem, ob es als Bioprodukt gekennzeichnet ist, was sich an der gesetzlichen Vermutung, orientiert am Käufereindruck, des Artikel 2 entschied. Die Prüfung ging dann weiter über die Etikettierungsvorschriften des Artikel 5, zu deren Bedingungen die Einhaltung der Erzeugungsvorschriften des Artikel 6 und der Vorschriften zum Kontrollsystem in Artikel 8 gehörten. Von dort führte die Prüfung weiter in die Anhänge der Vorgängerverordnung mit den Vorgaben zur Herstellung und deren Kontrolle.
Umgekehrt war für Betriebseigner, die mit Ökoprodukten zu tun hatten, klar, dass ihre Verpflichtung ausgehend von der Abgrenzung der Produktkategorien in Artikel 1 und durch die Legalvermutung der Ökoetikettierung durch Artikel 2 definiert war, dies verbunden mit dem Katalog kontrollpflichtiger Tätigkeiten in Artikel 8, der von der Erzeugung über die Aufbereitung bis zur Vermarktung reichte. Der Einstieg für die Anwendung der Verordnung war in beiden Fällen Artikel 1, währenddem die produktorientierte Kontrolle über Artikel 5 geprüft wurde und die unternehmensorientierte Kontrolle über Artikel 8. Artikel 5 hatte als Schnittstelle für die Prüfung des konkreten Lebenssachverhalts die Rolle einer zentralen Steuerungsnorm.
Die Nachfolgeverordnung (EG) Nr. 834/2007 folgt einem anderen Aufbau und einer anderen Logik. Sie orientiert sich nicht an den Bedürfnissen der Anwender der Rechtsnorm, sondern an der Normensicht des Gesetzgebers.
Der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 ist in Artikel 1 Absatz 2 so abgegrenzt, dass er alle dort genannten Lebensmittel und die anderen Erzeugnisse, ganz gleich, ob sie eine Biokennzeichnung tragen oder nicht, erfasst. Die Tatsache, dass es sich um eine Rechtsnorm für Bioprodukte handelt, wird erst an einer anderen, in der Verordnung nicht leicht aufzufindenden Stelle deutlich. Die Verordnung erfasst in ihren Anwendungsbereich auch die Lebensmittel aus nichtökologischer, konventioneller Produktion.
Für "Unternehmer" gibt es nun auch einen eigenen Anwendungsbereich. In diesen Anwendungsbereich fallen aber nicht nur die Unternehmer, die mit Ökolebensmitteln befasst sind, sondern alle Lebensmittelunternehmer, ganz gleich, ob sie mit Ökoprodukten zu tun haben oder nicht. Auch für die Unternehmer entscheidet sich erst an einer anderen, schwer auffindbaren Stelle in der Verordnung, ob sich aus dieser Verordnung für sie Pflichten ergeben oder nicht.
Dies Regelungstechnik verwirrt dort, wo die Autoren der Verordnung selbst den Überblick verloren und von den Unternehmern, nämlich allen, welche in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, die Einhaltung der "Produktionsvorschriften" der ökologischen Produktion verlangen. Dies ist natürlich nicht so gemeint, denn dann gäbe es nur noch Ökoprodukte. Es liegt ein Redaktionsfehler vor, der sich im Wege der teleologischen Reduktion, einer Rückführung des Wortlauts der Norm auf eine Bedeutung, die Sinn macht, reduzieren lässt.
Der Gang der Prüfung, ob ein bestimmtes Lebensmittel, so wie es dem Verbraucher angeboten wird, der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 gerecht wird, führt über die produktbezogene Abgrenzung des Anwendungsbereichs in Artikel 1 Absatz 2 zu Artikel 23 Absatz 1 Satz 2, in dem vorgegeben ist, dass die Biokennzeichnung gestattet ist, wenn die gekennzeichneten Erzeugnisse die Vorschriften der Verordnung erfüllen.
Diese als Voraussetzung für die Biokennzeichnung zu erfüllenden Vorschriften finden sich dann nicht, wie in der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91, zusammengefasst in einem Artikel - in der früheren Verordnung war dies Artikel 5 -, sondern an verschiedenen Stellen, die ebenfalls nicht leicht auffindbar sind. Für die Prüfung von Ökoprodukten, wie sie Verbrauchern angeboten werden, schreitet die Betrachtung sachdienlich zunächst zu Artikel 23 Absatz 4, in dem für verarbeitete Lebensmittel verschiedene Kennzeichnungsweisen zur Verfügung gestellt werden. Neu ist die Gestattung der Auslobung eines wie auch immer kleinen Ökoanteils im Verzeichnis der Zutaten.
Von dort führt sie weiter zur Pflichtangabe der Kontrollstellen-Codes in Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe a und zur Pflichtangabe des Gemeinschaftslogos in Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe b und einer geographischen Herkunftsangabe beim Gemeinschaftslogo in Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c auf den Verpackungen der Ökoprodukte.
Ein EU-Logo-Verwendungsverbot für Umstellungsprodukte findet sich in Artikel 25 Absatz 1 Satz 2, währenddem sich die Tatsache, dass Umstellungserzeugnisse eine Biokennzeichnung nach Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 tragen dürfen, ohne mit einem Hinweis auf die Umstellung versehen zu sein, aus dem Zusammenhang und der Ermächtigung der Kommission zum Erlass besonderer Kennzeichnungsvorschriften für Umstellungserzeugnisse pflanzlichen Ursprungs in Artikel 26 Absatz b ergibt, wobei allerdings die Tatsache, dass pflanzliche Umstellungsprodukte überhaupt nur als Bioprodukte gekennzeichnet werden dürfen, wenn sie aus einer einzigen pflanzlichen Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs bestehen, aus Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe e folgt.
Die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 zeichnet sich durch die durchgängige Betrachtung der Regelungsmaterie aus der Sicht des Gesetzgebers im Gegensatz zu einer Betrachtung aus der Sicht des Rechtsanwenders aus. Dadurch entsteht für den Rechtsanwender eine gewisse Unübersichtlichkeit, die er überwinden muss.
Eine ähnliche Lage ergibt sich für den Lebensmittelunternehmer, der nach der Abgrenzung des Anwendungsbereichs in Artikel 1 Absatz 3 in diesen fällt. Artikel 8, der ihn zur Einhaltung alle Produktionsvorschriften, gleich ob er mit Ökoprodukten zu tun hat oder nicht, verpflichtet, ist nicht ernst gemeint.
Ob die Verordnung ihm Pflichten auferlegt, ergibt sich für ihn ausgehend von Artikel 28 Absatz 1. Dort findet er die Vorschrift, dass er Pflichten hat, wenn er Ökoprodukte erzeugt, aufbereitet, lagert, aus einem Drittland einführt oder in den Verkehr bringt. Und er findet einen Zeitpunkt vorgegeben, ab dem ihm diese Verpflichtungen auferlegt sind: Den Beginn des "Inverkehrbringens", denn er ist (nur) verpflichtet, "vor dem Inverkehrbringen" von Ökoprodukten seine Tätigkeit anzumelden und sein Unternehmen dem Kontrollsystem zu unterstellen. Da das "Inverkehrbringen", anders als der Wortsinn auf den ersten Blick vermuten lassen könnte, nicht erst das Angebot an Käufer beinhaltet, sondern nach der Definition der Lebensmittel-Basis-Verordnung (EG) Nr. 178/2002 schon das Bereithalten zum Inverkehrbringen, sind zumindest Lebensmittelunternehmer, die ökogekennzeichnete Produkte zur Vermarktung bereithalten, verpflichtet, sich dem Kontrollsystem zu unterstellen.
Da aber die Verpflichtung, dies zu tun, erst mit dem Beginn des Bereithaltens einsetzt, erfährt der Lebensmittelunternehmer, was ihn überraschen mag, dass er nicht verpflichtet ist, seinen Betrieb nach Artikel 28 Absatz 1 anzumelden, wenn er Ökoprodukte zum Zwecke der Verarbeitung als solche produziert, lagert oder einkauft, um sie zu verarbeiten. Dies erfährt der Lebensmittelunternehmer, indem er von dem Begriff "vor dem Inverkehrbringen" in Artikel 28 Absatz 1 auf die Begriffsbestimmung in Artikel 2 Buchstabe j voranschreitet, von wo er zur Begriffsbestimmung in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verwiesen wird. Viele der Begriffsbestimmungen in Artikel 2 sind allerdings funktionslos oder sie passen nicht recht.
Die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 erweist sich für die Anwender als Schnitzeljagd nicht nur hin und her in der Verordnung selbst, sondern auch in fremden Verordnungen, auf welche verwiesen wird. Und es wird auf Anhänge der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 verwiesen, aus denen Positivlisten in Kraft bleiben. Die verschiedenen von der Kommission nun nach und nach zu erlassenden Kommissionsverordnungen mit Durchführungsvorschriften, die nicht mehr als Anhänge der Ratsverordnung ergehen werden, sondern als selbständige Kommissionsverordnungen, muss der Rechtsanwender ebenfalls mitlesen.
Ein für diese Verordnung verantwortlicher Mitarbeiter der EU-Kommission bezeichnete dies als ein "Zickzacklesen", was aber mit der nötigen Disziplin erfolgreich bewerkstelligt werden könne. Dies ist richtig: Wenn die Rechtsanwender sich anstrengen, wird es ihnen gelingen, auch diese Verordnung und die Folgeverordnungen der Kommission, mit denen in großer Zahl zu rechnen ist, praktisch sinnvoll anzuwenden.
Für den sachkundigen Juristen sind solche Prüfungsreihenfolgen nichts Unbekanntes. Sie hat er im Grundstudium schon anhand des Bürgerlichen Gesetzbuches gelernt, dessen Aufbau von der Gesetzgebungslehre der 90iger Jahre des 19. Jahrhunderts geprägt ist. Für den juristisch nicht vorgebildeten Rechtsanwender aus der Biobranche birgt die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 jedoch neue, bislang noch nicht gekannte Herausforderungen.
Die Rolle des Titel II
Für das erste Herangehen an die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 ist es nützlich zu verstehen, welche Rolle Titel II spielt. Dort finden sich in fünf Artikeln Ziele, allgemeine Grundsätze, spezielle Grundsätze für die landwirtschaftliche Erzeugung, spezielle Grundsätze für die Verarbeitung von Lebensmitteln und spezielle Grundsätze für die Verarbeitung von Futtermitteln. Diese Artikel 3 bis 7 sind Vorgaben, die sich nicht an den einzelnen Lebensmittelunternehmer und damit auch nicht an die Kontrollstellen zum Zwecke der Kontrolle dieser Unternehmer richten.
Dies folgt aus der Formulierung des Artikel 8, der nur davon handelt, dass Unternehmer die Produktionsvorschriften in Titel III einhalten müssen und nicht Titel II. Titel II enthält zwar Vorgaben, die wie genaue Handlungsanweisungen wirken, zum Beispiel unter den allgemeinen Grundsätzen des Artikel 4 die Vorgabe, dass "keine Verwendung von GVO und aus oder durch GVO hergestellten Erzeugnissen mit Ausnahme von Tierarzneimitteln" erfolgen dürfe.
Diese Vorgaben richten sich aber nicht an die Unternehmer. Derart präzise Formulierungen haben die Funktion, einen strengen Rahmen zu Lasten der Kommission zu setzen, wenn sie Durchführungsbestimmungen als Kommissionsverordnungen erlassen will.
Titel II spielt für Unternehmer und Konstrollstellen dann aber gleichwohl indirekt eine für ihre Praxis erhebliche Rolle, weil Artikel 16 Absatz 5 ihnen aufgibt bei der Verwendung von Erzeugnissen und Stoffen im Landbau für nicht nach Artikel 12 positivlistungspflichtige Stoffe zu prüfen, ob deren Verwendung "den Zielen und Grundsätzen des Titel II" entspricht. Ähnlich soll nach Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe a geprüft werden, ob ein als Konformitätsprodukt aus einem Drittstaat eingeführtes "Erzeugnis" den "Vorschriften der Titel II, III und IV" genügt.
Eine umfassende Kompetenz der Kommission, im Rahmen eines aus den Mitgliedstaaten gebildeten Komitees den Erlass von Kommissionsverordnungen vorzuschlagen, findet sich im Artikel 38 der neuen Verordnung, wie sich eine umfassende Ermächtigung auch in Artikel 13 der alten Verordnung zum Erlass von Kommissionsverordnungen gefunden hatte. Die Kommission hat sich nicht damit durchgesetzt, vom bisherigen Verfahren des Artikel-14-Ausschusses abzuweichen. So findet sich das gleiche Verfahren in Artikel 37 der neuen Verordnung wieder.
Im Gegensatz zur alten Verordnung, in der die der Kommission gesetzten Schranken für die Ausübung dieser delegierten Rechtssetzungsmacht nur mittelbar aus den Vorschriften der Ratsverordnung herausgelesen werden konnten, findet sich in der neuen Verordnung ein ausgearbeitetes, detailliertes System von Schranken. Titel II ist als System von Schranken für die Ausübung der delegierten Rechtssetzungsbefugnis durch die Kommission zu lesen. Wenn die Kommission von den in Titel II gesetzten Vorgaben abweichen möchte, hat sie zwar auch ein Initiativrecht, dies in die Wege zu leiten, jedoch ist der richtige Weg dafür dann der Vorschlag der Veränderung der Ratsverordnung und nicht etwa der politisch leichter durchzusetzende Weg einer Kommissionsverordnung. Sie unterliegt im Artikel-37-Ausschuss der neuen Verordnung, genau wie im Artikel-14-Ausschuss der alten Verordnung, der Notwendigkeit der Zustimmung der Mehrheit der Mitgliedstaaten. Erfahrungsgemäß vermag die Kommission aber Vorschläge für Kommissionsverordnungen leichter durchzusetzen als die politisch regelmäßig kritischer betrachteten Vorschläge der Kommission für die Abänderung einer Ratsverordnung.
In beiden Fällen gilt, dass nur der Kommission und nicht etwa den Mitgliedstaaten das Recht zusteht, initiativ zu werden, also einen Vorschlag vorzulegen. Vorschläge für Kommissionsverordnungen müssen genauso von der Kommission als eigene Vorschläge akzeptiert und vorgelegt werden, wie dies für andere Rechtsnormen, auch für Ratsverordnungen, der Fall ist.
Wenn Mitarbeiter der Kommission erläutern, dass die Besonderheit der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 darin liegt, dass das Verhältnis der Befugnisse zwischen Rat und Kommission klarer definiert wurde, trifft dies zu: Die Befugnisse der Kommission durch Kommissionsverordnungen Durchführungsregelungen zu erlassen, wurden durch die Festlegung der Ziele und Grundsätze in Titel II eingeschränkt. Diese müssen, damit sie im Sinne des Gemeinschaftsrechtes die volle Wirksamkeit entfalten können, für die Zwecke der Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Kommission und Rat eher streng als großzügig ausgelegt werden. Würden sie so ausgelegt, dass sie der Kommission keine Grenzen setzen, würden sie den Zweck der Verordnung, so wie er auch von der Kommission dargelegt wird, verfehlen.
Damit ist die Kommission zum Beispiel gehindert, durch Durchführungsregelungen das Verbot des Einsatzes von GVO abzuschwächen. Eine Abschwächung würde auch erfolgen, wenn die Kommission Regelungen als Durchführungsvorschriften erlassen würde, die bewirken, dass Ökobauern regelmäßig Saatgut einsetzen, welches deutlich über der Nachweisgrenze gentechnische Veränderungen aufweist. Ob das Gleiche für eine Regelung gelten würde, die es Ökobauern erlauben würde, Ernteerzeugnisse mit entsprechend signifikanten gentechnischen Veränderungen als Ökoprodukte zu vermarkten, insbesondere, wenn es durch Maßnahmen wie Trennung von Produktionslinien oder größere Abstände von Feldflächen technisch möglich wäre, die gentechnischen Veränderungen zu vermeiden, erscheint mit Blick auf Artikel 9 zweifelhaft.
Ein erster Blick auf den Aufbau
Vor diesem Hintergrund muss sich die Kommentierung der Verordnung bezüglich Titel II nicht in erster Linie damit beschäftigen, welche Merkposten hier katalogmäßig genannt sind. Der Gedanke, dass Endverbraucher anhand der Regelungen in Titel II verstehen könnten, was den ökologischen Landbau ausmacht, erscheint angesichts der leblosen und wenig konkreten Sprache, die sich in Titel II findet, wenig wahrscheinlich. Die eigentliche Funktion des Titel II liegt aber auch nicht in der Information der Öffentlichkeit, sondern in der Begrenzung der an die Kommission delegierten Rechtssetzungsbefugnisse. Was sich außerhalb des von Titel II gezogenen Rahmens befindet, ist in der Ratskompetenz verblieben.
Bevor man sich als Rechtsanwender in den Details der Verordnung verliert, nützt es, neben der Erkenntnis, dass Titel II die Funktion hat, Kommissionsbefugnisse zu begrenzen, nachzuvollziehen, was die praktischen Wirkungen der anderen Teile sind. Hier ein Überblick:
Unter dem Titel "Ziel, Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen" findet sich unter Titel I im Artikel 1 Absatz 1 eine Zielbestimmung, die nicht erkennen lässt, dass sie eine Rechtsnorm über Landwirtschaft einleitet, denn sie würde auch zur Einleitung von Vorschriften über die Herstellung ökologisch vorteilhafter Automobile taugen.
Es folgt im Absatz 2 die produktbezogene Abgrenzung des Anwendungsbereichs und im Absatz 3 die unternehmensbezogene Abgrenzung. Beide ohne Bezug auf die Ökokennzeichnung, so dass beispielsweise alle Lebensmittel und alle Lebensmittelunternehmer in den Anwendungsbereich fallen.
Im Artikel 2 finden sich Begriffsbestimmungen, die, weil in ihnen teilweise politische Kompromisse "versteckt" sind, genau auf ihre Auswirkungen im systematischen Zusammenhang der Verordnung gelesen werden müssen. Sie verändern den Sinn von Vorschriften im Text der Verordnung an einigen Stellen grundlegend. So ist unter Buchstabe aa eine Begriffsbestimmung der gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen aufgenommen, welche alle Lebensmittelunternehmen erfasst, die am gleichen Ort Produkte aufbereiten und verzehrsfertig an Endverbraucher abgeben, womit auch die Zubereitung von Kartoffelsalat in der Metzgereiabteilung eines Lebensmittelfilialisten erfasst ist.
Titel II beschreibt Grundsätze und Ziele, die ein System von Schranken ergeben, welches der Ausübung der der Kommission vom Rat delegierten Rechtssetzungsbefugnis Grenzen setzt. Artikel 8 verpflichtet Landwirte dementsprechend nicht zur Einhaltung der Vorschriften des Titel II, die vornehmlich als Schranken für die Kompetenzen der Kommission wirken sollen.
Titel III enthält unter entsprechender Überschrift "Produktionsvorschriften" in den Artikeln 8 bis 22. Artikel 8 verpflichtet Unternehmer die Vorschriften des Titel III und der folgenden Titel einzuhalten.. Artikel 9 enthält den Gentechnikausschluss, Artikel 10 den Ausschluss der ionisierenden Strahlung. Artikel 11 enthält allgemeine Vorschriften für die landwirtschaftliche Erzeugung wie den Grundsatz der betrieblichen Gesamtumstellung und als Ausnahme die Trennung von konventioneller und ökologischer Produktion im gleichen Betrieb. Artikel 12 enthält Vorschriften für die pflanzliche Erzeugung, wobei die Fortgeltung der Positivlisten der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d und h für Düngemittel, Bodenverbesserer und Pflanzenschutzmittel auffällt. Im Absatz 2 wird das Sammeln von Wildpflanzen der landwirtschaftlichen Ökoproduktion gleichgestellt.
Artikel 13 regelt das Sammeln von Meeresalgen im Absatz 1 und die Zucht von Meeresalgen, aber nicht von Süßwasseralgen, in Absatz 2. Artikel 14 enthält Vorschriften für die tierische Erzeugung und Artikel 15 für die von Aquakulturtieren. Artikel 16 nennt Kriterien für die Abänderung der nach Artikel 12 weiter geltenden Positivlisten für Pflanzenschutzmittel, Düngemittel und Bodenverbesserer, aber auch neu für die Entwesung von Anlagen der pflanzlichen Erzeugung einschließlich der Lagereinrichtungen im landwirtschaftlichen Betrieb, aber nicht für Entwesungsmittel, die in Lager-, Transport- oder Produktionseinrichtungen nach dem landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt werden.
Artikel 17 führt Regeln für die Umstellung auf, nennt aber keine Umstellungszeit, sondern deutet an, dass die Kommission für verschiedene Kulturen und Tiere unterschiedliche Umstellungszeiträume festlegen wird. Artikel 18Artikel 19 die verarbeiteter Lebensmittel. Artikel 20 die Herstellung von Hefe und Artikel 21 enthält spiegelbildlich zu Artikel 16 Kriterien für die Abänderung der Positivlisten für die Lebensmittelverarbeitung, die aus der alten Verordnung gemäß Artikel 19 Absatz 3 Satz 2 weiter gelten. regelt die Herstellung verarbeiteter Futtermittel und
Artikel 22 enthält eine Ermächtigung zu Gunsten der Kommission, abweichend von den Vorgaben in den Titeln III bis VII Ausnahmen zuzulassen, wobei aber die Vorschriften des Titel II einen nicht überwindbaren äußeren Rahmen bieten. Die Ausnahmen sollen zur Bewältigung spezifischer regionaler oder zeitlich begrenzt auftretender Probleme in den Mitgliedstaaten gewährt werden, wobei die Gründe dafür im abschließenden Katalog des Artikel 22 Absatz 2 genannt sind. Die Kommission hat damit die Befugnis an sich gezogen, zur Bewältigung besonderer Umstände genau das Gegenteil dessen zu bewirken, dass im Allgemeinen Ziel einer Verordnung ist, nämlich die Produktionsbedingungen zu harmonisieren. Es handelt sich also um die Gestattung einer Ungleichbehandlung, deren Grenzen einmal durch den Katalog des Artikel 22 Absatz 2 und zum anderen durch die Rechtsvorschriften des Titel II gezogen sind.
Die Kommission hatte ihren Vorschlag für eine Totalrevision der Vorgängerverordnung im Wesentlichen damit begründet, dass diese viele Ausnahmen (Derogationen) zulasse, die vor allem den Behörden der Mitgliedstaaten und den Kontrollstellen gewährt würden. Dies solle beendet werden, und die Macht, Ausnahmen zu gewähren, solle bei der Kommission konzentriert werden. Aus Artikel 27 Absatz 7 Buchstabe b folgt allerdings, dass die Kommission Ausnahmen durch die Flexibilitätsregelung des Artikel 22 auch so gewähren kann, dass es den Kontrollstellen überlassen wird, zu entscheiden, ob die Ausnahme im Einzelfall Anwendung findet oder nicht.
Im Titel IV finden sich die Kennzeichnungsregelungen. Artikel 23 enthält drei verschiedene Systeme für die Ökokennzeichnung von verpackten Lebensmitteln. Artikel 24 die Pflichtangaben der Kontrollstellencodenummer, des Gemeinschaftslogos und der geographischen Herkunftsangabe. Artikel 25 bestätigt die Legitimität privater und staatlicher nationaler Ökoprüfzeichensysteme. Artikel 26 ermächtigt die Kommission, die noch völlig fehlenden Regelungen für die Kennzeichnung von Ökofuttermitteln und Ökoumstellungserzeugnissen pflanzlichen Ursprungs sowie Vermehrungsmaterial und Saatgut zu erlassen.
Titel V enthält die Vorschriften über Kontrollen. Im Artikel 27 ist das Kontrollsystem geregelt, wobei in Artikel 27 Absatz 4 Buchstabe b die Übertragung von Kontrollaufgaben auf Kontrollstellen genannt ist. Diese Kontrollstellen sind in der Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe p als "unabhängige private Dritte" definiert. In Artikel 27 wird auf die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 über die amtlichen Kontrollen Bezug genommen, wobei die Sonderregelungen des Artikel 27 Absatz 5 deutlich machen, dass die Regeln der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 die Materie im Wesentlichen spezialregeln und damit die allgemeinen Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 verdrängen. Wichtig aus dem Kreis der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 bleiben aber die nicht für die Zwecke der Ökokontrolle spezialgeregelten Vorschriften, insbesondere jene über die Amtshilfe, auch grenzüberschreitende Amtshilfe, in Titel IV der Kontrollverordnung. Es wird die Akkreditierung der Kontrollstellen, aber nicht der Kontrollbehörden nach der EN 45011 verlangt.
Artikel 28 begrenzt die Pflicht zur Teilnahme am Kontrollsystem, so dass längst nicht alle Unternehmen, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, ökokontrollpflichtig sind. Artikel 29 verlangt die Ausgabe von Betriebszertifikaten wie sie von den nach der EN 45011 akkreditierten Kontrollstellen schon nach deren Abschnitt 12.3 auszustellen sind. Artikel 30 sieht das System von Partienaberkennung und betrieblichem Vermarktungsverbot auf Zeit vor, wie dies schon aus Artikel 9 Absatz 9 der Vorgängerverordnung bekannt war. Hier findet sich aber eine wesentliche Klarstellung: Sanktionen erfolgen nur, "wenn dies in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Vorschrift steht, gegen die verstoßen wurde".
Titel VI regelt die Importe aus Drittstaaten, wobei ein duales und damit potentiell diskriminierendes System eingerichtet ist, in dem gemäß Artikel 32Artikel 33 aber nur als gleichwertig. Artikel 34Artikel 35 Drittstaatenware als vollständig den EU-Öko-Vorschriften konform behandelt wird, nach handelt von der Gewährleistung des freien Binnenmarktes, erlaubt den Mitgliedstaaten aber die Inländerdiskriminierung der eigenen Biobauern, aber nur durch Vorschriften die für alle eigenen Landwirte gelten. beschränkt die Berichtspflicht der Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission auf Formalien.
In Titel VII finden sich Schlussbestimmungen, zu denen aber auch die wichtige Bestimmung in Artikel 36 über statistische Informationen gehört, welche von den Mitgliedstaaten nach dem Statistikprogramm der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen sind und dementsprechend auch von Unternehmen zwangsweise erhoben werden dürfen. Artikel 37 sieht einen Regelungsausschuss vor, in dem die Mitgliedstaaten über Vorschläge der Kommission nach dem Mehrheitsprinzip abstimmen. Artikel 38 ermächtigt die Kommission, ähnlich wie der letzte Absatz vieler Artikel dieser Verordnung, Durchführungsvorschriften in der Form von Kommissionsverordnungen zu erlassen.
Diese Verordnung wird mit einer Reihe von Kommissionsverordnungen im Zickzack zu lesen sein:
Die Kommission hat einen Arbeitsentwurf vom 10. Januar 2008 unter dem Titel "Working Document (Draft), COMMISSION REGULATION laying down detailed rules for the implementation of Council Regulation (EC) No 834/2007 on organic production and labelling of organic products with regard to organic production, labelling and control" vorgelegt. Zuvor hatte sie einen Entwurf vom 16. November 2007 für Importe aus Drittstaaten mit dem Titel "AGRI F5 – Working document - 16.11.2007 SCOF 27.11.2007 – point B.2 DRAFT COMMISSION REGULATION of [date] laying down detailed rules for implementation of Council Regulation (EC) No 834/2007 as regards the arrangements for imports of organic products from third countries" veröffentlicht.
Artikel 29 hebt die Vorgängerverordnung zum 1. Januar 2009 vollständig auf, so dass ohne gesonderte Übergangsregelungen für vorhandene Etikettenbestände diese vernichtet werden müssen. Der vorliegende Entwurf sieht noch keine angemessene Frist vor, wie Artikel 40 diese anspricht. Artikel 42 verweist für Süßwasseralgen und andere Erzeugnisse auf die unmittelbare Anwendung nationaler und privater Vorschriften. Dies nicht außerhalb, sondern innerhalb des geregelten Bereichs.
Die Sprachfassungen
Die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 wurde in der Kommission vornehmlich in einer englischen Sprachfassung ausgearbeitet. Allerdings bemerkt man in der englischen Fassung sprachliche Unbeholfenheit, wie sie sich auch im französischen Text findet. Gesetzestexten, die nicht von einem Verfasser in seiner Muttersprache aus einem Guss entwurfen werden, merkt man die Arbeit der Autoren in den ihnen fremden Arbeitssprachen an.
Veränderungen, welche am Kommissionsvorschlag vom Dezember 2005 vorgenommen wurden, wurden am englischen Text diskutiert und in ihn eingearbeitet. Die Arbeit am französischen Text war, anders als noch 1988 bis 1991 bei den Arbeiten an der Vorgängerverordnung in den Hintergrund getreten.
Die deutsche Fassung weist Übersetzungsfehler auf: Teilweise werden Wörter, die in der englischen Fassung an verschiedenen Stellen einheitlich gebraucht werden, in der deutschen Fassung mit verschiedenen Begriffen übersetzt oder umgekehrt. Die Terminologiedatenbank IATE (Interactive Terminology for Europe) mit 1,4 Millionen mehrsprachigen Einträgen, welche die einheitliche Übersetzung gewährleisten soll, wird offenbar nicht richtig eingesetzt.
Die am Wortlaut orientierte Auslegung der Rechtsnorm wird daher immer auch zugleich den englischen Text betrachten, weil er noch am ehesten mit der Sprachfassung übereinstimmt, die den Beteiligten bei der Diskussion und Verabschiedung der Verordnung vor Augen stand. Es bietet sich an, auch den französischen Text zu berücksichtigen, da Englisch, Französisch und Deutsch in der Kommission als Arbeitssprachen verwendet werden.
Nach dem EuGH kommt allen im Amtsblatt veröffentlichten Sprachfassungen einer Verordnung die gleiche Authentizität zu. Auf die Fassung der EU-Norm in der Amtssprache, die zugleich die Amtssprache in dem Mitgliedstaat ist, über dessen Vollzugspraxis im konkreten Fall gestritten wird, kommt es daher nicht an: sie hat kein größeres Gewicht als die Fassung in einer anderen Amtssprache der Gemeinschaft. Auch die drei Arbeitssprachen genießen danach keinen Vorrang. Diese Rechtsprechung war noch zu einer Zeit begründet worden, in der jeder gebildete Richter alle Sprachfassungen zumindest nachvollziehen und den Unterschieden selbst nachspüren konnte.
Inzwischen hat die Gemeinschaft 27 Mitgliedstaaten und 23 Amtssprachen. Diese Verordnung wurde in allen Amtssprachen im Amtsblatt veröffentlicht. Der EuGH betont in seiner Rechtsprechung, dass der objektive, wirkliche Wille der Rechtsnorm durch Betrachtung des Kontextes und der Ziele einer Rechtsnorm zu erforschen sei. Insbesondere wird verlangt, jede EG-Norm in ihrer Einbettung in das Gemeinschaftsrecht auszulegen. Damit wendet sich der Gerichtshof gegen Versuche, das Gemeinschaftsrecht unter Heranziehung der Begriffe aus nationalen Rechtsnormen auszulegen.
Nach dem EuGH muss die Auslegung der EG-Norm von ihrer Fassung in allen Amtssprachen ausgehen, aber unter vorrangiger Berücksichtigung des vom Gemeinschaftsgesetzgeber verfolgten Ziels. Durch diese Forderung nach einer am gesetzgeberischen Ziel orientierten teleologischen Auslegung gelangt der Gerichtshof dann doch zu einer Betrachtung der Arbeitsfassungen der Rechtsnorm, denn dass die Fassung der Arbeitssprache oder der Arbeitssprachen dieses Ziel am ehesten dokumentierten, liegt nahe. Dies ohne dass der EuGH die Theorie der vollständigen Gleichwertigkeit der Fassungen der auszulegenden Vorschrift in allen Amtssprachen aufgibt.
VERORDNUNG*1 (EG) Nr. 834/2007 DES RATES
vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION, *2
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 37,*3
auf Vorschlag der Kommission, *4
nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (1), *5
in Erwägung nachstehender Gründe *6:
(1) Stellungnahme vom 22. Mai 2007 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
Kommentierung des Titels und der Einleitung
*1 Die Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft haben in den Mitgliedstaaten direkte Wirkung. Sie wirken in den Mitgliedstaaten wie deren eigene Gesetze.
Auch diese Verordnung verpflichtet die Normadressaten unmittelbar, seien es etwa Lebensmittelunternehmen, die Behörden der Mitgliedstaaten oder deren Gerichte. So lautet Artikel 249 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft: „Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat". Anders als EG-Richtlinien müssen Verordnungen also nicht erst durch nationale Gesetze der Mitgliedstaaten in deren Rechtsordnung transformiert werden: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel".
Diese Verordnung ist wie ein nationales Gesetz zu vollziehen. Bundesgesetze werden in Deutschland gemäß Artikel 30 Grundgesetz in der Regel von den Bundesländern vollzogen: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt". Die Verordnung wird in Deutschland entsprechend wie andere EG-Verordnungen auch von den Ländern vollzogen. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hat nur wenige, durch das Ökolandbaugesetz des Bundes definierte Zuständigkeiten. So für die Einzelzulassung von Drittlandimporten und von Kontrollstellen.
Was gilt, wenn diese Verordnung nicht klar ist? Was, wenn ihre Rechtsbegriffe nicht eindeutig, sondern unbestimmt sind und ihre Auslegung zu unterschiedlichen Ergebnissen führt?
Dann kann jede jeweils zuständige Behörde ihre Verwaltungspraxis durch eine Verwaltungsvorschrift definieren. Eine Verwaltungsvorschrift kann norminterpretierend als Hilfe bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe verfasst sein. Sie gilt dann als „Innenrecht der Verwaltung" und als Instrument der Sicherung ihres hierarchischen Aufbaus. Eine Verwaltungsvorschrift bindet aber nur die Bediensteten. Folglich ist sie keine Rechtsnorm, und folglich gilt für Verwaltungsvorschriften das Verbot der Parallelregelung nicht.
Diese Verordnung bedarf keines nationalen Transformationsaktes, um in der nationale Rechtsordnung des Mitgliedstaates als Rechtsnorm gültig zu werden und die Adressaten zu verpflichten. Damit aber nicht genug: Den Mitgliedstaaten ist die Parallelregelung verboten. Was in dieser Verordnung geregelt ist, darf in nationalen Rechtsnormen der Mitgliedstaaten nicht abweichend, aber auch nicht mit gleichem Inhalt geregelt werden. Es soll kein Irrtum darüber bestehen, ob eine bestimmte Vorschrift zum Gemeinschaftsrecht gehört und daher den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu genügen hat, oder ob es sich um eine Vorschrift des nationalen Rechts handelt, für die möglicherweise eine ganz andere, durch die Rechtsprechung der nationalen Gerichte geprägte Rechtspraxis gilt. Es ist auch nicht zulässig, den unbestimmten Rechtsbegriffen dieser Verordnung dadurch einen konkreteren Inhalt zu geben, dass durch eine nationale Rechtsnorm genauer beschrieben wird, was gemeint sein soll.
In der Wiederholung einer Vorschrift einer EG-Verordnung sieht der Europäische Gerichtshof die Gefahr der Verwirrung durch eine uneinheitliche, der Harmonisierung durch die Vorabentscheidungen des Gerichtshofs entzogenen, jeweils nationalen Rechtspraxis („Zerbone"-Entscheidung). In „Vorabentscheidungen" beantwortet der EuGH Auslegungsfragen unter anderem zu EG-Verordnungen, die ihm von nationalen Gerichten aus den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 234 des EG-Vertrags gestellt wurden, wenn die Fragen für die Entscheidung eines beim nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreits erheblich sind. Die Adressaten dieser Verordnung, wie Privatpersonen oder Unternehmen, können den EuGH nicht direkt anrufen. Sie haben keine Klagbefugnis. Zur direkten Klage sind sie nicht aktivlegitimiert. Sie können nur mittelbar über die Anfechtung nationaler Verwaltungsakte eine inzidente richterliche Prüfung der dem Akt zugrundeliegenden Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts herbeiführen. Sinn des Vorabentscheidungsverfahrens ist es also, eine einheitliche Praxis der Anwendung insbesondere von EG-Verordnungen in den Mitgliedstaaten herbeizuführen. Die mitgliedstaatlichen Gerichte sind an die Entscheidung des EuGH gebunden und müssen gemeinschaftsrechtliche Normen nach dessen Vorgaben auslegen.
Da eine Verwaltungsvorschrift wegen ihrer fehlenden Außenwirkung aber keine Rechtsnorm ist, darf sie das Ausfüllen und Anwenden der Vorschriften auch dieser Verordnung zum Gegenstand haben. Die Mitgliedstaaten dürfen also, anders als durch Rechtsnormen, was ihnen verboten ist, die Vorschriften der EG-Verordnung durch Verwaltungsvorschriften auslegen.
Wie für Bundesgesetze sind für den Vollzug auch dieser Verordnung in Deutschland vornehmlich die Bundesländer zuständig. Die Leiter der Fachabteilungen in den Verwaltungen der sechzehn deutschen Bundesländer, die mit dem Vollzug der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 befasst sind, treffen sich regelmäßig im Rahmen einer Länderarbeitsgemeinschaft. Auf den Sitzungen der „LÖK" wird häufig über Interpretationsfragen gesprochen, und man bemüht sich um ein einheitliches Verständnis der Vorgaben der EG-Verordnung, um sicherzustellen, dass diese in allen Bundesländern gleich umgesetzt werden. Trotz dieses Koordinationsinstrumentes gibt es in der Praxis der Bundesländer tiefgreifende Unterschiede. Dies liegt nicht zuletzt an einem eher legeren Umgang mit dem Instrument der Entwicklung einer gemeinsamen Auffassung der Bundesländer.
So findet sich im Internet eine Datenbank mit Beschlüssen der Länderarbeitsgemeinschaft, die Aussagen zu bestimmten Auslegungsfragen enthält. Dies unter „oekolandbau.de", einem mit öffentlichen Mitteln aufgebauten Informationsportal. Diese Beschlüsse weisen ganz unterschiedliche Qualität auf. Manche sind offensichtlich nicht durchdacht. Mit Recht findet sich daher auf der von der Geschäftsstelle Bundesprogramm Ökologischer Landbau in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) unterhaltenen Webseite der Hinweis: „Die "LÖK" ist eine Arbeitsgemeinschaft der zuständigen Behörden der Länder für den ökologischen Landbau in Deutschland, die Ergebnisse sind nur für die Verwaltungsbereiche der Länder in Deutschland bestimmt. Von einer darüber hinausgehenden Weitergabe ist daher abzusehen".
Manche der „Ergebnisse" werden in keinem Bundesland beachtet, andere nur in der Minderzahl der Länder. Die Beschlüsse der Länderarbeitsgemeinschaft haben nicht den Charakter von Verwaltungsvorschriften. Sie können sie aber dadurch erhalten, dass ein Bundesland in den für den Erlass einer Verwaltungsvorschrift vorgesehenen Formen sich einen „LÖK"-Beschluss als Verwaltungsvorschrift zur internen Steuerung seiner Verwaltung zu eigen macht. Für die Auslegung und die entsprechende Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Gerichte, welche Entscheidungen überprüfen, sind Verwaltungsvorschriften nicht maßgebend. Die richterliche Prüfung hat unmittelbar die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zum Gegenstand: Wenn ein Gericht eine beim Vollzug dieser Verordnung zu einem bestimmten Zeitpunkt getroffene Entscheidung prüft, kann es sich nicht an den Angaben in einer Verwaltungsvorschrift orientieren, die Hinweise darauf gibt, wie Zweifelsfragen entschieden werden sollen.
Zugunsten der Rechtsunterworfenen bewirkt die durch eine Verwaltungsvorschrift oder sonstwie harmonisierte Vollzugspraxis eine Selbstbindung der Verwaltung, aus der heraus sich dann ein Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes ableitet. Dies aber nur im Rahmen der vom Gemeinschaftsrecht gesetzten Grenzen.
Die unmittelbare Geltung dieser Verordnung (EG) Nr. 834/2007 bewirkt ihren Vorrang vor dem nationalen Recht auch dann, wenn der nationale Gesetzgeber nach ihrem Erlass eine entgegenstehende oder gleichsinnige nationale Rechtsnorm in Kraft setzt. Die ältere EG-Verordnung würde nicht etwa nach dem Grundsatz, dass das jüngere Recht dem älteren vorgehe (lex posterior derogat legi priori), von jüngerem nationalem Recht verdrängt. Der EuGH spricht davon, dass das Gemeinschaftsrecht hier das nationale Recht insgesamt verdrängt habe.
Die Besonderheit dieser Verordnung wie auch ihrer Vorgängerin liegt darin, dass sie die Mitgliedstaaten ausdrücklich zu Umsetzungsakten in einer Weise verpflichtet, die dem Leitbild einer Richtlinie ähnelt. So wird ihnen in Artikel 27 Absatz 1 aufgegeben, ein System für Kontrollen „einzuführen". Dieses „Einführen" verlangt mehr als ein schlichtes Vollziehen der gemeinschaftsrechtlichen Norm in der nationalen Verwaltung, weil Artikel 27 Absatz 4 Buchstabe b die Übertragung von Kontrollaufgaben an private Kontrollstellen vorsieht. Die Frage aber, ob und wer und unter welchen Bedingungen als private Sachverständigeneinrichtung nach staatlicher Zulassung und unter staatlicher Aufsicht oder als hoheitlich Beliehene und damit Teil der Verwaltung, welcher der Sach- und Rechtsaufsicht der Verwaltung untersteht, zur Tätigkeit als Kontrollstelle zugelassen wird, greift so tief in die Wirtschafts- und Gewerbefreiheit der Betroffenen ein, dass diese Regelung nach nationalem Verfassungsrecht durch oder aufgrund eines nationalen Gesetzes erfolgen müsste.
Diese EG-Verordnung ist in manchen Punkten also als unvollständige Vorschrift in der Weise angelegt, dass bestimmte Aspekte der Ausfüllungen durch nationale Rechtsnormen überantwortet werden. Bezüglich dieser Punkte sind die Mitgliedstaaten nicht nur an der Ausfüllung durch eigene Rechtsnormen nicht gehindert, sondern zu ihr verpflichtet, weil das Gemeinschaftsrecht nur auf diese Weise zu praktischer Wirksamkeit im Sinne des vom EuGH postulierten „effet utile" gelangt.
*2 Diese Verordnung beruht nicht auf der Initiative des Rats und damit auch nicht auf einer Initiative der Mitgliedstaaten, sondern auf einer Initiative der Kommission. Dies entspricht aber der institutionellen Stellung der Kommission im Verhältnis zu Rat und Parlament: Die Kommission hat in den hier betroffenen Bereichen ein uneingeschränktes Initiativrecht in dem Sinn, dass die anderen Institutionen keines haben. Der Rat kann EG-Verordnungen nur „auf Vorschlag der Kommission" neu erlassen oder ändern. Damit hängt es von der Kommission ab, wann ein Rechtsakt und mit welchem Inhalt er erlassen wird. Der Rat und das Europäische Parlament können die Kommission aber natürlich darum bitten, Vorschläge vorzulegen, wenn die Mitgliedstaaten dies für erforderlich halten. Das alleinige Initiativrecht der Kommission soll das institutionelle Gleichgewicht der Gemeinschaft in dem Sinne sichern, dass im Zweifel alles unterlassen wird, das eher den Politiken der Mitgliedstaaten entsprechen würde als der Förderung der Gemeinschaft als Einrichtung.
Die Beschlüsse des Rates in diesem Bereich werden durch den Sonderausschuss Landwirtschaft im COREPER vorbereitet. Dieses „Comité des représentatives permanentes", auf Deutsch „Ausschuss der ständigen Vertreter" gemäß Artikel 207 EG-Vertrag, ist von Vertretern der Mitgliedstaaten im Rang von Botschaftern besetzt. Er tagt in drei Zusammensetzungen: Der CSA, das "Comité special d' agriculture", ist eine davon. Den Vorsitz führt jeweils ein Vertreter des Mitgliedstaates, der gerade die Ratspräsidentschaft innehat, die jedes halbe Jahr wechselt. Es werden häufig ad hoc Ausschüsse von Fachbeamten der Mitgliedstaaten zur Vorbereitung von Sitzungen gebildet, in denen die wichtigen Entscheidung praktisch fallen. Entwürfe für Verordnungen, über die im COREPER Einigung erzielt wurde, werden als „A-Punkte" ohne Beratung im Rat verabschiedet. Die fachliche und die diplomatische Qualität, das Engagement für bestimmte Punkte, häufig auch schlicht die Sprachkenntnisse der Fachbeamten, die in den ad hoc gebildeten Ausschüssen tätig werden, beeinflussen die im Ergebnis verabschiedeten Rechtsnormen oft erheblich.
Die Kommission ist in der Europäischen Union auch die Exekutive. Sie setzt die Beschlüsse von Ministerrat und Parlament um. Zugleich ist sie aber in Ausübung ihres Initiativrechtes der alleinige Motor der Gemeinschaft. Sie legt Rechtsvorschriften, politische Maßnahmen und Programme vor. Für Nicht-EU-Bürger ist es häufig erstaunlich, dass praktisch alle wichtigen Gesetze in der Europäischen Union ausschließlich von der Verwaltung, also der Kommission, entworfen und vom Parlament und dem Rat letztlich nur gebilligt werden.
Besonders problematisch ist die Konzentration des Initiativrechts auf die Europäische Kommission in Bereichen, in denen ihr die Kraft und Fachkompetenz zur Initiative fehlt. Dies gilt entsprechend für das in dieser Verordnung in Artikel 37 vorgesehene Verfahren für den Erlass von Durchführungsvorschriften. Die Mitgliedstaaten können künftig darum bitten, dass die drei fachlichen Mitarbeiter der Abteilung F 5 „Organic Farming" der Generaldirektion Landwirtschaft sich mit ihren Anliegen beschäftigen. Ob sie gehört werden, hängt nicht zuletzt vom Grad der Arbeitsbelastung dieser wenigen Personen und von deren spezifischen Kenntnissen und Interessen ab.
*3 Diese Verordnung wird als eine Verordnung der „EG", also der Europäischen Gemeinschaft, bezeichnet, obgleich sie im „Amtsblatt der Europäischen Union" vom 28.07.2007 veröffentlicht wurde. Die Europäische Gemeinschaft (EG) ist der juristische, völkerrechtlich handlungsfähige Kern der Europäischen Gemeinschaften. Diese werden als die erste von drei „Säulen" der Europäischen Union (EU) verstanden, die selbst völkerrechtlich nicht handlungsfähig ist.
Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wurde 1957 durch den Vertrag von Rom von sechs Mitgliedstaaten gegründet. Mit dem Vertrag von Maastricht 1992 wurde die EWG in „Europäische Gemeinschaft" (EG) umbenannt und das Prinzip der drei Säulen eingeführt. Sie umfassten (1) die Europäischen Gemeinschaften (EGKS, EG, Euratom), (2) die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und (3) die Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften wurde 1993 in den „Rat der Europäischen Union" und die „Kommission der Europäischen Gemeinschaften" zur „Europäischen Kommission" umbenannt. Die vom Rat erlassenen Rechtsakte werden als Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft (EG) bezeichnet. Daher unser Titel „EG-Verordnung".
Diese Verordnung ist gestützt auf Artikel 37 des EG-Vertrags erlassen worden. Die Kommission hatte die Anregung des Europäischen Parlaments, diese Verordnung zugleich auf die Kompetenz zur Rechtsangleichung im Binnenmarkt gemäß Artikel 95 zu stützen, abgelehnt. Dies hätte nämlich nach Artikel 95 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 251 EG-Vertrag bewirkt, dass das Europäische Parlament nicht nur anzuhören, sondern im Verfahren der Mitentscheidung zu beteiligen gewesen wäre. Dies hätte Folgen nicht nur für den Beschluss der Ratsverordnung, sondern auch für alle künftigen Initiativen der Kommission für Durchführungsregelungen im Artikel-37-Verfahren gehabt.
Der Einfluss des Parlaments sollte nach dem Willen der Kommission, dem sich der Rat letztlich unterwarf, ausgeschaltet werden. Aus diesem Grund wurde diese neue Verordnung von der Kommission nur auf die Handlungskompetenz gemäß Artikel 37 des EG-Vertrags gestützt. So erklärt sich, dass man in Kauf nahm, die Ökokennzeichnung von Kosmetika, Arzneimitteln, Textilien und anderen Nichtlebensmitteln auf nicht absehbare Zeit nicht gesetzlich zu regeln, obgleich es in diesen Bereichen viele und zur Verwirrung des Marktes divergierende private Initiativen gibt. Hätte man diese Erzeugnisse in den Anwendungsbereich einbezogen, hätte Artikel 95 EG-Vertrag als Kompetenznorm gewählt werden müssen, was aber dann die Beteiligungsrechte des Parlaments erweitert hätte.
Die zentrale landwirtschaftliche Kompetenznorm des Artikel 37 Absatz 2 Satz 3 sieht vor, dass der Rat „auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments" Rechtsnormen „mit qualifizierter Mehrheit" erlässt, so auch diese Verordnung (EG) Nr. 834/2007.
Diese Kompetenznorm ordnet der Kommission die Initiativkompetenz und dem Rat die Beschlusskompetenz auf dem Gebiet der „Landwirtschaft" zu. Dass der Rat und damit die in ihm vertretenen Mitgliedstaaten nicht selbst initiativ werden können, entspricht Artikel 250 Absatz 1 des EG-Vertrags.
Da die Kommission diese Verordnung nur gestützt auf die Handlungskompetenz der Rates zur normativen Gestaltung im Bereich der „Landwirtschaft" erlassen hat und sich trotz der Gegenvorstellung des Parlaments weigerte, eine breitere Grundlage zu wählen, wird häufig überlegt, ob der Anwendungsbereich dieser Verordnung nicht weiter reichen könne, als die dem Rat durch Artikel 37 Absatz 2 Satz 3 EG-Vertrag vermittelte Kompetenz. Dann wird weiter gefragt, ob sich nicht aus den Formulierungen in Anhang I des EG-Vertrags, einer Liste von Erzeugnissen, ergebe, dass, entgegen des Wortlauts dieser Verordnung manche Erzeugnisse aus ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, zum Beispiel Mate. Dies ist aus den folgenden Gründen nicht der Fall.
Artikel 37 findet sich in Titel II des EU-Vertrags unter der Überschrift "Die Landwirtschaft". Er lautet: "(1) Zur Erarbeitung der Grundlinien für eine gemeinsame Agrarpolitik beruft die Kommission unmittelbar nach Inkrafttreten dieses Vertrags eine Konferenz der Mitgliedstaaten ein, um einen Vergleich ihrer Agrarpolitik, insbesondere durch Gegenüberstellung ihrer Produktionsmöglichkeiten und ihres Bedarfs, vorzunehmen. (2) ... . Diese Vorschläge müssen dem inneren Zusammenhang der in diesem Titel aufgeführten landwirtschaftlichen Fragen Rechnung tragen. Der Rat erlässt mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen, unbeschadet seiner etwaigen Empfehlungen ...". Durch die Wahl des Artikel 37 als Grundlage bewirkte die Kommission, dass die Rechte des Parlaments beschnitten waren, denn ihr zufolge wurde das Parlament nur angehört und nicht beteiligt.
Artikel 37 EG-Vertrag betrifft also die Landwirtschaft. Diese Verordnung bezieht sich aber wesentlich auf den Schutz der Verbraucher vor irreführender Lebensmittelkennzeichnung, auf die Leistung von Diensten durch Ökokontrollstellen und Lebensmittelunternehmen im Binnenmarkt. Wäre stattdessen oder zusätzlich Artikel 95 des EG-Vertrags als Verordnungsgrundlage gewählt worden, wäre die Stellung des Parlaments im Komitologieverfahren gestärkt worden.
Was „Landwirtschaft" im System des EG-Vertrags bedeutet, wo also die Grenzen dieses Bereiches liegen, wird zwar im EG-Vertrag behandelt. Der Europäische Gerichtshof spricht jedoch von einer „umfassenden" Kompetenz der Gemeinschaft in diesem Bereich.
Die Abgrenzung der Landwirtschaft in Artikel 32 EG-Vertrag durch den Verweis auf eine Liste von Erzeugnissen wird nicht so ausgelegt, als dass Rechtsakte des Rats wegen Überschreitung der Gemeinschaftskompetenzen als unwirksam zu behandeln sind, wenn sie sich zwar auf Artikel 37 EG-Vertrag stützen, aber Sachverhalte regeln, die sich auf "Nicht-Anhnag-I-Produkte" beziehen, sei es, weil diese schon weiter verarbeitet sind, als dort vorgesehen, sei es, weil sie, obgleich offensichtlich landwirtschaftliche Erzeugnisse, vom Wortlaut der 1956 aufgestellten Listen ausgeschlossen erscheinen:
„(1) Der Gemeinsame Markt umfasst auch die Landwirtschaft und den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Unter landwirtschaftlichen Erzeugnissen sind die Erzeugnisse des Bodens, der Viehzucht und der Fischerei sowie die mit diesen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Erzeugnisse der ersten Verarbeitungsstufe zu verstehen. (2) Die Vorschriften für die Errichtung des Gemeinsamen Marktes finden auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Anwendung, soweit in den Artikeln 33 bis 38 nicht etwas anderes bestimmt ist. (3) Die Erzeugnisse, für welche die Artikel 33 bis 38 gelten, sind in der diesem Vertrag als Anhang I beigefügten Liste aufgeführt".
Welches sind die „Nicht-Anhang-I-Erzeugnisse"? Zum Beispiel: „Mate Position 0903" wird im Anhang des EG-Vertrags ausdrücklich aus Kapitel 9 des „Brüsseler Zolltarifschemas" herausgenommen.
Aber ist damit klar, dass ein als Bioprodukt gekennzeichneter Matetee nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt? „Gemüse, Pflanzen, Wurzeln und Knollen, die zu Ernährungszwecken verwendet werden" sind nach der Überschrift des Kapitel 7 dort erfasst. Ist „Matetee" auf diesem Weg erfasst?
Ja, Bio-Mate fällt in den Anwendungsbereich dieser Verordnung, aber die Auslegung der Eintragungen in dieser Liste ist nicht entscheidend, sondern der Regelungsanspruch des Rates, also der gemeinschaftlich auf den Vorschlag der Kommission handelnden Mitgliedstaaten, wie er in der konkret erlassenen Verordnung zum Ausdruck kommt.
Letztlich kommt es für den Zweck, den Anwendungsbereich dieser Verordnung abzugrenzen, nicht darauf an, ob das konkrete Bioprodukt eine Anhang-I-Erzeugnis oder ein Nicht-Anhnag-I-Erzeugnis ist, sondern ob es vom Wortlaut des Artikel 1 Absatz 2 dieser Verordnung erfasst wird.
Der Absatz 3 des Artikel 32 gibt vor, dass die Erzeugnisse, für welche der Titel II des EG-Vertrags gilt, in der dem EG-Vertrag als Anhang I beigefügten Liste aufgeführt sind. Der Absatz legt damit den sachlichen Anwendungsbereich des Titel II fest. Das Tatbestandsmerkmal "Landwirtschaft", das auch im Titel II des EG-Vertrags angegeben ist, definiert der Vertrag selbst nicht. In Artikel 32 Absatz 1 Satz 1 ist jedoch der "Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen" mit der Maßgabe benannt, dass der "Gemeinsame Markt" auch diesen Handel umfasse. Der Text des Anhangs I zum EG-Vertrag lautet:
„ANHANG I LISTE zu Artikel 32 dieses Vertrags
(1) Nummer des Brüsseler Zolltarifschemas |
(2) Warenbezeichnung |
Kapitel 1 |
Lebende Tiere |
Kapitel 2 |
Fleisch und genießbarer Schlachtabfall |
Kapitel 3 |
Fische, Krebstiere und Weichtiere |
Kapitel 4 |
Milch und
Milcherzeugnisse, Vogeleier; |
Kapitel 5 |
|
05.04 |
Därme, Blasen und
Mägen von anderen |
05.15 |
Waren tierischen
Ursprungs, anderweit weder genannt
noch inbegriffen; nicht lebende
Tiere des Kapitels 1 oder 3, |
Kapitel 6 |
Lebende Pflanzen
und Waren des |
Kapitel 7 |
Gemüse, Pflanzen,
Wurzeln und |
Kapitel 8 |
Genießbare
Früchte, Schalen von |
Kapitel 9 |
Kaffee, Tee und
Gewürze, ausgenommen |
Kapitel 10 |
Getreide |
Kapitel 11 |
Müllereierzeugnisse,
Malz; Stärke; |
Kapitel 12 |
Ölsaaten und
ölhaltige Früchte; |
Kapitel 13 |
|
ex13.03 |
Pektin |
Kapitel 15 |
|
15.01 |
Schweineschmalz;
Geflügelfett, ausge- |
15.02 |
Talg von Rindern, Schafen oder Ziegen, roh oder ausgeschmolzen, einschließlich Premier Jus |
15.03 |
Schmalzstearin;
Oleostearin; Schmalzöl, |
15.04 |
Fette und Öle von
Fischen oder Meeres- |
15.07 |
Fette pflanzliche
Öle, flüssig oder fest, |
15.12 |
Tierische und
pflanzliche Fette und Öle, g |
15.13 |
Margarine,
Kunstspeisefett und andere |
15.17 |
Rückstände aus
der Verarbeitung |
Kapitel 16 |
Zubereitungen von
Fleisch, Fischen, |
Kapitel 17 |
|
17.01 |
Rüben- und Rohrzucker, fest |
17.02 |
Andere Zucker;
Sirupe; Kunsthonig, |
17.03 |
Melassen, auch entfärbt |
17.05( 1) |
Zucker, Sirupe
und Melassen, aromatisiert |
Kapitel 18 |
|
18.01 |
Kakaobohnen, auch
Bruch, roh oder |
18.02 |
Kakaoschalen,
Kakaohäutchen und |
Kapitel 20 |
Zubereitungen von
Gemüse, |
Kapitel 22 |
|
22.04 |
Traubenmost,
teilweise vergoren, auch |
22.05 |
Wein aus frischen
Weintrauben; mit |
22.07 |
Apfelwein,
Birnenwein, Met und andere |
ex22.08( 1)ex22.09( 1) |
Äthylalkohol und
Sprit, vergällt |
ex22.10( 1) |
Speiseessig |
Kapitel 23 |
Rückstände und
Abfälle der |
Kapitel 24 |
|
24.01 |
Tabak, unverarbeitet; Tabakabfälle |
Kapitel 45 |
|
45.01 |
Naturkork,
unbearbeitet, und Korkabfälle; |
Kapitel 54 |
|
54.01 |
Flachs, roh,
geröstet, geschwungen, |
Kapitel 57 |
|
57.01 |
Hanf (Cannabis
sativa), roh, geröstet,
geschwungen, gehechelt oder anders
bearbeitet, jedoch nicht |
(1) Position
eingefügt gemäß Artikel 1 der Verordnung Nr. 7 a
des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
vom 18. Dezember 1959 (ABl. Nr. 7 vom 30.1.1961,
S. 71/61)".
Artikel 32 Absatz 1 Satz 2 EG-Vertrag nennt als „landwirtschaftliche Erzeugnisse" die des „Bodens, der Viehzucht und der Fischerei" sowie die „mit diesen unmittelbar in Zusammenhang stehenden der ersten Verarbeitungsstufe", sodass sich die Frage stellt, wann ein Erzeugnis aus dem Anwendungsbereich dieser Verordnung herausfällt, weil seine Verarbeitung schon die Schwelle von der ersten Stufe hin zur Verarbeitung in der zweiten Stufe überschritten hat oder weil der Zusammenhang nicht mehr „unmittelbar", sondern nur noch „mittelbar" ist. Der Anhang I des EG-Vertrags wird als normative Abgrenzung der Gruppe der Produkte, die "unverarbeitet" sind, angesehen. Artikel 32 Absatz 1 Satz 2 EG-Vertrag wird gemäß Absatz 3 durch die Liste des Anhang I konkretisiert. Die Tatbestandsmerkmale des Artikel 32 Absatz 1 Satz 2 haben daher keine eigenständige Bedeutung, sondern helfen, die Eintragungen des Anhang I richtig auszulegen.
Weizen beispielsweise wird als Primärprodukt (primary agricultural product) angesehen. Weizen gemahlen zu Mehl als Erzeugnis der ersten Verarbeitungsstufe (first stage processed product). Aus dem Weizenmehl gefertigte Backwaren wie Brot und Kuchen als Erzeugnisse der zweiten Verarbeitungsstufe (second stage processed products). Die zweite Verarbeitungsstufe steigert den Wert erheblich. Die Vermarktung von Lebensmitteln der zweiten Verarbeitungsstufe, die aus Anhang-I-Erzeugnissen gefertigt wurden, werden durch ein System von Exporterstattungen (refunds) gefördert. Sie sollen die Differenz zwischen den EU- und den Weltmarktpreisen der eingesetzten primären Agrarerzeugnisse ausgleichen. Die Förderung zielt also auf die Vermarktung des Rohmaterialanteils in verarbeiteten Produkten, die der EU-Agrarmarktordnung nicht unterliegen, weil sie die Schwellen hin zur Verarbeitung in der zweiten Stufe schon überschritten haben.
Die Webseite der Kommission beschreibt die Gruppe der Nicht-Anhang-I-Produkte so:
"Definition of Non-Annex-I-Products: The term "Annex I" refers to the Annex I of the EC Treaty. This Annex lists all agricultural products which could be subject to a Common Market Organization in the framework of the Common Agricultural Policy. Article 32 of the Treaty of Amsterdam serves as legal basis for the Common Agricultural Policy. The sector "Agricultural" - subject to the provisions of Articles 33 to 38 of the Treaty - is defined by the product list of Annex I to the Treaty. Agricultural products are therefore called Annex-I-products. Processed agricultural products (also abbreviated "PAPs") on the other hand are made out of agricultural products and are not listed in Annex I to the Treaty. Technically they are therefore called Non-Annex-products (NA I). Non Annex I goods are listed in five CMO basic regulations (sugar, milk, eggs, cereals and rice). They encompass such products as chocolates and confectionaries, sweet drinks, biscuits and bakery products, and other preparations.
Main product-groups of the NA I sector: - processed dairy products (CN-Codes 0403) - frozen fruit and vegetables (CN-Codes 0710) - confectionary industry products (CN-Codes 1704, 1806, 1905) - various prepared foods and sauces (CN-Codes 1901, 1902, 1904, 2103) including pasta, ice-creams, soups…- non- alcoholic beverages, alcoholic beverages and spirit drinks (CN-chapter 22) - tobacco-products (CN-Codes 2402, 2403), - processed starch products (CN-Codes 2905, 3501, 3809)".
Auch Erzeugnisse, welche nicht von der Liste des Anhang I zum EG-Vertrag erfasst sind, fallen nach dieser Rechtspraxis der Gemeinschaft demnach in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 834/2007, wenn der Text des Artikel 1 dieser Verordnung sie einschließt.
Maßgebend dafür, ob ein „Erzeugnis" wirksam in den Anwendungsbereich einer Ratsverordnung einbezogen wurde, ist nicht, ob es in der dem EG-Vertrag als Anhang I beigefügten Liste aufgeführt ist. Landwirtschaftliche Erzeugnisse, die dort nicht aufgeführt sind, werden als „Nicht-Anhang-I-Erzeugnisse" bezeichnet. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die landwirtschaftliche Kompetenz der Gemeinschaft aber weit auszulegen, so dass Nicht-Anhang-I-Erzeugnisse von der Landwirtschaftskompetenz erfasst werden.
Es fallen viele Erzeugnisse in den Anwendungsbereich dieser Verordnung, die nicht in der Liste I des EG-Vertrags aufgeführt sind. Vor der Prüfung der Vorgaben des Artikel 1 dieser Verordnung steht daher nicht, ob das Erzeugnis überhaupt ein „Anhang-I-Erzeugnis" ist.
In der Literatur wird der EG-Vertrag darauf betrachtet, wo sonst von Landwirtschaft in den Vertragsbestimmungen die Rede ist, beispielsweise in Artikel 33 Absatz 2 Buchstabe a des EG-Vertrags von "landwirtschaftlicher Tätigkeit". Aus dem Fehlen einer kohärenten Definition folgert die Literatur, so Kopp: "Es obliegt deshalb in erster Linie den Gemeinschaftsorganen, für die Zwecke einer Regelung im abgeleiteten Gemeinschaftsrecht gegebenenfalls eine solche Definition vorzunehmen".
Es wird Artikel 37 Absatz 2 Satz 3 des EG-Vertrags als "Rechtsgrundlage für landwirtschaftliche Vorschriften mit lebensmittelrechtlichem (Neben-)Effekt, insbesondere für Marktordnungsvorschriften und Vermarktungsnormen" bezeichnet, "die Qualitätsstandards und Kennzeichnungsanforderungen für einzelne Produkte" festlegen.
Es wird auf diesem Hintergrund daher nicht angenommen, dass das Einbeziehen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen in den Anwendungsbereich einer EG-Verordnung außerhalb der Ermächtigungsgrundlage erfolgt und folglich unwirksam erfolgte, weil es den Gemeinschaftsorganen, und letztlich über deren Vertretung im Rat, den Mitgliedstaaten überlassen ist, die Nutzung und Reichweite der Kompetenznormen praktisch abzugrenzen.
Auf diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass die vorliegende Verordnung die Verarbeitung von Erzeugnissen der ökologischen landwirtschaftlichen Produktion im Detail regelt.
Die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugung wird in Artikel 32 Absatz 1 EG-Vertrag im Sinne eines Ausschlusskriteriums, nämlich bei Überschreiten der ersten Verarbeitungsstufe genannt. Die erste Verarbeitungsstufe wird aber bei den Lebensmitteln und Futtermitteln, die durch Artikel 1 Absatz 2 in den Anwendungsbereich dieser Verordnung einbezogen wurden, regelmäßig deutlich überschritten. Dieses Überschreiten führt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der Kommentarliteratur nicht zu einer Verletzung der Kompetenz der Gemeinschaftsorgane, weil diese eben aufgrund ihrer Funktion die Rechtssetzungsmacht haben, auch hier die Reichweite zu bestimmen.
So schreibt Kopp zutreffend zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP): "Darüber hinaus erstreckt sich die GAP auf Maßnahmen betreffend die (weitere) Verarbeitung der in Anhang I genannten Erzeugnisse, wenn diese Maßnahmen den in Artikel 33 EGV genannten Zielen der GAP dienen und eine enge Verknüpfung mit der Produktionsstufe etabliert werden kann". Gestützt auf die Kompetenznorm des Artikel 37 findet sich folglich Ratsnormen des Gemeinschaftsrechts, welche sich auf die Verarbeitung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen deutlich über die erste Verarbeitungsstufe hinaus beziehen. Auch diese Verordnung regelt die Verarbeitung der Ökoprodukte, weil dies in engem Zusammenhang mit der Förderung dieser besonderen From der Landwirtschaft steht.
Nach der Rechtsprechung des EuGH durfte der Rat den Anwendungsbereich über den Kreis der „Anhang-I-Erzeugnisse" hinaus gestalten, ohne dass die Verordnung für ungültig erklärt wird, weil der Rat jenseits seiner Kompetenz (ultra vires) gehandelt hätte.
*4 Der erste Entwurf der Kommission für diese Verordnung vom Dezember 2005 stieß auf Kritik (Vorschlag für eine VERORDNUNG DES RATES über die ökologische/biologische Erzeugung und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen, 21.12.2005, KOM(2005) 671 endgültig, 2005/0278 (CNS), 2005/ 0279 (CNS).
Als die Kommission am 21.12.2005 ihren Entwurf für eine Totalrevision der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 und deren Ablösung durch diese Verordnung vorlegte, löste sie bei den interessierten Fachkreisen Erstaunen aus. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung zwei Tage vor Weihnachten erschien ebenso ungewöhnlich wie die Geheimhaltung der Erstellung eines Entwurfstextes mit der Konsequenz, dass er ohne Diskussion mit den Fachkreisen geschrieben worden war. Die Kommission machte deutlich, dass sie den Text mit dem Ziel vorlegte, keine Diskussion über die Sinnhaftigkeit ihres Vorschlags einer Totalrevision zu eröffnen, sondern diese rasch zu beschließen und umzusetzen, da sie ihn als Ergebnis eines dreijährigen Konsultationsprozesses verstand.
Zur Begründung der Vorlage eines völlig neuen Normtextes bezog sie sich auf die Aktion 8 in ihrem „Europäischer Aktionsplan für ökologische Landwirtschaft und ökologisch erzeugte Lebensmittel" (KOM(2004)415 endgültig - {SEC(2004)739}. Durch Aktion 8 wollte sie „mehr Transparenz in der Verordnung durch Definition der Grundprinzipien der ökologischen Landwirtschaft" schaffen. Diesen Wunsch hatten insbesondere Organisationen des ökologischen Landbaus formuliert. Mit ihnen war darüber gesprochen worden, dass der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 ein erläuternder Teil mit Zielen und Grundsätzen vorangestellt werden solle. In diesem Teil, so erhofften sich die Träger der ökologischen Landbaubewegung, würden die im September 2005 bei der Generalversammlung der International Federation of Organic Agriculture Movements (IFOAM) in Adelaide verabschiedeten „Principles of Organic Agriculture" wiedergegeben sein. Sie wurden als „the roots" erlassen, „from which organic agriculture grows and develops". Erhofft wurde, dass der Text, welcher der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 vorangestellt werden würde, die Bedeutung des Beitrags herausstellt, welchen der ökologische Landbau leisten könne und zwar zur „agriculture" als „one of humankind's most basic activities". Die IFOAM-Prinzipien nennen vier Prinzipien, auf welchen die biologische Landwirtschaft beruhe: „The Principle of Health, The Principle of Ecology, The Principle of Fairness, The Principle of Care". Jedes der Prinzipien ist durch einen Leitsatz und Beispiele beschrieben.
Der Entwurfstext, den die Kommission aber im Dezember 2005 vorlegte, enthielt davon nichts, sondern er vermied es, die Landwirtschaft, die Landwirte und die Besonderheit der ökologischen Agrarerzeugung sowie die Arbeit der Ökolandbauverbände zu erwähnen. Der politische Grund dafür wurde unseres Erachtens erst später in vielen Diskussionen klar: Der ökologische Landbau sollte zwar reguliert werden, aber eben gerade nicht als etwas Besonderes, sondern eher als eine von verschiedenen nachhaltigen Formen der Landwirtschaft und als eine von vielen Bemühungen der Kommission, die Umweltfreundlichkeit der Lebensmittelproduktion zu steigern. Mitarbeiter der Kommission betonten, dass der ökologische Landbau sich in einer Linie sehen solle mit all den anderen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bemühungen um die Verbesserung der Ernährungsgrundlagen.
Als ein völlig neuer Verordnungstext vorgelegt wurde, war die Überraschung in der Fachöffentlichkeit allgemein. Zunächst waren die Motive der Kommission für dieses Vorgehen unklar. Eine Mitarbeiterin der Kommission erläuterte, es sei unbestreitbar, dass der neue Verordnungsentwurf erstmals eine gesetzliche Festlegung des ökologischen Landbaus vorlege. Die Unrichtigkeit dieser Behauptung war evident, denn diese Festlegung war 1991 für den ökologischen Pflanzenbau durch die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 und acht Jahre später für die ökologische Tierhaltung durch die Verordnung (EWG) Nr. 1804/99 erfolgt. Der Text dieser gemeinschaftsrechtlichen, gesetzlichen Regelung war für den Aufbau und den überwiegenden Wortlaut einer entsprechenden Richtlinie im Codex Alimantarius Vorbild gewesen. Dass die Kommission diesen Text insgesamt aufgeben und sich damit von der selbst initiierten Struktur der globalen Harmonisierung der Ökoproduktionsregeln lösen wollte, erstaunte.
Erst nach und nach wurde klar, dass der Kommissionsentwurf vornehmlich die Stärkung der Stellung der Kommission im Verhältnis zum Parlament und den Mitgliedstaaten für alle Fragen der künftigen Entwicklung des ökologischen Landbaus bewirken würde. In den drei Jahren zuvor hatte es Diskussionen der Fachkreise mit der Kommission über Einzelfragen der gesetzlichen Regelung gegeben, ohne dass Außenstehenden vermittelt wurde, dass die Kommission die Gelegenheit nützen und eine Totalrevision vorschlagen würde.
Im Dezember 2002 hatte die Kommission ein Arbeitspapier zur "Durchführbarkeit eines europäischen Aktionsplans für ökologisch erzeugte Lebensmittel und die ökologische Landwirtschaft" vorgelegt. Dieses Papier hatte die Kommission mit einigen Fragen auf ihrer Homepage im Februar 2003 veröffentlicht. Das Europäische Parlament hatte im Juni 2003 Gelegenheit, den Aktionsplan der Kommission zu erörtern. Im Januar 2004 führte die Kommission eine Anhörung durch, zu der sie Vertreter von Organisationen, Mitgliedstaaten und Journalisten einlud. Die Kommission nahm für sich in Anspruch, auf diese Weise die interessierte Öffentlichkeit genügend angehört zu haben, um den Entwurf der Totalrevision im Dezember 2005 ohne Vorkonsultationen vorlegen zu können. Die Webseite der Kommission mit Dokumenten aus dieser „Anhörung" zeigt, dass die Absicht der Kommission, eine neue Verordnung zu erlassen, ebenso wenig deutlich wurde wie die Gestaltungselemente des Entwurfs, die dann in besonders scharfe Kritik gerieten.
Die Fachkreise kritisierten, dass der Entwurf eine große Zahl von Elementen enthielt, die eher dem Eigeninteresse der Kommission und partikularen Freihandelsinteressen dienen würden als dem der Ökoproduzenten und -konsumenten.
Die Kommission hatte als Begründung für den Kommissionsentwurf darauf hingewiesen, dass die Nachfrage nach Ökoprodukten steige, daher müsse der internationale Handel durch die Vereinfachung der Einfuhr aus Drittstaaten ebenso vereinfacht werden wie der Handel im Binnenmarkt. Ein dänischer Mitarbeiter der Kommission berichtete, dass er Schwierigkeiten bei der Vermarktung beobachtet habe: Man müsse, um in Belgien dänischen Joghurt im Einzelhandel gelistet zu erhalten, das Prüfzeichen eines dort tätigen Zertifizierers auf die Packung setzen. Dafür müsse man zahlen, und häufig würden die Zertifizierer auch noch Fragen zur Herkunft stellen und die Ökozertifizierung im Ursprungsland nicht ohne weiteres akzeptieren. Die Kommission sehe dies als Behinderung des Binnenmarktes an. Es solle künftig so sein, dass Aussagen über die besonderen Leistungen privater Prüfzeichen nur noch getroffenen werden dürfen, wenn die Aussage konkret für das Produkt zutreffe (Verbot der allgemeinen Besserwerbung): „Allgemeine Aussagen, dass private oder nationale Standards für ökologische Erzeugung strenger, ökologischer oder höher sind als die in dieser Verordnung festgelegten Vorschriften oder als sonstige Standards für ökologische Erzeugung, dürfen in der Etikettierung und Werbung nicht verwendet werden" (Kommissionsentwurf Artikel 20 Absatz 1 Satz 1). Außerdem solle jedes Ökoprodukt Zugang zu jedem Prüfzeichen gegen Zahlung einer geringen Verwaltungsgebühr erhalten (Zwangslizenzierung der Ökoprüfzeichen): „Eine Kontrollstelle darf die Erteilung eines Zertifikats bzw. die Verwendung ihres Konformitätszeichens für Erzeugnisse, die von einer anderen zugelassenen Kontrollstelle zertifiziert sind, nicht verweigern, wenn die letztere Kontrollstelle die Konformität mit Vorschriften über ökologische Erzeugung, die denen der ersteren Kontrollstelle gleichwertig sind, geprüft und zertifiziert hat" (Kommissionsentwurf Artikel 24 Absatz 3 Satz 1).
Diese Elemente des Kommissionsentwurfs finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 nicht. Die als wichtig beschriebene Öffnung des EU-Marktes für Ökoprodukte aus Drittstaaten ist im ausdrücklichen Bezug auf den Codex Alimentarius zwar noch im Ansatz erhalten, durch die neue Dualität des Ökoimportsystems ist aber eher mit einer praktischen Einschränkung des Zugangs zum EU-Markt für Drittstaatenproduzenten zu rechnen (siehe Kommentierung zu den Artikeln 32 ff. dieser Verordnung).
Fachkreise hielten der Kommission entgegen, es sei besser, die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 durch präzise, begrenzte Revisionseingriffe an den Stellen zu überarbeiten, bezüglich derer allseits Einigung herrsche. Sie trugen vor, in den fast 15 Jahren seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 hätten die mit der Umsetzung der Verordnung befassten Akteure - Landwirte, Verarbeiter, Importeure, Kontrollstellen, regional zuständige Behörden, die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission - zu einem Konsens gefunden, welcher Rechtssicherheit gewährleiste. Die dadurch gewährleistete Transparenz und Verlässlichkeit biete für die Wirtschaftsbeteiligten und den Verbraucherschutz Sicherheit. Die vorgeschlagene Totalrevision lasse praktisch keinen Stein auf dem anderen und schaffe damit große Unsicherheiten und Kosten, die durch etwaige Vorteile nicht aufgewogen würden.
Diese Kritik hat sich insoweit als berechtigt erwiesen, als dass die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 wegen ihres eigenwilligen Aufbaus und ihres wenig sorgfältig gefassten Textes Auslegungsfragen in nicht unerheblichem Umfang aufwirft. Da aber die Texte der Anhänge der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 praktisch vollständig als Kommissionsverordnung in Ausführung des "Auftrags" der neuen Verordnung (EG) Nr. 834/2007 erlassen werden sollen, bleibt letztlich doch Vieles beim Alten. Die Verbraucher und die Träger der ökologischen Produktion finden sich damit zwei Jahre später in wesentlichen Teilen an der Stelle wieder, an der eine für alle Seiten höchst aufwändige, in Teilen sehr kontroverse Diskussion ihren Ausgang genommen hatte.
Um so wichtiger ist es, nun zu sehen, welche Auswirkungen die Totalrevision im Detail hat, wenn doch die Texte der Anhänge der früheren Verordnung praktisch Eins zu Eins übernommen werden sollen. Dass dies so vorgesehen ist, ergibt sich aus einem Non-Paper der Kommission vom Oktober 2007. Die Anhänge sollen noch 2008 als Kommissionsverordnung neu erlassen werden. Die Positivlisten der Anhänge der früheren Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 gelten nach der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 zunächst ohnehin bis zum Erlass neuer Regelungen weiter. Diese Vorgabe gibt es für die übrigen Teile der Anhänge, insbesondere die Produktionsregeln, nicht. Auf diese Weise hat sich die Kommission unter erheblichen Zeitdruck gesetzt. Sie muss die neue Kommissionsverordnung, welche die Anhänge der früheren Verordnung ersetzen soll, vor dem Außerkrafttreten der Vorgängerverordnung am 01.01.2009 erlassen. Eine qualitativ hochwertige Überarbeitung und Straffung kann unter diesen Umständen nicht erwartet werden.
Warum sich die Kommission selbst auf diese Weise so unter Zeitdruck setzt, dass ihr wegen knapper Personalausstattung sorgfältige legislatorische Arbeit nicht möglich ist, weil jetzt nur noch Zeit bis Ende des Jahres 2008 bleibt, erschließt sich dem Außenstehenden nicht. In der Begründung des Kommissionsentwurfs vom Dezember 2005 stand noch: „(35) Die vorliegende Verordnung sollte ab einem Zeitpunkt gelten, der so festzulegen ist, dass die Kommission hinreichend Zeit zum Erlass der notwendigen Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung hat". Diese Formulierung zeigt allerdings schon, dass die Kommission in erster Linie ihre internen Prozesse im Blick hat und keine Notwendigkeit für die Beteiligung der Fachkreise sieht. Dieses legislatorische Verhalten, das in der Fachöffentlichkeit eher einen Lastfaktor als den Träger von Expertise und Innovationskraft sieht, steht in auffallendem Gegensatz zur Praxis in den USA. Dort werden die interessierten Fachkreise mit großer Sorgfalt und Transparenz öffentlich angehört, bevor das Agrarministerium Normen für den ökologischen Landbau setzt.
Die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 grenzte den Anwendungsbereich durch ein Abstellen auf den Eindruck des Käufers ab, welches Versuchen der feindlichen Übernahme des guten Rufes der Bioprodukte durch "umweltschonende" oder sonstwie "grüne" Labelprogramme entgegenwirkte. Diese Wirkung stand durch die Formulierungen der Artikel 1 und 2 im Vordergrund. Jetzt findet sich dieser Mechanismus an eher versteckter Stelle bei den Kennzeichnungsvorschriften in der neuen Verordnung (EG) Nr. 834/2007. Da die Formulierungen aus Artikel 2 der Vorgängerverordnung nun, abweichend vom Kommissionsentwurf, doch noch aufgenommen wurden, wurde die scharfe Schutzwirkung für Bezeichnungen wie „bio" und „öko", wenn auch schwer erkennbar, bewahrt.
Für Leser, die nicht Juristen sind, wirkt die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der neuen Verordnung (EG) Nr. 834/2007 verwirrend: Produkte fallen, ob sie als Ökoprodukte gekennzeichnet sind bzw. werden sollen oder nicht, in den Anwendungsbereich der Verordnung. Bestimmte Wirtschaftsteilnehmer fallen in den Anwendungsbereich der Verordnung, ohne dass es darauf ankommt, ob sie mit Ökoprodukten zu tun haben oder nicht. Da die Spezialisten mit dem neuen, verwirrenden Aufbau der Verordnung zurecht kommen werden, hat sich auch in diesem Punkt inhaltlich nicht viel geändert, außer dass die Praxis mit einer unübersichtlicheren Gesetzesfassung zurecht kommen muss.
Am Kommissionsentwurf wurde kritisiert, er formuliere „Ziele" und "Grundsätze", ohne klarzumachen, für wen diese Gültigkeit haben und wessen Handeln sie leiten sollen: Den Gesetzgeber oder den Landwirt oder beide? Als unklar wurde kritisiert, ob die „Ziele und Grundsätze" unter bestimmten Bedingungen doch auf die rechtsunterworfenen Unternehmen direkt anwendbar seien. Durch Änderungen und die nachfolgende Diskussion ist klargestellt, dass Titel II der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 die Kommission binden und steuern soll. Die gesetzlichen Befehle der Ratsverordnung in Titel II kann sie ohne Änderung der Ratsverordnung nicht durchbrechen, auch nicht in Anwendung des Verfahrens der "Flexibilisierung". Auch für die Äquivalenzprüfung bei Drittlandsimporten und besonders bei Anwendung des nun bei der Kommission konzentrierten Flexibilisierungsverfahrens wirken die „Ziele und Grundsätze" steuernd, indem sie missbräuchlichen Praktiken, welche die Integrität der Ökoprodukte in Frage stellen könnten, Grenzen setzen sollen.
Kritisiert wurde am Verfahren der Flexibilisierung, dass die Reaktion auf regionale Sonderlagen in die Zuständigkeit der Kommission gegeben werden sollte, anstatt sie, wie es als sachgerecht empfunden wurde, den Fachleuten, die nah an den zu beurteilenden Sachverhalten sind, nämlich den Sachverständigen der Kontrollstellen vor Ort, zu überlassen. Stattdessen werde ein langwieriges und sehr umständliches Verfahren gewählt. Dass die Kommission sich in diese Aufgabe drängt, obwohl es ihr an fachlicher Kompetenz und hinreichenden Personalausstattung fehlt, wurde kritisiert. Dieses neue Verfahren wurde kritisiert, weil es der Beschneidung der Kompetenzen der Mitgliedstaaten dient und die Machtfülle der Kommission erhöht. Ob dies eintritt, wird die Praxis zeigen. Einige Beobachter fürchten eine Aufhebung des klaren Profils des ökologischen Landbaus durch ein System zentral bewilligter regionaler und temporärer Ausnahmen, welches die Bedingungen ökologischer Produktion nicht mehr gemeinschaftsweit präzise, sondern jetzt mit einem breiten Unschärfenrand festsetzt.
Am Kommissionsentwurf wurde seine eigentümlich technokratisch-abstrakte Sprache kritisiert. Es fiel auf, dass von Landwirtschaft und von Landwirten praktisch keine Rede war. Der Entwurf handelte von „ökologischer Erzeugung", die ohne Bezug auf die ökologische Landwirtschaft als einer besonderen Art der Agrarerzeugung definiert wurde. Verwendete Begriffe wurden als praktisch inhaltsleer kritisiert, wie beispielsweise der „Praxisbezug", den das Betriebssystem im Produktionsverfahren haben soll, oder die „wirtschaftliche Tragfähigkeit", die das Betriebssystem aufweisen soll. Vom Schutz des Bodens und der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit war keine Rede.
Der Entwurfstext wurde ergänzt, so dass der unbefangene Leser zumindest an einigen Stellen erfährt, dass die Rechtsnorm von Landwirtschaft und Lebensmitteln handelt. Die Landwirte spielen allerdings in der Verordnung (EG) Nr. 834/207 keine Rolle. Sie werden in der Verordnung (EG) Nr. 834/2007, wie im Kommissionsentwurf angelegt, nicht als Akteure und Innovationsträger behandelt, sondern als Rechtsunterworfene, denen gesetzliche Befehle erteilt werden. Der Duktus der Gesetzessprache hat sich in diesem Punkt seit 1991 radikal gewandelt. Die Kommission setzte sich mit ihrem Entwurf in diesem Punkt in scharfen Gegensatz zu ihren politischen Äußerungen, nach denen sie Ökolandwirte fördern und ihre Leistungen anerkennen will.
Auf besondere Kritik stieß der Kommissionsentwurf, weil er den Systemgedanken und das Instrument der Positivlisten ungenannt ließ. Weder in den Zielen und Grundsätzen noch in den Produktionsvorschriften des Entwurfs fand sich der klare Hinweis, dass es sich beim Ökolandbau um ein vom "konventionellen", üblichen Landbau verschiedenes, besonderes System der Agrarerzeugung handelt, was in den Erwägungsgründen der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 noch ausdrücklich festgehalten worden war. Dass es um die Erzeugung ökologischer Nahrungsmittel in einem nachhaltig bewirtschafteten System geht, in dem externe Betriebsstoffe nur dann Verwendung finden dürfen, wenn sie in streng limitierten Positivlisten aufgeführt werden, erwähnte der Kommissionsentwurf nicht. Das Prinzip des Einsatzverbots unter Zulassungsvorbehalt, das die Regelungen des Ökolandbaus weltweit prägt, war im Kommissionsentwurf nicht vorgegeben. Der Kommissionsentwurf wurde mit dem Vorhalt kritisiert, dass der ökologische Landbau ein System sei, dessen Regeln erst dadurch streng seien, dass für die Abgrenzung dieses Systems „Positivlisten" eingesetzt würden: Nur wenn ein Katalog von „Verwendungszwecken" gesetzt werde, für die dann nur bestimmte Stoffe "gelistet" würden, sei eine scharfe Abgrenzung zum sonstigen Landbau gewährleistet. Auch war im Kommissionsentwurf vom Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, einem zentralem Aspekt des ökologischen Landbaus, keine Rede. Der Entwurf handelte lediglich von der Pflege der Bodensubstanz. Die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 gibt das System der Positivlisten nun als verbindlich vor. An einigen Stellen wird jetzt konkreter von wichtigen Elemente des ökologischen Landbaus gesprochen, wie ihn die Verbände der Ökolandwirte durch ihre Forschung und in ihrer praktischen Arbeit entwickelt haben.
Kritisiert wurde auch die saloppe Sprache der Grundsätze des Kommissionsentwurfs. Der Text sei teilweise von solcher Allgemeinheit, dass er keinen fassbaren Inhalt habe. Etwa die Aussage, in der „Erzeugung" werde eine „hohe Qualität" einer „Maximierung der Produktion" vorgezogen.
Bei einigen anderen Punkten zeigten sich genau entgegengesetzte Mängel: Wenn vorgegeben werde, dass „beim Tierschutz" der „höchste Standard eingehalten" werden solle, werde ein Standard verlangt, der dem Tier in jeder Hinsicht gerecht werde. In der landwirtschaftlichen Praxis stünde der Einhaltung dieses höchsten Standards, anders als bei Zoohaltung oder in Privathaushalten, eine Fülle anderer Belange, insbesondere der wirtschaftlichen Vertretbarkeit entgegen. Kritisiert wurde hier eine "Plakatsprache", die unehrlich sei, weil sie verwische, dass die ökologische Tierhaltung den Tieren zwar besseres Futter und sehr viel bessere Haltungsbedingungen gewährleiste, aber keine idealen Lebensbedingungen. Es sei ein „Grundsatz" formuliert worden, von dem klar sei, dass der Verordnungsgeber seine Einhaltung nicht erwartet.
Kritisiert wurde der Kommissionsentwurf, weil er die Reaktion auf „Unregelmäßigkeiten"" unter Verwendung der wenig glücklichen Formulierungen aus Artikel 9 Absatz 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 so beschrieb, dass Gerichte und Behörden meinen könnten, es bliebe ihnen selbst bei geringen Abweichungen keine Wahl, als Partien zu dezertifizieren, also Unregelmäßigkeiten festzustellen, was dann sogar den Entzug von Fördergeldern zur Folge haben wird, selbst wenn sich die Unregelmäßigkeiten auf Aspekte beschränkten, die eigentlich allseits als unbedeutend wahrgenommen werden. Dieser Fehler des Kommissionsentwurfs findet sich in der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 nicht, denn sie gibt in wohl geordneter Formulierung eine Reaktion in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit vor.
Kritisiert wurde, dass der Entwurf der Kommission neue weitreichende Befugnisse zuordnet. Praktisch sämtliche Änderungen sollen im Wege eines Verwaltungsausschussverfahrens durchgeführt werden. Dies weitgehend ohne Beteiligung der Fachleute aus den Landwirtschaftsministerien der Mitgliedstaaten und ohne Einbezug der praktisch in diesem Bereich tätigen Landwirte, Landwirteorganisationen und Kontrollverantwortlichen. Die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 sieht nun das Regelungsausschussverfahren vor, in dem die Mitgliedstaaten eine stärkere Stellung haben.
*5 Die Rolle des Parlaments im Verfahren, das zu dieser neuen Verordnung führte, war unbedeutend. Ein Bericht war von Marie-Hélène Aubert zum 14.03.2007 erstellt und ein Text mit Änderungsvorschlägen am 29.03.2007 verabschiedet worden. Er spielte für die jetzt in Kraft getretene Fassung dieser Verordnung keine erhebliche Rolle.
*6 Die Erwägungsgründe, im Englischen „considerations" sind die „Gründe", mit denen EG-Verordnungen gemäß Artikel 253 EG-Vertrag „zu versehen" sind. Wenn ein Teil einer Verordnung nicht nachvollziehbar ist, auch nicht unter Berücksichtigung der in den beteiligten Fachkreisen bekannten Erwägungen, kann sie nach Artikel 230 nichtig sein.
Dazu kommt es aber in der Praxis nicht, denn der Europäische Gerichtshof verlangt nicht viel. Die Gründe einer Verordnung taugen in der Regel nicht als Auslegungshilfe, weil die Gründe, die angegeben werden müssen, sich darauf beschränken können, „die Gesamtlage anzugeben, die zum Erlass der Maßnahme geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihr erreicht werden sollen" .
Erwägungsgründe
(1) Die ökologische/biologische Produktion bildet ein Gesamtsystem der landwirtschaftlichen Betriebsführung und der Lebensmittelproduktion, das beste umweltschonende Praktiken, ein hohes Maß der Artenvielfalt, den Schutz der natürlichen Ressourcen, die Anwendung hoher Tierschutzstandards und eine Produktionsweise kombiniert, die der Tatsache Rechnung tragen, dass bestimmte Verbraucher Erzeugnissen, die unter Verwendung natürlicher Substanzen und nach natürlichen Verfahren erzeugt worden sind, den Vorzug geben. Die ökologische/biologische Produktionsweise spielt somit eine doppelte gesellschaftliche Rolle, denn sie bedient einerseits auf einem spezifischen Markt die Verbrauchernachfrage nach ökologischen/biologischen Erzeugnissen und stellt andererseits öffentliche Güter bereit, die einen Beitrag zu Umwelt- und Tierschutz ebenso wie zur Entwicklung des ländlichen Raums leisten. *1
(2) Der Anteil des ökologischen/ biologischen Agrarsektors nimmt in den meisten Mitgliedstaaten zu. Besonders in den letzten Jahren ist eine wachsende Verbrauchernachfrage zu verzeichnen. Die jüngsten Reformen der gemeinsamen Agrarpolitik, die auf Marktorientierung und den Verbraucherwünschen entsprechende Qualitätserzeugnisse abheben, werden den Markt für ökologische/biologische Erzeugnisse voraussichtlich weiter stimulieren. Vor diesem Hintergrund nehmen die Rechtsvorschriften über die ökologische/biologische Produktion einen zunehmend wichtigen Stellenwert in der agrarpolitischen Strategie ein und stehen in enger Beziehung zu den Entwicklungen auf den Agrarmärkten. *2
(3) Der gemeinschaftsrechtliche Rahmen für den ökologischen/ biologischen Produktionssektor sollte dem Ziel dienen, einen fairen Wettbewerb und einen ordnungsgemäß funktionierenden Binnenmarkt für ökologische/biologische Erzeugnisse zu gewährleisten und das Vertrauen der Verbraucher in als ökologisch/biologisch gekennzeichnete Erzeugnisse zu wahren und zu rechtfertigen. Er sollte ferner auf die Schaffung von Voraussetzungen abzielen, unter denen sich dieser Sektor entsprechend den jeweiligen Produktions- und Marktentwicklungen fortentwickeln kann. *3
(4) Die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über einen Europäischen Aktionsplan für ökologische Landwirtschaft und ökologisch erzeugte Lebensmittel sieht eine Verbesserung und Verstärkung der gemeinschaftlichen Standards für den ökologischen/biologischen Landbau sowie der Einfuhr- und Kontrollvorschriften vor. Der Rat hat die Kommission in seinen Schlussfolgerungen vom 18. Oktober 2004 aufgefordert, den gemeinschaftsrechtlichen Rahmen dafür im Hinblick auf Vereinfachung und Gesamtkohärenz zu überarbeiten und insbesondere durch Festlegung von Grundprinzipien eine Harmonisierung der Normen zu begünstigen und nach Möglichkeit eine weniger ins Detail gehende Regelung anzustreben. *4
(5) Es ist daher angezeigt, die Ziele, Grundsätze und Regeln für die ökologische/biologische Produktion genauer zu formulieren, um so zu mehr Transparenz, Verbrauchervertrauen und einer harmonisierten Sichtweise in Bezug auf das ökologische/biologische Produktionskonzept beizutragen. *5
(6) Zu diesem Zweck sollte die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91
des Rates vom 24. Juni 1991 über den ökologischen Landbau/die biologische Landwirtschaft und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel (2) aufgehoben und durch eine neue Verordnung ersetzt werden. *6
(2) ABl. L 198 vom 22.7.1991, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 394/2007 der Kommission (ABl. L 98 vom 13.4.2007, S. 3).
(7) Es sollte ein gemeinschaftlicher Rechtsrahmen mit allgemeinen Vorschriften für die ökologische/biologische Produktion festgelegt werden, der sich auf die pflanzliche und die tierische Erzeugung sowie die Aquakulturproduktion, einschließlich der Vorschriften für das Sammeln von Wildpflanzen und Meeresalgen, für die Umstellung und für die Produktion von verarbeiteten Lebensmitteln, einschließlich Wein, sowie von Futtermitteln und von ökologischer/biologischer Hefe erstreckt. Die Kommission sollte die Verwendung der Erzeugnisse und Stoffe zulassen und darüber entscheiden, welche Verfahren im ökologischen/biologischen Landbau und bei der Verarbeitung von ökologischen/biologischen Lebensmitteln eingesetzt werden. *7
(8) Die Entwicklung der ökologischen/biologischen Produktion sollte insbesondere durch Förderung der Verwendung neuer, für die ökologische/biologische Produktionsweise besser geeigneter Techniken und Substanzen weiter unterstützt werden. *8
(9) Genetisch veränderte Organismen (GVO) und Erzeugnisse, die aus oder durch GVO erzeugt wurden, sind mit dem ökologischen/biologischen Produktionskonzept und der Auffassung der Verbraucher von ökologischen/ biologischen Erzeugnissen unvereinbar. Sie sollten daher nicht im ökologischen/biologischen Landbau oder bei der Verarbeitung von ökologischen/biologischen Erzeug-nissen verwendet werden. *9
(10) Es ist das Ziel, das Vorkommen von GVO in ökologischen/ biologischen Erzeugnissen auf das geringstmögliche Maß zu beschränken. Bei den bestehenden Kennzeichnungsschwellen handelt es sich um Höchstwerte, die ausschließlich mit einem zufälligen und technisch nicht zu vermeidenden Vorhandensein von GVO im Zusammenhang stehen. *10
(11) Der ökologische/biologische Landbau sollte in erster Linie erneuerbare Ressourcen in lokal organisierten landwirtschaftlichen Systemen nutzen. Um so wenig wie möglich auf nicht erneuerbare Ressourcen zurückzugreifen, sollten Abfälle und Nebenerzeugnisse pflanzlichen und tierischen Ursprungs verwertet werden, um den Anbauflächen die Nährstoffe wieder zuzuführen. *11
(12) Der ökologische/biologische Pflanzenbau sollte dazu beitragen, die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und zu verbessern und die Bodenerosion zu verhindern. Die Pflanzen sollten ihre Nährstoffe vorzugsweise über das Ökosystem des Bodens und nicht aus auf den Boden ausgebrachten löslichen Düngemitteln beziehen. *12
(13) Zentrale Elemente im Bewirtschaftungssystem des ökologischen/biologischen Pflanzenbaus sind die Pflege der Bodenfruchtbarkeit, die Wahl geeigneter Arten und Sorten, eine mehrjährige Fruchtfolge, die Wiederverwertung organischen Materials und Anbautechniken. Zusätzliche Düngemittel, Bodenverbesserer und Pflanzenschutzmittel sollten nur verwendet werden, wenn sie mit den Zielen und Grundsätzen der ökologischen/biologischen Produktion vereinbar sind. *13
(14) Die Tierhaltung ist von fundamentaler Bedeutung für die Organisation der landwirtschaftlichen Erzeugung in einem ökologisch/biologisch wirtschaftenden Betrieb, insofern als sie das notwendige organische Material und die Nährstoffe für die Anbauflächen liefert und folglich zur Bodenverbesserung und damit zur Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft beiträgt. *14
(15) Zur Vermeidung einer Belastung der Umwelt, insbesondere von natürlichen Ressourcen wie Boden und Wasser, sollte in der ökologischen/biologischen tierischen Erzeugung grundsätzlich für eine enge Verbindung zwischen tierischer Erzeugung und dem Land, für geeignete mehrjährige Fruchtfolgen und die Fütterung der Tiere mit ökologischen/biologi-schen Pflanzenerzeugnissen, die im Betrieb selbst oder in benachbarten ökologisch/biologisch wirtschaftenden Betrieben erzeugt werden, gesorgt werden. *15
(16) Da die ökologische/biologi-sche Tierhaltung eine an das Land gebundene Wirtschaftstätigkeit darstellt, sollten die Tiere so oft als möglich Zugang zu Auslauf im Freien oder zu Weideflächen haben. *16
(17) Die ökologische/biologische Tierhaltung sollte hohe Tierschutz-standards achten sowie den tierartspezifischen verhaltensbedingten Bedürfnissen genügen, und die Gesunderhaltung des Tierbestands sollte auf der Krankheitsvorbeugung basieren. Besondere Aufmerksamkeit sollte in diesem Zusammenhang den Bedingungen der Stallunterbringung, den Haltungspraktiken und der Besatzdichte gelten. Darüber hinaus sollte bei der Wahl der Tierrassen deren Fähigkeit zur Anpassung an die lokalen Verhältnisse berücksichtigt werden. Die Durchführungsbestimmungen für die tierische Erzeugung und die Aquakultur sollten wenigstens die Befolgung der Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen und der sich daran anschließenden Empfehlungen seines Ständigen Ausschusses (T-AP) gewährleisten. *17
(18) Das System der ökologischen/biologischen tierischen Erzeugung sollte anstreben, die Produktionszyklen der verschiedenen Tierarten mit ökologisch/biologisch aufgezogenen Tieren zu realisieren. Daher sollte eine Vergrößerung des Genpools der ökologisch/biologisch gehaltenen Tiere gefördert, die Selbstversorgung verbessert und so die Entwicklung des Sektors gewährleistet werden. *18
(19) Ökologisch/biologisch verarbeitete Erzeugnisse sollten mithilfe von Verarbeitungsmethoden erzeugt werden, die sicherstellen, dass die ökologische/biologische Integrität und die entscheidenden Qualitätsmerkmale des Erzeugnisses auf allen Stufen der Produktionskette gewahrt bleiben. *19
(20) Verarbeitete Lebensmittel sollten nur dann als ökologische/biologische Erzeugnisse gekennzeichnet werden, wenn alle oder fast alle Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs aus ökologischer/biologischer Produktion stammen. Jedoch sollten für verarbeitete Lebensmittel, in denen Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs enthalten sind, die nicht aus ökologischer/biologischer Produktion stammen können, wie zum Beispiel für Erzeugnisse der Jagd und der Fischerei, besondere Kennzeichnungsvorschriften erlassen werden. Darüber hinaus sollte es zur Unterrichtung des Verbrauchers und im Interesse der Markttransparenz und der verstärkten Verwendung von Zutaten aus ökologischer/biologischer Produktion unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein, im Verzeichnis der Zutaten auf die ökologische/biologische Produktion hinzuweisen. *20
(21) In der Anwendung der Produktionsvorschriften ist eine gewisse Flexibilität angezeigt, um eine Anpassung der ökologischen/ biologischen Standards und Anforderungen an die lokalen klimatischen und geografischen Gegebenheiten, spezifische Tierhaltungspraktiken und den örtlichen Entwicklungsstand zu ermöglichen. Deshalb sollte die Anwendung von Ausnahmeregelungen zugestanden werden, aber nur in den Grenzen der im Gemeinschaftsrecht genau festgelegten Bedingungen. *21
(22) Es ist wichtig, das Vertrauen der Verbraucher in ökologische/ biologische Erzeugnisse zu wahren. Daher sollten Ausnahmen von den Anforderungen an die ökologische/biologische Produktion unbedingt auf die Fälle begrenzt ein, in denen die Anwendung von Ausnahmeregelungen als gerechtfertigt anzusehen ist. *22
(23) Im Interesse des Verbraucherschutzes und eines fairen Wettbewerbs sollten die Begriffe, die der Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen dienen, in der gesamten Gemeinschaft und unabhängig von der verwendeten Sprache vor der Benutzung für nicht ökologische/biologische Erzeugnisse geschützt werden. Der Schutz sollte sich auch auf die gebräuchlichen Ableitungen und Diminutive dieser Begriffe erstrecken, ganz gleich, ob sie alleine oder kombiniert verwendet werden. *23
(24) Um Klarheit für den Verbraucher auf dem gesamten Gemeinschaftsmarkt zu schaffen, sollte das Gemeinschaftslogo für alle in der Gemeinschaft produzierten vorverpackten ökologischen/bio-logischen Lebensmittel vorgeschrieben werden. Für alle in der Gemeinschaft produzierten nicht vorverpackten ökologischen/bio-logischen Erzeugnisse und alle aus Drittländern eingeführten ökologischen/biologischen Erzeugnisse sollte das Gemeinschaftslogo auf freiwilliger Basis ebenfalls benutzt werden können. *24
(25) Es erscheint jedoch angezeigt, die Verwendung des Gemeinschaftslogos auf Erzeugnisse zu beschränken, die ausschließlich oder fast ausschließlich ökologische/biologische Zutaten enthalten, um eine Irreführung des Verbrauchers in Bezug auf den ökologischen/biologischen Charakter des gesamten Erzeugnisses zu verhindern. Daher sollte es nicht verwendet werden dürfen zur Kennzeichnung von Umstellungserzeugnissen oder von Verarbeitungserzeugnissen, bei denen weniger als 95 % der Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs aus ökologischer/biologischer Produktion stammen. *25
(26) Das Gemeinschaftslogo sollte in keinem Fall die gleichzeitige Verwendung nationaler oder privater Logos ausschließen. *26
(27) Ferner sollten die Verbraucher zur Verhinderung betrügerischer Praktiken und zur Vermeidung von Unklarheiten darüber, ob das Erzeugnis aus der Gemeinschaft stammt oder nicht, bei der Verwendung des Gemeinschaftslogos über den Ort der Erzeugung der landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe, aus denen sich die Erzeugnisse zusammensetzen, informiert werden. *27
(28) Die Gemeinschaftsvorschriften sollten zur Förderung eines einheitlichen ökologischen/biolo-gischen Produktionskonzepts beitragen. Die zuständigen Behörden, die Kontrollbehörden und die Kontrollstellen sollten sich jeglicher Verhaltensweisen enthalten, die den freien Verkehr von Erzeugnissen deren Konformität von einer Behörde oder Stelle eines anderen Mitgliedstaats bescheinigt wurde, behindern könnten. Insbesondere sollten sie keine zusätzlichen Kontrollen einführen oder finanzielle Belastungen auferlegen. *28
(29) Im Hinblick auf die Kohärenz mit den Gemeinschaftsvorschriften in anderen Bereichen sollte den Mitgliedstaaten erlaubt werden, für die pflanzliche und tierische Erzeugung in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet nationale Produktionsvorschriften anzuwenden, die strenger sind als die gemeinschaftlichen Produktionsvorschriften für die ökologische/biologische Produktion, sofern diese nationalen Vorschriften auch auf die nichtökologische/nichtbiologische Erzeugung Anwendung finden und im Übrigen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. *29
(30) Die Verwendung von GVO in der ökologischen/biologischen Produktion ist verboten. Im Interesse der Klarheit und Kohärenz sollte es nicht möglich sein, ein Erzeugnis als ökologisch/biolo-gisch zu kennzeichnen, aus dessen Etikett hervorgehen muss, dass es GVO enthält oder aus GVO besteht oder hergestellt wurde. *30
(31) Um sicherzustellen, dass die ökologischen/biologischen Erzeugnisse im Einklang mit den Anforderungen erzeugt werden, die der gemeinschaftsrechtliche Rahmen für die ökologische/bio-logische Produktion vorschreibt, sollten die Tätigkeiten der Unternehmer auf allen Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs ökologischer/biologischer Erzeugnisse einem im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (1) eingerichteten und betriebenen Kontrollsystem unterliegen. *31
(1) ABl. L 165 vom 30.4.2004, S. 1. Berichtigung im ABl. L 191 vom
28.5.2004, S. 1.
(32) In einigen Fällen könnte es als unverhältnismäßig erscheinen, die Melde- und Kontrollvorschriften auf bestimmte Arten von Einzelhandelsunternehmern, z. B. auf solche, die Erzeugnisse direkt an Endverbraucher oder -nutzer verkaufen, anzuwenden. Es ist daher angebracht, den Mitgliedstaaten zu erlauben, solche Unternehmer von diesen Anforderungen auszunehmen. Um jedoch Betrug zu verhindern, sollte die Ausnahmeregelung nicht für diejenigen Einzelhandelsunternehmer gelten, die ökologische/biologische Erzeugnisse erzeugen, aufbereiten oder an einem anderen Ort als der Verkaufsstelle lagern, aus einem Drittland einführen oder die vorgenannten Tätigkeiten an Dritte vergeben haben. *32
(33) Ökologische/biologische Erzeugnisse, die in die Europäische
Gemeinschaft eingeführt werden, sollten auf dem Gemeinschaftsmarkt als ökologisch/biologisch in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie nach Produktionsvorschriften und im Rahmen von Kontrollvorkehrungen erzeugt wurden, die den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen entsprechen oder aber diesen gleichwertig sind. Ferner sollte für die aufgrund gleichwertiger Garantien eingeführten Erzeugnisse eine durch die zuständige Behörde oder die anerkannte Kontrollbehörde oder -stelle des betreffenden Drittlands ausgestellte Bescheinigung vorliegen. *33
(34) Die Gleichwertigkeitsprüfung für die Einfuhrerzeugnisse sollte die internationalen Standards im Codex Alimentarius berücksichtigen. *34
(35) Es erscheint angebracht, die Liste der Drittländer beizubehalten, deren Produktionsvorschriften und Kontrollvorkehrungen durch die Kommission als gleichwertig mit den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen anerkannt wurden. Für nicht in dieser Liste aufgeführte Drittländer sollte die Kommission ein Verzeichnis der Kontrollbehörden und -stellen aufstellen, die als zuständig für die Durchführung der Kontrollen und Zertifizierung in den betreffenden Drittländern anerkannt sind. *35
(36) Es sollten zweckdienliche statistische Daten erhoben werden, um verlässliche Informationen für die Durchführung und Begleitung dieser Verordnung und als Instrumente für Produzenten, Marktteilnehmer und politische Entscheidungsträger zu erhalten. Der Bedarf an statistischen Daten sollte im Rahmen des Statistischen Programms der Gemeinschaft festgelegt werden. *36
(37) Diese Verordnung sollte ab einem Zeitpunkt gelten, der der Kommission hinreichend Zeit lässt, die zu ihrer Durchführung erforderlichen Maßnahmen zu erlassen. *37
(38) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (1) erlassen werden. *38
(1) ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23. Geändert durch den Beschluss
2006/512/EG (ABl. L 200 vom 22.7.2006, S. 11).
(39) Angesichts der dynamischen Entwicklung des Öko-/Biosektors, einiger äußerst sensibler Fragen im Zusammenhang mit ökologischen/biologischen Produktionsmethoden und der Notwendigkeit, ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes und des Kontrollsystems zu gewährleisten, erscheint es angezeigt, die Gemeinschaftsvorschriften für den ökologischen/biologischen Landbau unter Berücksichtigung der bei der Anwendung dieser Bestimmungen gewonnenen Erfahrungen einer künftigen Überprüfung zu unterziehen. *39
(40) Solange keine detaillierten Produktionsvorschriften der Gemeinschaft für bestimmte Tierarten, Wasserpflanzen und Mikroalgen vorliegen, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, nationale Standards oder bei deren Fehlen private Standards anzuwenden, die von den Mitgliedstaaten genehmigt oder anerkannt worden sind *40
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN
Kommentierung der Erwägungsgründe
*1 Von den Landwirten ist in den Erwägungsgründen überhaupt keine Rede. Dies ist kein Zufall, sondern ein klares politisches Signal: Diese Verordnung soll deutlich machen, dass nun die Kommission die "Herrin" des Rechts auch des ökologischen Landbaus ist. Der Umstand, dass sich Bauern, die nach den Regeln der biologischen Landwirtschaft wirtschaften, selbst vor Gesundheitsschäden durch Kontakt mit Pestiziden schützen, wird ebenso wenig erwähnt wie die Tatsache, dass Verbraucher sich für Bioprodukte entscheiden, weil sie regelmäßig nur geringste Spuren unkontrollierter Einwirkung von Pestiziden aufweisen, währenddem sich in Produkten aus herkömmlicher Landwirtschaft in der Regel Spuren mehrerer Pestizide in deutlich höheren Mengen finden. Es fällt auf, dass zwar die "Verbrauchernachfrage" erwähnt wird, die zu einem "spezifischen Markt geführt habe", und dass ausgehend davon beschrieben wird, dass der ökologische Landbau "öffentliche Güter bereit" stelle, die "einen Beitrag zum Umwelt- und Tierschutz ebenso wie zur Entwicklung des ländlichen Raumes" leisten, wohingegen vom Gesundheitsschutz weder für den Landwirt noch für die Konsumenten die Rede ist. Ein wichtiges Motiv von Landwirten, auf den ökologischen Landbau umzustellen, nämlich eine mutmaßliche Ursache eigener Hautausschläge und sonstiger Gesundheitsbeeinträchtigungen wie ebenso Umweltbelastungen auszuschließen, wird nicht erwähnt. Dies mag seinen Grund darin haben, dass die Kommission den ökologischen Landbau nur als eine von mehreren nachhaltigen Formen der Agrarbewirtschaftung darstellen möchte, neben der auch Bewirtschaftungsformen Platz finden und gefördert werden sollen, in welchen chemisch-synthetische Agrochemikalien in nicht unerheblichem Umfang zum Einsatz gelangen. Mit dieser Politik der multiplen Nachhaltigkeitsförderung von "integrierter" über "nachhaltige" und "umweltschonende" bis hin zu biologischer Landwirtschaft wäre es wohl schwer vereinbar, die Gesundheitsschutzleistung der biologischen Landwirtschaft in den Vordergrund zu stellen.
*2 Dass die Verbrauchernachfrage nach Ökoprodukten weltweit steigt, wird in den Erwägungsgründen zu Recht erwähnt. Dass aber die "jüngsten Reformen der gemeinsamen Agrarpolitik", die auf Marktorientierung und den Verbraucherwünschen entsprechende Qualitätserzeugnisse abheben, bezüglich der Attraktivität von Ökoprodukten am Markt praktisch wirksam sind, wie der zweite Satz ausführt, wird als völlig unbegründetes Eigenlob der Kommission wahrzunehmen sein. Wenn dann auch noch im dritten Satz, wenn auch verklausuliert, davon die Rede ist, dass die Rechtsvorschriften einen zunehmenden wichtigen Stellenwert für die Entwicklungen auf den Agrarmärkten hätten, muss man dies schon sehr wohlwollend auslegen, um darin nicht vorsätzlich falsche Angaben zu sehen. Die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 hatte 1991, ergänzt dann ab 1999 für die tierischen Erzeugnisse, Rechtssicherheit für den Öko-Markt in der Europäischen Union geschaffen. Für das Anwachsen des Verbraucherinteresses und der Bereitschaft des Einzelhandels, Bioprodukte zu listen, wird diese neue Verordnung unerheblich sein.
*3 Die Betonung des "ordnungsgemäß funktionierenden Binnenmarktes" im dritten Erwägungsgrund bezog sich auf die noch im Kommissionsentwurf vorgeschlagenen, jetzt aber nicht mehr enthaltenen Elemente, an denen insbesondere Dänemark gelegen war: Zwangslizenzierung von Prüfzeichen und Verbote der Besserwerbung zu Lasten der Zertifizierungssysteme der Ökolandbauverbände.
*4 Im vierten Erwägungsgrund stellt die Kommission ihre Auffassung dar, dass sie in ihrem Aktionsplan die "Verbesserung und Verstärkung" der Rechtsnormen vorgesehen habe, und es habe der Rat sie in seinem Beschluss vom 18.10.2004 aufgefordert, hierfür den "gemeinschaftsrechtlichen Rahmen" zu überarbeiten. Hier soll begründet werden, weshalb die Kommission, ohne dass Außenstehende dies so bemerkten, einen vollständig neuen Verordnungsentwurf schrieb, den sie im Dezember 2005 vorlegte. Es wird berichtet, der Rat habe die Kommission um eine "Vereinfachung" der Verordnung gebeten. Es lässt sich sagen, dass das Gegenteil bewirkt wurde, weil der Rechtsanwender jetzt nur noch durch "Zickzacklesen" zwischen der neuen Ratsverordnung und verschiedenen Kommissionsverordnungen, doch nur dann, wenn er sich in der Materie genau auskennt, Aufschluss über das anzuwendende Recht erhält. Dass Gesamtkohärenz nun eher gewährleistet ist, lässt sich nicht sagen. Denn die Uneinheitlichkeit der Bedingungen, denen Landwirte genügen müssen, um ihre Produkte mit einem Hinweis auf die Herkunft aus ökologischem Landbau vermarkten zu können, wird sich voraussichtlich durch das Verfahren der Flexibilisierung eher steigern. Schließlich ist das Ziel einer weniger ins Detail gehenden Regelung mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nicht erreicht, da einerseits durch das System der Flexibilisierung eine Fülle von Ausnahmen geschaffen wird, andererseits aber die Texte aus den Anhängen der Vorgängerverordnung praktisch wortgleich übernommen werden, so dass insgesamt die Textfülle erheblich steigen wird. Zugleich wird auch die Beziehung dieser Texte zueinander nur noch für den eingeweihten Spezialisten nachvollziehbar sein.
*5 Wenn der fünfte Erwägungsgrund davon handelt, dass die "Ziele, Grundsätze und Regeln" genauer formuliert werden sollen, zollt die Kommission damit den Ökolandbauverbänden Respekt, die sich einen knappen, leicht verständlichen Text als Einführung zu den gesetzlichen Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten aus ökologischem Landbau gewünscht hatten. Dass weder das Ziel der Transparenz noch der Verständlichkeit für Verbraucher und auch nicht die Entwicklung gemeinschaftsweit harmonisierter Auffassungen durch diese Verordnung verwirklicht wird, sondern eher das genaue Gegenteil, scheint gegeben.
*6 Der sechste Erwägungsgrund nimmt Bezug auf die Aufhebung der Vorgängerverordnung und den Ersatz durch die neue Verordnung. In den Erwägungsgründen findet sich keine Begründung für dieses überraschende Vorgehen, das nicht nur bei der Kommission selbst und nicht nur bei den Mitgliedstaaten, sondern besonders bei den betroffenen Fachkreisen zu einem zweijährigen Aufwand für die Diskussion über Rechtsnormen führte, die eigentlich schon jahrelang Bestand hatten und jetzt in wesentlichen Teilen gleichem Wortlaut neu erlassen werden.
*7 Der siebte Erwägungsgrund nimmt Bezug auf die Frage, was sich durch die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 bezüglich des produktbezogenen Anwendungsbereichs ändert: Es war insbesondere von Verbraucherschutzorganisationen immer wieder gefordert worden, die Nichtlebensmittel, hergestellt aus landwirtschaftlichen Rohstoffen, etwa T-Shirts, Teppiche, Kosmetika und Arzneimittel, in den Anwendungsbereich der Verordnung aufzunehmen. Dies hat die Kommission verweigert. Eine Begründung findet sich auch in den Erwägungsgründen dieser Verordnung nicht. Der erste Satz des siebten Erwägungsgrundes macht deutlich, dass im Gegensatz zur Vorgängerverordnung die Produkte der pflanzlichen und tierischen Aquakultur mit in den Anwendungsbereich einbezogen werden sollen. Einbezogen werden sollen auch Wildpflanzen, was schon den Vorgaben der Vorgängerverordnung in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2608/93 entsprach. Denn mit dieser war unter anderem in den Anhang I die Nummer 4 eingefügt worden, nach der das Sammeln essbarer Wildpflanzen nach den Bedingungen jener Verordnung "als Erzeugung im Rahmen des ökologischen Landbaus" galt. Dass nun das Sammeln von Meeresalgen ebenfalls in den Anwendungsbereich aufgenommen wurde, ist nicht Ergebnis einer breiten Diskussion in der Öffentlichkeit, sondern des Aufgreifens einiger Anregungen durch die Kommission. Es zeigt sich, dass die Kommission von ihrem Initiativrecht auch zu Gunsten partikularer Wirtschaftsinteressen Gebrauch macht, wenn ihr dies angemessen erscheint, selbst wenn sie sich damit in Widerspruch zur eigenen Politik setzt. Hier insbesondere zur Politik, dass keine Ökozertifizierung für Pflanzen- und Tierprodukte erfolgen soll, bezüglich der Bedingungen, denen sie in ihrem Lebenszyklus ausgesetzt waren, keine Kontrolle möglich ist.
Im zweiten Satz des siebten Erwägungsgrundes wird klargestellt, dass nicht der Rat, sondern die Kommission über Positivlisten und Verfahren der landwirtschaftlichen Erzeugung und der Verarbeitung von Ökoprodukten entscheiden sollte. Hier tritt das Motiv der Kommission, die Balance zwischen ihr und dem Rat sowie dem Parlament bei der Ausarbeitung der Vorschriften zu verändern, in den Vordergrund. Die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 war mit den Anhängen I mit den Grundregeln, II mit der Positivliste für die Landwirtschaft und III mit den Vorgaben für die Kontrollen erlassen worden. Die Kommission betont hier, dass es allein ihr überlassen sein solle, diese Rechtsnormen zu setzen. Dies hat sich nun anders entwickelt: Die Kommission muss den Vertretern der Mitgliedstaaten im Artikel-37-Ausschuss nach dieser Verordnung ihre Entwürfe vorlegen und deren mehrheitliche Zustimmung anstreben, um ihre Vorstellungen zu verwirklichen.
*8 Die Betonung im achten Erwägungsgrund der Entwicklung des ökologischen Landbaus durch Förderung der Verwendung neuer Substanzen löste in den Fachkreisen höchste Besorgnis aus. Was heute als ökologischer Landbau angesehen wird, wurde im wesentlichen durch die Richtlinienarbeit der ökologischen Landbauverbände in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts definiert. Definiert nicht etwa durch allgemeine Leitsätze, die von der Förderung der Bodenfruchtbarkeit und dem Wirtschaften in integrierten Systemen handelten, sondern durch das Prinzip des Verbots der Verwendung externer Betriebsstoffe mit Ausnahme einer geschlossenen, durch Positivlisten abgegrenzten Gruppe von Einsatzstoffen. Dieses Prinzip beruht darauf, dass die hochpotenten, laufend neu entwickelten chemisch-synthetischen Agropestizide überhaupt nicht zum Einsatz kommen und dass manche, schon seit dem 19. Jahrhundert genutzten chemisch-synthetischen Verbindungen, zum Beispiel Natriumbikarbonat oder Kaliseife, nur nach Aufführen in einer Positivliste zum Einsatz gelangen dürfen. Diese Positivlisten wurden vor mehr als 20 Jahren erstellt, und die Stofflisten sind weit überwiegend bis heute in Gebrauch. Wenn die Kommission in diesem Erwägungsgrund nun davon spricht, sie wolle den ökologischen Landbau entwickeln, indem sie die "Verwendung neuer, für die ökologisch/biologische Produktionsweise besser geeigneter Techniken und Substanzen" nicht nur erlauben will, sondern sogar die Entwicklung unterstützt, klingt dies nach dem Versuch, den globalen Konsens zu durchbrechen.
Soweit sich dies auf offensichtlich unschädliche Aspekte beschränkt, etwa auf die Frage, ob Backpulver nicht nur für die herkömmliche Schädlingsbekämpfung im ökologischen Anbau eingesetzt werden kann, sondern auch für andere Zwecke, ist dagegen wenig zu sagen. Um solche Aspekte geht es der Kommission möglicherweise nicht. Die Formulierung wirkt so, als wolle sie dem Jahrzehnte langen Drängen der Hersteller von Agrochemikalien entgegenkommen, die schon lange die Auffassung vertreten, dass ihre modernen Fungizide unter human- und umweltoxikologischen Gesichtspunkten nicht problematischer zu bewerten sind als das im ökologischen Landbau als Pflanzenschutzmittel zugelassene Natriumbikarbonat oder die Schmierseife. In diesem Erwägungsgrund kann sich ein Wolf im Schafspelz verstecken. Er kann aber auch so gelesen werden, dass es nur um die Förderung jener Innovationen geht, welche von einem breiten, globalen Konsens der ökologischen Landbaubewegungen getragen werden. Die zweite Lesart wäre sicher jene, die verhindert, dass Verbraucher das Vertrauen in die Ehrlichkeit der Rechtsetzung durch die Kommission im Bereich des ökologischen Landbaus verlieren.
In den USA lässt sich eine Abwehrreaktion auf Versuche, die strikte Begrenztheit der Positivlisten zu durchbrechen, beobachten: Unter "Authentic Food" werden Produkte aus regionaler Produktion vermarktet, die strengeren Produktionsanforderungen genügen und einen geringeren Verarbeitungsstandard aufweisen, als dies für Ökoprodukte nach der bundesgesetzlichen Regelung in den USA gefordert ist. Würde die Kommission ihre in diesem Erwägungsgrund aufscheinende Absicht umsetzen, den Konsens der Ökolandbauorganisationen bezüglich der einsetzbaren Agrochemikalien zu durchbrechen, würde in Europa eine ähnliche Bewegung einsetzen.
*9 Im neunten Erwägungsgrund wird dargelegt, dass der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen (GVO) mit dem Produktionskonzept sowie der Verbrauchererwartung unvereinbar sei. Es wird dann aber nicht formuliert, dass sie daher nicht zum Einsatz gelangen dürfen, sondern davon, dass sie nicht verwendet werden "sollten". Die englische Fassung spricht entsprechend nicht davon, dass sie "shall" nicht gebraucht werden, sondern dass sie "should" nicht gebraucht werden. Diese schwachen Formulierungen im Erwägungsgrund 9 entsprechen der Regelung in der Verordnung selbst, denn dort wird zwar im Artikel 4 unter den allgemeinen Grundsätzen vorgegeben, dass keine Verwendung von GVO erfolgt. Aber dieser Artikel enthält keine Handlungsverpflichtung für die betroffenen Unternehmer. Diese findet sich vielmehr in Artikel 9 und ist dort so gefasst, dass bei der Herstellung von Ökoprodukten eine gewisse Präsenz gentechnischer Veränderung in den eingesetzten Zutaten hingenommen werden darf.
*10 Der zehnte Erwägungsgrund bezieht sich auf Artikel 9 Absatz 2. Dort wird an die Gentechnikpflichtkennzeichnung angeknüpft, wie sie für Lebensmittel durch die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 vorgegeben ist. Die Formulierung im zweiten Satz dieses Erwägungsgrundes ist in allen Sprachfassungen merkwürdig diffus gehalten. Der deutsche Text sagt zunächst, dass die Gentechnikpflichtkennzeichnungsschwellen für Lebensmittel identisch mit Höchstwerten seien. Zu diesen Höchstwerten wird festgehalten, dass sie mit einem "Vorhandensein von GVO" in "Zusammenhang" stehen würden. Was damit gemeint ist, erschließt sich nicht ohne weiteres, und es wird auch nicht ohne weiteres klar, welcher Meinungsstreit sich dahinter verbirgt. Wenn davon gesprochen wird, dass die Höchstwerte "ausschließlich mit einem zufälligen und technisch nicht zu vermeidenden Vorhandensein von GVO" in Zusammenhang stünden, geht es im Kern darum, ob technisch vermeidbar gentechnische Veränderungen in der Ernte eines Ökobauern auch solche Veränderungen sind, die vermieden worden wären, wenn der Eigner einer transgenen Kultur einen größeren Abstand als den tatsächlich vorhandenen eingehalten hätte. Der englische Text spricht davon, dass die vorhandenen Kennzeichnungsgrenzen "ceilings" repräsentieren, "which are exclusively linked to the adventitious and technically unavoidable presence of GMOs". Die Rechtsauffassung der Kommission, dass Abstände zwischen transgenen und Ökokulturen kein technisches Instrument der Vermeidung des Eintrags gentechnischer Veränderungen in Ökoprodukte sei, wird hier noch nicht einmal im Ansatz deutlich.
*11 Der erste Satz des elften Erwägungsgrundes spricht die lokale Organisation des ökologischen Landbaus an. Allerdings nicht bezogen auf die Vermeidung von "food miles", also nicht bezogen auf die Entfernung zwischen Erzeugung und Verbrauch, sondern bezogen auf die Herkunft von Einsatzstoffen. Angesprochen ist, dass Futtermittel in ökologischer Tierhaltung aus regionalen Quellen stammen sollten. Der folgende Satz betont die Rückführung von Nährstoffen durch Verwertung von Abfällen pflanzlichen und tierischen Ursprungs, was die Herkunft dieser Abfälle offenlässt. Gesammelte Haushaltsabfälle werfen die Problematik des Fremdstoffsanteils auf und entsprechende Abfälle aus industrieller Verarbeitung die Frage der Belastung mit Stoffen, die zwar in der konventionellen Produktion, nicht aber bei ökologischer Erzeugung zugelassen sind. Der Aspekt der lokalen Futtermittelherkunft wird in Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe d aufgegriffen. Dort ist festgelegt, dass Futtermittel hauptsächlich in dem Betrieb, in dem die Tiere gehalten werden oder in einem anderen ökologischen Betrieb, aber "im gleichen Gebiet" erzeugt werden müssen. Die englische Fassung des Artikel 14 spricht von einer Produktion "in the same region", während die englische Fassung des elften Erwägungsgrunds von einer Herkunft aus "locally organised agricultural systems" spricht.
*12 Der zwölfte Erwägungsgrund betont im zweiten Satz, dass das "Ökosystem des Bodens", in der englischen Fassung das "soil eco-system" Quelle für die Nährstoffe von Pflanzen im ökologischen Landbau sein solle. Dies im Gegensatz zu einer Herkunft von Nährstoffen aus "auf den Boden ausgebrachten löslichen Düngemitteln", also nicht durch, so die englische Fassung, "soluble fertilisers added to the soil". Damit werden einerseits die leicht löslichen synthetischen Stickstoffdünger aus dem ökologischen Landbau ausgeschlossen. Zugleich wird aber deutlich, dass auch Stickstoffdünger organischen Ursprungs, zum Beispiel Eiweißhydrolysate, nur subsidiär als Nährstoffträger zum Einsatz gelangen sollen.
*13 Die im 13. Erwägungsgrund angesprochenen "zentralen Elemente" oder, in der englischen Fassung, "essential elements" finden sich in Artikel 5 unter den "spezifischen Grundsätzen für die landwirtschaftliche Erzeugung", die jedoch vornehmlich der Anleitung des Gesetzgebers dienen. Sie finden sich dann aber auch wieder in Artikel 12 unter den "Vorschriften für die pflanzliche Erzeugung", wo sie gemäß Artikel 8 als "Produktionsvorschriften" wirken, welche "die Unternehmer ... einhalten" müssen. Die Kommission war der Auffassung, dass die dreifache Wiederholung dieser "zentralen Elemente" in den Erwägungsgründen, in den sie selbst steuernden Grundsätzen und Zielen und in den für die Unternehmer geltenden Produktionsvorschriften die Verständlichkeit und Kohärenz der Regelung erhöht. Da sie die Absicht hat, in einer eigenen Kommissionsverordnung die Anhänge der bisherigen Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 neu zu publizieren, jetzt als Ausführung der Vorgaben dieser Ratsverordnung, werden dort voraussichtlich die wesentlichen Elemente mit gleichem Wortlaut nochmals genannt.
*14 Im 14. Erwägungsgrund wird die Bedeutung der Tierhaltung als eines Teils der ökologischen Landwirtschaft betont. Dabei geht es nicht um die allgemeine Bedeutung, sondern um die konkrete Bedeutung "in einem ökologisch/biologisch wirtschaftenden Betrieb". Damit wird die von den Verbänden des ökologischen Landbaus angestrebte Kombination von tierischer und pflanzlicher Erzeugung als von "fundamentaler Bedeutung" gewürdigt. Es wird herausgehoben, dass die Rückführung der Abfälle der Tierhaltung in die Pflanzenproduktion zur Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft beiträgt. Was hier als von fundamentaler Bedeutung angesprochen wird, findet sich jedoch an keiner anderen Stelle der Verordnung. Dass es zum Leitbild ökologischer Landwirtschaft gehört, dass Tiere und Pflanzen im gleichen Betrieb erzeugt werden und die entsprechenden Stoffströme integral ineinander wirken, um die Nachhaltigkeit der Produktion zu gewährleisten, hatte die Kommission schon in ihrem Entwurf vom Dezember 2005 aufgenommen, wobei es aber bei einer plakativen Aussage blieb, der keine Umsetzung im Text der Verordnung entsprach. Die Verordnung enthält keine Vorgaben, die für einen ökologisch wirtschaftenden Pflanzenbaubetrieb einen Anreiz oder eine Pflicht begründen würden, Tiere zu halten.
*15 Im 15. Erwägungsgrund wird der gleiche Aspekt, jetzt aber mit Blick auf die ökologischen Tierhalter, angesprochen. Sie sollen verpflichtet sein, für eine "enge Verbindung zwischen tierischer Erzeugung und dem Land" zu sorgen. Es wird angesprochen, dass die Fütterung der Tiere mit Pflanzenerzeugnissen erfolgen solle, die "im Betrieb selbst oder in benachbarten" Ökobetrieben erzeugt wurden. Die erste Vorgabe findet sich in den "Vorschriften für die tierische Erzeugung" des Artikel 14, dort im Absatz 1 Buchstabe d.
*16 Im 16. Erwägungsgrund wird angesprochen, dass die Tiere "so oft als möglich" Zugang zu "Auslauf im Freien" oder zu Weideflächen haben sollen. Als Begründung dafür wird angegeben, dass die ökologische Tierhaltung "eine an das Land gebundene Wirtschaftstätigkeit" darstelle. Für die meisten Beobachter scheint naheliegend, dass der Auslauf den natürlichen Bedürfnissen der Tiere gerecht werden soll. Nicht ethologische Gründe, sondern die abstrakte Überlegung, dass Tierhaltung eine "an das Land gebundene Wirtschaftstätigkeit" sei, leitete den Vorschlag der Kommission nach diesem sechzehnten Erwägungsgrund. Die zutreffendere Begründung dürfte sich im siebzehnten Erwägungsgrund finden.
*17 Im 17. Erwägungsgrund werden die "tierartspezifischen verhaltensbedingten Bedürfnisse" angesprochen, welche in der ökologischen Tierhaltung befriedigt werden sollen. Dass die Tiere sich wohlfühlen, nicht unter Stress geraten und demnach auch weniger krankheitsanfällig sind, gehört zu den seit Jahrzehnten von den Praktikern der ökologischen Tierhaltung in den Vordergrund gestellten Aspekten. Zutreffend wird im ersten Satz dieses Erwägungsgrundes dann auch auf die "Gesunderhaltung des Tierbestandes" und auf die "Krankheitsvorbeugung" abgehoben, denn diese stehen mit der artgerechten Tierhaltung in engem Zusammenhang, auch wenn die gewählte Formulierung dies nicht wirklich deutlich macht. Im zweiten Satz wird die "Stallunterbringung" angesprochen, in der englischen Fassung "housing conditions". Dann auch die "Haltungspraktiken" und die "Besatzdichte", im englischen "husbandry practices and stocking densities". Hier geht es um den dem Einzeltier im Stall gewährten Raum, um die Größe und Belüftung von Ställen, um den freien Zutritt zu Auslauf, um die Beschaffenheit der Böden (keine Vollspaltenböden, Einstreu). Aber auch um den zur Verfügung stehenden Raum, wie auch darum, ob die Größe der Tiergruppen eine artgerechte Herdenbildung zulässt. Es wird für die "Wahl der Tierrassen" deren Eignung zur Anpassung an die lokalen Verhältnisse, insbesondere Witterungsverhältnisse und zur Verfügung stehendes Futter, angesprochen. Im vierten Satz wird das "Europäische Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen" angesprochen. Dies in dem Sinne, dass die "Durchführungsbestimmungen", also die Rechtsnormen, welche die Kommission im Artikel-37-Verfahren erlässt, wenigstens ihren Anforderungen genügen sollen.
Dass die Verordnung nach dem Vorschlag der Kommission auf diese "European Convention for the Protection of Animals kept for Farming Purposes" Bezug nimmt, kam überraschend. Es handelt sich um einen knappen völkerrechtlichen Vertrag, in dem die Mitgliedstaaten im Europarat (Council of Europe) am 10.03.1976 Maßstäbe für die Tierhaltung niedergelegt haben. Nach Artikel 1 der Konvention handelt es sich aber um Vorgaben insbesondere für "animals in modern intensive stock-farming systems". Ein ständiger Ausschuss soll Empfehlungen für die Umsetzung der in der Konvention enthaltenen allgemeinen Regeln gemäß Artikel 8 ff. der Konvention formulieren. Empfehlungen müssen von den Signaturstaaten nicht eingehalten werden, denn deren Verpflichtung beschränkt sich darauf, im Falle der Nichteinhaltung gemäß Artikel 9 Absatz 3 Satz 2 dem Sekretariat mitzuteilen, dass man sich dafür entschieden hat, der Empfehlung nicht zu folgen. Die Empfehlungen sind allerdings in der Regel so gefasst, dass sie ohnehin nicht in herkömmlicher Tierhaltungspraktiken eingreifen, auch wenn diese wegen des fehlenden Tierschutzes in der Öffentlichkeit scharf kritisiert werden. So ist nach einer Empfehlung aus dem Jahre 1999 die Zwangsfütterung von Gänsen zur Herstellung von "foie gras" nicht verboten, da sie eine der "varieties of current practice" sei. Entsprechende Zwangsfütterung von Gänsen in Frankreich, Ungarn, Belgien, Spanien und Bulgarien wird daher von der Konvention nicht behindert. In Deutschland ist diese Praxis durch § 3 Absatz 9 des Tierschutzgesetzes aus dem Jahre 2005 untersagt, wonach es verboten ist, "einem Tier durch Anwendung von Zwang Futter einzuverleiben, sofern dies nicht aus gesundheitlichen Gründen erforderlich ist". Der 17. Erwägungsgrund nimmt also Bezug auf eine völkerrechtliche Konvention und die in ihrem System ausgesprochenen Empfehlungen eines ständigen Ausschusses, welche die Haltungspraktiken erlauben, die von Verbrauchern als Tierquälerei wahrgenommen werden. Die Kommission hatte unverständlicherweise darauf bestanden, auf diese Konvention Bezug zu nehmen. Dieser Bezug trägt nicht dazu bei, der ökologischen Tierhaltung ein klares Profil zu verschaffen, denn die Konvention beschäftigt sich mit dem absoluten Minimum des Tierschutzes in hoch industrialisierter, konventioneller Tierhaltung.
Es handelt sich bei dieser Konvention nicht etwa um einen völkerrechtlichen Vertrag im System der Europäischen Union: Der Europarat ist nicht der Europäische Rat und auch nicht der Rat der Europäischen Union. Der Europarat ist ein Zusammenschluss von 47 Staaten, der 1949 gegründet wurde. In seinem System sind Konventionen über den Schutz der Menschenrechte vereinbart worden. Der Europäische Rat ist demgegenüber eine aus den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten bestehende Intergouvernementale Einrichtung zur Setzung von Politikrichtlinien. Der Rat der Europäischen Union (Ministerrat) ist ein Organ im System der Europäischen Union, in dem die Mitgliedstaaten durch ihre Minister vertreten sind. Die hier angesprochene Konvention hatte zur Europäischen Gemeinschaft nur insoweit Bezug, als sie 1988 die Konvention ratifizierte. Sowohl die Gemeinschaft als auch ihre Mitgliedstaaten sind Vertragspartner der Konvention als einem völkerrechtlichen Vertrag. Dass die Kommission darauf bestand, auf die Arbeit des ständigen Ausschusses im Rahmen dieser Konvention Bezug zu nehmen, erstaunt insbesondere deshalb, weil der Europarat seine Aktivitäten im Bereich des Tierschutzes suspendiert hat und weil die bis dahin beschlossenen Empfehlungen von solcher Allgemeinheit und Schwäche sind, dass dieser Bezug die ökologische Tierhaltung eher in einem schlechten Licht erscheinen lässt, als ihre Praktiken zu verbessern. Durch den Bezug auf die Konventionen und das Empfehlungssystem des ständigen Ausschusses wird die ökologische Tierhaltung mit konventioneller Massentierhaltung in direkten Bezug gesetzt. Die Kommission hat auf Drängen der Mitgliedstaaten im Konsultationsprozess mit dem Rat zugesichert, die vorhandenen ökologischen Tierhaltungsstandards in den Anhängen I und II der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 nicht zu schwächen, sondern diese Anhänge praktisch unverändert als neue Kommissionsverordnung in Ausführung dieser Verordnung (EG) Nr. 834/2007 zu erlassen. Damit würden die Ökotierhaltungsregeln im Ergebnis letztlich dann doch nicht geschwächt.
*18 Im 18. Erwägungsgrund wird von "Produktionszyklen der verschieden Tierarten" gesprochen. Gemeint ist, dass Tiere, deren Erzeugnisse mit dem Hinweis auf die Herkunft aus ökologischer Tierhaltung vermarktet werden, während ihres gesamten Lebens unter ökologischen Bedingungen gehalten worden sein sollen. Es wird von einer Vergrößerung des "Genpools" gesprochen und von einer Verbesserung der "Selbstversorgung". Gemeint ist, dass das Monopol konventioneller Vermehrer für die Lieferung von Jungtieren durchbrochen werden soll. Es soll daraufhin gewirkt werden, dass Jungtiere aus vollständig ökologischer Vermehrung zur Verfügung stehen und diese möglichst mit Erbgut, das ökologischen Haltungsbedingungen entspricht. Hier geht es etwa um die Frage der Schnellwüchsigkeit, die für die konventionelle Produktion zumal in der Geflügelhaltung ein wichtiger Faktor, in der ökologischen Produktion aber eher unerwünscht ist, insbesondere wenn diese Eigenschaft mit erhöhter Krankheitsanfälligkeit einhergeht.
*19 Der 19. Erwägungsgrund handelt von der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus ökologischer Landwirtschaft. Er spricht die Sicherstellung von "Integrität" an. Er handelt von der Wahrung der "entscheidenden Qualitätsmerkmale" in der "Produktionskette". Diese Formulierung stammt nicht aus dem Entwurf der Kommission. Sie wurde in Reaktion auf Bedenken aus den Mitgliedstaaten aufgenommen, dass der Kommissionsentwurf nicht genügend deutlich machte, dass Bioprodukte sich nicht nur bezüglich ihrer Herkunft aus einer besonderen Form landwirtschaftlicher Produktion von konventionellen Lebensmitteln unterscheiden, sondern eben auch dadurch, dass sie nicht so wie jene verarbeitet wurden. Die englische Fassung handelt davon, dass Biolebensmittel durch den Gebrauch von "processing methods" herstellt werden sollten, "which guarantee that the organic integrity and vital qualities of the product are maintained". Die englische Fassung lässt noch eher deutlich werden, was gemeint ist: "Organic integrity" ist das Schlagwort, unter dem nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und in Asien darüber diskutiert wird, dass die Öffentlichkeit von Biolebensmitteln eine kohärente Gesamtleistung erwartet, welche auch die Art und die Umstände von Transport und Verarbeitung der Produkte einschließt. Dass sich das Stichwort der "organic integrity" nun in dieser Verordnung findet, überrascht, denn es handelt sich um einen Begriff, der insbesondere in der Diskussion darüber verwendet wird, ob es möglich ist, diese Integrität zu bewahren, wenn immer größere Unternehmen mit ihren spezifischen Strukturen versuchen, ökologisch zu produzieren und Bioprodukte in ihren Strukturen zu vermarkten.
Der Begriff der "vital qualities" aus dem englischen Entwurf von Kommission und Rat ist für die deutsche Sprachfassung als "entscheidende Qualitätsmerkmale" übersetzt worden. Die deutsche Fassung entspricht hier der französischen. Die Übersetzung dürfte jedoch den Intentionen der Autoren nicht entsprechen. Der Begriff der "Vitalqualität" wird schon seit Jahrzehnten in der Forschung zur Qualität der Erzeugnisse aus biologischer Landwirtschaft als feststehender Begriff verwendet. Er steht im Gegensatz zu einem Forschungsansatz, welcher den Wert eines Lebensmittels allein aufgrund chemisch-analytisch messbarer stofflicher Zusammensetzung beurteilt. Der Begriff hat seinen Ursprung wohl in der Forschung der biologisch-dynamischen Bewegung, die mit bildschaffenden Methoden die Vitalqualität von Lebensmitteln erkunden will. Wenn die Arbeitsfassung von "vital qualities" der Biolebensmittel handelt, ist wahrscheinlich, dass die Erstautoren damit die "Vitalqualitäten" ansprechen wollten, die durch schonende Verarbeitung erhalten bleiben sollten.
Dieser Erwägungsgrund greift daher das Konzept der bisherigen Verordnung auf, durch das Verbot der Verwendung von Stoffen, die nicht ausdrücklich durch Positivlistung im Anhang VI der bisherigen Verordnung für diesen Zweck zugelassen wurden, die Verarbeitung von Ökolebensmitteln zu regeln. Diese Positivliste gilt bis zum Erlass einer neuen Regelung nach Artikel 19 Absatz 3 Satz 2 dieser Verordnung. Die Kommission hat auf die durch den Rat vorgetragenen Bedenken der Mitgliedstaaten durch das Versprechen reagiert, die Anhänge der Vorgängerverordnung weitgehend unverändert als Kommissionsverordnung in Ausführung dieser Verordnung neu zu erlassen.
*20 Der 20. Erwägungsgrund spricht im ersten Satz ein Prinzip aus, welches den Text der Verordnung ins Gegenteil verkehrt: Es soll ein Hinweis auf die Herkunft aus biologischer Landwirtschaft nur bei Produkten erfolgen, wenn "fast alle Zutaten" aus dieser Produktion stammen. Die gegenteilige Regelung findet sich in Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe b, wonach jeder auch noch so geringe Anteil landwirtschaftlicher Zutaten aus biologischer Landwirtschaft in einem Lebensmittel, das auch andere Zutaten enthält, zumindest im Zutatenverzeichnis ausgelobt werden kann. Das klare Profil der Biolebensmittel wird dadurch verwischt: Verbraucher begegnen nun Produkten, insbesondere in Markensortimenten, welche mit einem "grünen" Image ausgestattet werden, in denen wechselnde, nur durch den genauen Blick auf das Zutatenverzeichnis feststellbare Anteile aus biologischer Landwirtschaft vorhanden sind. Diese Form der Auslobung von Anteilen, die unbedeutend sind, war seit 1991 verboten. Dass die Kommission als Grundsatz das Gegenteil in die Erwägungsgründe aufnimmt, gleichwohl aber die Durchbrechung des Verbots vorschlägt, zeigt eine gewisse Inkonsistenz.
Im zweiten Satz des Erwägungsgrundes wird aufgegriffen, dass "Erzeugnisse der Jagd und Fischerei" gemäß Artikel 1 Absatz 2 Satz 2 nicht mit den Begriffen "Bio" oder "Öko" ausgestattet werden dürfen, andererseits soll aber die Herkunft von landwirtschaftlichen Zutaten in verarbeiteten Produkten, die im Wesentlichen aus solchen Erzeugnissen der Jagd und der Fischerei bestehen, auch dann ausgelobt werden dürfen, wenn es sich um praktisch unbedeutende Zutaten handelt. Auch unbedeutende Zutaten aus biologischer Landwirtschaft dürfen nach Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe c nicht nur im Zutatenverzeichnis, sondern auch bei der Verkehrsbezeichnung, angegeben werden. Wenn im dritten Satz ausgeführt wird, dass es im "Interesse der Markttransparenz" und zur "Unterrichtung des Verbrauchers" ermöglicht werden solle, "im Verzeichnis der Zutaten" auf die ökologische Produktion hinzuweisen, handelt es sich um ein Missverständnis: Die Zulassung eines Hinweises im Zutatenverzeichnis wird bewirken, dass Produkte mit einer entsprechenden Anmutung präsentiert werden, die vom Verbraucher als Bioprodukte und den Bioprodukten nahestehend wahrgenommen werden, ohne dass die Verbraucher während des Einkaufs, konfrontiert mit tausenden von Artikeln, nachvollziehen können, wie weit die ökologische Leistung des Produzenten eines Produktes reichte. Worin die Befriedigung eines Interesses an Markttransparenz durch eine solche Regelung liegen könnte, ist nicht ersichtlich.
Der dritte Satz nennt die "verstärkte Verwendung von Zutaten aus ökologischer/biologischer Produktion" als Ziel, das mit der Schaffung der Möglichkeit verfolgt werden solle, die Herkunft aus biologischer Landwirtschaft bei unbedeutenden Zutaten in einem verarbeiteten Produkt zumindest im Zutatenverzeichnis herauszustellen. Da Rohstoffe aus ökologischer Landwirtschaft im Einkauf regelmäßig teurer sind, gibt es für ein Lebensmittelunternehmen keinen Anreiz, die teureren Rohstoffe einzusetzen, es sei denn, dem Einsatz steht ein Vorteil bei der Vermarktung gegenüber. Wird der Vorteil aber darin gesehen, dass Verbraucher ein Produkt mit einem geringen Anteil an landwirtschaftlichen Zutaten aus biologischem Landbau als etwas Besonderes wahrnehmen, fällt der Anreiz, auch die übrigen landwirtschaftlichen Zutaten aus ökologischer Produktion zu beschaffen, weg. Es wird durch die freie Auslobbarkeit der Ökoherkunft beliebiger landwirtschaftlicher Zutaten im Zutatenverzeichnis das genaue Gegenteil bewirkt: Die Notwendigkeit, landwirtschaftliche Zutaten auch dann in ökologischer Qualität zu beschaffen, wenn gerade diese Zutaten knapp oder teuer sind, entfällt, wenn Verbraucher das Erzeugnis ohnehin als etwas Besonderes betrachten, weil eben andere der Zutaten aus ökologischem Landbau stammen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Lebensmittelunternehmen versucht sein werden, die Bruchteil-Biolebensmittel als eine eigene Kategorie am Markt zu platzieren und entsprechend zu bewerben, ist groß. Dem Grunde nach soll nach Artikel 23 der Hinweis "nur" im Verzeichnis der Zutaten möglich sein. Die Versuchung, durch geschickte Werbegestaltung eben doch auch außerhalb des Zutatenverzeichnisses auf die Biozutaten von Lebensmittel aufmerksam zu machen, wird groß sein. Wenn sich diese schwache Auslegung durchsetzen sollte, werden Biolebensmittel ihr klares Profil in der Wahrnehmung der Verbraucher verlieren.
*21 Im 21. Erwägungsgrund legt die Kommission dar, was sie unter "Flexibilität" versteht. Sie hatte unter Nummer 20 der Begründung ihres Vorschlags vom Dezember 2005 ausgeführt:
„Mit dem Verordnungsvorschlag sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der Ökosektor entsprechend den jeweiligen Erzeugungs- und Marktentwicklungen sich in wirtschaftlich rentabler Weise entwickeln und erzeugen kann. Zu diesem Zweck bietet der Vorschlag die Möglichkeit, auf eine gewisse, genau geregelte Flexibilität zurückzugreifen. Aufgrund dieser Flexibilitätsbestimmungen kann den Mitgliedstaaten im Wege des Ausschussverfahrens gestattet werden, weniger strenge Produktionsvorschriften anzuwenden, damit besondere lokale Gegebenheiten bei Klima, Entwicklungsstand und Erzeugungsbedingungen Berücksichtigung finden. Im Grunde wird hierdurch die Vielzahl der derzeit genehmigten Ausnahmeregelungen in ein allgemeines, aber fest umrissenes System umgewandelt. Im Gegensatz zum bestehenden System werden dabei jedoch die Bedingungen und die Tragweite der zugestandenen Abweichungen und die Kompetenzverteilung zwischen den beteiligten Akteuren eindeutig festgelegt".
Hier wird angesprochen, dass die Kommission als wesentliches Motiv für ihren Entwurf einer neuen Verordnung herausstellte, es seien in die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 über 70 "derogations" aufgenommen worden. Eine solche "legislation by derogation" solle es künftig nicht mehr geben. Der Hintergrund für diese Aussagen wird erst verständlich, wenn sich der Blick darauf richtet, wer entscheidet. Kim Holm Boesen stellte die Zusammenhänge im Mai 2006 fest. Er legte dar, dass die Abteilung F5, welche den Entwurf der Kommission fertigte, die Auffassung vertritt, dass es 66 "derogations" in der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 gebe. Damit seien Regelungen gemeint, bei denen etwa die Notwendigkeit des Einsatzes eines Betriebsstoffes von der Kontrollstelle anerkannt werden muss. Gemeint seien also Regelungen, nach denen in den Mitgliedstaaten Behörden oder Kontrollstellen darüber entscheiden, ob nach den regional oder im Einzelfall gegebenen Umständen ein bestimmter Bewirtschaftungsschritt in Abweichung der allgemeinen Vorschriften der Vorgängerverordnung erfolgen durfte.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein deutlicheres Bild: Die Flexibilitätsregelung, wie sie nun in Artikel 22 dieser Verordnung gesetzlich vorgegeben ist, sieht das Gleiche vor, wie die bisherige Verordnung. Nur beruht das Argument der Kommission auf dem Gedanken, dass es besser sei, dass sie im Verfahren der Artikel-37-Ausschuss die Entscheidung trifft und nicht die Kontrollbehörden und die Kontrollstellen in den Mitgliedstaaten. Aus Artikel 28 Absatz 7 Buchstabe b ergibt sich aber, dass Kontrollbehörden in den Mitgliedstaaten eben doch und wenn ausdrücklich zugelassen, auch die Kontrollstellen, mit der "Gewährung von Ausnahmen nach Artikel 22" befasst sein sollen. Nach Anhang II Teil A der bisherigen Verordnung war beispielsweise das Ausbringen von zugekauftem "Stallmist" in einer ökologische Kultur unter die Bedingung gestellt: "Bedarf von der Kontrollstelle oder -behörde anerkannt". Dies bewirkte, dass der Landwirt den Nährstoffbedarf unter Berücksichtigung der Besonderheiten seiner Produktion darlegen und die Kontrollstelle die Rechtfertigung dieser Ausbringung überprüfen musste. Nach Anhang I Teil B Abschnitt 8.3.1. der Vorgängerverordnung war allen Säugetieren Weide- oder Freigeländezugang oder Auslauf zu gewähren. Nach Abschnitt 8.5.1. konnten die zuständigen Behörden des jeweiligen Mitgliedstaats für einen Übergangszeitraum, der am 31.12.2010 ablaufen sollte, Ausnahmen zulassen, allerdings nur für Haltungsgebäude, die vor dem 24.08.1999 errichtet worden waren. Die Kommission schrieb in der Begründung ihres Entwurfs davon, dass den Mitgliedstaaten "im Wege des Ausschussverfahrens" gestattet werden solle "weniger strenge Produktionsvorschriften anzuwenden".
Im Ausschussverfahren muss die Kommission die Initiative ergreifen. Da die Kommission ein Initiativmonopol hat, ist künftig jeder Mitgliedstaat auf das Wohlwollen der Mitarbeiter der Abteilung F5 in der Generaldirektion Landwirtschaft angewiesen. Ohne deren Wohlwollen wird es keine Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Mitgliedstaates im Rahmen der Flexibilitätsregelung des Artikel 22 geben. Nur unter besonderen Umständen kann die Kommission verpflichtet sein, von ihrem Initiativrecht Gebrauch zu machen. Offensichtlich willkürliche Ungleichbehandlung von Mitgliedstaaten und offensichtlich willkürliche Motive für das Unterlassen der Initiative könnten solch besondere Umstände sein. Im Allgemeinen führt das neue System der Flexibilität nicht dazu, dass andere oder weniger Abweichungen von den allgemeinen Regeln gewährt werden. Jedoch ist die Entscheidungsmacht deutlich hin zur Kommission verschoben worden. Im Ergebnis wird sich an den Abläufen aber nichts ändern, denn Artikel 27 Absatz 7 Buchstabe b macht schon deutlich, dass die Kommission die Ausnahmen so zu gewähren beabsichtigt, dass in diesen "spezifische Bedingungen" vorgegeben werden, deren Vorliegen dann wieder von den Kontrollbehörden der Mitgliedstaaten oder, wenn so vorgesehen, von den Kontrollstellen beurteilt wird. Wie das neue System praktisch angesichts der knappen Personalausstattung der Abteilung F5 bewältigt werden soll, ist nicht bekannt. Entgegen früheren Angaben aus der Kommission ist eine Vervielfachung der Besetzung nicht beabsichtigt, so dass erwartet werden kann, dass das neue Verfahren der Flexibilität nur für Mitgliedstaaten Bedeutung haben wird, denen es gelingt, ihre Interessen der Kommission besonders nachhaltig zur Wahrnehmung zu bringen.
Die Kommission hatte unter Nummer 10 in der Begründung ihres Entwurfs vom Dezember 2005 angegeben, es würde sich die Zahl der "Detailvorschriften" verringern. Das genaue Gegenteil dürfte sich aufgrund des nun notwendigen "Zickzacklesens" zwischen der Ratsverordnung und den verschiedenen Kommissionsverordnungen, die nun laufend ergehen werden, ergeben: „Die Formulierung der Ziele und Grundsätze und ihre Zusammenführung mit den grundlegenden Erzeugungs-, Kennzeichnungs-, Kontroll- und Einfuhrvorschriften in einer einfacheren, klareren und transparenteren Verordnung des Rates stellt eine wesentliche Vereinfachung des bestehenden Rechtsrahmens für die ökologische Erzeugung dar. Ganz erheblich verringern sich dadurch die Detailvorschriften in der Ratsverordnung und zugleich wird eine weitere Verringerung der Detailregelungen in den Durchführungsbestimmungen ermöglicht. Der Verordnungsvorschlag wird auch die gegenwärtige Praxis der „Rechtsetzung in Form von Ausnahmeregelungen" durch einen transparenten, genau festgelegten Mechanismus ersetzen, mit dem die Anwendung von weniger strengen Vorschriften erlaubt werden kann (siehe unter Flexibilität)". Diese Verordnung wird eine unablässige Folge von Kommissionsverordnungen auslösen und damit keine Vereinfachung des Rechtsrahmens, sondern eine beträchtliche Steigerung seiner Komplexität bewirken.
*22 Im 22. Erwägungsgrund wird angesprochen, dass die "Ausnahmen von den Anforderungen" begrenzt sein sollen und zwar "unbedingt" auf solche Fälle, in denen die Anwendung von Ausnahmeregelungen "als gerechtfertigt" anzusehen ist. Diese Formulierung hat keinen praktisch begrenzenden Inhalt, sondern macht deutlich, dass es der freien politischen Initiativentscheidung der Kommission überlassen bleiben soll, im Artikel-37-Ausschuss Flexibilitätsregelungen für bestimmte Mitgliedstaaten oder Regionen vorzuschlagen oder nicht. Der Katalog der Gründe, die Anlass für eine "Ausnahmeregelung" sein können, ist sowohl nach dem 21. Erwägungsgrund wie auch in Artikel 22 so weit gefasst, dass sich praktisch jede Ausnahme durch ein Herausgreifen bestimmter Umstände politisch rechtfertigen lässt.
*23 Der 23. Erwägungsgrund betont, dass Begriffe, die in der Gemeinschaft zur Kennzeichnung von Bioprodukten dienen, "unabhängig von der verwendeten Sprache" vor der Benutzung für konventionelle Produkte geschützt werden sollen. Dies bezieht sich auf die durch den Europäischen Gerichtshof 2005 entschiedene Diskussion, ob der Begriff "Bio" für konventionelle DANONE-Produkte in Spanien zur Verfügung stehen könne. Wenn im folgenden Satz von Auslegungen und Diminutiven die Rede ist, sind die Begriffe "bio" und "öko" gemeint, wie sie in Artikel 23 Absatz 1 geführt sind. Die englische Fassung verwendet als zweites Kürzel "eco": "Such as 'bio' und 'eco'". Dem entspricht auch die französische Sprachfassung. Gemeint sind hier nicht wirklich Verkleinerungsformen, denn diese spielen in der Praxis keine Rolle, sondern Kurzbegriffe, die geschützt sein sollen. Letztlich hebt dieser Erwägungsgrund auf die Wahrnehmung des Lesers ab, dessen Eindruck maßgebend sein soll, ganz gleich, in welcher Art und Kombination Begriffe verwendet werden, die den Eindruck der Herkunft aus ökologischem Landbau vermitteln.
*24 Im 24. Erwägungsgrund wird angesprochen, dass, anders als noch der Kommissionsentwurf, diese Verordnung ein "Gemeinschaftslogo" als verbindlich vorschreibt. Der Kommissionsentwurf von Dezember 2005 hatte unter Nr. 22 seiner Begründung noch dargelegt, dass ein Pflichtlogo gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Subsidiarität verstoßen würde: "Das EU-Logo sollte auch künftig allen Erzeugnissen, einschließlich aller Einfuhrerzeugnisse, offen stehen, die die Anforderungen der Verordnung erfüllen. Bei der Ausarbeitung des Europäischen Aktionsplans für ökologische Landwirtschaft und ökologisch erzeugte Lebensmittel führten die Diskussionen mit den Interessengruppen und den Mitgliedstaaten zu der Schlussfolgerung, dass das EU-Logo gegenwärtig nicht verbindlich vorgeschrieben werden sollte, da hierin eine übermäßige Einmischung der EU in die Gewerbefreiheit in anderen Bereichen gesehen werden könnte. Für den Fall, dass ein Erzeugnis kein EU-Logo trägt, wird allerdings vorgeschlagen, bei aus der Gemeinschaft stammenden Erzeugnissen auf dem Etikett die Angabe eines einfachen standardisierten Textfragments EU-ÖKOLOGISCH bzw. EU-BIOLOGISCH verbindlich zu machen. Damit soll allen Unternehmern der Erzeugungskette und dem Verbraucher wirksam signalisiert werden, dass das Erzeugnis dem einheitlichen EU-Standard entspricht".
Die Kommission weigerte sich, vorzuschlagen, die Codenummern der Ökokontrollstellen, die seit 1997 gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d und Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe g auf allen Ökoprodukten wiedergegeben sein müssen, gemeinschaftsweit zu standardisieren und damit die Ökoprodukte erkennbar zu machen. Statt dessen bestand sie darauf, die Gestalt dieser Codenummer von jedem Mitgliedstaat gesondert bestimmen zu lassen und zusätzlich zu den uneinheitlichen Codenummern weder ein EU-Pflichtlogo noch den im vorstehenden Zitat wiedergegebenen Wortvermerk aufzunehmen. Nach Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe a müssen Ökoprodukte nun die uneinheitlichen Codenummern und nach Buchstabe b das einheitliche Gemeinschaftslogo, zusätzlich aber nach Buchstabe c auch noch einen geographischen Herkunftshinweis tragen. Dieser wurde neu eingeführt, um dem Vorhalt zu entgehen, ein EU-Pflichtlogo würde dem Publikum in der Europäischen Gemeinschaft bezüglich Ökoprodukten aus Drittstaaten zu Unrecht den Eindruck vermitteln, diese stammten aus der Landwirtschaft der Gemeinschaft.
*25 Der 25. Erwägungsgrund spricht an, dass Biokennzeichnung den Verbraucher irreführen kann, wenn sie bei Erzeugnissen erfolgt, die nicht "fast ausschließlich" Zutaten aus ökologischer Landwirtschaft enthalten. Damit wird begründet, dass das Gemeinschaftspflichtlogo nicht für "Umstellungserzeugnisse" und nicht für Produkte verwendet werden darf, deren landwirtschaftliche Zutaten zu weniger als 95 % aus biologischer Landwirtschaft stammen. Diese Willensbekundung des Gemeinschaftsgesetzgebers ist unter dem 20. Erwägungsgrund und der neuen Regelung in Artikel 23 Absatz 4 Buchstaben b und c, durch die der Ökohinweis zumindest in der Zutatenliste immer dann erlaubt wird, wenn er sich auf eine, wie auch immer geringfügige, landwirtschaftliche Zutat aus ökologischem Landbau bezieht, kaum vereinbar. Auch für die Erzeugnisse der Jagd und Fischerei ist die Angabe im selben Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung erlaubt. Umstellungserzeugnisse können nach der vorliegenden Fassung dieser Verordnung ohne Hinweis auf ihre Herkunft aus Umstellungserzeugung mit einem Hinweis auf die Herkunft aus biologischer Landwirtschaft gekennzeichnet werden, denn ein Hinweis auf die Umstellung wird hier nicht verlangt. Nach Artikel 26 Buchstabe b kann die Kommission im Artikel-37-Verfahren aber ergänzende Vorschriften für die Kennzeichnung erlassen. Es wird die Vermarktung von Umstellungsware als Bioprodukte zumindest für pflanzliche Monoprodukte erleichtern.
*26 Der 26. Erwägungsgrund betont, dass das "Gemeinschaftslogo" die "gleichzeitige Verwendung nationaler oder privater Logos" in "keinem Fall" ausschließen solle. Dass dies der Fall sein könnte, ergibt sich aus dem Text dieser Verordnung nicht. Der Erwägungsgrund nimmt Bezug auf die Diskussion, welche die Kommission durch die Nummern 29 bis 31 der Begründung ihres Entwurfs vom Dezember 2005 ausgelöst hatte. Sie hatte dort dargelegt, dass es ihr mit ihren Maßnahmen um die Reduktion des "Spielraums für private Logos und Konformitätszeichen" gehe. „Die Zertifizierungspraxis der zuständigen Behörden oder der Kontrollstellen, denen die zuständige Behörde Kontrollaufgaben übertragen hat, sollte weder in direkter noch indirekter Weise beschränkende Auswirkungen auf den freien Warenverkehr mit ökologischen Erzeugnissen oder aber auf die Niederlassungsfreiheit und die freie Dienstleistungserbringung im Gebiet der Bescheinigungserteilung haben. Die Zertifizierungspraxis sollte in dieser Hinsicht strenger überwacht werden, insbesondere wenn es um die gegenseitige Anerkennung von Bescheinigungen und die Erhebung von Gebühren geht. Eine solche Überwachung sollte unbeschadet der Anwendung der Artikel 43 und 49 EG-Vertrag ausgeübt werden. Für den Fall von privaten Logos und Konformitätszeichen enthält der Verordnungsvorschlag Vorschriften, die den Zugang hierzu für Erzeugnisse, die gleichwertige Standards erfüllen, erleichtern, wobei die Beweislast, dass solche gleichwertigen Standards nicht erfüllt sind, bei der Kontrollstelle liegt, deren Logo ein Unternehmer benutzen möchte. Schließlich ist im Verordnungsvorschlag noch festgelegt, dass die zu entrichtenden Gebühren für Kontroll- und Zertifizierungstätigkeiten angemessen sein müssen. 30. Die Förderung eines „einheitlichen Konzepts" für das, was die ökologische Erzeugung ausmacht, wird ferner zu Anerkennung und Vertrauen des Verbrauchers beitragen, was seinerseits dem freien Warenverkehr mit ökologischen Erzeugnissen zugute kommen dürfte. Deshalb sollten allgemeine Behauptungen, denen zufolge ein bestimmtes Bündel von Standards eine „bessere, strengere oder höherwertige" ökologische Erzeugung gewährleistet, verboten sein und weder direkt auf ökologischen Erzeugnissen angebracht noch durch Medienreklame bzw. Werbematerial verbreitet werden dürfen. Erlaubt sein werden hingegen wahre und nicht irreführende Aussagen über Tatsachen. 31. Ein hoher Harmonisierungsgrad wird den Spielraum für private Logos und Konformitätszeichen weiter reduzieren. Der Verordnungsvorschlag hält daher am ehrgeizigen Streben nach einem hohen Harmonisierungsgrad fest, wie es im Aktionsplan für ökologische Landwirtschaft und ökologisch erzeugte Lebensmittel zum Ausdruck gebracht wurde. Erleichtert werden dürfte dies durch den bereits erörterten Flexibilitätsmechanismus und den Erlass von Durchführungsbestimmungen im Wege des Verfahrens des Verwaltungsausschusses (siehe auch unter Flexibilität)".
*27 Der 27. Erwägungsgrund behauptet, es gehe um die "Verhinderung betrügerischer Praktiken", wenn nun bei der Verwendung des Gemeinschaftslogos auch der Ort der landwirtschaftlichen Erzeugung angegeben werden muss. Dies war nicht der Grund für die Einführung der geographischen Herkunftspflichtangabe, wie sie sich nun in Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c findet. Dieser Erwägungsgrund nennt aber auch die "Vermeidung von Unklarheiten, ob das Erzeugnis aus der Gemeinschaft stammt oder nicht" als Grund für die neue Pflicht. Dies trifft zu, denn die Mitgliedstaaten hatten ja dem Wunsch der Kommission, ein EU-Pflichtlogo für Ökoprodukte einzuführen, entgegenhalten, bei den Verbrauchern würde der Eindruck einer universellen EU-Herkunft der Ökoprodukte entstehen, wenn diese alle das EU-Ökologo tragen würden. Da der Kommission sehr an einer Durchsetzung der Logopflicht gelegen war, wurde nun eine Lösung verabschiedet, die bewirkt, dass es Ökoprodukte mit dem EU-Ökologo und solche ohne das Ökologo geben wird, nämlich Nicht-EU-Produkte und Umstellungsprodukte. Es wird aber auch Ökoprodukte aus Drittstaaten geben, die das EU-Logo tragen und solche, die es nicht tragen, denn die Verwendung des Logos ist für Drittstaatenprodukte freigestellt. Die Uneinheitlichkeit des Auftritts wird in der Wahrnehmung der Verbraucher nicht zur Wertsteigerung des EU-Ökologos beitragen, sondern eher verwirrend wirken.
*28 Der 28. Erwägungsgrund bezieht sich auf den Aspekt der innergemeinschaftlichen Vermarktung und auf die Rolle der privaten Prüfzeichen. Sie wurde unter dem Stichwort „Selling Danish Joghurt" diskutiert. Die Kommission hatte angegriffen, dass etwa eine belgische Molkerei, die dänischen Joghurt in Großbritannien, den Niederlanden und Belgien vermarkten wollte, vom Einzelhandel nur gelistet werde, wenn die Prüfzeichen ECOCERT, SKAL und SOIL ASSOCIATION auf dem Produkt geführt werden. Dementsprechend hatte die Kommission in Artikel 24 Absatz 3 ihres Entwurfs vom Dezember 2005 ein System der Zwangslizenzierung vorgeschlagen, wonach Kontrollstellen die "Verwendung ihres Konformitätszeichens ... nicht verweigern" dürfen, wenn eine andere Kontrollstelle die Konformität mit den Erzeugungsrichtlinien zertifizierte.
*29 Der 29. Erwägungsgrund sieht eine Durchbrechung des Grundsatzes der Vereinheitlichung der Produktionsbedingungen im gemeinsamen Markt vor. Dies allerdings begrenzt auf "nationale Produktionsvorschriften" für die "pflanzliche und tierische Erzeugung" jeweils auf dem entsprechenden Hoheitsgebiet eines jeden Mitgliedstaats und nur durch nationale Vorschriften, die nicht nur auf die biologische Erzeugung Anwendung finden, sondern auch auf die konventionelle Landwirtschaft. Diese, im Kommissionsentwurf vom Dezember 2005 noch nicht enthaltene Vorgabe, findet sich in Artikel 34 Absatz 2 dieser Verordnung. Allerdings noch mit der zusätzlichen Maßgabe, dass die "Vermarktung außerhalb des Hoheitsgebiets", also in anderen Mitgliedstaaten und in Drittstaaten, dadurch nicht "eingeschränkt" wird. Da strengere Bedingungen für die Produktion in einem Mitgliedstaat in der Regel zu höheren Kosten führen, wird die Vermarktung von Ökoprodukten, welche diesen zusätzlichen Anforderungen unterliegen, durch den entsprechend höheren Preis notwendig eingeschränkt. Strengere Bewirtschaftungsauflagen als die für den ökologischen Landbau vorgesehenen setzen Mitgliedstaaten beispielsweise zum Schutz von Trinkwasservorkommen für den Einzugsbereich von Brunnen.
*30 Der 30. Erwägungsgrund nimmt Bezug auf die Tatsache, dass die Vorgängerverordnung keine ausdrückliche Vorgabe enthielt, ein Produkt, das aufgrund des zufälligen und technisch unvermeidbaren Eintrags gentechnischer Veränderung in landwirtschaftliche Erzeugnisse aus ökologischer Produktion, etwa durch Eintrag transgener Pollen, mehr als 0,9% gentechnisch veränderter Anteile enthielt, nicht mit dem Hinweis auf die Herkunft aus biologischer Landwirtschaft zu versehen. Praktisch hatte dies keine Bedeutung, da es für Ökoprodukte, die eine Gentechnikpflichtkennzeichnung tragen, keinen Markt gibt. Die Kommission hat es gleichwohl als ihre Leistung in den Vordergrund gestellt, mit ihrem Entwurf von Dezember 2005 die Regelung vorgeschlagen zu haben, dass die Gentechnikpflichtkennzeichnung den Biohinweis ausschließt.
*31 Im 31. Erwägungsgrund wird das Verhältnis der Ökokontrolle zum "Kontrollsystem" angesprochen, das "zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts" gemäß der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 vorgeschrieben ist. Unter den Nummern 25 und 26 der Begründung des Entwurfs vom Dezember 2005 hatte die Kommission ausgeführt, dass einerseits die Ratsverordnung dieser Verordnung angepasst werden müsse, dass aber umgekehrt alle "ökosektorspezifischen Durchführungsbestimmungen" nicht unter Nutzung des Artikel 63 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 erfolgen sollen: "(2) Zur Berücksichtigung des besonderen Charakters der Verordnungen (EWG) Nr. 2092/91, (EWG) Nr. 2081/92 und (EWG) Nr. 2082/92 können spezifische Maßnahmen nach dem in Artikel 62 Absatz 3 genannten Verfahren erlassen werden, in denen die erforderlichen Abweichungen von den Bestimmungen der vorliegenden Verordnung und die erforderlichen Anpassungen an diese Bestimmungen vorgesehen werden".
Vielmehr sollen diese Durchführungsbestimmungen als Kommissionsverordnung nach Abstimmung im Artikel-37-Ausschuss dieser Verordnung erlassen werden: "Ab 1. Januar 2006 findet die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über die amtlichen Lebensmittel- und Futtermittelkontrollen Anwendung, die sich auch auf den ökologischen Landbau erstreckt. Deshalb müssen die spezifischen Kontrollanforderungen für den ökologischen Landbau an die Lebens- und Futtermittelkontroll-Verordnung angepasst werden. Im jetzigen Verordnungsvorschlag werden die Kontrollvorschriften für die ökologische Erzeugung so weit wie möglich anhand des mit der Lebens- und Futtermittelkontroll-Verordnung vorgegebenen Rahmens überarbeitet, um die gewünschten Reformen und Aktualisierungen vorzunehmen. Die ökosektorspezifischen Durchführungsbestimmungen für die Kontrollen werden wie bisher aufgrund der neuen Verordnung über die ökologische Erzeugung erlassen". Abweichend vom ursprünglichen Verordnungsentwurf hat sich diese Verordnung nun aber nicht darauf beschränkt, auf die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 zu verweisen, sondern es sind wesentliche Teile jener Verordnung in diese Verordnung Wort für Wort mit der Folge aufgenommen worden, dass diese Verordnung nun spezialgesetzlich (als Vorrangregelung) den entsprechenden Regelungen der Lebens- und Futtermittelkontroll-Verordnung vorgeht (lex specialis derogat legi generali): Die Kommentierung des Artikel 27 zeigt, dass sich die Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission mit ihrem Anliegen durchgesetzt haben, die Ökokontrolle unter Verdrängung der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 in wesentlichen Teilen spezialgesetzlich zu regeln.
*32 Der 32. Erwägungsgrund spricht die in der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 vorgegebene Möglichkeit der Mitgliedstaaten an, den Einzelhandel, insbesondere mit Produkten in Fertigpackungen, von der Anwendung des Kontrollsystems mit Jahresinspektionen auszunehmen. Dieser nationale Opt-Out fand sich in Artikel 8 Absatz 1 Satz 2. Er bezog sich auf die neu mit Wirkung zum Juli 2005 für den Einzelhandel durch die Verordnung (EG) Nr. 392/2004 eingeführte Kontrollpflicht des Einzelhandels. Diese Möglichkeit des nationalen "Opt-Out" findet sich nun in der Vorschrift über die "Teilnahme am Kontrollsystem" in Artikel 28 Absatz 2 der vorliegenden Verordnung.
*33 Der 33. Erwägungsgrund verschweigt eher einen Paradigmenwechsel bezüglich der Ökoimporte aus Drittstaaten, als dass er diesen deutlich macht. Er spricht an, dass Ökoprodukte in die Europäische Gemeinschaft eingeführt werden dürfen, wenn sie "nach Produktionsvorschriften und im Rahmen von Kontrollvorkehrungen erzeugt wurden", die den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen "entsprechen" oder aber "diesen gleichwertig sind". Bislang galt nur der gesetzliche Maßstab der Gleichwertigkeit. Die Folgen der Unterscheidung im neuen dualen Importsystem werden in der Kommentierung zu den Artikeln 32 und 33 dargestellt.
Im zweiten Satz dieses Erwägungsgrunds wird hervorgehoben, dass ein Erzeuger in einem Drittstaat nur bei der Ausfuhr als "gleichwertiges" Ökoprodukt der Mithilfe seiner lokalen Behörden bedarf, währenddem ein Erzeuger, der eine Zertifizierung als den Regeln "entsprechendes" Produkt herbeigeführt hat, keiner Mithilfe seiner Behörden bedarf. Erzeuger in Drittstaaten, deren Regierungen und Verwaltungen dem Ökolandbau kritisch oder gleichgültig gegenüberstehen, sind damit praktisch auf die Zertifizierung der vollständigen Übereinstimmung ihrer Produktion mit den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen angewiesen. Dass durch diese neue Dualität entstandene Diskriminierungspotenzial scheint erheblich. Es wird durch den zweiten Satz dieses Erwägungsgrunds mit begrüßenswerter Deutlichkeit angesprochen.
*34 Der 34. Erwägungsgrund stellt heraus, dass die Gleichwertigkeitsprüfung anders als nach der Vorgängerverordnung nicht allein am Maßstab des Gemeinschaftsrechts erfolgen soll. Vielmehr wird ausdrücklich vorgegeben, die "Gleichwertigkeitsprüfung" solle "die internationalen Standards im Codex Alimentarius berücksichtigen". Unter Nummer 33 ihrer Begründung des Entwurfs vom Dezember 2005 hatte die Kommission darauf hingewiesen, dass sich nun die Gleichwertigkeitsprüfung alternativ "auf den internationalen Standard (Codex Alimentarius) oder die Vorschriften der Gemeinschaftsverordnung stützen" können solle. Die Kommission wandte sich damit gegen die Praxis in den Mitgliedstaaten, bei einer Einzelfallprüfung der Gleichwertigkeit von Drittlandsimporten auf Details der EU-Regelung abzustellen. Kommissionsmitarbeiter machten in der Folge deutlich, dass es darum gehe, den Zugang zum EU-Markt zu erleichtern, um Forderungen im Rahmen der DOHA-Runde und der gestiegenen Verbrauchernachfrage in Europa gerecht zu werden: "Für den Handel mit Drittländern wird vorgeschlagen, den Zugang zum EU-Markt entweder auf der Grundlage der Konformität mit den EU-Vorschriften oder aufgrund von gleichwertigen Garantien zu gewähren, die durch die Drittlandsbehörden oder durch von der EU anerkannte Kontrollstellen mittels Zertifizierung gegeben werden.
Die Gleichwertigkeitsprüfung für die Einfuhr wird sich auf den internationalen Standard (Codex Alimentarius) oder die Vorschriften der Gemeinschaftsverordnung stützen. Soweit erforderlich, können die Drittländer ihre eigenen Regelungen ergänzend heranziehen. Das derzeitige System mit einer Gemeinschaftsliste von anerkannten Drittländern wird beibehalten. Vorgesehen sind eine jährliche Berichterstattung sowie unter Beteiligung der Mitgliedstaaten durchgeführte Besuche zur Nachkontrolle. Für Einzelerzeugnisse wird der Zugang zum EU-Markt entweder auf der Grundlage der Konformität mit den EU-Vorschriften und der Unterwerfung unter das EU-Kontrollsystem gewährt oder aber aufgrund von gleichwertigen Garantien in Form der Zertifizierung, die durch von der EU anerkannte Kontrollstellen erteilt wird". Die Orientierung an den Vorgaben des Codex Alimentarius soll nach dieser Verordnung aber nur für die "Gleichwertigkeitsprüfung" gelten. Die englische Sprachfassung handelt von Produktionsregeln und Kontrollen die "in compliance with" oder "equivalent to" jenen nach dieser Verordnung sind. Die Anwendung von Leitlinien des Codex Alimentarius soll auf die Äquivalenzeinfuhr beschränkt bleiben. Bei der Komplianzzertifizierung soll sie nicht anwendbar sein.
Artikel 33 grenzt die Anwendung der Codex Alimentarius Regeln dann auf die "Leitlinien CAC/GL 32" ein: „GUIDELINES FOR THE PRODUCTION, PROCESSING, LABELLING AND MARKETING OF ORGANICALLY PRODUCED FOODS (GL 32 – 1999)". Die Codex Alimentarius Kommission ist eine intergouvernementale Einrichtung, in der etwa 170 Staaten mitarbeiten. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprogramm der Gesundheits- und Agrarorganisationen im System der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organisation (FAO); World Health Organisation (WHO)). Seit 1964 werden Texte erarbeitet, die einen globalen Konsens bezüglich des Gesundheitsschutzes von Verbrauchern und des Schutzes vor unfairen Handelspraktiken dokumentieren. "Codex" steht lateinisch für "Gesetz". Es handelt sich aber nicht um gesetzliche oder völkerrechtlich verbindlich vereinbarte Normen. Es handelt sich eher um die Dokumentation einer global gemeinsamen Meinung, denn die Texte werden im Konsensprinzip erarbeitet. Die Leitlinien für Ökoprodukte dienen dazu, einen globalen Mindestkonsens zu dokumentieren.
Sie sind daher, obgleich sie sich an die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 nach ihrem Aufbau und ihrem Text anlehnten, in einigen Punkten weniger verbindlich gefasst als die EG-Verordnungen: "The Codex Committee on Food Labelling developed the Guidelines for the Production, Processing, Labelling and Marketing of Organically Produced Foods in view of the growing production and international trade in organically produced foods with a view to facilitating trade and preventing misleading claims. The Guidelines are intended to facilitate the harmonization of requirements for organic products at the international level, and may also provide assistance to governments wishing to establish national regulations in this area. The Guidelines include general sections describing the organic production concept and the scope of the text; description and definitions; labelling and claims (including products in transition/conversion); rules of production and preparation, including criteria for the substances allowed in organic production; inspection and certification systems; and import control. The Codex Alimentarius Commission adopted the Guidelines for the Production, Processing, Labelling and Marketing of Organically Produced Foods at its 23rd Session in 1999, with the exception of the provisions for livestock and livestock products that were adopted at its 24th Session in 2001. The Codex Alimentarius Commission adopted the revised Section 5. Requirements for Inclusion of Substances in Annex 2 and Criteria for the Development of Lists of Substances by Countries at its 26th Session in 2003; the revised Tables 1 and 2 in Annex 2: Permitted Substances for the Production of Organic Foods at its 27th Session in 2004; and the revised Table 3. Ingredients of Non Agricultural Origin Referred to in Section 3 of these Guidelines at ist 30th Session in 2007" (Vorworte).
Diese Verordnung hebt nicht auf eine bestimmte Fassung der Leitlinien CAC/GL 32 des Codex Alimentarius ab, so dass wohl die jeweils neuste Fassung im Sinne einer dynamischen Verweisung Anwendung findet.
Durch die Aufgabe des Textes der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 sind die Texte der Leitlinie CAC/GL 32 wohl ebenfalls zur Disposition gestellt, denn im System des Codex Alimentarius wird wahrscheinlich geringe Notwendigkeit gesehen werden, an den vorliegenden Textfassungen festzuhalten, wenn die gleichen von der Europäischen Union aufgegeben werden. Die Flexibilisierung, welche die Kommission für sich als Verwaltungsinstrument in Anspruch nimmt, wird auch von Drittstaaten in Anspruch genommen werden. Damit wird die gesetzliche Festlegung dessen, was ein Ökoprodukt ist, aufgegeben und durch ein System der "fuzzy logic" bestimmt, das im Wesentlichen durch institutionenpolitische Erwägungen der Machtverteilung zwischen Kommission, Rat und Parlament gesteuert wird.
*35 Im 35. Erwägungsgrund wird angesprochen, dass für die Einfuhr nach dem Maßstab der Gleichwertigkeit weiterhin zwei unterschiedliche Pfade eröffnet sein sollen: Einmal die Aufnahme in die Liste der Drittländer aus denen Gleichwertigkeitsimporte erfolgen dürfen. Zum anderen eine Liste der Kontrollbehörden, gemeint sind Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, und Kontrollstellen, die Kontrollen und Zertifizierung der Gleichwertigkeit in Drittländern durchführen.
*36 Der 36. Erwägungsgrund spricht die Erhebung von "zweckdienlichen statistischen Daten" an. Hier war umstritten, ob die Wirtschaftsteilnehmer tatsächlich durch weitere Pflichten, Daten zu erfassen und zu melden, belastet werden sollen. Angesichts der Dynamik des Marktes und der stetig weiteren Nachfrage erscheinen vielen Beobachtern behördlich in Pflichtsystemen erhobene Statistiken untauglich, da diese regelmäßig nur mit langer Verzögerung zur Verfügung stehen. Die Kommission hat entsprechend reagiert und vorgesehen, dass der "Bedarf an statistischen Daten" erst im Rahmen des "statistischen Programm der Gemeinschaft" festgelegt werden soll. "Das statistische Programm der Gemeinschaft und seine Durchführung" ist in Kapital II der Verordnung (EG) Nr. 322/97 geregelt.
In Artikel 36 Absatz 1 ist vorgesehen: "Der Rat erlässt gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Vertrags ein Statistisches Programm der Gemeinschaft, das die Leitlinien, Hauptbereiche und Zielsetzungen der geplanten Maßnahmen für einen Zeitraum von nicht mehr als fünf Jahren festlegt. Das Statistische Programm der Gemeinschaft bildet den Rahmen für die Erstellung aller Gemeinschaftsstatistiken. Das Programm kann erforderlichenfalls aktualisiert werden". Diese Verordnung fällt unter den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrens. Damit sind der Kommission stärkere Durchführungsbefugnisse zugeordnet als im Regelungsverfahren, welches auf diese Verordnung Anwendung findet. Die Kommission legt die Leitlinien für die Erstellung des Statistischen Programms der Gemeinschaft dem Ausschuss für das Statistische Programm zur vorherigen Prüfung und ihr Arbeitsprogramm für das jeweils kommende Jahr bis Ende Mai vor. Die statistischen Einzelmaßnahmen werden vom Rat oder von der Kommission auf der Grundlage der Kommissionsinitiative beschlossen. Da die Kommission nicht immer davon absieht, den Wirtschaftsteilnehmern Pflichten zur Lieferung statistischer Daten aufzuerlegen, die keine praktische Relevanz haben, bedarf es hier besonderer Aufmerksamkeit, denn die für den Bereich der Statistik geltenden Arbeitsformen erlauben es der Kommission, weitgehende Pflichten beschließen zu lassen, ohne dass dies von den Betroffenen zuvor bemerkt wird.
*37 Der 37. Erwägungsgrund gehört zu den Erstaunlichsten. Die Kommission hatte in ihrer Begründung zum Entwurf vom Dezember 2005 unter Nummer 34 ausgeführt: "Der jetzige Verordnungsvorschlag umfasst nicht die gegenwärtig in den Anhängen der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 enthaltenen Durchführungsbestimmungen. Für einen reibungslosen Übergang zu der neuen Verordnung muss deshalb vor deren Anwendungsbeginn ein hinreichend langer Zeitraum liegen. Dieser sollte dem Vorschlag zufolge bis zum 1. Januar 2009 dauern, um die Überarbeitung der geltenden Durchführungsbestimmungen und ihre Übertragung in eine neue Durchführungsverordnung zu ermöglichen". Nach dem diese Verordnung Mitte des Jahres 2007 im Amtsblatt veröffentlicht worden war, beklagte die Kommission im Dezember 2007, der Rat habe zu ihren Lasten den engen Zeitrahmen gesetzt, der sie zwinge, die Durchführungsbestimmungen noch vor dem 01.01.2009 zu erlassen. Diesen Zeitpunkt hatte sie in ihrem Entwurf vom Dezember 2005 vorgeschlagen und ihren Vorschlag auch in den Verhandlungen mit dem Rat nicht verändert. Sachdienlich wäre eine Erstreckung der Frist bis zum 01.01.2011 gewesen, denn eine sachverständige, sinnvolle Überarbeitung würde wenigstens zwei Jahre in Anspruch nehmen, jedenfalls dann, wenn die betroffenen Fachkreise, Landwirte, Verarbeiter und Verbraucherorganisationen, angemessen beteiligt werden sollen.
*38 Der Ratsbeschluss 1999/468/EG in der Fassung des Beschlusses 2006/512/EG wird für die Durchführungsverordnungen, welche die Kommission im Artikel-37-Verfahren beschließen lassen wird, als maßgebend bezeichnet.
*39 Der 39. Erwägungsgrund spricht an, dass die Kommission sich in Artikel 41 hat verpflichten lassen, dem Rat bis zum Jahresende 2011 einen Bericht vorzulegen und entsprechend Absatz 3 dem Bericht Vorschläge beizufügen, also von ihrem Initiativrecht zur Abänderung der Verordnung Gebrauch zu machen. Wenn hier ausgeführt wird, dass es angezeigt sei, die Gemeinschaftsvorschriften "einer künftigen Prüfung zu unterziehen", könnte man dies als Hinweis auf ein positives Selbstverständnis des Gesetzgebers verstehen, auf praktische Notwendigkeiten, die aus der Gesellschaft an sie herangetragen werden, zu reagieren. Hier wirken die Ausführungen aber eher als Signal dahin, dass dem hohen Gut der Rechtssicherheit, welches in einer einmal getroffenen gesetzlichen Regelung verkörpert ist, auch von der Kommission selbst keine Wertschätzung entgegengebracht wird. Der Erwägungsgrund behandelt diese Verordnung als ein Instrument des "Governing" durch ständigen Eingriff in Rechtsnormen im Gegensatz zu einer Gesetzgebung, die für sich in Anspruch nimmt, für eine gewisse Kontinuität zu sorgen und damit Vertrauen zu schaffen. Wenn die "dynamische Entwicklung des Öko-/Bio-Sektors" betont wird, in der englischen Fassung ist von der "dynamic evolution of the organic sector" die Rede, greift dies eine Erwägung des 8. Erwägungsgrundes auf, wonach die "Förderung der Verwendung neuer...., besser geeigneter Techniken und Substanzen" gefördert werden solle. Auch hier wird deutlich, dass nicht die Träger der ökologischen Landbaubewegung die "Herren der Standards" für die Ökoprodukte sein sollen, sondern die Kommission versteht sich wohl als "Hüterin" der Ökorichtlinien. Der Erwägungsgrund weist damit auch auf die Problematik des Eindringens der Vertriebsinteressen der Hersteller von Agrochemikalien in das Normsetzungsverfahren für den ökologischen Landbau hin.
*40 Der 40. Erwägungsgrund bezieht sich auf Artikel 42 Satz 2 dieser Verordnung. Die deutsche Übersetzung spricht von privaten Standards, die "genehmigt oder anerkannt" worden seien. In Artikel 42 ist von "akzeptierten oder anerkannten privaten Standards" die Rede. Der Vergleich mit der englischen Fassung zeigt, dass es sich um einen Übersetzungsfehler handelt, denn dort werden an beiden Stellen die Begriffe "accepted or recognized" verwendet. Es fällt auf, dass die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 in ihrem Anhang I unter der Überschrift "Tiere und tierische Erzeugnisse" die Anwendung von "international anerkannten Methoden organischer Erzeugung" vorgesehen hatte. Diese Fassung hatte sie durch die Verordnung (EWG) Nr. 1535/92 für Erzeugnisse aufgenommen, die in der Hauptsache aus Zutaten pflanzlichen Ursprungs bestehen, aber in geringem Umfang auch Zutaten tierischen Ursprungs enthalten, so dass sie in den Anwendungsbereich der Verordnung aus dem Jahre 1991 fielen. Hier wird nicht die Anwendbarkeit "international anerkannter Methoden" als Maßstab formuliert, sondern es wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, nationale Standards anzuwenden. Weder die Formulierung in diesem Erwägungsgrund noch jene in Artikel 42 lässt eindeutig erkennen, welche Art Entscheidung gemeint ist, ob es sich um eine Entscheidung in einem oder mehreren Mitgliedstaaten handeln muss und welche Rechtsfolgen für Unternehmen eintreten, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates tätig sind, das keine Entscheidung trifft, sondern abwartet.
TITEL I
ZIEL, GELTUNGSBEREICH UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN
Artikel 1
Ziel und Anwendungsbereich
(1) Diese Verordnung schafft die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung der ökologischen/bio-logischen Produktion (1), wobei gleichzeitig ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts sichergestellt, ein fairer Wettbewerb gewährleistet, das Vertrauen der Verbraucher gewahrt und die Verbraucherinteressen geschützt werden. *1
(1) ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23. Geändert durch den Beschluss
2006/512/EG (ABl. L 200 vom 22.7.2006, S. 11).
In ihr sind allgemeine Ziele und Grundsätze festgelegt, um die Vorschriften dieser Verordnung zu untermauern und die Folgendes betreffen: *2
a) alle Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs ökologischer/biologischer Erzeugnisse und deren Kontrollen;
b) die Verwendung von Angaben in der Kennzeichnung und Werbung, die auf die ökologische/bio-logische Produktion Bezug nehmen. *3
(2) Diese Verordnung gilt für folgende Erzeugnisse der Landwirtschaft, einschließlich der Aquakultur, sofern sie in Verkehr gebracht werden oder dazu bestimmt sind, in Verkehr gebracht zu werden: *4
a) lebende oder unverarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse, *5
b) verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zur Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind, *6
c) Futtermittel, *7
d) vegetatives Vermehrungsmaterial und Saatgut für den Anbau. *8
Die Erzeugnisse der Jagd und der Fischerei wild lebender Tiere gelten nicht als aus ökologischer/bio-logischer Produktion stammend. *9
Diese Verordnung gilt auch für als Lebensmittel oder Futtermittel verwendete Hefen. *10
(3) Diese Verordnung findet auf alle Unternehmer Anwendung, die auf irgendeiner Stufe der Produktion, der Aufbereitung oder des Vertriebs von Erzeugnissen im Sinne des Absatzes 2 tätig sind. *11
Die Arbeitsgänge in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen unterliegen jedoch nicht dieser Verordnung.*12 Die Mitgliedstaaten können nationale Vorschriften oder bei deren Fehlen private Standards für die Kennzeichnung und die Kontrolle von Erzeugnissen aus Arbeitsgängen in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen anwenden, sofern diese Regelungen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. *13
(4) Diese Verordnung gilt unbeschadet der sonstigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der nationalen Vorschriften, die im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht auf die in diesem Artikel definierten Erzeugnisse Anwendung finden, wie z. B. die Bestimmungen für die Produktion, Aufbereitung, Vermarktung, Etikettierung und Kontrolle dieser Erzeugnisse, einschließlich der lebens- und futtermittelrechtlichen Vorschriften. *14
Kommentierung des Artikel 1
Artikel 1 legt das Ziel und den Anwendungsbereich dieser Verordnung fest. Das Ziel in Absatz 1, den Anwendungsbereich in den Absätzen 2 und 3. Damit vereinigt Artikel 1 zwei nach ihrer rechtlichen Bedeutung diametral entgegengesetzte Teile: Absatz 1 hat für den Rechtsanwender praktisch keine Bedeutung, denn es handelt sich um Allgemeinplätze, wie man sie herkömmlich in den "Erwägungsgründen" einer Verordnung findet. Die Absätze 2 und 3 entscheiden hingegen darüber, ob die Verordnung überhaupt auf ein bestimmtes Erzeugnis oder auf ein Unternehmer anwendbar ist.
In Absatz 2 wird der Anwendungsbereich bezogen auf das Produkt und in Absatz 3 bezogen auf den Unternehmer und bestimmte seiner Tätigkeiten abgegrenzt. Fällt ein Erzeugnis danach nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung, kann die Verordnung nicht für dieses Erzeugnis angewendet werden. Zugleich ist aber auch die Kommission daran gehindert, dieses Erzeugnis in den Anwendungsbereich dieser Verordnung durch Kommissionsverordnung, erlassen im Verfahren nach Artikel 37, einzubeziehen. Dies kann sie nur erreichen, indem sie von ihrem Initiativrecht Gebrauch macht und den Entwurf einer Änderung der Ratsverordnung vorlegt.
*1 Eine "Grundlage" für eine "nachhaltige Entwicklung der ökologischen/biologischen Produktion" soll diese Verordnung schaffen. Der Anspruch der Kommission, nicht nur einen rechtlichen Rahmen zu setzen, sondern Motor der Entwicklung zu sein, wird hier formuliert. Die "Entwicklung" geht nach diesem Bild nicht mehr von der Gesellschaft, weder von den Verbänden der Ökolandwirte noch von der Nachfrage der Verbraucher aus, sondern von der gesetzgeberischen Initiative der Kommission. Dieses Bild entspricht nicht der Wirklichkeit. Interessant ist, dass in diesem ersten Satz auch schon das wichtigste Motiv der Kommission für die Vorlage ihres Entwurfs vom Dezember 2005 genannt wird, dass nämlich "ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkt sichergestellt" wird. Dieses gesetzliche Tatbestandsmerkmal sollte zur Begründung für die in dieser Verordnung nun nicht mehr vorhandenen Elemente dienen: Das Verbot der Besserwerbung und die Zwangslizenzierung auch privater Ökoprüfzeichen.
Von besonderem Interesse in diesem ersten Satz ist, dass die "nachhaltige Entwicklung" des ökologischen Landbaus als Anliegen des Gesetzgebers geschildert wird, auch wenn er seinen Beitrag unbillig hervorhebt und den der Gesellschaft zurücksetzt. Damit wird der Förderungscharakter der Rechtsnorm betont. Die Vorschriften sind in Zweifelsfällen so auszulegen, dass ihre Anwendung dem Förderungscharakter gerecht wird und die Entwicklung der ökologischen Produktion nicht behindert. Damit ist auch der rechtliche Charakter der Zielbestimmung in Artikel 1 Absatz 1 beschrieben: Es handelt sich, ähnlich wie bei den Erwägungsgründen, um eine Auslegungshilfe.
*2 Untermauern sollen die "allgemeinen Ziele und Grundsätze" die Vorschriften der Verordnung. Sie finden sich unter dem "Titel II". Die Formulierung macht klar, dass Titel II keine "Vorschriften dieser Verordnung" enthält, jedenfalls nicht im Sinne gesetzlicher Befehle für den Rechtsanwender. Auch die englische Fassung macht klar, dass die "objectives and principles", die in Titel II enthalten sind, nur dazu dienen "to underpin the rules set out under this Regulation". Die Übertragung des englischen Arbeitstextes ins Deutsche hat an dieser Stelle bewirkt, dass die Schwelle des gesetzlichen Tatbestands, die in der englischen Fassung mit unterschiedlichen Wörtern formuliert ist, in der deutschen Fassung mit gleichem Wortlaut erscheint. So wird der englische Begriff "aim" im Titel I und Artikel 1 in der deutschen Fassung als "Ziel" übersetzt, der Begriff "objectives" in Titel II und Artikel 3 aber ebenfalls als "Ziele". Durch die inkohärente deutsche Übersetzung verliert die Verordnung weiter an struktureller Stringenz.
Durch beide Sprachfassungen wird aber klar gemacht, dass diese Ratsverordnung in Titel II keine Vorgaben für den Rechtsanwender sieht, sondern Ziele und Grundsätze, durch welche die Kommission, wenn sie von ihrem Initiativrecht im Rahmen des Artikel-37-Verfahrens Gebrauch macht, gebunden sein soll. Will sie sich vom Wortlaut und Geist der Vorgaben in Titel II lösen, kann sie dies nicht durch den Vorschlag einer Kommissionsverordnung im Ausschuss nach Artikel 37 tun, sondern nur durch Vorlage des Entwurfs einer abändernden Ratsverordnung.
Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a nennt als Gegenstand der Ziele und Grundsätze Stufen des Umgangs mit Ökoprodukten und die Kontrolle dieser Stufen. Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b nennt die Kennzeichnung von Ökoprodukten als Gegenstand der Ziele und Grundsätze. Die Kommission verfolgte mit dieser Aufteilung die Absicht, zu erklären, weshalb sie eine neue Verordnung vorschlug und nicht die Verbesserung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91. In Nr. 14 der Begründung zu ihrem Vorschlag vom Dezember 2005 führt sie aus: "Der Verordnungsvorschlag erstreckt sich ausdrücklich auf die ökologische Erzeugung und nicht allein auf die Kennzeichnung von ökologischen Erzeugnissen". Die Formulierung impliziert, dass dies bei der Vorgängerverordnung anders gewesen sei. Dies war jedoch nicht der Fall, denn anknüpfend an die Kennzeichnung eines jeden Lebensmittels determinierte die Vorgängerverordnung zunächst, ob sie überhaupt für das konkrete Produkt Anwendung findet und dann, wenn dies der Fall war, die einzuhaltenden Regeln der ökologischen Erzeugung und Verarbeitung. Für den die Rechtsnorm praktisch Anwendenden war dies ein ihn leitendes, logisches Vorgehen.
Der Kommission lag aber an einer Begründung, die Vorgängerverordnung durch eine neue Verordnung ersetzen zu können. Die Begründung erfolgte mit dem Hinweis, die Vorgängerverordnung sei ja eigentlich keine Verordnung, die Rechtsregeln für den ökologischen Landbau setze, sondern nur für die Kennzeichnung seiner Produkte. Aus diesem Grunde sei es geboten, eine völlig neue Rechtsnorm zu formulieren, die den ökologischen Landbau als Produktionsweise in den Vordergrund rückt und nicht die Kennzeichnung seiner Produkte. Die Zweiteilung des Regelungsgegenstandes in Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 spielt auf diese von der Kommission für ihren Entwurf in den Vordergrund gestellte Begründung an.
*3 Alle Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs ökologischer/biologischer Erzeugnisse und die Kontrollen auf allen diesen Stufen werden als von den "Vorschriften" der Verordnung betroffen genannt. Außerdem die Verwendung von Angaben in der "Kennzeichnung und Werbung".
*4 Erzeugnisse der Landwirtschaft, aber nicht alle, sondern nur solche, die "in den Verkehr gebracht werden" oder "dazu bestimmt sind fallen nach Artikel 1 Absatz 2 in den Anwendungsbereich dieser Verordnung. "Inverkehrbringen" ist durch Artikel 2 Buchstabe j dieser Verordnung auf die Definition in Artikel 3 Nummer 8 der Lebensmittel-Basis-Verordnung (EG) 178/2002 als "Bereithalten" zur "Weitergabe", sei es unentgeltlich oder nicht, an andere und als "Weitergabe selbst" definiert. Da diese Verordnung auf die Zweckbestimmung abstellt, wird der Zeitpunkt, ab dem diese Verordnung Anwendung findet, vorverlagert. Diese Verordnung wird nicht erst mit dem Beginn des Bereithaltens anwendbar, sondern schon ab dem Zeitpunkt der subjektiven Bestimmung des Erzeugnisses durch seinen Besitzer, künftig zum Zweck der Weitergabe bereitgehalten zu werden.
Diese Zweckbestimmung ist ein innerer Vorgang, der rechtlich erst erheblich wird, wenn er von Dritten wahrgenommen werden kann. Häufig wird er nicht durch eine Willenserklärung wahrgenommen werden, sondern durch schlüssiges Handeln. Die subjektive Zweckbestimmung zur Weitergabe liegt etwa schon dann vor, wenn ein Landwirt ein Erzeugnis in solcher Menge erntet, dass praktisch nicht der Gebrauch zu eigenen Zwecken, insbesondere zum eigenen Verzehr oder zur eigenen Verfütterung in Betracht kommt, sondern nur die Weitergabe an andere. Diese Abgrenzung des Anwendungsbereichs bezieht sich auf "Erzeugnisse", so dass Pflanzen in landwirtschaftlichen Kulturen vor der Ernte ohnehin nicht in diesen produktbezogenen Anwendungsbereich fallen. Wenn die subjektive Zweckbestimmung der Weitergabe nicht feststeht, sondern die Verwertung als Gründünger oder die Verwerfung des Produkts als Abfall nach der Ernte in Frage kommt, wird diese Verordnung erst dann anwendbar, wenn das Ernteerzeugnis durch einen wahrnehmbaren Willen zur Weitergabe bestimmt wurde.
In der Praxis wird es sorgfältiger Überlegung bedürfen, ob ein Erzeugnis, das in einem dem Kontrollsystem unterstellten Betrieb angebaut, geerntet, gelagert oder sonstwie gehandhabt wird, überhaupt in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt. Ist die Zweckbestimmung der Weitergabe nicht klar, fällt das Produkt aus dem Anwendungsbereich dieser Verordnung heraus. Maßgebend ist letztlich, ob nach dem Willen des Unternehmers das Erzeugnis künftig zur Weitergabe bereitgehalten und weitergegeben werden soll. Erzeugnisse, bezüglich derer dies erst später entschieden wird, etwa weil in Frage kommt, dass sie im Betrieb selbst als Futtermittel oder Gründüngung verbraucht oder als Abfälle verworfen werden, fallen aus dem Anwendungsbereich der Verordnung heraus. Dass die Anwendung der Verordnung derart von der subjektiven Zweckbestimmung der Weitergabe abhängig gemacht wird, überrascht. Bei der Ausgestaltung der Durchführungsvorschriften wird darauf zu achten sein, dass aus dieser eigenartigen Abgrenzung des Anwendungsbereichs nicht unerwünschte Rechtsfolgen abgeleitet werden.
Auch für Erzeugnisse der "Aquakultur" gilt diese Verordnung. Die Erzeugnisse der Aquakultur werden von Artikel 1 Absatz 2 als zur Gruppe der "Erzeugnisse der Landwirtschaft" gehörend bezeichnet, was aus der Qualifizierung "einschließlich" und in der englischen Sprachfassung aus dem Begriff "including" folgt. Was "Aquakultur" ist, ergibt sich aus der Begriffsbestimmung in Artikel 2 Buchstabe g. Was "Landwirtschaft" ist, ist nicht weiter definiert. Häufig wird auf die wirtschaftliche Nutzung der Bodenfruchtbarkeit zur Erzeugung pflanzlicher Produkte und zur Erzeugung tierischer Produkte durch die Fütterung von Tieren mit den pflanzlichen Produkten verwiesen. Dies rechtfertigt die Qualifikation der "Aquakultur" als Teil der Landwirtschaft, wenn die Wassertiere nicht unwesentlich mit pflanzlichen Ernteprodukten gefüttert werden.
Zu fragen ist, ob Erzeugnisse einer industriellen von der Landnutzung gelösten Tierhaltung gar nicht erst in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen. So ist zu überlegen, dass eine Tierhaltung in mehrstöckigen Schweineställen in einem Hafengebiet oder die Haltung von Geflügel in Containersystemen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, wenn der Begriff der "Landwirtschaft" in Artikel 1 Absatz 2 nicht weit ausgelegt wird. Ähnlich stellt sich die Frage, ob die Erzeugnisse erdeloser Hydrokulturen Erzeugnisse der Landwirtschaft sind. Pilze werden auf Kompost oder Holz gezüchtet. Chicoree wächst ohne Boden. Kresse wächst auf Steinwolle.
Wäre sie nicht weit auszulegen, fände diese Verordnung keine Anwendung, auch wenn die Produkte erdeloser Kulturen als "Bio"-Produkte ausgelobt werden. Dem gesetzgeberischen Ziel am ehesten gerecht wird eine weite Auslegung, welche Produktionen nicht aus dem Anwendungbereich dieser Verordnung ausgrenzt, sondern im Zweifel einbezieht, denn praktische Wirksamkeit kann sie nur dort erlangen, wo sie anwendbar ist.
Dem Schutzzweck dieser Verordnung wird am ehesten Rechnung getragen, wenn der Begriff der Landwirtschaft nicht nur auf die Bewirtschaftung von gewachsenem Boden beschränkt, sondern auch auf die Produktion auf künstlichen Substraten ausgeweitet wird, wie sie bei der Zucht von Speisepilzen verwendet werden. Das Entsprechende dürfte für die Pflanzenproduktion in geschlossenen Systemen gelten, auch dann, wenn sie "hors sol" erfolgen.
Diese Verordnung gibt hier weder in der Abgrenzung des Anwendungsbereichs noch in ihren Begriffsbestimmungen klare Antworten. Um den Zweck der Verordnung zu erfüllen, mehr Transparenz und Verbrauchervertrauen zu schaffen, wie dies im fünften Erwägungsgrund betont wird, ist der Anwendungsbereich der Verordnung im Zweifel eher weit zu fassen, da nur dann, wenn ein Erzeugnis in ihren Anwendungsbereich fällt, die Kennzeichnungsver- und -gebote des Artikel 23 zum Tragen kommen. Wird ein Produkt nicht als landwirtschaftliches Erzeugnis behandelt, dürfen Begriffe wie "bio" oder "öko" losgelöst von dieser Verordnung und nur kontrolliert von den allgemeinen Irreführungsverboten des Wettbewerbs- und Lebensmittelrechts verwendet werden.
Erzeugnisse der Landwirtschaft, die zur Weitergabe bestimmt sind oder weitergegeben werden, fallen aber nur dann in den Anwendungsbereich, wenn sie "leben" oder "unverarbeitet" oder zwar verarbeitet, aber zur "Verwendung als Lebensmittel bestimmt" oder "Futtermittel", schließlich wenn sie "vegetatives Vermehrungsmaterial" und "Saatgut für den Anbau" sind.
"Wildsammlung" gilt in dieser Verordnung als Landwirtschaft. Die hier vorliegende Fassung der Verordnung lässt zwar an dieser Stelle nicht erkennen, dass gesammelte Pilze, Kräuter, Beeren, Nüsse und Kastanien ebenfalls landwirtschaftliche Erzeugnisse sein sollen, wenn sie außerhalb gehegter Bereiche im Wald gesammelt wurden. Jedoch wäre die Vorschrift des Artikel 12 Absatz 2 nicht zu erklären, wenn der Begriff der "Erzeugnisse der Landwirtschaft" hier bei der Abgrenzung des Anwendungsbereichs in Artikel 1 Absatz 2 die Bodenerzeugnisse der Wildsammlung nicht ebenfalls als Erzeugnisse der Landwirtschaft behandeln würde.
Wenn "lebende" Erzeugnisse in den Anwendungsbereich fallen, stellt sich die Frage, wann eine Pflanze oder ein Tier zu Lebzeiten schon "Erzeugnis" ist. Die aufstehenden Feldfrüchte in einer landwirtschaftlichen Kultur sind noch kein Erzeugnis, sondern die Kultur selbst. Zum Erzeugnis werden die Teile einer Pflanze erst mit der Ernte. Aber Agrarprodukte sind nach Artikel 2 Satz 3 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 keine Lebensmittel, "soweit sie nicht für das Inverkehrbringen zum menschlichen Verzehr hergerichtet worden sind". Austern werden durch das Waschen und öffnen "hergerichtet" und damit zum Lebensmittel. Ähnlich ist durch die folgende Definition unter Buchstabe c klargestellt, dass "Pflanzen vor dem Ernten" keine "Lebensmittel" und folglich entsprechend auch keine "Erzeugnisse" im Sinne dieser Verordnung sind. In den Mitgliedstaaten herrschten diesbezüglich unterschiedliche Auffassungen, die durch die Definition in Artikel 2 der Lebensmittel-Basis-Verordnung harmonisiert wurden. Entsprechend wird der Begriff "Erzeugnis" hier parallel zum Begriff "Lebensmittel" zu lesen sein.
"Unverarbeitet", in der englischen Fassung "unprocessed" sind landwirtschaftliche Erzeugnisse, wenn sie nur gewonnen, bei pflanzlichen Erzeugnissen also geerntet oder bei tierischen Erzeugnissen zum Beispiel ermolken oder durch die Tötung des Tieres (Schlachten) gewonnen wurden. Praktisch wichtig ist nun aber, welche weitere Behandlung, wie sie traditionell in landwirtschaftlichen Betrieben üblich ist, noch nicht zur Verarbeitung, sondern noch zur landwirtschaftlichen Erzeugung gehört. Diese Verordnung definiert zwar den Begriff "Aufbereitung" in der Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe e, in dem auch die "Verarbeitung" als eine von mehreren Arbeitsgängen der Aufbereitung erwähnt wird, gibt aber keinen Aufschluss, wo die Grenze zwischen der landwirtschaftlichen Erzeugung einschließlich der Ernte und der damit verbundenen ersten Reinigungsschritte hin zur Verarbeitung zu ziehen ist, wie sie nicht mehr zur landwirtschaftlichen Erzeugung zählt.
Diese Grenzlinie ist für die praktische Anwendung dieser Verordnung besonders wichtig, denn mit dem ersten Verarbeitungsschritt fallen Erzeugnisse, die nicht zur Ernährung von Menschen, zur Fütterung von Tieren und nicht als Pflanz- oder Saatgut bestimmt sind, ganz aus dem Anwendungsbereich der Verordnung heraus. Sie fallen dann in den ungeregelten Bereich, in dem der Verkehr mit diesen Produkten unter dem Hinweis auf die Herkunft aus ökologischer Produktion nur den allgemeinen Irreführungsverboten unterliegt. Dem Förderungs- und Schutzzweck dieser Verordnung wird am ehesten durch eine Auslegung Rechnung getragen, welche die im Bereich der Landwirtschaft übliche Trocknung, Reinigung und Sortierung von Ernteprodukten nicht als Verarbeitung wertet.
Eine ähnliche Abgrenzung war für die Anwendung des § 2 Satz 2 des deutschen Produkthaftungsgesetzes bis zu seiner Änderung im Dezember 2000 in der Diskussion. Nach dieser Vorschrift waren landwirtschaftliche Naturprodukte von der verschuldensunabhängigen Produkthaftung ausgenommen. Erst mit der "ersten Verarbeitung" trat bei landwirtschaftlichen Naturprodukten nach der bis 2000 geltenden Rechtslage die Kausalitätshaftung nach dem Produkthaftungsgesetz zur deliktischen Haftung hinzu. Die Vorgängerverordnung (EWG) Nr. 2092/91 stellte zur Abgrenzung ihres Anwendungsbereichs ebenfalls auf das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der "nicht verarbeiteten pflanzlichen Agrarerzeugnisse" ab. Die Kommentierung von Rathke 2002 schränkt den Begriff des "Verarbeitens" radikal ein und erweitert damit korrespondierend den Anwendungsbereich der Verordnung, indem er ausführt: "Unter Verarbeiten" könne "im Wesentlichen dasselbe verstanden werden, wie im Rahmen der Begriffsbestimmung des § 7 LMBG". Danach sei "Verarbeiten jedes Herstellen eines neuen Erzeugnisses unter Verwendung eines oder mehrerer Stoffe" (siehe näher Zipfel/Rathke, C100 § 7 Rdnr. 8): "Nicht zur Verarbeitung gehört das Bearbeiten im Sinne der Auslegung des § 7 LMBG, also das Haltbarmachen z.B. durch Trocknen, Reinigen, Erhitzen oder Pasteurisieren; dies entspricht auch der Begriffsbestimmung für die Aufbereitung in Art. 4 Nr. 3, in der zwischen Verarbeitung einerseits sowie Haltbarmachung andererseits unterschieden wird. Das Reinigen, z.B. Waschen, Trocknen sowie auch das Erwärmen ist deshalb kein Verarbeiten". Dasselbe gelte auch für das Keimen von Gerste zu Malz.
Das Argument, dass die Begriffsbestimmung für die "Aufbereitung" Arbeitsgänge zu "Haltbarmachung" und Arbeitsgänge zu "Verarbeitung" unterscheidet, trifft nach wie vor zu, denn diese Definition findet sich auch in Artikel 2 Buchstabe i dieser Verordnung. Auch wenn Rathke hier ausschließlich mit den Begrifflichkeiten deutscher Rechtsnormen eine gemeinschaftsrechtliche Norm auslegen will, entspricht sein Ergebnis dem Telos der Gemeinschaftsnorm, der am ehesten durch eine weite Fassung des Anwendungsbereichs genügt wird.
Nach dieser Auffassung ist nicht nur Rohbaumwolle im Zustand direkt nach der Ernte, sondern nach erstem Waschen, Kämmen und sonstigen Aufbereiten noch nicht verarbeitet. Folglich fällt gekämmt gehandelte Baumwolle, aus der Öko-T-Shirts gefertigt werden sollen, bis zum Verspinnen in den Anwendungsbereich der Verordnung. Die praktische Folge ist, dass der Handel mit dem Produkt im geregelten Bereich stattfindet. Das Entsprechende gilt für andere landwirtschaftliche Erzeugnisse, die mit Ökohinweisen zur Verarbeitung zu Produkten vermarktet werden, die dann nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Für all diese Ausgangserzeugnisse entspricht es eher dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers, sie in den Anwendungsbereich dieser Verordnung einzubeziehen, als sie durch die Auslegung des Begriffs "Verarbeitung" auszuschließen. Verarbeitung im Sinne dieser Verordnung ist demnach, was für die Zwecke der Auslegung des Artikel 32 des EG-Vertrags den Übergang zu den Nicht-Anhang-I-Produkten ausmacht, ohne dass dies für die Geltung dieser Verordnung für die stärker verarbeiteten Erzeugnisse erheblich ist (vgl. Kommentierung Einleitung *6).
*5 Nach Artikel 1 Absatz 2 Satz 2 "gelten nicht" als "aus ökologisch/biologischer Produktion stammend" die "Erzeugnisse der Jagd und Fischerei wildlebender Tiere". Nach ihrer systematischen Stellung ist diese Vorschrift so zu verstehen, dass die Erzeugnisse der Jagd und der Fischerei nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Nach ihrem Wortlaut, welcher auf ein "Gelten", also auf eine gesetzgeberische Bewertung abstellt, könnte entgegen der systematischen Stellung in der Abgrenzung des Anwendungsbereichs auch ein Verständnis in Frage kommen, das zwar die Erzeugnisse der Jagd und der Fischerei als Erzeugnisse der Landwirtschaft wertet und damit in den Anwendungsbereich einbezieht, aber die Kennzeichnung als aus ökologisch/biologischer Produktion stammend verbieten will. Nach dem Zweck des Artikel 1 Absatz 2, den Anwendungsbereich abzugrenzen, erscheint eher eine klarstellende Leseweise des Wortlauts wie folgt richtig: "Diese Verordnung gilt nicht für Erzeugnisse der Jagd und der Fischerei wildlebender Tiere". Allerdings erlaubt Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe c Hinweise auf die Biozutaten in Produkten mit Hauptzutaten aus Jagd und Fischerei.
*6 Verarbeitet und zur Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind landwirtschaftliche Erzeugnisse, die von Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b erfasst werden.
Die Leitlinie der Gemeinschaft für staatliche Agrarbeihilfen stellt klar, dass die Verarbeitung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die im Anhang I des EG-Vertrags aufgeführt sind, zu Erzeugnissen, die als "Nicht-Anhang-I-Erzeugnisse" bezeichnet werden, von ihr nicht erfasst wird.
Für den Anwender dieser Verordnung stellt sich die Frage, weshalb Kapitel 4 dieser Verordnung die Verarbeitung der in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b genannten (verarbeiteten) Produkte regelt, obgleich die Verordnung von der Kommission auf Artikel 37 EG-Vertrag gestützt wurde, um stärkere Beteiligungsrechte des EU-Parlaments zu vermeiden (vgl. Kommentierung der Einleitung *3). Die Kommission beharrte auf der ausschließlichen Nutzung des Artikel 37 EG-Vertrag, um das Parlament auf die bloße Anhörung zu beschränken.
Da die Verarbeitung und Vermarktung vom Gerichtshof als noch zur GAP gehörend angesehen wird und es letztlich den Mitgliedstaaten, gemeinsam handelnd im Rat auf den Vorschlag der Kommission überlassen wird, die Reichweite der Landwirtschaftskompetenz aus Artikel 37 des EG-Vertrags abzugrenzen und zu nutzen, gilt diese Verordnung jedenfalls auch für das häufig diskutierte Beispiel "Mate" (vgl. Kommentierung der Einleitung *3).
Hier wird die Negativliste des Artikel 2 der Definition der "Lebensmittel" in der Lebensmittel-Basis-Verordnung wichtig (vgl. die Begriffbestimmung in Artikel 2 Buchstabe j). Aus dem Anwendungsbereich der Verordnung scheidet aus, was "verarbeitet", aber nicht "Lebensmittel" ist.
Praktisch relevant für die Anwendung dieser Verordnung sind insbesondere die folgenden Produkte, die nach der Definition der Lebensmittel-Basis-Verordnung ausdrücklich nicht unter den Begriff "Lebensmittel" fallen: Arzneimittel, wohl aber Nahrungsergänzungsmittel, jedoch nicht zum Verzehr bestimmte Medizinprodukte, die keine chemische, sondern nur physikalische Wirkung beim Passieren des Magen-Darm-Traktes haben sollen; Kosmetika, Tabak und Tabakerzeugnisse, aber auch Ökohanf (Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe, vgl. die Kommentierung zu Artikel 2 Buchstabe j).
Der Schritt vom "unverarbeiteten" zum "verarbeiteten" landwirtschaftlichen Erzeugnis, wie er für die Auslegung des Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b von Bedeutung ist, spielt auch für Gemeinschaftsregelungen staatlicher Beihilfen für die Landwirtschaft eine Rolle. Die "Community Guidelines for State Aid in the Agriculture and Forestry 2007 to 2013" (2006/C 319/01) beschreiben die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse als jede Behandlung, mit der Ausnahme von Maßnahmen im landwirtschaftlichen Betrieb, die notwendig sind, um ein tierisches oder pflanzliches Produkt für den ersten Verkauf vorzubereiten:
"For the purpose of these guidelines, ‘processing of an agricultural product’ means any operation on an agricultural product resulting in a product which is also an agricultural product, except on-farm activities necessary for preparing an animal or plant product for the first sale. The processing of agricultural products falling within the scope of Annex I of the Treaty into non-Annex I products therefore falls outside the scope of these guidelines".
Für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Verarbeitung können die zur Abgrenzung der Anhang-I-Erzeugnisse von den Nicht-Anhang-I-Erzeugnissen entwickelten Kriterien orientierend herangezogen werden (vgl. Kommentierung der Einleitung *3).
Die Diskussion über eine nach früherer Rechtslage wichtige produkthaftungsrechtliche Abgrenzung kann ebenfalls Hinweise geben: Dort wurde vorgetragen, dass die erste Verarbeitung nicht erst bei industrieller Fertigung vorläge, sondern es wurde als entscheidend angesehen, ob das landwirtschaftliche Naturprodukt stofflich in einer Weise verändert wird, die für den sicheren Gebrauch, also für die Verwirklichung von Schadrisiken relevant sein kann. Keine erste Verarbeitung wurde im Reinigen von Früchten, in ihrem Waschen, Abreiben oder Sortieren gesehen. Die verschuldensunabhängige Haftung sollte nach dem Stand dieser Diskussion erst einsetzen, wenn bei dem Erzeugnis durch gezielte Einwirkung eine "technologische Wirkung" erzielt wird, die über die Wirkung der traditionell der landwirtschaftlichen Erzeugung zugerechneten Behandlung geernteter Produkte hinausgeht.
*7 Futtermittel sind in der entsprechenden Begriffsbestimmung der Lebensmittel-Basis-Verordnung definiert, auf welche die Begriffsbestimmung in Artikel 2 Buchstabe j dieser Verordnung verweist. Damit sind Produkte, die zur Ernährung von "Katzen, Hunden und Zierfischen" bestimmt sind, im Anwendungsbereich dieser Verordnung (pet food).
*8 Vegetatives Vermehrungsmaterial und Saatgut für den Anbau fällt in den Anwendungsbereich der Verordnung. Vegetatives Vermehrungsmaterial sind beispielsweise angezogene Stecklinge von Beerensträuchern, Ableger bei Erdbeeren, Steckzwiebeln oder Pflanzkartoffeln. Häufig wird in der landwirtschaftlichen Praxis zwischen "vegetativem Vermehrungsmaterial" und "Jungpflanzen" unterschieden. Wenn Jungpflanzen ohne Verarbeitung vermarktet werden, fallen sie in den Anwendungsbereich der Verordnung. Im Zweifel sollten Jungpflanzen folglich, um dem gesetzgeberischen Ziel gerecht zu werden, als "unverarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse" behandelt werden. Die Unterscheidung zwischen "Jungpflanzen" und "vegetativem Vermehrungsmaterial" war für die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 wichtig, weil die Frage der Zulässigkeit des Einsatzes von vegetativem Vermehrungsmaterial einerseits und von Jungpflanzen andererseits, die nicht aus vollständig ökologischer Produktion stammten, unterschiedlich geregelt war, einerseits in Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe a und andererseits in Artikel 6a. Bei der Vermehrung von Bananen und Zierpflanzen ist die Meristem-Aufzucht verbreitet. Es handelt sich um das Ziehen von Pflanzen aus undifferenzierten, embryonalen Zellen, meist aus dem äußersten Ende der Sprossspitzen oder Wurzeln. Die Meristeme gehören zum vegetativen Vermehrungsmaterial, die daraus gezogenen Jungpflanzen nicht. Vegetatives Vermehrungsmaterial sind die vegetativen Vermehrungsorgane, wie Rhizome, Knollen, Zwiebeln und Stecklinge, also die regenerationsfähigen Pflanzenteile.
Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d formuliert in der zweiten Alternative in der englischen Fassung "seeds for cultivation" und in der deutschen "Saatgut für den Anbau". Saatgut sind getrocknete, ruhende, aber keimfähige Fortpflanzungsorgane. Nicht nur Samen, sondern auch Früchte und Scheinfrüchte.
Der Anwendungsbereich der Verordnung wird durch das Tatbestandsmerkmal "für den Anbau" eingeschränkt. Unter "Anbau" oder "cultivation" fallen jedenfalls keine Samen für das Keimenlassen für Speisezwecke oder Dekorationszwecke bestimmt sind. Die Erstgenannten fallen in in die Kategorie des Buchstaben b dieser Verordnung, die Zweitgenannten in die des Buchstaben a. Es stellt sich die Frage, ob das Tatbestandsmerkmal darauf zielt, Saatgut, das für Hausgärten bestimmt ist, vom Anwendungsbereich der Verordnung auszuschließen.
Das Tatbestandsmerkmal "für den Anbau" könnte so verstanden werden, dass es einen Unterschied macht, ob Samen für Hausgärten dazu dient, Gemüse zu ziehen oder Blumen. Dagegen spricht allerdings, dass der Begriff "cultivation" und "Anbau" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch durchaus auch für das Aufziehen von Zierpflanzen verwandt wird. Insgesamt entspricht es nicht dem Ziel des Gemeinschaftsgesetzgebers, den Vertrieb von Bio-Mohrrüben-Samen für Hausgärten aus dem Anwendungsbereich der Verordnung herauszunehmen. Samen, die für Hausgärten bestimmt sind, fallen entsprechend einer zutreffenden teleologischen Auslegung dieser Verordnung in ihren Anwendungsbereich. Dies, weil der Be- griff des Anbaus weder Samen für Zier- noch für Nutzpflanzen in Hausgärten ausschließt. Im Übrigen auch, weil Samen als unverarbeitete und lebende Erzeugnisse von Buchstabe a dieses Absatzes erfasst werden.
*9 Jagd und Fischerei, welche Erzeugnisse aus "wild lebenden Tieren" zum Gegenstand haben, "gelten nicht" als "aus ökologisch/biologischer Produktion stammend". Dies findet sich im vorletzten Satz des Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007. Dieser Absatz grenzt den produktbezogenen Anwendungsbereich der Verordnung ab. Was bewirkt er? Schließt er Produkte, die ganz oder überwiegend aus Wildfisch bestehen, aus dem Anwendungsbereich der Verordnung aus? Dafür spricht die Stellung des Satzes in der Verordnung, nämlich dort, wo gesagt wird, dass ein Baumwoll-T-Shirt nicht in den Anwendungsbereich fällt, während für die geerntete Rohbaumwolle vor dem ersten Verarbeitungsschritt das Gegenteil gilt. In den Kennzeichnungsregeln des Artikel 23 findet sich aber in Absatz 4 Buchstabe c die Vorgabe, welche Ökohinweise in der Etikettierung von Produkten erlaubt, deren „Hauptzutat" Wildfisch ist, wenn sich der Ökohinweis auf die Herkunft einer ebenfalls im Produkt enthaltenen landwirtschaftlichen Zutat bezieht. Damit ist klar, dass dieser Satz in Artikel 1 an der falschen Stelle steht. Er hat nicht die Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung zum Gegenstand. Vielmehr handelt es sich um ein Kennzeichnungsverbot, das systematisch richtig in Artikel 23 Absatz 1 stehen müsste.
Es beruht auf der Überlegung, dass Ökozertifizierung Kontrolle über die Herkunft des Futters einschließt. Sie könne man aber bei wildgefangenen Tieren nicht prüfen. Da nicht kontaminierte, sich nachhaltig erneuernde Futterquellen ein wichtiger Aspekt der Ökoproduktion seien, sei die Ökozertifizierung von Wildfang nicht möglich. Der Ökozertifizierung von Wildfisch wird entgegengehalten, dass damit einem Fehlverständnis der ökologischen Landwirtschaft Vorschub geleistet werde. „Management by neglect" sei keine ökologische Bewirtschaftung. Wenn Wildfang aus einen „uncontrolled feeding environment" eine Ökozertifizierung erhalten würde, würde dies zur Vorstellung führen, ökologische Landwirtschaft sei, dass "you don’t do anything to your land, or crops, or orchards, or animals", richtig sei, aber dass ökologische Landwirtschaft aktive Bewirtschaftungsmaßnahmen verlange, welche insbesondere die Bodenfruchtbarkeit steigern. Die deutsche Bundesregierung berichtete nach dem Ende ihrer Ratspräsidentschaft während des ersten Halbjahres 2007, dass der Fischereirat - das sind die zuständigen Minister der Mitgliedstaaten - nach fast einjährigem Stillstand der Beratungen zur "Ökokennzeichnung von Fischereierzeugnissen" diese auf ihren Anstoß hin wieder aufgenommen habe. Diese Diskussion wird von der deutsche Regierung aber auch unter dem Stichwort „nachhaltige Fischerei" geführt. Oder es findet sich die Bezeichnung "Sustainable Wild Aquatic Harvest" (International Certification Services/Farm Verified Organic). Schließlich die Zertifizierung von „Sustainable Fishing" (Marine Stewardship Council). Dem Bedenken, dass „Öko" oder „Bio" aktiveren, stärker pflegebezogene Bewirtschaftungsmaßnahmen vorbehalten sein solle, könnte Rechnung getragen werden, indem für den Wildfang andere Begrifflichkeiten gewählt werden, aber die Bezeichnungen als kompatibel behandelt werden. Für diese Verordnung stellt sich die Frage, ob es richtig ist, dass die Kennzeichnungsvorschriften den Ökohinweis bei der Verkehrsbezeichnung von Wildfischstäbchen wegen einer wie auch immer geringen landwirtschaftlichen Zutat erlauben, ohne irgendeinen Anspruch bezüglich der Herkunft dieses Wildfischs zu formulieren (siehe Kommentierung des Artikel 23 *).
Die Vorgabe, dass "Erzeugnisse der Jagd und der Fischerei wildlebender Tiere" nicht als aus ökologischer/biologischer Produktion stammend "gelten", erfolgt unter der Voraussetzung, dass sie als "landwirtschaftliche Erzeugnisse" überhaupt in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen. Nun stellt sich aber die Frage, was die Deutungsvorgabe im hier kommentierten Satz zur Wirkung haben soll. In den USA werden Bezeichnungen diskutiert wie „free-range, grass-fed, organic, locally produced, locally harvested, sustainable, native, low-stress, low-impact, humanely slaughtered meat". Wäre die Bezeichnung als „Erzeugnis aus ökologischer Wildhege" durch Artikel 1 Absatz 2 Satz 2 verboten? Ist die Zertifizierung von „organic deer products" durch die Soil Association in Großbritannien verboten? Richtig ist die Auffassung, dass Wild nicht mit Angaben vermarktet werden darf, die den Eindruck vermitteln, diese würden wegen ihrer Herkunft „aus ökologischer/biologischer Produktion" erfolgen, wie sie Artikel 1 Absatz 2 Satz 2 anspricht. Da diese „Produktion" aber als „Anwendung" der „Vorschriften dieser Verordnung" beschrieben ist, hindert diese Vorgabe nicht das Inverkehrbringen von Erzeugnissen der Jagd und der Fischerei unter Verwendung von Begriffen, die auf ökologische Hegebedingungen hinweisen, also auf besondere Leistungen des Umwelt- oder Naturschutzes und des Einsatzes von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus bei der Fütterung. Was Verbraucher bei einer derartigen Auslobung zu Recht erwarten, wird durch die inzwischen schon mehrjährige Zertifizierungspraxis der Soil Association, die durch Prince Charles angeregt worden war, geprägt.
*10 Für Hefen ordnet Artikel 1 Absatz 2 Satz 3 an, dass die Verordnung auch für jene gelte, aber nur wenn sie "als Lebens- oder Futtermittel verwendet" werden. Damit wird klargestellt, dass die Verarbeitung landwirtschaftlicher Substrate durch Hefeorganismen als Verarbeitung eines Erzeugnisses der Landwirtschaft zu einem Lebensmittel gewertet wird. Dies entspricht schon der durch die Grundverordnung (EWG) Nr. 2092/91 geschaffenen, dort insbesondere aus Anhang VI Teil A Nummer 4 und Teil B deutlichen Rechtslage.
Artikel 20 gibt "allgemeine Vorschriften für die Herstellung ökologischer/biologischer Hefe" vor und stellt in Absatz 1 klar, dass die ökologische/biologische Prägung der Herstellung durch "ökologisch/biologisch erzeugte Substrate", denn nur diese dürfen für die Herstellung ökologischer/biologischer Hefen verwendet werden, erfolgt. Es kommt danach also nicht auf die Herkunft der Hefen, sondern auf die Herkunft der Substrate aus ökologisch/biologischer Landwirtschaft an. Eine in der Wissenschaft allgemein anerkannte Abgrenzung der „Hefen" fehlt. Wichtige Eigenschaften vieler Hefen ist die alkoholische Gärung und die Vermehrung durch Zellteilung, aber nicht alle Eukaryoten, die als Hefen angesehen werden, verfügen über diese. Hefen haben als Eukaryoten Membranstrukturen, Chromosomen, Mitochondrien und das endoplasmatische Retikulum.
Neben dem Einsatz von Bierhefe in abgetöteter Form als hoch verfügbarer Proteinquelle kommen Stämme lebender Kulturen der Saccharomyces cerevisiae in der Fütterung von Wiederkäuern und Pferden zum Einsatz. Wenn diese Verordnung ausdrücklich „Hefen" in ihren Anwendungsbereich einbezieht, schließt dies Erzeugnisse ein, die aus lebenden und solche die aus nicht mehr lebenden Hefezellen bestehen.
Als "Hefe" wird hauptsächlich die Bierhefe Saccharomyces cerevisiae bezeichnet. Sie findet bei der Herstellung von Sauerteig, Bier und Wein Verwendung. Die Saccharomyces cerevisiae wird auch als Trockenhefe angeboten. Die für die Nährsubstrate verwendeten landwirtschaftlichen Inhaltsstoffe müssen nach dieser Vorschrift aus ökologischer Produktion stammen, wenn das Hefeerzeugnis in einem Bioprodukt Verwendung findet.
Die Hefen werden auf Nährmedien (Lösungen oder Substraten) vermehrt. Erzeugnisse landwirtschaftlichen Ursprungs haben darin einen wesentlichen Anteil, insbesondere Melasse, die bei der Zuckerherstellung anfällt. Mono- oder Diammoniumphosphat wird als Phosphorquelle und Ammoniak, Ammoniumsulfat oder Ammoniumnitrat als Stickstoffquelle zugefügt. Die Durchführungsvorschriften zu dieser Verordnung werden Positivlisten für die Hefeherstellung enthalten, welche die für erforderlich gehaltenen Nährstoffquellen aufführen, aber auch die zur Säureregulierung für erforderlich gehaltene Schwefelsäure und Natronlauge, möglicherweise auch synthetische Vitamine und Schaumregulatoren. Die AGÖL-Rahmenrichtlinien Verarbeitung (Juli 2000) hatten „ausschließlich physikalisch oder biologisch aufgearbeitete Kohlenstoffquellen aus ökologischer Erzeugung sowie ausschließlich organische Stickstoffquellen aus ökologischer Erzeugung" verlangt und als Einsatzstoffe Lecithin sowie als Säureregulatoren Zitronensäure und Calciumcarbonat vorgesehen. Diese strenge Regelung wird sich möglicherweise nicht durchsetzen. Die Sicherung der Herkunft der landwirtschaftlichen Anteile des Substrates aus ökologischem Landbau wird aber der berechtigten Verbrauchererwartung doch eher gerecht als die Vermehrung auf Substraten aus konventioneller Landwirtschaft.
Vegetarische Brotaufstriche bestehen häufig hauptsächlich aus einer Paste, hergestellt aus Wasser, Fett und durch Erhitzen inaktivierter Nährhefe. Diese „Pasteten" werden häufig mit Gemüse-, Kräuter- oder Gewürzzutaten unter Hervorhebung von deren Herkunft aus ökologischem Landbau angeboten, während die Hefen auf Substraten aus konventioneller Landwirtschaft vermehrt wurden.
Hefe wurde beim Vollzug der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 nicht als Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs behandelt. Anhang VI Teil A Nummer 4 der Vorgängerverordnung erlaubte den Einsatz der „normalerweise in der Lebensmittelherstellung verwendeten Kulturen von Mikroorganismen". Zu diesen gehören auch Kulturen von Hefen. Eine Pastete, die überwiegend aus auf konventionellem Substrat gezogener Nährhefe besteht, konnte mit einem Biohinweis in der Verkehrsbezeichnung vermarktet werden, wenn dies für vorhandene landwirtschaftliche Zutaten zutraf. Die Neuregelung wird die Nachfrage nach Produkten von geschmacklich besser geeigneten, mit Substraten aus biologischer Landwirtschaft vermehrten Hefen nachdrücklich fördern, denn der bisher verbreitete Biohinweis auf im Wesentlichen konventionellen Streichhefeerzeugnissen wird ab dem 01.01.2009 nicht mehr zulässig sein. Ein praktisches Problem lag bislang in dem an Sauerteig erinnernden Geschmack der verfügbaren, auf einem Getreidesubstrat vermehrten Bio-Hefe.
*11 Für Unternehmer, und zwar alle, die "auf irgendeiner Stufe der Produktion, der Aufbereitung oder des Vertriebs von Erzeugnissen" gemäß Artikel 1 Absatz 2 "tätig sind", soll diese Verordnung Anwendung finden. Damit fallen alle Unternehmer in den Anwendungsbereich dieser Verordnung, die mit Erzeugnissen befasst sind, die nicht nach den Bestimmungen des Artikel 1 Absatz 2 schon selbst aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen sind. Die Verordnung ist so aufgebaut, dass belanglos ist, ob die Erzeugnisse, wenn sie in den Anwendungsbereich der Verordnung nach dem Absatz 2 fallen, als Bioprodukt gekennzeichnet sind oder gekennzeichnet werden sollen. Es ist auch unerheblich, ob der Unternehmer dies tut oder diese Absicht hat. Alle Unternehmer, die mit den in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Produkte des Absatzes 2 befasst sind, wären dem Anwendungsbereich der Verordnung zugeordnet. Die Frage, ob sich aus der Anwendung der Verordnung Rechtspflichten ableiten, entscheidet sich an verschiedenen, über die Verordnung verstreuten Stellen, die der sachkundige Rechtsanwender sich erarbeiten muss. Die Kommission hatte diese Regelungstechnik als Vorschrift mit dem Argument bezeichnet, die Regelung sei nun umfassender erfolgt, da ja alle Unternehmer in den Anwendungsbereich einbezogen sind.
Wenn die Verordnung für "alle Unternehmer Anwendung" findet, die "auf irgendeiner Stufe des Vertriebs" der Produkte des Absatz 2 "tätig sind", sind Unternehmer in den Anwendungsbereich der Verordnung einbezogen, die eine Rolle bei der "Werbung" für "ökologisch/biologische Erzeugnisse" spielen. Die Verordnung entscheidet damit nicht auf der Stufe der Abgrenzung des Anwendungsbereichs, ob sie, beispielsweise für eine Werbeagentur, Regeln setzt, insbesondere Pflichten formuliert, vielmehr entscheidet sich dies erst bei den "Vorschriften", von denen Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 spricht, also erst in den auf Titel II der Verordnung folgenden Titel III mit den "Produktionsvorschriften" und Titel IV mit den Vorschriften für die "Kennzeichnung" sowie Titel V für das "gemeinschaftsrechtliche Kontrollsystem für den ökologischen Landbau" und Titel VI für den "Handeln mit Drittländern". Wer als Werbeagentur mit der Gestaltung und der Platzierung von Angaben für Produkte befasst ist, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, erfährt erst durch die genaue Formulierung der Vorschriften der Verordnung in den Titeln III bis VI, ob ihm die Verordnung persönliche Pflichten auferlegt.
Es fällt auf, dass die Definition des Begriffs "Unternehmer" in Artikel 2 Buchstabe d so gefasst ist, dass nicht die natürliche oder juristische Person, die handelnd im eigenen Namen im Wirtschaftsleben auftritt, in den Anwendungsbereich einbezogen ist, sondern jene, "die für die Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung" als "verantwortlich" angesprochen wird. Die Lebensmittel-Basis-Verordnung unterscheidet zwischen "Lebensmittelunternehmen" in Artikel 3 Nummer 2 und "Lebensmittelunternehmern" in Artikel 3 Nummer 3 (siehe die Kommentierung zu Artikel 2 Buchstabe d). Wenn diese Verordnung beim Wort genommen würde, hätte dies zur Folge, dass in den Anwendungsbereich dieser Verordnung zwar die Geschäftsführer und Qualitätssicherungsmanager von Unternehmen, die als juristische Personen organisiert sind, fallen, nicht aber das "Unternehmen" selbst, wie dies noch in Artikel 8 Absatz 1 der Vorgängerverordnung eindeutig vorgegeben war.
Möglicherweise ist mit der neuen Fassung tatsächlich eine "Personalisierung" der Verantwortlichkeit beabsichtigt. Dafür könnte sprechen, dass die Regelungen über "Teilnahme am Kontrollsystem" in Artikel 28 Absatz 1 so gefasst sind, dass der Geschäftsführer oder Qualitätssicherungsmanager "seine Tätigkeit" bei der zuständigen Behörde zu melden hat. Dies nach Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe a. Allerdings hat er nach dem dann folgenden Buchstaben b "sein Unternehmen dem Kontrollsystem" zu unterstellen, woraus folgt, dass eben doch die Verordnung nicht nur auf "Unternehmer", sondern auch auf "Unternehmen" Anwendung finden soll. Dann aber muss die Abgrenzung des Anwendungsbereichs korrigierend gelesen werden. Der Blick in die englische Fassung des Artikel 28 Absatz 1 Buchstaben a und b, in denen vom "operator" die Rede ist, der "his untertaking" dem Kontrollsystem unterstellt, ergibt kein klareres Bild.
Wahrscheinlich war den Autoren dieser Verordnungstextes die lebensmittelrechtliche Unterscheidung von "Unternehmer" und "Unternehmen" nicht bewusst und die Definiton des "Unternehmers" in der Lebensmittelbasis-Verordnung unbekannt. Richtig dürfte für die Zwecke dieser Verordnung sein, dem unscharfen Begriffsgebrauch keine Beachtung zu schenken. Daraus folgt, dass Artikel 1 Absatz 3 in Korrektur des Redaktionsfehlers zu lesen ist als: "Diese Verordnung findet auf alle Unternehmen Anwendung ...".
Der Bereich, in dem die hier angesprochenen Unternehmer und Unternehmen tätig sind und damit in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, ist in der Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe b definiert.
*12 Arbeitsgänge in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen unterliegen nicht der Verordnung. Dass hier nur die "Arbeitsgänge" aus dem Anwendungsbereich entnommen wurden, lässt fragen, weshalb der Satz nicht lautet: "Gemeinschaftliche Verpflegungseinrichtungen unterliegen jedoch nicht dieser Verordnung". So gefasst, hätte sich der Satz besser in die Systematik des Artikel 1 Absatz 3 eingefügt, der sich in seinem ersten Satz eben nicht mit Arbeitsgängen, sondern mit Unternehmern befasst. Dementsprechend würde man erwarten, dass "gemeinschaftliche Verpflegungseinrichtungen" als Unternehmer aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden. Da dies nicht geschehen ist, ist zu fragen, ob das Tatbestandsmerkmal der "Arbeitsgänge" die Herausnahme aus dem Geltungsbereich der Verordnung abgrenzt, so dass die Verordnung dem Grunde nach auf die gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen als Unternehmer Anwendung findet, nur eben nicht auf die Arbeitsgänge in diesen Einrichtungen.
Die Reichweite der Herausnahme aus dem Kontrollsystem wird durch die nicht der Intuition des Lesers entsprechende, weite Definition des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der "gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtung" in Artikel 2 Buchstabe aa erheblich erweitert: Danach sind solche "Arbeitsgänge" alle Handlungen der "Aufbereitung" in "Gaststättenbetrieben" und "anderen ähnlichen Lebensmittelunternehmen".
Die Reichweite wird eingegrenzt durch die Vorgabe, dass es sich um Arbeitsgänge handelt "an der Stelle, an der" die Erzeugnisse "an den Endverbraucher verkauft oder abgegeben werden". Diese Legaldefinition hat zur Folge, dass Handlungen der Aufbereitung am "point of sale" nicht der Verordnung unterliegen, also aus ihrem Anwendungsbereich herausgenommen sind und zwar, nach dieser Auslegung, mit Blick auf die Teilnahme am Kontrollverfahren.
Die Frage, was "ähnliche" Lebensmittelunternehmen sind, entscheidet sich nicht danach, ob die Empfänger der Speisen eine persönliche oder vertragliche Sonderverbindung mit der Einrichtung aufweisen, sei es als Patienten im Krankenhaus, Betriebsangehörige einer Unternehmenskantine oder Insassen eines Gefängnisses. Da die Definition von "Gaststättenbetrieben" ausgeht, ist klar, dass kein Mehr an Sonderbindung verlangt wird als jene, die durch den schlichten Kauf einer Speise entsteht. Auch kommt es nicht darauf an, ob die Speise vor Augen oder in der Küche, für den Empfänger nicht einsichtig, zubereitet wird.
Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob die Speise unmittelbar vor der Übergabe an den Speiseempfänger gekocht wurde. In einer Gaststätte werden Kuchen und Nachspeisen lange vor dem Servieren zubereitet. Als einschränkendes Merkmal bleibt die Aufbereitung an der Abgabestelle. Aufbereitungshandlungen an der Abgabestelle werden aus dem Kontrollsystem herausgenommen. Dies gilt folgerichtig für Gaststätten ebenso wie für den Bratwurststand auf der Messe, der Backstation in der Autobahntankstelle, der Zubereitung eines Salats in der Metzgereiabteilung einer Einzelhandelsfiliale. Für das unter der Vorgängerverordnung viel diskutierte Abschneiden eines Schnitzels von einem Stück Fleisch, einer Scheibe Käse von einem Käselaib oder das Abfüllen einer Packung Tee aus einer größeren Portion wird dies ebenso gelten.
In anderen Mitgliedstaaten, insbesondere Großbritannien, wurde diese Diskussion als fehlgeleitet wahrgenommen, weil sie die Aufmerksamkeit im Kontrollsystem für den ökologischen Landbau von den Punkten ablenkt, die für eine effektive Kontrolle unter dem Gesichtspunkt der großmaßstäblichen Betrugsprävention größere Bedeutung hätten. In Deutschland ist der Ausschluss der Gaststätten aus dem Anwendungsbereich des Kontrollsystems nicht wohlwollend aufgenommen worden, weil sich hier viele Akteure über Jahre um die Entwicklung angemessener Kontrollverfahren bemüht hatten.
Im Katalog der Begriffsbestimmungen des Artikel 2 werden an letzter Stelle die "Arbeitsgänge in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen" definiert als: "Die Aufbereitung ökologischer/biologi-scher Erzeugnisse in Gaststättenbetrieben, Krankenhäusern, Kantinen und anderen ähnlichen Lebensmittelunternehmen an der Stelle, an der sie an den Endverbraucher verkauft oder abgegeben werden".
Wenn "Arbeitsgänge" in diesen Einrichtungen nicht der Verordnung "unterliegen", wenn also die Verordnung von vornherein auf diese nicht anwendbar ist, stellt sich die Frage, ob die Produkte aus diesen Arbeitsgängen, etwa bezüglich ihrer Kennzeichnung mit Hinweisen auf die ökologische/biologische Produktion, gleichwohl der Verordnung unterliegen.
Diese Frage würde sich nicht stellen, wenn die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen angeboten werden, in Artikel 1 Absatz 2 als der Verordnung nicht unterliegend produktbezogen bezeichnet worden wären. Hier bezieht sich die Herausnahme aus dem Anwendungsbereich der Verordnung aber auf "Arbeitsgänge". Dies könnte man so verstehen, dass die Arbeitsgänge nicht dem gemeinschaftsrechtlichen Kontrollsystem unterliegen, die Erzeugnisse, die mit Hinweisen auf die Herkunft aus ökologischer/biologischer Produktion in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung angeboten werden, aber den Kennzeichnungsvorschriften unterliegen. Dafür könnte sprechen, dass zwar der Aufwand der Teilnahme am Kontrollsystem zu Gunsten dieser Gemeinschaftseinrichtungen vermieden werden soll, die Einhaltung der Kennzeichnungsvorschriften aber als zumutbar und damit verbindlich angesehen wird.
Gegen diese Auslegung spricht, dass Artikel 1 Absatz 3 Satz 3 die Berechtigung der Mitgliedstaaten formuliert "nationale Vorschriften oder bei deren Fehlen private Standards" anzuwenden und zwar "nicht nur für die Kontrolle von Arbeitsgängen", sondern "für die Kennzeichnung und die Kontrolle von Erzeugnissen aus Arbeitsgängen in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen". Diese Formulierung legt eher ein Verständnis nahe, dass, wenn die "Arbeitsgänge im gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen" nach Artikel 1 Absatz 3 Satz 2 der Verordnung nicht unterliegen, damit gemeint ist, dass die Erzeugnisse aus diesen Arbeitsgängen auch nicht den Regeln der Verordnung über die Kennzeichnung unterliegen. Die Legaldefinition des Begriffs "Arbeitsgänge in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen" stellt einerseits klar, dass nicht etwa nur Verpflegungseinrichtungen gemeint sind, die einen geschlossenen, für Außenstehende in der Regel nicht zugänglichen Personenkreis versorgen, etwa Krankenhäuser, Gefängnisse, universitäre Mensen und betriebliche Kantinen von Unternehmen.
Der Begriff "Gaststättenbetriebe" öffnet diesen Kreis weit für Unternehmer, die einem beliebigen Personenkreis Speisen anbieten. Durch das öffnende Tatbestandsmerkmal "und anderen ähnlichen Lebensmittelunternehmen" wird der Kreis erweitert. Eingegrenzt wird der Kreis der Unternehmer, die von der Herausnahme aus dem Anwendungsbereich privilegiert werden, durch den Begriff der "Aufbereitung" von Erzeugnissen, "an der Stelle, an der sie an den Endverbraucher verkauft oder abgegeben werden". Damit sind "Arbeitsgänge in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen", die der Verordnung nicht "unterliegen" das Zubereiten von Speisen für ein beliebiges Publikum, an der Stelle, an der diese Speisen "an den Endverbraucher verkauft oder abgegeben werden". Diese Herausnahme aus dem Anwendungsbereich setzt nicht voraus, dass der Endverbraucher die Speisen an der gleichen Stelle verzehrt. Da die Begriffsbestimmung nur auf den Verkauf oder die Abgabe an den Endverbraucher abhebt und nicht an den Verzehr des abgegebenen Erzeugnisses durch den Endverbraucher an der Stelle der Abgabe, ist für den Ausschluss aus dem Anwendungsbereich nicht entscheidend, ob der Verzehr an der Abgabestelle oder außerhalb des Lokals, an irgendeiner anderen Stelle, insbesondere auch zu Hause, erfolgt. Der Privilegierung unterliegen jedoch nur die "Arbeitsgänge" an der Stelle, an der die Speisen dem Verbraucher übergeben werden. Damit ist das Aufbacken von tiefgekühlten Teiglingen in der Autobahntankstelle aus dem Anwendungsbereich der Verordnung entfernt worden, denn die frischgebackene Brezel wird dort dem Verbraucher übergeben. Die Herstellung der Teiglinge zum Zwecke der Lieferung mit einer Biokennzeichnung an die Tankstelle ist jedoch in den Anwendungsbereich der Verordnung einbezogen.
Diese Auslegung des Artikel 1 Absatz 3 Satz 2 bewirkt das Folgende: Wenn Erzeugnisse, die in den Anwendungsbereich der Verordnung gemäß Artikel 1 Absatz 2 fallen, an einer Stelle aufbereitet werden, "an der sie an den Endverbraucher verkauft oder abgegeben werden" so wie die Begriffsbestimmung in Artikel 2 es formuliert, sind die "Arbeitsgänge" dieser Aufbereitung nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung einbezogen, vielmehr ausgeschlossen. Eine Betriebskantine erhält von einem externen Catering-Unternehmen Speisen vorgekocht, aber nicht portioniert zum Zwecke der Zusammenstellung in der Kantinenküche geliefert. Dort werden sie auch nachgewürzt und erwärmt. Die Arbeitsgänge des Catering-Unternehmens, das Kochen und Etikettieren, fallen in den Anwendungsbereich der Verordnung. Die Arbeitsgänge in der Betriebskantine sind aus dem Anwendungsbereich entfernt. Damit unterliegen die Arbeitsgänge in der Betriebskantine nicht dem gemeinschaftsrechtlichen Kontrollsystem für den ökologischen Landbau nach dem Titel V. Es gelten wohl auch nicht die Kennzeichnungsvorschriften nach Titel IV.
*13 Nationale Vorschriften für die Kennzeichnung und die Kontrolle von Erzeugnissen aus Arbeitsgängen in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen sollen möglich sein. In Deutschland wird daher die Möglichkeit des nationalen "Opt-in", welcher in Artikel 1 Absatz 3 Satz 3 vorgesehen ist, erwogen werden. Die Mitgliedstaaten können durch nationale Vorschriften die Wirkung des Artikel 1 Absatz 3 Satz 2 aufheben. Dieser spricht davon, dass nationale Vorschriften "für die Kennzeichnung und die Kontrolle von Erzeugnissen aus Arbeitsgängen in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen" angewendet werden können. Diese Formulierung scheint der für den vorherigen Satz vorgeschlagenen Auslegung und der entsprechenden Definition in Artikel 2 Buchstabe aa zu widersprechen. Denn warum sollten nationale Vorschriften für die "Kennzeichnung" Anwendung finden, wenn die Kennzeichnungsregeln dieser Verordnung ohnehin auch für die Erzeugnisse der Arbeitsgänge in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen gelten?
Die vorgeschlagene Auslegung erscheint aber gleichwohl richtig, denn der dritte Satz dieses Absatzes weist auf die Notwendigkeit der Vereinbarkeit dieser Regelungen mit dem Gemeinschaftsrecht hin, was nur dann sinnvoll erscheint, wenn die Kennzeichnungsvorschriften dieser Verordnung überhaupt dem Grunde nach Anwendung finden. Die Vorschrift kann so gelesen werden, dass es den Mitgliedstaaten unbenommen sein soll, spezifische Regelungen für die Kennzeichnung von Erzeugnissen "gemeinschaftlicher Verpflegungseinrichtungen" im Rahmen der hier vorgegebenen Kennzeichnungsvorschriften zu erlassen. Dementsprechend soll es ihnen auch erlaubt sein, nationale Vorschriften bei "der Kontrolle von Erzeugnissen aus Arbeitsgängen in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen" anzuwenden.
Interessant ist hier, dass nicht wirklich ein "Opt-in" im Sinne der Wiederanwendbarkeit der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen vorgesehen ist, sondern eine eigenständige nationale Regelung. Dies hat die eigentümliche Folge, dass die nationale Regelung eine ganz andere Struktur haben und andere Vorgaben vorsehen kann als diese Verordnung des Gemeinschaftsrechts.
In den 16 deutschen Bundesländern ist daher mit einer erheblichen Regelungsvielfalt zu rechnen, denn der Opt-in könnte, ähnlich wie Rauchverbote in Gaststätten als Ländersache anzusehen sein.
Höchst erstaunlich ist schließlich die Vorgabe, dass die Mitgliedstaaten bei Fehlen eigener nationaler Rechtsvorschriften "private Standards" anwenden können sollen. Gemeint ist offenbar, dass die Verwaltung in den Mitgliedstaaten entscheiden soll, dass Produkte dann verkehrsfähig sind, wenn sie privaten Produktions- und Kontrollstandards entsprechen.
Dieses Regelungsverständnis ist mit rechtsstaatlichen Maßstäben nicht vereinbar, denn die Frage, ob ein Gaststättenbetrieb seine Arbeitsgänge einem fremden Kontrollsystem unterstellen und damit Einblick in seine Betriebsgeheimnisse gewähren und dafür auch noch Kosten tragen muss, ist mit einem so tiefen Eingriff in die Freiheit der Nutzung des Eigentums und in die Gewerbefreiheit verbunden, dass derartige Regelungen nach dem Verfassungs- und Grundrechtsverständnis der meisten Mitgliedstaaten nur durch Gesetz getroffen werden dürfen oder aufgrund eines Gesetzes, wenn dieses die Voraussetzungen und Umstände der Anordnung in den wesentlichen Zügen hinreichend bestimmt.
Artikel 1 Absatz 3 Satz 2 ist so formuliert, dass er insbesondere in den Beitrittsländern Anlass zu Unsicherheit über die Frage geben wird, ob und wie weit eine rechtsstaatliche Verwaltung an das Gesetz gebunden ist. Die Kommission hat hier nicht Rechtsetzung vorgeschlagen, sondern die Aufgabe jeder rechtsstaatlichen Normierung zu Gunsten willkürlicher Entscheidungen auf der Verwaltungsebene in den Mitgliedstaaten. Eine Korrektur wird in den meisten Mitgliedstaaten durch deren eigene verfassungsrechtliche Ordnung erfolgen, welche gesetzgeberische Entscheidung darüber verlangt, ob von der Option einer eigenständigen nationalen Regelung, die Artikel 1 Absatz 3 Satz 3 einräumt, Gebrauch gemacht wird.
Für Deutschland wird sich, wohl in den Bundesländern, die Frage stellen, ob die eigene Regelung vorsehen wird, dass die "Arbeitsgänge" nach der Definition in Artikel 2 Buchstabe aa in das gemeinschaftsrechtlich vorgegebene Kontrollsystem aufgenommen werden. Damit würde durch nationales Recht eine präzise Parallelisierung erfolgen, was Deutschland als Mitgliedstaat nicht verwehrt ist.
Für Deutschland stellt sich dann insbesondere aber auch die Frage, ob die Option, diese Arbeitsgänge dem Kontrollsystem zu unterstellen, differenziert so ausgeübt wird, dass der Streit über das Aufschneiden von Fleisch oder einem Käseleib an der Bedientheke eines Einzelhandelsgeschäftes dahingehend gelöst wird, dass derart wenig Gefährdungspotential bietende, einfache Zerteilungs- und Verpackungsvorgänge im Einzelhandel nicht in das Kontrollsystem einbezogen werden.
*14 Unbeschadet sonstiger gemeinschaftsrechtlicher oder nationaler Rechtsvorschriften soll die Verordnung gelten. Wenn die Verordnung davon handelt, dass sie "unbeschadet" anderer Rechtsvorschriften gilt, ist gemeint, dass Erzeugnisse, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen oder Unternehmer, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, allen Rechtsnormen genügen müssen, wie sie für Produkte aus konventionellem Anbau vorgeschrieben sind. Der Begriff "unbeschadet" oder, in der englischen Fassung, "without prejudice to" kann praktisch so verstanden werden, dass die Rechtsanwendung auf einen Sachverhalt zunächst prüft, ob alle anderen Rechtsnormen, die anwendbar sind, eingehalten sind. Wenn dies feststeht, geht die Prüfung weiter zu dieser Verordnung, um zu kontrollieren, ob ihren Anforderungen Genüge getan ist. Die Regelung des Artikel 1 Absatz 4 ist eine überflüssige, weil selbstverständliche Übung, die für die praktische Anwendung und Auslegung dieser Verordnung keine Bedeutung hat.
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieser Verordnung*1 gelten folgende Begriffsbestimmungen:
a) „ökologische/biologische Produktion": Anwendung des Produktionsverfahrens nach den Vorschriften dieser Verordnung auf allen Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs; *2
b) „Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs": alle Stufen, angefangen von der Primärproduktion eines ökologischen/ biologischen Erzeugnisses bis zu seiner Lagerung, seiner Verarbeitung, seiner Beförderung, seinem Verkauf oder seiner Abgabe an den Endverbraucher und gegebenenfalls der Kennzeichnung, der Werbung, der Einfuhr, der Ausfuhr und der im Rahmen von Unteraufträgen ausgeführten Tätigkeiten; *3
c) „ökologisch/biologisch": aus ökologischer/biologischer Produktion stammend oder sich darauf beziehend; *4
d) „Unternehmer": die natürlichen oder juristischen Personen, die für Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung in den ihrer Kontrolle unterliegenden ökologischen/biolo-gischen Betrieben verantwortlich sind; *5
e) „pflanzliche Erzeugung": Erzeugung landwirtschaftlicher Kulturpflanzen, einschließlich der Ernte von Wildpflanzen für Erwerbszwecke; *6
f) „tierische Erzeugung": Erzeugung von an Land lebenden Haustieren oder domestizierten Tieren (einschließlich Insekten); *7
g) die Begriffsbestimmung für „Aquakultur" ist die Begriffsbestimmung der Verordnung (EG) Nr. 1198/2006 des Rates vom 27. Juli 2006 über den Europäischen Fischereifonds (1); *8
(1) ABl. L 223 vom 15.8.2006, S. 1.
h) „Umstellung Übergang von nichtökologischem/nichtbiolo-gischem auf ökologischen/biologi-schen Landbau innerhalb eines bestimmten Zeitraums, in dem die Vorschriften für die ökologische/ biologische Produktion angewendet wurden; *9
i) „Aufbereitung": Arbeitsgänge zur Haltbarmachung und/oder Verarbeitung ökologischer/biologischer Erzeugnisse, einschließlich Schlachten und Zerlegen bei tierischen Erzeugnissen, sowie Verpackung, Kennzeichnung und/oder Änderung der Kennzeichnung betreffend die ökologische/biolo-gische Produktionsweise; *10
j) die Begriffsbestimmungen für „Lebensmittel", „Futtermittel" und „Inverkehrbringen" sind die Begriffsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (2); *11
(2) ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 575/2006 der Kommission (ABl. L 100 vom 8.4.2006, S. 3).
k) „Kennzeichnung": alle Begriffe, Angaben, Bezeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen auf Verpackungen, Schriftstücken, Schildern, Etiketten, Ringen oder Verschlüssen, die ein Erzeugnis begleiten oder sich auf dieses beziehen; *12
l) die Begriffsbestimmung für „vorverpackte Lebensmittel" ist die Begriffsbestimmung des Artikels 1 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (3); *13
(3) ABl. L 109 vom 6.5.2000, S. 29. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/142/EG der Kommission (ABl. L 368 vom 23.12.2006, S. 110).
m) „Werbung": jede Darstellung gegenüber der Öffentlichkeit mit anderen Mitteln als einem Etikett, mit der beabsichtigt oder wahrscheinlich die Einstellung, die Überzeugung oder das Verhalten beeinflusst oder verändert wird, um direkt oder indirekt den Verkauf von ökologischen/biologi-schen Erzeugnissen zu fördern; *14
n) „zuständige Behörde": die für die Durchführung amtlicher Kontrollen im Bereich der ökologischen/biologischen Produktion gemäß dieser Verordnung zuständige zentrale Behörde eines Mitgliedstaats oder jede andere Behörde, der diese Zuständigkeit übertragen wurde, gegebenenfalls auch die entsprechende Behörde eines Drittlandes; *15
o) „Kontrollbehörde": eine öffentliche Verwaltungsorganisation eines Mitgliedstaats, der die zuständige Behörde ihre Zuständigkeit für die Inspektion und die Zertifizierung im Bereich der ökologischen/biologi-schen Produktion gemäß dieser Verordnung ganz oder teilweise übertragen hat, gegebenenfalls auch die entsprechende Behörde eines Drittlandes oder die entsprechende Behörde, die ihre Tätigkeit in einem Drittland ausübt; *16
p) „Kontrollstelle": ein unabhängiger privater Dritter, der die Inspektion und die Zertifizierung im Bereich der ökologischen/biologi-schen Produktion gemäß dieser Verordnung wahrnimmt, gegebenenfalls auch die entsprechende Stelle eines Drittlandes oder die entsprechende Stelle, die ihre Tätigkeit in einem Drittland ausübt; *17
q) „Konformitätszeichen": Bestätigung der Übereinstimmung mit bestimmten Standards oder anderen normativen Dokumenten in Form eines Zeichens; *18
r) die Begriffsbestimmung für „Zutaten" ist die Begriffsbestimmung des Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie 2000/13/EG; *19
s) die Begriffsbestimmung für „Pflanzenschutzmittel" ist die Begriffsbestimmung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (4); *20
(4) ABl. L 230 vom 19.8.1991, S. 1. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2007/31/EG der Kommission (ABl. L 140 vom 1.6.2007, S. 44).
t) die Begriffsbestimmung für „genetisch veränderter Organismus (GVO)" ist die Begriffsbestimmung der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (5) und der nicht aus einem der in Anhang I.B der Richtlinie 2001/18/EG aufgeführten Verfahren der genetischen Veränderung hervorgegangen ist; *21
(5) ABl. L 106 vom 14.4.2001, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 (ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 24).
u) „aus GVO hergestellt": ganz oder teilweise aus GVO gewonnen, jedoch nicht aus GVO bestehend oder GVO enthaltend; *22
v) „durch GVO hergestellt": unter Verwendung eines GVO als letztem lebenden Organismus im Produktionsverfahren gewonnen, jedoch nicht aus GVO bestehend, GVO enthaltend oder aus GVO hergestellt; *23
w) die Begriffsbestimmung für „Futtermittelzusatzstoffe" ist die Begriffsbestimmung der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über Zusatzstoffe zur Verwendung in der Tierernährung (6); *24
(6) ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 29. Geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 378/2005 der Kommission (ABl. L 59 vom 5.3.2005, S. 8).
x) „gleichwertig": in Bezug auf verschiedene Systeme oder Maßnahmen, durch Anwendung von Bestimmungen, die die gleiche Konformitätsgewähr bieten, geeignet, die gleichen Ziele und Grundsätze zu erfüllen; *25
y) „Verarbeitungshilfsstoffe": Stoffe, die nicht selbst als Lebensmittelzutaten verzehrt werden, jedoch bei der Verarbeitung von Rohstoffen, Lebensmitteln oder deren Zutaten aus technologischen Gründen während der Be- oder Verarbeitung verwendet werden und unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Rückstände oder Rückstandsderivate im Enderzeugnis hinterlassen können, unter der Bedingung, dass diese Rückstände gesundheitlich unbedenklich sind und sich technologisch nicht auf das Enderzeugnis auswirken; *26
z) die Begriffsbestimmung für „ionisierende Strahlung" ist die Begriffsbestimmung der Richtlinie 96/29/Euratom vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen (1) mit der Einschränkung des Artikels 1 Absatz 2 der Richtlinie 1999/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Februar 1999 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über mit ionisierenden Strahlen behandelte Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile (2); *27
(1) ABl. L 159 vom 29.6.1996, S. 1.
(2) ABl. L 66 vom 13.3.1999, S. 16. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 (ABl. L 284 vom 31.10.2003, S. 1).
aa) „Arbeitsgänge in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen": die Aufbereitung ökologischer/biologischer Erzeugnisse in Gaststättenbetrieben, Krankenhäusern, Kantinen und anderen ähnlichen Lebensmittelunternehmen an der Stelle, an der sie an den Endverbraucher verkauft oder abgegeben werden. *28
Kommentierung des Artikel 2
*1 Den Autoren der "Begriffsbestimmungen" ist es gelungen, in den ersten drei Begriffsbestimmungen von "ökologischer/biologi-scher Produktion" entsprechend den "Stufen" zu handeln und schließlich die Begriffe "ökologisch/biologisch" zu bestimmen, ohne im mindesten darauf Bezug zu nehmen, dass all dies mit Landwirtschaft und Lebensmitteln zu tun hat. Der sprachliche Duktus wirkt eigentümlich abstrakt und kalt.
Die Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe b ist an die Definition des Ausdrucks "Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen" in Artikel 3 Nr. 16 der Lebensmittel-Basis-Verordnung (EG) Nr. 178/2002 angelehnt: "Alle Stufen, einschließlich der Einfuhr von einschließlich der Primärproduktion eines Lebensmittels, bis einschließlich zu seiner Lagerung, seiner Beförderung, seinem Verkauf oder seiner Abgabe an den Endverbraucher und, soweit relevant, die Einfuhr, die Erzeugung, die Herstellung, die Lagerung, die Beförderung, den Vertrieb, den Verkauf und die Lieferung von Futtermitteln".
Der Begriff "Endverbraucher" ist in dieser Verordnung nicht definiert. Nach der Definition des Artikel 3 der Lebensmittel-Basis-Verordnung bezeichnet der Ausdruck Endverbraucher "den letzten Verbraucher eines Lebensmittels, der das Lebensmittel nicht im Rahmen der Tätigkeit eines Lebensmittelunternehmens verwendet". Verständlich wird diese Definition durch die Begriffsbestimmung des "Lebensmittelunternehmens" in Artikel 3 Nr. 2 als "alle Unternehmen, gleichgültig, ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder nicht und ob sie öffentlich oder privat sind, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen". Damit sind jedenfalls keine "Endverbraucher"-Gaststätten und vergleichbare Einrichtungen, welche Lebensmittel an Gäste abgeben, gemeint.
*2 Artikel 2 Buchstabe a setzt eine kontraintuitive Legaldefinition des Begriffs "ökologische/biologische Produktion", indem entgegen dem allgemeinen Wortsinn der Begriff der "Produktion" auch die Vermarktung einschließt. "Die Anwendung des Produktionsverfahrens nach den Vorschriften dieser Verordnung auf allen Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs" soll nach dieser Legaldefinition durch das gesetzliche Tatbestandsmerkmal "ökologische/biologische Produktion" beschrieben werden. Zum Begriff "Produktion" gehört damit auch der gesamte Vertrieb. Ein Produktionsverfahren, das nicht den Vorschriften dieser Verordnung entspricht, ist keine "ökologische/biologische Produktion". Verwirrend ist allerdings, dass in der folgenden Begriffsbestimmung die "Stufen der Produktion" definiert werden, daneben aber auch die Stufen der Aufbereitung und des Vertriebs. Nach der Begriffsdefinition des Artikel 2 Buchstabe a schließt der Begriff "Produktion" die Aufbereitung und den Vertrieb ein. Weshalb dies für die Begrifflichkeit "Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs" anders sein soll, erschließt sich nur durch die Vermutung, dass hier einer der zahlreichen Logikfehler dieses Verordnungstextes vorliegt.
Der Begriff "ökologische/biologische Produktion" ist so gefasst, dass jede Produktion, die nicht nach den Vorschriften der Verordnung erfolgt, aber auch jeder Vertrieb, der beispielsweise die Kennzeichnungsregeln nicht beachtet, das Tatbestandsmerkmal der "ökologischen/biologischen Produktion" nicht erfüllt.
*3 Die "Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs" werden von der Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe b gesetzlich definiert als "alle Stufen, angefangen von der Primärproduktion eines ökologischen/biologischen Erzeugnisses bis zu seiner Lagerung, seiner Verarbeitung, seiner Beförderung, seinem Verkauf oder seine Abgabe an den Endverbraucher und gegebenenfalls der Kennzeichnung, der Werbung, der Einfuhr, der Ausfuhr und der im Rahmen von Unteraufträgen ausgeführten Tätigkeiten". Nach dieser Begriffsbestimmung der "Stufen" endet die "Primärproduktion" mit der "Lagerung". Lagerung ist das vorübergehende Ablegen mit dem Ziel der weiteren Verwendung.
Aufgeführt ist weiter die "Beförderung", womit auch das Beschicken der Laderäume eines Schiffes und das Verbleibenlassen der Produkte dort ebenso zu den "Stufen" gehört, wie der entsprechende Vorgang im Silo oder Tank eines Transportfahrzeugs. Da die Verwendung von Entwesungsmitteln in diesen Fahrzeugen und die daraus folgenden Spuren von Toxen in Ökolebensmitteln zu einem der schwierigsten Probleme gehören, fällt auf, dass die Autoren der Verordnung sich zumindest noch auf der Ebene dieser Begriffsbestimmung mit dem betreffenden Bereich beschäftigten.
In der Begriffsbestimmung der "Stufen" wird die Verarbeitung genannt. Für sie findet sich in dieser Verordnung keine Begriffsdefinition, allerdings dient der gleiche Begriff der Definition des Wortes "Aufbereitung" in Artikel 2 Buchstabe i. Diese eigentümliche Zirkeldefinition fand sich schon in der Vorgängerverordnung, und es scheint nicht gelungen zu sein, den Teufelskreis der fehlenden Logik zu durchbrechen.
Die "Stufen", die hier definiert sind, beginnen mit dem ersten Schritt der "Primärproduktion". Eine Begriffsbestimmung von "Primärproduktion" findet sich in dieser Verordnung nicht. Sie verweist zwar in Artikel 2 Buchstabe j auf drei andere Begriffsbestimmungen der Lebensmittel-Basis-Verordnung (EG) Nr. 178/2002, nicht aber auf die Begriffsbestimmung des Artikel 3 Nr. 17 jener Verordnung: "Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck ... 17. "Primärproduktion" die Erzeugung, die Aufzucht oder den Anbau von Primärprodukten einschließlich Ernten, Melken und landwirtschaftlicher Nutztierproduktion vor dem Schlachten. Sie umfasst auch das Jagen und Fischen und das Ernten wildwachsender Erzeugnisse". Diese Legaldefinition der Lebensmittel-Basis-Verordnung beantwortet nicht die Frage, wie Vorbereitungshandlungen vom ersten Schritt der Produktion abgegrenzt werden können.
Da das "Jagen und Fischen" nach der Lebensmittel-Basis-Verordnung in die Legaldefinition der "Primärproduktion" einbezogen ist und da der Begriff "Primärproduktion" in der Begriffsbestimmung dieser Verordnung für "Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs" einbezogen ist, umfasst der unternehmensbezogene Anwendungsbereich des Artikel 1 Absatz 3 dieser Verordnung auch die Jäger und Fischer.
*4 Artikel 2 Buchstabe c bestimmt die Begriffe "ökologisch/bio-logisch", so wie sie in der Verordnung Verwendung finden, als "aus ökologischer/biologischer Produktion stammend oder sich darauf beziehend". Hier stellt sich die Frage, ob dem Begriffsmerkmal "stammend" durch das weitere Tatbestandsmerkmal "sich darauf beziehend" etwas mit der Wirkung hinzugefügt wird, dass Sachverhalte einbezogen werden, die vom Tatbestandsmerkmal "aus stammend" noch nicht erfasst sind. Nach dem Wortlaut unterscheiden sich die beiden Bezüge dadurch, dass das Tatbestandsmerkmal "stammend" ein Herkommen "aus" anspricht, während das "Sich-Darauf-Beziehen" gerade nicht ein "Aus-Etwas-Stammen" anspricht, sondern einen Bezug anderer Art, der beispielsweise auch ein assoziativer sein kann.
*5 Die Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe d für "Unternehmer" ist so gefasst, dass Zweifel entstehen, wer bei juristischen Personen der "Unternehmer" ist oder ob der Begriff "Unternehmer" sich auch auf die Geschäftsführung, also die natürlichen Personen bezieht, welche für die Einhaltung der Rechtsnormen durch dieses Unternehmen verantwortlich sind: "Die natürlichen oder juristischen Personen, die für die Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung in den ihrer Kontrolle unterliegenden ökologischen/biolo-gischen Betrieben verantwortlich sind".
Nach diesem Wortlaut erscheint klar, dass bei einer deutschen GmbH jedenfalls nicht nur diese juristische Person "Unternehmer" im Sinne der Verordnung ist, sondern auch der oder die Geschäftsführer. Da Geschäftsleitungen aber arbeitsteilig organisiert sind und es für die Zwecke dieser Verordnung wohl nicht auf die Frage der gesetzlichen Außenvertretung ankommt, gelten als "Unternehmer" wahrscheinlich die leitenden Mitarbeiter, die Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung tragen.
Da Artikel 28 Absatz 1 die Meldung und Unterstellung unter das Kontrollsystem von jedem Unternehmer verlangt, stellt sich die Frage, ob die früher als Meldungen nach Artikel 8 der Vorgängerverordnung bekannten Meldungen nun nicht mehr nur für die juristischen Personen erfolgen, sondern bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung auch für die Geschäftsführer, bei Aktiengesellschaften für die Vorstände und zusätzlich womöglich noch für die Qualitätssicherungsbeauftragten abzugeben sein werden. Angemessen wäre, dass die Praxis zu einer Auslegung der Verordnung im Sinne einer teleologischen Reduktion dahin findet, dass bei juristischen Personen tatsächlich die Anmeldung, so wie bisher Praxis, für diese und nicht auch oder sogar stattdessen für die natürlichen Personen erfolgt, die für die Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung verantwortlich sind.
Es empfiehlt sich diese Auslegung der Verordnung, weil anderenfalls bei jeder Personenänderung auf der Leitungsebene eine Meldung gemäß Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe a dieser Verordnung erfolgen müsste.
Die Begriffsbestimmung "Unternehmer" in Artikel 2 Buchstabe d ist ein verkümmertes Relikt der fehlgeschlagenen Übernahme einer Begriffsdefinition aus der Lebensmittel-Basis-Verordnung. Nach Artikel 3 Nr. 2 der Lebensmittel-Basis-Verordnung bezeichnet einerseits der Begriff Lebensmittelunternehmen "alle Unternehmen, gleichgültig, ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder nicht und ob sie öffentlich oder privat sind, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen", währendem nach der Definition in Artikel 3 Nr. 3 der Ausdruck Lebensmittelunternehmer "die natürlichen oder juristischen Personen" bezeichnet, "die dafür verantwortlich sind, dass die Anforderung des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden".
Wenn also diese Verordnung in der Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe d die Begrifflichkeit des "Unternehmers" aus der Definition der Lebensmittel-Basis-Verordnung in Artikel 3 Nr. 3 übernimmt, gleichzeitig aber nicht mit dem Begriff des "Unternehmens", der dort eine zentrale Rolle spielt, arbeitet, könnte dies so verstanden werden, dass die für "Unternehmer" in dieser Verordnung begründeten Pflichten nicht etwa zu Lasten der "Unternehmen" entstehen, sondern tatsächlich zu Lasten der Personen, die konkret in den Unternehmen, d. h. als leitende Angestellte und gesetzliche Vertreter von juristischen Personen, Verantwortung tragen.
Dafür könnte die Begrifflichkeit in Artikel 17 der Lebensmittel-Basis-Verordnung sprechen, der genau zwischen dem Unternehmen und den diese kontrollierenden Unternehmern unterscheidet: "Die Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer sorgen auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen dafür, dass die Lebensmittel oder Futtermittel die Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllen, die für ihre Tätigkeit gelten, und überprüfen die Einhaltung dieser Anforderungen".
Daraus zu schlussfolgern, dass das Kontrollsystem, das bislang an den juristischen und natürlichen Personen orientiert war, denen die Betriebe gehörten, nun ersetzt wird durch ein Kontrollsystem, das sich an den für die Einhaltung des Lebensmittelrechts verantwortlichen Geschäftsführern und Qualitätsmanagern orientiert, scheint angesichts der vielen Logikfehler dieser Verordnung nicht folgerichtig.
Die Problematik der Begriffsbestimmung in Artikel 2 Buchstabe d liegt darin, dass sie versucht, natürliche Personen als eigentlich Verantwortliche anzusprechen, was aber eine völlige Abweichung von der eingerichteten Praxis bedeuten und erhebliche Abgrenzungsprobleme schaffen würde. Es müssten dann in den Betrieben die leitenden Angestellten, die für die Einhaltung dieser Verordnung verantwortlich sind, von der Gruppe jener unterschieden werden, die dafür keine Verantwortung tragen. Jene, die Verantwortung tragen, müssten sich dann bei den Kontrollbehörden und -stellen selbst im eigenen Namen anmelden. Es bestehen Zweifel, dass den Autoren dieser Verordnung diese weitreichende Konsequenz bewusst war. Sie wäre nicht sachdienlich, denn Mitarbeiter, auch leitende, wechseln das Unternehmen, das fortbesteht. Bei jedem Mitarbeiterwechsel müsste dann eine Anmeldung nach Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe a erfolgen Zutreffend dürfte sein, dass die Autoren dieser Verordnung die Begriffe "Unternehmen" und "Unternehmer" synonym verwenden wollten und zwar mit dem Ziel am System der Meldungen nach Artikel 8 Absatz 1 der Vorgängerverordnung nichts zu ändern.
*6 Die Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe e für die "pflanzliche Erzeugung" wirft die Frage auf, welche anderen Formen der Herstellung der Landwirtschaft durch den Bezug auf "Pflanzen" ausgeschlossen werden. Weiter, welche Funktion der ausdrückliche Bezug auf "Kulturpflanzen" hat und schließlich, was das Attribut "landwirtschaftliche" Kulturpflanzen bewirkt. Die Definition "Erzeugung landwirtschaftlicher Kulturpflanzen, einschließlich der Ernte von Wildpflanzen für Erwerbszwecke" fügt den Bezug auf die Erwerbszwecke als einschränkendes Tatbestandsmerkmal zum Tatbestandsmerkmal der "Ernte von Wildpflanzen" hinzu.
*7 Artikel 2 Buchstabe f bestimmt den Begriff "tierische Erzeugung" als "Erzeugung von an Land lebenden Haustieren oder domestizierten Tieren (einschließlich Insekten)". Der Begriff "Erzeugung" wird nicht definiert. Diese Verordnung enthält die Begriffsbestimmung der "Erzeugung", wie sie sich in Artikel 4 Nummer 2 der Vorgängerverordnung (EWG) Nr. 2092/9 fand und dort immer nur Handlungen "im landwirtschaftlichen Betrieb" meinte, nicht.
Es bleibt unklar, ob zur "Erzeugung" auch die Verarbeitung landwirtschaftlicher Primärprodukte gehört. Die "Primärproduktion" wird in Buchstabe b erwähnt, aber auch nicht definiert. Die englischen Begriffe lauten "primary production" und "animal production". In Buchstabe b ist bei der Beschreibung der "Stufen" im ersten Schritt von "Produktion" die Rede. Die englische Sprachfassung ist nützlich, weil an den Entwürfen im wesentlichen in englischer und französischer Sprache gearbeitet worden war. Ein Vergleich der englischen und der deutschen Fassung zeigt, dass dort, wo die englische Fassung einheitlich von "production" handelt, in der deutschen Fassung sowohl von "Produktion", wie auch von "Erzeugung" die Rede ist.
Die deutsche Fassung suggeriert damit einen Eindruck der gesetzgeberischen Differenzierung, der sich aus der englischen Fassung nicht ergibt. Es erscheint schwer nachvollziehbar, was die Ursachen dafür sein könnten, dass die Rechtsförmlichkeitsprüfung in den Übersetzungsdiensten der Kommission nicht gewährleistet, dass bestimmte zentrale Begriffe eines englischen Verordnungstextes einheitlich in die deutsche Fassung übersetzt werden.
Da die einheitliche Übersetzung noch nicht einmal im gleichen Verordnungstext gelingt, geht sie, wenn man die Unterschiede der englischen und deutschen Fassungen im Vergleich verschiedener Verordnungen betrachtet, erst recht fehl. Damit wird ein Prinzip der Rechtsstaatlichkeit verletzt, denn die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung setzt voraus, dass in Normanwendungsgebieten mit verschiedenen Amtsprachen zumindest die Texte so übersetzt Anwendung finden, dass nicht durch die Willkür der Übersetzung ungleiche Auslegungsergebnisse provoziert werden. Hier zeigt sich eine erstaunliche Nachlässigkeit, die unter Zuhilfenahme von Übersetzungsprogrammen mit automatisiertem Abgleich leicht bewältigt werden könnten.
Wenn man die englische Sprachfassung betrachtet, ergibt sich allerdings das eigentümliche Problem, dass die Definition von "organic production" ausdrücklich auch alle Stufen der Verarbeitung und des Handels einbezieht. Wenn dort "production" nicht nur die Primärproduktion meint, stellt sich die Frage, warum dies für den Be-griff "plant production" nach der Definition im Buchstabe e und f anders sein sollte.
Der deutsche Begriff "Erzeugung" in den Begriffsbestimmungen unter Buchstabe e und f ist möglicherweise in Anlehnung an die Vorgängerverordnung gewählt worden. Hier wirkt er als Fremdkörper. Die Begriffsbestimmung erscheint um so wirrer, je genauer man sie betrachtet. "Tierische Erzeugung" soll nicht die Erzeugung aller Tiere sein, sondern nur "von an Land lebenden Haustieren". Es stellt sich die Frage, was für Geflügel gilt, wie etwa Enten, die es lieben, den größten Teil des Tages auf dem Wasser zuzubringen. Welches Tier ist nicht "an Land lebend"? In der englischen Fassung ist von "terrestrial animal" die Rede. Sollte damit die "tierische Erzeugung" die Haltung von Geflügel auf einem Teich nicht erfassen?
Dies wäre mit dem gesetzgeberischen Ziel im Gesamtzusammenhang der Verordnung betrachtet unvereinbar. Geflügel lebt an Land und gelegentlich auf dem Wasser, aber nicht im Wasser. Fische leben im Wasser. Wahrscheinlich soll das Tatbestandsmerkmal des "An-Land-Lebens" eine Abgrenzung von der Aquakultur bewirken.
Es fällt auf, dass "Haustiere" in einem Alternativverhältnis zu "domestizierten" Tieren gesetzt werden. Die englische Sprachfassung spricht von "domestic or domesticated" Tieren. "Domestic" sind Tiere, wenn sie in häuslicher Gemeinschaft mit dem Menschen leben, auch wenn es sich um Stallhaltung unter einem Dach handelt. "Domesticated" sind Tiere, wenn sie zwar für die Zwecke des Menschen gezähmt, aber eben keine Haustiere sind. Durch die Klammer "einschließlich Insekten" wird zumindest klargestellt, dass fliegende Tiere als "an Land lebend" behandelt werden sollen, also als "terrestrial animals". Für die Honigeerzeugung gehaltene Bienen sind keine Haustiere, aber domestizierte Tiere.
*8 Die Begriffsbestimmung für "Aquakultur" ist die Begriffsbestimmung der Verordnung (EG) Nr. 1198/2006. Sie lautet: "Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck d) "Aquakultur" die Aufzucht oder Haltung von Wasserorganismen mit entsprechenden Techniken mit dem Ziel der Produktionssteigerung über das unter natürlichen Bedingungen mögliche Maß hinaus; die betreffenden Organismen bleiben während der gesamten Aufzucht oder Haltung, einschließlich Ernte bzw. Fang, Eigentum einer natürlichen oder juristischen Person". "Eigentum" setzt nicht notwendig "Besitz" im Sinn des jederzeitigen Zugriffs voraus. Es genügt, wenn der Eigentümer planmäßig etwa durch Einsammeln oder Einfangen auf die Produkte seiner Kultur Zugriff nehmen kann.
*9 Die Begriffsbestimmung für "Umstellung" lautet: "Übergang von nichtökologischem/nichtbiologischem auf ökologischen/biolo-gischen Landbau innerhalb eines bestimmten Zeitraums, in dem die Vorschriften für die ökologische/biologische Produktion angewendet wurden". Die Begriffsbestimmung macht klar, dass die Vorschriften für die Produktion angewendet worden sein müssen. Dies sind alle Vorschriften, einschließlich der Vorschriften der Kennzeichnung. Aus dieser Begriffsbestimmung folgt nicht, dass Produkte, die vor Ablauf der Periode geerntet wurden, nicht mit einem Hinweis auf die Herkunft aus ökologischem Landbau gekennzeichnet werden dürfen und auch nicht, dass es eines Hinweises auf die Tatsache der Herkunft aus einer Produktion bedarf, in der die Periode der Umstellung noch nicht abgeschlossen ist. Diese Verordnung enthält auch an keiner anderen Stelle eine Vorgabe, die bei einer Kennzeichnung von Umstellungsprodukten einen Umstellungshinweis verlangt.
*10 Die "Aufbereitung" definiert die Begriffsbestimmung in Artikel 2 Buchstabe e als "Arbeitsgänge zur Haltbarmachung und/oder Verarbeitung ökologischer/biologischer Erzeugnisse, einschließlich Schlachten und Zerlegen bei tierischen Erzeugnissen, sowie Verpackung, Kennzeichnung und/oder Änderung der Kennzeichnung betreffend die ökologische/biologische Produktionsweise". Damit könnte jede "Kennzeichnung" und jede "Änderung der Kennzeichnung" zum Tatbestandsmerkmal "Aufbereitung" gehören. Dies könnte aber auch so gemeint sein, dass nur die Kennzeichnung "betreffend die ökologische/biologische Produktionsweise" zur "Aufbereitung" gehört. Diese beiden möglichen Interpretationen kommen zum Tragen, wenn entschieden werden muss, ob das Anbringen eines deutschsprachigen Aufklebers mit lebensmittelrechtlichen Pflichtangaben, wie der deutschen Verkehrsbezeichnung, dem Zutatenverzeichnis, der Mindesthaltbarkeitsdauer oder Allergenpflichthinweisen, eine Handlung ist, welche die Verpflichtung des Unternehmers gemäß Artikel 28 Absatz 1 bewirkt, seine Tätigkeit zu melden und sein Unternehmen dem Kontrollsystem zu unterstellen.
Viele dieser Unternehmer werden dem Kontrollsystem schon unterstehen, weil sie die Produkte "in Verkehr bringen". Das Vermarkten von abgepackten Erzeugnissen an andere Unternehmer unterliegt nach Artikel 27 Absatz 3 Satz 2 jedoch einem flexibleren, stärker risikoorientierten Kontrollsystem. Die englische Sprachfassung gibt für das, was wirklich gemeint ist, ebenfalls keinen Hinweis, denn die Kennzeichnung und die Änderung von Kennzeichnungen wird ähnlich wie in der deutschen Fassung so mit einem Bezug auf die Öko-Produktion versehen, dass nicht klar ist, ob der Bezug nur für die Veränderungen oder insgesamt für die Kennzeichnung gelten soll: "Labeling and/or alterations made to the labeling concerning the organic production method".
Richtig dürfte die Leseart sein, dass nur die Kennzeichnung bezüglich der Herkunft aus ökologischer Produktion und Eingriffe in diese Kennzeichnung von der Definition "Aufbereitung" erfasst werden soll.
Es sind keine Gründe ersichtlich, um deretwegen Kennzeichnungselemente vor Eingriffen durch diese Verordnung geschützt werden sollen, wenn es sich um Kennzeichnungselemente handelt, die keinen Bezug auf die Herkunft aus ökologischer Produktion aufweisen.
Es ist denkbar, dass bestimmte Eingriffe in die Etikettierung - beispielsweise das Ersetzen eines Mindesthaltbarkeitsdatums durch ein anderes, was lebensmittelrechtlich zulässig ist, wenn das neue Datum sachlich gerechtfertigt ist - zu Unklarheiten bei der Ökokontrolle führen kann. Insoweit besteht ein gewisser Bezug, der herangezogen werden könnte, um die gegenteilige Auffassung zu rechtfertigen. Jedoch erscheint dieser Bezug als nicht so deutlich, als dass gerechtfertigt wäre, das Tatbestandsmerkmal "Kennzeichnung und/oder Änderung der Kennzeichnung betreffend die ökologische/biologische Produktionsweise" so zu lesen, als finde sich dieser Hinweis auf die Produktionsweise hier nicht. Richtig dürfte sein, dass es nur um die Kennzeichnung betreffend die Herkunft aus ökologischer Produktion geht.
Es stellt sich die Frage, wie Handlungen zu beurteilen sind, die nach dem Alltagsverständnis der Verkehrskreise nicht der Verarbeitung zuzuordnen sind, etwa das Abschneiden von Käsescheiben von einem Laib an einer Käsetheke. Oder das Heißmachen eines eingeschweißten Fertiggerichts in Zügen und Flugzeugen. Oder etwa das Aufbacken von tiefgefrorenen Croissants. Die Definition der "Aufbereitung" trägt nicht dazu bei, eine Trennlinie zwischen dem Kontrollsystem unterstehenden Bereich und dem Bereich des Umgangs mit Ökoprodukten zu ziehen, der in der unmittelbaren Vorbereitung des Konsums, der Aufteilung und Verteilung dient.
Zur "Aufbereitung" gehören danach nicht Handlungen, die weder der Haltbarkeit noch einem Eingriff in die Substanzen dienen, und auch nicht der Verpackung oder der Kennzeichnung. Damit gehört das "Befördern", sei es innerhalb oder außerhalb eines Lebensmittelunternehmens, nicht zur Aufbereitung. Nicht zur Aufbereitung gehört wohl das Messen, das Wiegen oder das Entnehmen von Proben zur analytischen Bestimmung von Inhaltsstoffen oder chemischen und physikalischen Parametern (Volumen, Gewicht, Fettgehalt, Inhaltsstoffe, Trockenmasse).
Die "Aufbereitung" ist mit dem letzten Aufbereitungsschritt und der Kennzeichnung betreffend die ökologische/biologische Produktionsweise, so wie sie dem Endverbraucher erscheint, abgeschlossen. Mit Abschluss des letzten Herstellungsschritts hat das Produkt den Zustand erreicht, in dem es ohne weitere Maßnahmen für Verkaufszwecke bereitgehalten wird, womit das Stadium des "Inverkehrbringens" gemäß Artikel 3 Nr. 8 der Lebensmittel-Basis-VO (EG) Nr. 178/2002 beginnt, auf welche die Begriffsbestimmung für "Inverkehrbringen" in Artikel 2 Buchstabe j dieser Verordnung verweist.
Es wird das "Schlachten und Zerlegen bei tierischen Erzeugnissen" als Unterfall der "Verarbeitung" in der Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe e klargestellt. Das "Schlachten" ist das Töten und Öffnen von Tieren. Zum "Zerlegen" gehören die Handlungen, die nach der Verkehrsanschauung zur handwerklichen Aufbereitung des Schlachttiers gehören. Damit werden das schlichte Abschneiden von Schnitzeln oder andere Schritte der Portionierung von der Be-griffsbestimmung der "Aufbereitung" nicht erfasst. Ähnlich wie das Abschneiden eines Stückes Brot von einem größeren Laib keine "Aufbereitung" ist, ist das Abschneiden eines Steaks ebenfalls nicht "Aufbereitung".
*11 Die Begriffsbestimmung im Artikel 2 Buchstabe j dieser Verordnung verweist auf die Begriffsbestimmungen für "Lebensmittel", "Futtermittel" und "Inverkehrbringen" in der Lebensmittel-Basis-Richtlinie (EG) Nr. 178/2002. In jener Verordnung finden sich allerdings auch weitere Begriffsbestimmungen, die in diese Verordnung einzubeziehen sich genauso angeboten hätte wie das Einbeziehen gerade dieser drei Legaldefinitionen, so den Begriff des "Endverbrauchers", der in Artikel 3 Nr. 18 der Lebensmittel-Basis-Verordnung definiert wird und eine besonders wichtige Funktion in Artikel 27 Absatz 3 Satz 2 und Artikel 28 Absatz 2 dieser Verordnung hat. Als "Endverbraucher" definiert jene Verordnung "den letzten Verbraucher eines Lebensmittels, der das Lebensmittel nicht im Rahmen der Tätigkeit eines Lebensmittelunternehmens verwendet". Nach der Legaldefinition in Artikel 3 Nr. 2 jener Verordnung sind Lebensmittelunternehmen "alle Unternehmen, gleichgültig ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder nicht und ob sie öffentlich oder privat sind, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen". Ein Unternehmen, das zum Verbrauch bei sich selbst Lebensmittel erwirbt, ist Endverbraucher. Ein derartiger Verbrauch ist gegeben, wenn die eingekauften Lebensmittel von den Mitarbeitern in der Betriebsstätte konsumiert werden, sei es an den Arbeitsplätzen oder in der Kantine.
Die Begriffsbestimmung für "Lebensmittel" findet sich in der Lebensmittel-Basis-Verordnung in Artikel 2: "Im Sinne dieser Verordnung sind 'Lebensmittel' alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden". Die beiden Tatbestandsmerkmale der "Bestimmung zur Aufnahme" oder der vernünftigen Erwartung des "Aufgenommenwerdens" dienen dazu, Stoffe, deren Aufnahme allgemein als erwünscht oder zumindest hinnehmbar angesehen wird, von unerwünschten Inhaltsstoffen, etwa Pflanzenschutzmittelrückständen, mikrobiellen Toxen oder Abfällen zu unterscheiden.
Damit ist klar, dass nicht jeder Stoff, der im Prinzip aufgenommen werden kann, ein Lebensmittel ist, sondern als "Lebensmittel" ist gemeinschaftsrechtlich definiert, was entweder zur Aufnahme bestimmt ist oder was nach vernünftigem Ermessen mit dem zur Aufnahme bestimmten Stoff aufgenommen wird. Zu den Stoffen, die selbst Lebensmittel sind, zählen damit auch die Zusatzstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe im Sinne der Richtlinie 89/107/EWG. Darum erklärt sich, dass diese, abweichend von der Vorgängerverordnung, in dieser Verordnung nicht gesondert angesprochen werden. Zusatzstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe im Sinne der Richtlinie 89/107/EWG sind nach dieser Begriffsbestimmung selbst Lebensmittel, weil sie bei der Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung von Lebensmitteln absichtlich zugesetzt und damit dem menschlichen Verzehr zugeführt werden.
Wenn die Begriffsbestimmung von "Aufnahme" spricht, ist damit die orale Aufnahme in den Magen-Darm-Trakt gemeint. Nicht gemeint ist die Aufnahme über den umgekehrten Weg und auch nicht die Aufnahme durch Inhalieren, über die Haut oder durch Injektion.
Die hier angesprochene "Aufnahme" dürfte, ohne dass die deutsche Verordnung für die Auslegung dieser Verordnung maßgeblich wäre, dem "Verzehren" entsprechend der Begriffsbestimmung in § 3 des deutschen Lebens- und Futtermittelgesetzbuchs entsprechen: "Das Aufnehmen von Lebensmitteln durch den Menschen durch Essen, Kauen, Trinken sowie durch jede sonstige Zufuhr von Stoffen in den Magen". Die Definition von "Lebensmittel" in Artikel 2 der Lebensmittel-Basis-Verordnung lautet weiter: "Zu 'Lebensmitteln' zählen auch Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe - einschließlich Wasser -, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden. Wasser zählt hierzu unbeschadet der Anforderungen der Richtlinie 80/778/EWG und 98/83/EG ab der Stelle der Einhaltung im Sinne des Artikel 6 der Richtlinie 98/83/EG". Es handelt sich bei dieser Auflistung nicht um eine Regelung, die neu den Begriff "Lebensmittel" einbezieht, sondern eher um eine Auflistung von Regelbeispielen, die klarstellen, was nach der Definition im vorstehenden Absatz einbezogen ist.
Es handelt sich um eine positive Regelbeispielliste, währenddem der nachfolgende Teil der Definition in Artikel 2 jener Verordnung die ausgeschlossenen Beispiele nennt: "Nicht zu 'Lebensmittel' gehören: a) Futtermittel, b) lebende Tiere, soweit sie nicht für das Inverkehrbringen zum menschlichen Verzehr hergerichtet worden sind, c) Pflanzen vor dem Ernten, d) Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG des Rates, e) kosmetische Mittel im Sinne der Richtlinie 66/768/EWG des Rates, f) Tabak und Tabakerzeugnisse im Sinne der Richtlinie 89/622/EWG des Rates, g) Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe im Sinne des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe, 1961, und des Übereinkommens der Vereinten Nationen über psychotrope Stoffe, 1971, h) Rückstände und Kontaminanten".
Nach den erläuternden Beispielen in Artikel 2 Satz 2 der Definition von "Lebensmittel" in der Lebensmittel-Basis-Verordnung wird klargestellt, dass auch Getränke, Kaugummi sowie Stoffe, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden, selbst "Lebensmittel" sind. "Kaugummi" ist wahrscheinlich aufgeführt, weil zwar Teile der Kaugummimasse durch Kauen gelöst und durch Schlucken aufgenommen werden, der Rest des Kaugummis aber nicht.
Für "Wasser" wird auf Richtlinien verwiesen, die die Kontrolle der Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch zum Gegen-stand haben: Die Richtlinien 80/778/EWG und 98/83/EG. Wenn von "Einhaltung" im Sinne des Artikel 6 der Richtlinie 98/83/EG die Rede ist, ist damit gemeint: "Stelle der Einhaltung (1) Die nach Artikel 5 festgesetzten Parameterwerte sind einzuhalten: a) bei Wasser, das aus einem Verteilungsnetz stammt, am Austritt aus denjenigen Zapfstellen auf Grundstücken oder in Gebäuden und Einrichtungen, die normalerweise der Entnahme von Wasser für den menschlichen Gebrauch dienen; b) bei Wasser aus Tankfahrzeugen an der Entnahmestelle am Tankfahrzeug; c) bei Wasser, das in Flaschen oder andere Behältnisse abgefüllt und zum Verkauf bestimmt ist, am Punkt der Abfüllung; d) bei in einem Lebensmittelbetrieb verwendetem Wasser an der Stelle der Verwendung des Wassers im Betrieb". Wasser wird also zum Lebensmittel, wenn es zu diesem Zweck gezapft oder anderweitig für den menschlichen Gebrauch entnommen wird.
Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel. Für Fragen der Abgrenzung von "Lebensmitteln" zu den "Arzneimitteln" ist die Kategorie der Nahrungsergänzungsmittel wichtig, weil hier häufig Streit entsteht, ob wegen der Konzentration eines als Arzneimittel bekannten Stoffes in einem Nahrungsmittel und im zu erwartenden Verzehr des Lebensmittels eine pharmakologische Wirkung zu erwarten ist. Viele der früheren Entscheidungen über die Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln sind durch jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung überholt. So hatte der Europäische Gerichtshof Deutschland wegen einer EG-Vertragsverletzung verurteilt, weil Deutschland Knoblauchpillen nicht als Lebensmittel, sondern als zulassungsbedürftige Arzneimittel behandelt hatte.
Die diätetischen Lebensmittel sind Lebensmittel, die gemäß Richtlinie 89/398/EWG für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Dies ist der Fall, wenn sie den besonderen Ernährungserfordernissen bestimmter Verbrauchergruppen entsprechen, etwa der Gruppe der "gesunden Säuglinge und Kleinkinder".
Die Definition für "Lebensmittel" der Lebensmittel-Basis-Verordnung spricht "lebende Tiere" an. Sie seien nicht Lebensmittel, würden allerdings durch ein "Herrichten" zum menschlichen Verzehr zum Lebensmittel werden. Hier ist an Verzehrsgewohnheiten zu denken, die mit dem Genuss des lebenden Tieres einhergehen, beispielsweise bei Austern. Ähnliche Verzehrsgewohnheiten werden über manche Garnelenarten in der asiatischen Küche berichtet.
Nach der Lebensmittel-Basis-Verordnung sind keine "Lebensmittel" die Futtermittel. Lebensmittel können durch die subjektive Zweckbestimmung des Besitzers zu Futtermitteln werden. Durch diese subjektive Zweckbestimmung kann der Besitzer das Produkt aus der Kategorie "Lebensmittel" entfernen und den "Futtermitteln" zuordnen.
Die Erwähnung von "Pflanzen vor dem Ernten" stellt klar, dass ihre Früchte vor dem Ernten noch keine Lebensmittel sind. Nach der Abgrenzung des Anwendungsbereich in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a fallen aber gerade diese in den Anwendungsbereich der Verordnung, so dass die in Buchstabe b erfolgte Verwendung des Be-griffs "Lebensmittel" zur Abgrenzung der verarbeiteten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, insoweit keine Funktion hat.
Die Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln ist für diese Verordnung wichtig, weil Lebensmittel in ihren Anwendungsbereich fallen und Arzneimittel nicht. Ein Produkt, das aufgrund seiner Zusammensetzung oder wegen seiner Auslobung als Arzneimittel eingestuft wird, unterliegt der Verordnung nicht, woraus folgt, dass der Hinweis auf die Herkunft aus ökologischer Produktion dann nicht nach dieser Verordnung zu beurteilen ist, sondern nach dem arzneimittelrechtlichen Irreführungsverbot. Durch die Verweisung der Begriffsbestimmung in der Lebensmittel-Basis-Verordnung auf die Arzneimittel-Richtlinie 65/65/EWG, die durch die Richtlinie 2001/83/EG ersetzt wurde, wird die Arzneimitteldefinition in die Begriffsbestimmung für die "Lebensmittel" einbezogen. In Artikel 2 Absatz 2 der Arzneimittelrichtlinie 2001/83/EG ist vorgegeben, dass in Zweifelsfällen davon auszugehen sei, dass ein konkretes Produkt Arzneimittel sei. Dies wird als Bewertungshilfe verstanden, bei ungeklärtem Sachverhalt eher eine Einstufung als Arzneimittel vorzunehmen, was aber nicht erlaubt, den unklaren Sachverhalt nicht so weit wie möglich zur Klarheit zu führen und dann aufgrund geklärten Sachverhalts die Abgrenzung im Einzelfall vorzunehmen. Die Regelung, die sich in Artikel 2 Nr. 2 der neuen Arzneimittelrichtlinie für Zweifelsfälle findet, erlaubt es nicht, Produkte mit unklarem Status im Zweifel als Arzneimittel zu behandeln. Dies hat für die Anwendungszwecke dieser Verordnung zur Folge, dass nicht etwa Produkte, nur weil Zweifel an ihrer Arzneimitteleigenschaft entstanden sind, aus dem Anwendungsbereich dieser Verordnung entfernt werden, weil sie nicht als Lebensmittel gewertet werden. Es muss eine konkrete Zuordnung im Einzelfall erfolgen. Für die Zwecke dieser Verordnung ist nicht von der Vermutungsregel der Arzneimittelrichtlinie auszugehen, sondern umgekehrt von der Zielsetzung, im Zweifel Produkte in den geregelten und kontrollierten Bereich einzubeziehen.
"Kosmetische Mittel" sind in Artikel 1 Absatz 1 der Kosmetik-Richtlinie 76/768/EWG "Stoffe oder Zubereitungen, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den verschiedenen Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern und/oder den Körpergeruch zu beeinflussen und/oder um sie zu schützen oder in gutem Zustand zu halten". Während ein Kaugummi, aus dem Bestandteile durch Kauen gelöst werden, die teilweise geschluckt werden und auch dazu bestimmt sind, als Lebensmittel eingeordnet wird, gilt dies für Zahnpasta auch dann nicht, denn sie bleibt ein Kosmetikum, wenn Zahnpasta regelmäßig geschluckt wird, weil dieses Schlucken, anders als beim Kaugummi, nicht zum erwarteten Verzehr gehört. Durch die subjektive Zweckbestimmung kann ein Produkt, das Lebensmittel sein könnte, "kosmetisches Mittel" werden und damit aus dem Anwendungsbereich der Verordnung durch diese Zweckbestimmung, also einen Akt des Besitzers, entfernt werden.
Wenn ein Olivenöl, das als Speiseöl verkehrsfähig wäre, als Pflegemittel bezeichnet wird, fällt es aus dem Anwendungsbereich der Verordnung heraus. Das gleiche gilt für "Ghee-Gel" - hier handelt es sich um ein hochreines Butterfett - das sowohl als Milchprodukt zu Verzehrszwecken in den Verkehr gebracht werden kann und dann dieser Verordnung unterliegt, als auch zum Zwecke der äußerlichen Behandlung. Der Besitzer eines solchen Produktes kann durch die entsprechende Zweckbestimmung das Produkt aus dem Anwendungsbereich der Verordnung herausnehmen oder hineinführen, ganz nach Belieben. Bei ayurvedischen Anwendungen wird das Ghee sowohl durch orale Aufnahme wie auch durch äußerliche Anwendung, je nach den Umständen auch nur das eine oder das andere, eingesetzt.
"Tabak und Tabakerzeugnisse" waren in der Richtlinie 89/622/EWG, diese Richtlinie ist nicht mehr gültig: "Tabakerzeugnisse: Erzeugnisse, die zum Rauchen, Schnupfen, Lutschen oder Kauen bestimmt sind, sofern sie ganz oder teilweise aus Tabak bestehen, 2.Teer : das nikotinfreie trockene Rauchkondensat, 3.Nikotin : Nikotin-Alkaloide".
Die genannte Richtlinie ist jetzt ersetzt durch die Richtlinie 2001/37/EG über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen, ergänzt durch die Richtlinie 2003/33/EG über die Werbung und das Sponsoring zu Gunsten von Tabakerzeugnissen. Die neue Begriffsdefinition findet sich in Artikel 2 der Richtlinie 2003/33/EG und lautet: "Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck a) "Tabakerzeugnisse" alle Erzeugnisse, die zum Rauchen, Schnupfen, Lutschen oder Kauen bestimmt sind, sofern sie ganz oder teilweise aus Tabak hergestellt sind.
Geerntete Tabakblätter fallen in den Anwendungsbereich der Verordnung. Ihr Trocknen gehört noch zur Primärproduktion und nicht zur Verarbeitung. Es ließe sich auch die Ansicht vertreten, dass spätestens mit dem Trocknen die Verarbeitung beginnt. Mit dem ersten Schritt der Verarbeitung fallen Tabakerzeugnisse aus dem Anwendungsbereich dieser Verordnung. Sie können damit mit Hinweisen auf ihre Herkunft aus ökologischem Landbau gekennzeichnet werden ohne den Vorschriften dieser Verordnung genügen zu müssen. Ein gesetzliches Verbot der Bio-Kennzeichnung gibt es nicht. Die Bio-Kennzeichnung könnte, je nach den Umständen dieser Kennzeichnung als irreführend, weil einen Gesundheitsvorzug mitteilend, angesehen werden.
Durch den negativen Regelbeispielskatalog des Artikel 2 der Lebensmittel-Basis-Verordnung wird klargestellt, dass Kontaminanten und Rückstände keine Lebensmittel sind. Dies entspricht der Definition im Satz 1, denn nur das, was zur Aufnahme bestimmt ist oder mit dessen Aufnahme zu rechnen ist, soll als Lebensmittel gelten. Für Kontaminanten und Rückstände gilt das Gegenteil, denn sie sollen von der Aufnahme ausgeschlossen sein. Zu den Toxen gehören die Mykotoxine, welche von Pilzen insbesondere bei Getreiden erzeugt werden. Mit Rückständen sind insbesondere die Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln gemeint. Die Verordnung (EWG) Nr. 315/93 bildet die Grundlage für die Kontrolle von Kontaminanten in Lebensmitteln, während die Verordnung (EG) Nr. 466/2001 Höchstgehalte festlegt. Die Verordnung (EWG) 396/2005 legt Höchstgehalte für Pestizidrückstände fest. Sie gilt für Lebensmittel allgemein. Diese Verordnung setzt keine Pestizidrückstandswerte fest, da sie die ökologische Produktion als Verfahren definiert, in dem Pestizide nicht eingesetzt werden und nicht als Verfahren das gewährleistet, dass Pestizide im Produkt nicht (mehr) nachgewiesen werden können.
"Futtermittel" sind nach der Definition in Artikel 3 Nr. 4 der Lebensmittel-Basis-Verordnung "Stoffe oder Erzeugnisse, auch Zusatzstoffe, verarbeitet, teilweise verarbeitet oder unverarbeitet, die zur oralen Tierfütterung bestimmt sind". Diese Begriffsbestimmung schließt Futtermittel, die für Haustiere bestimmt sind (pet food), ein.
Die Begriffsbestimmung für "Inverkehrbringen" in Artikel 3 Nr. 8 der Lebensmittel-Basis-Verordnung schließt, entgegen der Intuition des unbefangenen Lesers, nicht nur den Akt des "Aus-der-Hand-Gebens" und unmittelbare Vorbereitungshandlungen dafür ein, etwa das Anbieten, sondern auch schon das "Bereithalten ... für Verkaufszwecke". Im Sinne der Lebensmittel-Basis-Verordnung bezeichnet der Ausdruck "Inverkehrbringen" das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jede andere Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst. Dass ein "Verkauf" auch "unentgeltlich" möglich sein soll, widerspricht dem deutschen Sprachgebrauch, ist aber auf eine unglückliche Übersetzung zurückzuführen. Das "Bereithalten für Verkaufszwecke" blickt auf einen inneren Sachverhalt, nämlich eine subjektive Zweckbestimmung durch den Besitzer. Dieser kann den Schritt vom nicht kontrollpflichtigen schlichten Besitzen eines Lebensmittels, das mit einer Ökokennzeichnung versehen ist oder versehen werden soll, hin zu einem kontrollpflichtigen Besitz dadurch machen, dass er innerlich eine Zweckbestimmung zur Abgabe an andere vornimmt.
Wer ein Erzeugnis, das in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, mit der inneren Zweckbestimmung des Inverkehrbringens besitzt, überschreitet in dem Moment, in dem er diese Zweckbestimmung trifft, den Übergang vom nicht kontrollpflichtigen zum kontrollpflichtigen Bereich unternehmerischen Handels gemäß Artikel 28 Absatz 1. Die Fassung dieses Artikels führt zum eigentümlichen Eindruck, dass die Kontrollpflicht nicht schon beim Herstellen eines Produktes eintritt, das mit einer Ökokennzeichnung in den Verkehr gebracht wird, wenn nicht aus den Umständen die Absicht des Abverkaufs als Bioprodukt klar ist.
Artikel 28 Absatz 1 kann so gelesen werden, dass die Kontrollpflicht erst mit dem ersten Schritt des Inverkehrbringens eintritt. Daher muss der Begriff des "Aufbereiten" vom ersten Schritt des Inverkehrbringens unterschieden werden. Ein "Bereithalten für Verkaufszwecke" und damit der erste Schritt für das "Inverkehrbringen" setzt voraus, dass die Aufbereitung abgeschlossen ist und die Ware die für die Abgabe geeignete Beschaffenheit erlangt hat, dies einschließlich einer vollständigen Kennzeichnung. Zum Beispiel wird noch nicht abgefülltes Olivenöl nicht zum Inverkehrbringen bereitgehalten, sondern es befindet sich noch in der Aufbereitung, weil es noch der Verpackung und Etikettierung bedarf. "Bereithalten für Verkaufszwecke" umfasst jedes Bereithalten, das zur Abgabe an einen anderen dient. Wenn allerdings ein Produkt zum Zwecke einer Kontrolle bereitgehalten wird, bevor die Zweckbestimmung für Verkaufszwecke eintritt, hat das Inverkehrbringen noch nicht begonnen.
Verdorbene Lebensmittel oder Lebensmittel, von denen der Besitzer erkannt hat, dass sie sich zum Inverkehrbringen nicht eignen oder solche, die er zum Eigenverbrauch oder zur Vernichtung bestimmte, werden nicht zum Inverkehrbringen bereitgehalten, folglich lösen sie nicht zu Lasten des Unternehmers die Teilnahme am Kontrollsystem aus, auch wenn sie mit einer Biokennzeichnung versehen sein sollten. So jedenfalls die gegebene Fassung des Artikel 28 Absatz 1 dieser Verordnung.
*12 Die Begriffsbestimmung für "Kennzeichnung" in Artikel 2 Buchstabe k bezieht sich nicht nur auf die "Etikettierung", also auf Angaben auf dem Produkt, sondern erfasst sind sehr weit alle "Angaben", auch wenn sie weder auf dem Erzeugnis stehen noch es begleiten, sondern sich nur auf dieses beziehen: "Alle Begriffe, Angaben, Bezeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen auf Verpackungen, Schriftstücken, Schildern, Etiketten, Ringen oder Verschlüssen, die ein Erzeugnis begleiten oder sich auf dieses beziehen". Produktkommunikation und Werbung sind so als Teil der Kennzeichnung zu verstehen.
*13 Die Begriffsbestimmung für "vorverpackte Lebensmittel" in Artikel 2 Buchstabe l bezieht sich auf jene des Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b der Lebensmittel-Etikettierungs-Richtlinie 2000/13/EG: " b) "vorverpackte Lebensmittel" die Verkaufseinheit, die ohne weitere Verarbeitung an den Endverbraucher und an gemeinschaftliche Einrichtungen abgegeben werden soll und die aus einem Lebensmittel und der Verpackung besteht, in die das Lebensmittel vor dem Feilbieten abgepackt worden ist, gleichviel, ob die Verpackung es ganz oder teilweise umschließt, jedoch auf solche Weise, dass der Inhalt nicht verändert werden kann, ohne dass die Verpackung geöffnet werden muss oder eine Veränderung erfährt".
*14 Die Begriffsbestimmung in Artikel 2 Buchstabe m für "Werbung" umfasst jede Darstellung oder Aussage, die mit der subjektiven Zweckbestimmung getroffen wird, den Verkauf zu fördern: "Jede Darstellung gegenüber der Öffentlichkeit mit anderen Mitteln als einem Etikett, mit der beabsichtigt oder wahrscheinlich die Einstellung, die Überzeugung oder das Verhalten beeinflusst oder die verwendet wird, um direkt oder indirekt den Verkauf von ökologischen/ biologischen Erzeugnissen zu fördern". Nach dieser Definition sind Aussagen, die zur Förderung des Verkaufs von anderen, als "ökologischen/biologischen Erzeugnissen" getroffen werden, keine "Werbung". Aussagen, die mit der Behauptung der Herkunft aus ökologischer Produktion den Verkauf von nicht-ökologischen/nicht-biologischen Erzeugnissen fördern sollen, wären damit vom Begriff "Werbung" nicht erfasst. Die betrügerische Werbung wäre damit vom Begriff "Werbung" nicht gedeckt. Da der Verordnungsgeber hier einem offensichtlichen Logikfehler erlegen ist, bedarf es der Zurechtrückung, indem die Definition an ihrem Ende so gelesen wird: ".... den Verkauf von Erzeugnissen zu fördern".
"Werbung" ist jede Darstellung, ungeachtet dessen, wer sie vornimmt, auch wenn sie von jemanden vorgenommen wird, der mit dem Inverkehrbringen des Produktes nicht befasst ist. Entscheidend ist die Absicht der Förderung des Verkaufs. Unter diesen weiten Begriff der "Werbung" würden auch redaktionelle Beiträge in Verbraucherzeitschriften fallen, wenn sie erkennen ließen, dass der Verkauf von Ökoprodukten gefördert werden soll, etwa durch die Empfehlung, Biolebensmittel herkömmlichen Lebensmitteln vorzuziehen. Es ergibt sich die Frage, ob die Darstellung auf konkret am Markt angebotene Produkte bezogen sein muss oder ob der Bezug auf die Produkte einer bestimmten Kategorie genügt, wozu wir neigen.
*15 Nach Artikel 2 Buchstabe n meint "zuständige Behörde": "Die für die Durchführung amtlicher Kontrollen im Bereich der ökologischen/biologischen Produktion gemäß dieser Verordnung zuständige zentrale Behörde eines Mitgliedstaats oder jede andere Behörde, der diese Zuständigkeit übertragen wurde, gegebenenfalls auch die entsprechende Behörde eines Drittlandes". Diese Begriffsbestimmung entspricht jener der "zuständigen Behörde" in Artikel 2 Nummer 4 der Kontroll-Verordnung (EG) Nr. 882/2004: "Die für die Durchführung amtlicher Kontrollen zuständige zentrale Behörde eines Mitgliedstaats oder jede andere amtliche Stelle, der diese Zuständigkeit übertragen wurde, gegebenenfalls auch die entsprechende Behörde eines Drittlandes". Diese Verordnung ist daher bis hin zu den Legaldefinitionen als spezialgesetzliche Regelung ausgestaltet, welche die allgemeineren Regeln der Lebensmittelkontroll-Verordnung verdrängen.
In der englischen Fassung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007: „"competent authority" means the central authority of a Member State competent for the organisation of official controls in the field of organic production in accordance with the provisions set out under this Regulation, or any other authority on which that competence has been conferred to; it shall also include, where appropriate, the corresponding authority of a third country". Und in der englischen Fassung der Kontroll-Verordnung (EG) Nr. 882/2005: „4. 'competent authority' means the central authority of a Member State competent for the organisation of official controls or any other authority to which that competence has been conferred; it shall also include, where appropriate, the corresponding authority of a third country". "Amtliche Kontrollen" sind Kontrollen, die von einer Behörde durchgeführt werden, mithin zur "öffentlichen Verwaltung" gehören.
*16 Der Begriff "Kontrollbehörde" ist in Artikel 2 Buchstabe o bestimmt als "eine öffentliche Verwaltungsorganisation eines Mitgliedstaats, der die zuständige Behörde ihre Zuständigkeit für die Inspektion und die Zertifizierung im Bereich der ökologischen/biolo-gischen Produktion gemäß dieser Verordnung ganz oder teilweise übertragen hat. Gegebenenfalls auch die entsprechende Behörde eines Drittlandes oder die entsprechende Behörde, die ihre Tätigkeit in einem Drittland ausübt".
Die Begriffsbestimmung für "Kontrollbehörde" bezieht sich nur auf die Tätigkeit einer Behörde bei der "Inspektion und Zertifizierung" gemäß dieser Verordnung und nicht auf irgendeine andere Tätigkeit in Vollzug der Verordnung. Damit ist die Reichweite dieser Begriffsbestimmung spiegelbildlich zur Reichweite der Begriffsbestimmung "Kontrollstelle" angelegt. Auch sie bezieht sich ausschließlich auf die Tätigkeit im Rahmen der "Inspektion und Zertifizierung".
Damit ist die Frage aufgeworfen, ob die beiden Begriffe "Kontrollbehörde" und "Kontrollstelle" gerade darauf abstellen, dass sie nur die Funktion beider im Rahmen von Inspektion und Zertifizierung ansprechen, im Gegensatz zu einer Funktion im Rahmen von Maßnahmen bei Verstößen und Unregelmäßigkeiten gemäß Artikel 30. Dies scheint zutreffend und bedeutet im Umkehrschluss, dass auch diese Verordnung, wie ihre Vorgängerin, die Betrauung von Kontrollstellen mit "Kontrollaufgaben" gemäß Artikel 27 Absatz 4 Buchstabe b durch die zuständige Behörde nicht als Übertragung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wertet. Nach dem Leitbild dieser Verordnung wäre die Kontrollstelle mit der sachverständigen Tätigkeit der Inspektion und Zertifizierung nach staatlicher Zulassung und unter staatlicher Aufsicht betraut. Diese Auffassung scheint im Licht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zuzutreffen. Nach ihr sind "Inspektion und Zertifizierung" allenfalls als helfende und vorbereitende Tätigkeiten mit Blick auf Eingriffsakte zu sehen, welche in dieser Verordnung vorgesehen, aber den Mitgliedstaaten als staatliche Aufgaben zugeordnet sind. Die Inspektion und Zertifizierung können zwar auf Kontrollbehörden übertragen werden. Aber dann, wenn sie auf Kontrollstellen übertragen wird, die nach der Begriffsdefinition privat sind, erhalten sie nicht den Charakter von Staatsaufgaben, sondern bleiben private sachverständige Dienstleistungen.
*17 „Kontrollstellen" bedürfen gemäß Artikel 27 Absatz 5 Buchstabe c der Akkreditierung nach der Europäischen Norm EN 45011 oder nach dem gleichlautenden ISO Guide 65 (vgl. Kommentierung des Artikel 27 *13). In dieser Norm werden sie als Zertifizierungsstellen bezeichnet.
*18 Die Begriffsbestimmung für "Konformitätszeichen" in Artikel 2 Buchstabe q dieser Verordnung entspricht der eines "Prüfzeichens": "Bestätigung der Übereinstimmung mit bestimmten Standards oder anderen normativen Dokumenten in Form eines Zeichens". Gemeint sind also auch die Prüfzeichen der Ökolandbauverbände, die durch die Vergabe ihrer Zeichen die Einhaltung ihrer Richtlinien bestätigen.
*19 Die Begriffsbestimmung für "Zutaten" in Artikel 2 Buchstabe r dieser Verordnung folgt der Begriffsbestimmung des Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie 2000/13/EG: „(4) a) Zutat ist jeder Stoff, einschließlich der Zusatzstoffe, der bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendet wird und — wenn auch möglicherweise in veränderter Form — im Enderzeugnis vorhanden bleibt. b) Ist eine Zutat eines Lebensmittels ihrerseits aus mehreren Zutaten hergestellt worden, so gelten die letzteren als Zutaten dieses Lebensmittels. c) Als Zutaten gelten jedoch nicht: i) Bestandteile einer Zutat, die während der Herstellung vorübergehend entfernt und dann dem Lebensmittel wieder hinzugefügt werden, ohne dass sie mengenmäßig ihren ursprünglichen Anteil überschreiten; ii) Zusatzstoffe, — deren Vorhandensein in einem Lebensmittel lediglich darauf beruht, dass sie in einer oder in mehreren Zutaten dieses Lebensmittels enthalten waren, sofern sie im Enderzeugnis keine technologische Wirkung mehr ausüben, — die als technologische Hilfsstoffe verwendet werden; iii) Stoffe, die in den unbedingt erforderlichen Dosen als Lösungsmittel oder Träger für die Zusatzstoffe und die Aromen verwendet werden". Zusatzstoffe, die im Sinne eines "carry over" im Lebensmittel vorhanden sind, dort aber keine Funktion, etwa als Emulgator haben, gelten nicht als Zutaten. Lösungsmittel und Träger für Zusatzstoffe sind ebenfalls keine Zutaten.
*20 Die Begriffsbestimmung für "Pflanzenschutzmittel" schließt die "Pflanzenstärkungsmittel" nicht mit ein. Sie folgt der Begriffsbestimmung der Richtlinie 91/414/EWG: " Pflanzenschutzmittel: Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten, in der Form, in welcher sie an den Anwender geliefert werden, und die dazu bestimmt sind, 1.1. Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen oder ihrer Einwirkung vorzubeugen, insoweit diese Stoffe oder Zubereitungen im folgenden nicht anders definiert werden; 1.2. in einer anderen Weise als ein Nährstoff die Lebensvorgänge von Pflanzen zu beeinflussen (z. B. Wachstumsregler); 1.3. Pflanzenerzeugnisse zu konservieren, soweit solche Stoffe oder Zubereitungen nicht besonderen Vorschriften des Rates oder der Kommission über konservierende Stoffe unterliegen; 1.4. unerwünschte Pflanzen zu vernichten oder 1.5. Pflanzenteile zu vernichten oder ein unerwünschtes Wachstum von Pflanzen zu hemmen bzw. einem solchen Wachstum vorzubeugen".
*21 GVO kann die Maispflanze sein, etwa wenn sie in Folge gentechnischer Veränderung das Bt-Toxin in ihren Zellen produziert. GVO ist dann auch das Maiskorn, aber nicht das Blatt, denn es kann die gentechnisch veränderte Erbinformation nicht weitergeben. Das abgetrennte Blatt ist "aus GVO" gewonnen, nämlich durch Abtrennen. Mahlen bewirkt, dass das Bt-Maiskorn seine Eigenschaft verliert GVO zu sein. Das Mehl ist dann ein "aus GVO hergestelltes" Produkt, in der früheren Verordnung als "GVO-Derivat" bezeichnet. Enzyme sind keine GVO, weil sie kein genetisches Material enthalten und weil sie, soweit sie Erbinformation aus dem Mikroorganismus enthalten, aus dem sie gewonnen wurden, das genetische Material nicht an einen lebensfähigen Organismus weitergeben können. Enzyme werden aber "durch" einen GVO produziert, wenn der Mikroorganismus, in dessen Stoffwechsel sie entstehen, selbst gentechnisch verändert ist. Nach Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 90/219/EWG über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen bezeichnet der Ausdruck „Mikroorganismus" „jede zelluläre oder nichtzelluläre mikrobiologische Einheit, die zur Vermehrung oder zur Weitergabe von genetischem Material fähig ist; hierzu zählen Viren, Viroide sowie tierische und pflanzliche Zellkulturen".
Die Begriffsbestimmung für GVO ist grammatikalisch und logisch in der deutschen und der englischen Sprachfassung verunglückt. Es soll die „die Begriffsbestimmung" der Richtlinie 2001/18/EG gelten und zusätzlich wird vorgegeben, dass GVO kein Organismus ist, der „aus einem der in Anhang I.B der Richtlinie 2001/18/EG aufgeführten Verfahren der genetischen Veränderung hervorgegangen ist". Die französische Sprachfassung macht mehr Sinn: „'organisme génétiquement modifié (OGM)', un organisme défini par la directive 2001/18/CE du Parlement Européen et du Conseil du 12 mars 2001 relative à la dissémination volontaire d'organismes génétiquement modifiés dans l'environnement et abrogeant la directive 90/220/CEE du Conseil et qui n'est pas obtenu par les techniques de modification génétique énumérées à l'annexe I.B de cette directive".
Der deutsche Text müsste also richtig, der französischen Fassung besser entsprechend, lauten: „Genetisch veränderter Organismus (GVO)" ist ein Organismus gemäß der Begriffsbestimmung der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (5), welcher nicht aus einem der in Anhang I.B der Richtlinie 2001/18/EG aufgeführten Verfahren der genetischen Veränderung hervorgegangen ist".
Die „Begriffsbestimmungen" in Artikel 2 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG lauten: „1. „Organismus": jede biologische Einheit, die fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen; 2. „genetisch veränderter Organismus (GVO)": ein Organismus mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist. Im Sinne dieser Definition gilt folgendes: a) Zu der genetischen Veränderung kommt es mindestens durch den Einsatz der in Anhang I A Teil 1 aufgeführten Verfahren; b) bei den in Anhang I A Teil 2 aufgeführten Verfahren ist nicht davon auszugehen, dass sie zu einer genetischen Veränderung führen".
Folglich sind ist Anhang I A als Teil der GVO-Definition auch dieser Verordnung mitzulesen: „ANHANG I A VERFAHREN IM SINNE VON ARTIKEL 2, NUMMER 2:
TEIL 1 Verfahren der genetischen Veränderung im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe a) sind unter anderem: 1. DNS-Rekombinationstechniken, bei denen durch die Insertion von Nukleinsäuremolekülen, die auf unterschiedliche Weise außerhalb eines Organismus erzeugt wurden, in Viren, bakterielle Plasmide oder andere Vektorsysteme neue Kombinationen von genetischem Material gebildet werden und diese in einen Wirtsorganismus eingebracht wurden, in dem sie unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommen, aber vermehrungsfähig sind; 2. Verfahren, bei denen in einen Organismus direkt Erbgut eingeführt wird, das außerhalb des Organismus zubereitet wurde, einschließlich der Mikroinjektion, Makroinjektion und Mikroverkapselung, 3. Zellfusion (einschließlich Protoplastenfusion) oder Hybridisierungsverfahren, bei denen lebende Zellen mit neuen Kombinationen von genetischem Erbmaterial durch die Verschmelzung zweier oder mehrerer Zellen anhand von Methoden gebildet werden, die unter natürlichen Bedingungen nicht auftreten.
TEIL 2 Verfahren im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b), bei denen nicht davon auszugehen ist, dass sie zu einer genetischen Veränderung führen, unter der Voraussetzung, dass sie nicht mit dem Einsatz von rekombinanten Nukleinssäuremolekülen oder genetisch veränderten Organismen verbunden sind, die aus anderen als den gemäß Anhang I B ausgeschlossenen Verfahren/Methoden hervorgegangen sind: 1. In-vitro-Befruchtung, 2. natürliche Prozesse wie Konjugation, Transduktion, Transformation, 3. Polyploidie-Induktion."
Diese Verordnung schließt aus ihrer Definition der „GVO" die Organismen aus, die mit den in Anhang I B der Freisetzungsrichtlinie aufgeführten Verfahren hergestellt wurden. Dieser Anhang führt Organismen auf, für die diese Freisetzungsrichtlinie nach ihrem Artikel 3 nicht gilt.
Bei diesen wurde zwar eine genetische Veränderung herbeigeführt, aber nur nach den in Anhang I B aufgeführten Maßgaben: „ANHANG I B VERFAHREN IM SINNE VON ARTIKEL 3 Verfahren/Methoden der genetischen Veränderung, aus denen Organismen hervorgehen, die von der Richtlinie auszuschließen sind, vorausgesetzt, es werden nur solche rekombinanten Nukleinsäuremoleküle oder genetisch veränderten Organismen verwendet, die in einem oder mehreren der folgenden Verfahren bzw. nach einer oder mehreren der folgenden Methoden hervorgegangen sind: 1. Mutagenese, 2. Zellfusion (einschließlich Protoplastenfusion) von Pflanzenzellen von Organismen, die mittels herkömmlicher Züchtungstechniken genetisches Material austauschen können".
*22 Die Begriffsbestimmung für "aus GVO hergestellt" in Artikel 2 Buchstabe u lautet: "Ganz oder teilweise aus GVO gewonnen, jedoch nicht aus GVO bestehend oder GVO enthaltend". "Aus GVO hergestellt" sind Erzeugnisse, die durch stoffliche Verwertung von GVO entstehen, beispielsweise das Maismehl, dass durch das Vermahlen von Maiskörnern entsteht. Die Maispflanze und das keimfähige Maiskorn sind noch "GVO". Der Übergang zu einem Erzeugnis, dass "aus GVO hergestellt" ist, liegt in jeder Behandlung, die zum Verlust der Reproduktionsfähigkeit des GVO führt, etwa zum Verlust der Keimfähigkeit durch Vermahlen. "Aus GVO bestehend" sind Lebensmittel, die selbst ein gentechnisch veränderter Organismus sind. In diese Kategorie fallen beispielsweise Kartoffeln oder Maiskolben, die von Pflanzen geerntet wurden, die das Toxin des Bacillus thuringiensis (Bt) in Folge einer gentechnischen Veränderung in ihren Zellen produzieren.
Das Tatbestandsmerkmal "GVO enthaltend" würde auf Joghurt zutreffen, der gentechnisch veränderte Bakterien enthält. Diese beiden Tatbestandsmerkmale finden sich als Ausschlusskriterien in der Begriffsbestimmung des Tatbestandsmerkmals "aus GVO hergestellt". "Aus GVO hergestellt" soll damit kein Lebens- oder Futtermittel sein, welches aus fortpflanzungsfähigen Organismen oder Teilen von Organismen besteht oder dieser enthält. Die Definition des "GVO" in der Freisetzungsrichtlinie verlangt, dass nicht nur eine gentechnische Veränderung der Erbinformation gegeben ist, sondern dass der Organismus (noch) fähig ist, sich zu vermehren oder auf andere Weise Erbinformation auf weitere Pflanzen zu übertragen. Sobald etwa vermehrungsfähige Maiskörner zu Maismehl vermahl werden, liegt kein GVO mehr vor, sondern ein Erzeugnis, das "aus GVO" hergestellt ist, indem es aus einem GVO durch dessen Vermahlen "gewonnen" wurde.
*23 Die Begriffsbestimmung für "durch GVO hergestellt" in Artikel 2 Buchstabe v soll zu einem Eingrenzen der Rückschau führen. Anders als bei der Begriffsbestimmung "aus GVO hergestellt" wird nicht über alle Stufen der stofflichen Erhaltung bis zum landwirtschaftlichen Ursprung zurückgeblickt, sondern die Rückschau wird auf jener Stufe abgeschnitten, in der ein lebender Organismus im Produktionsverfahren verwendet wurde.
Die Definition "aus GVO hergestellt" wird dem gegenüber allgemein so verstanden, dass jedweder chemische oder physikalischer Eingriff nicht dazu führt, dass ein Stoff aufhört, aus einem GVO hergestellt zu sein, gleich wie tief der molekulare Umbau durch chemische Synthese oder physikalische Einwirkung reicht.
Damit trägt die Definition des Tatbestandsmerkmals "durch" zur Förderung biotechnologischer Herstellungsverfahren bei. Denn der Einsatz von gentechnisch nicht veränderten Mikroorganismen etwa beim enzymatischen Umbau von Stärkederivaten bewirkt hier, dass auf ihre ursprüngliche Herkunft aus einer GVO-Kultur nicht mehr geschaut werden muss.
Das Tatbestandsmerkmal "durch GVO hergestellt" wird vor dem Hintergrund einer im Herbst 2004 geführten Diskussion besser verständlich: Die "Sektion über genetisch modifizierte Lebens- und Futtermittel sowie Umweltrisiken" des "ständigen Komitees für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit" bei der Kommission hatte ausweislich einer "Protokollzusammenfassung" am 24. September 2004 die Kennzeichnungsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 für Lebens- und Futtermittel behandelt, die durch Fermentation unter Einsatz gentechnisch modifizierte Mikroorganismen hergestellt wurden. Zwar fand sich im Text der Verordnung kein Hinweis darauf, dass hier keine Kennzeichnungspflicht vorgesehen sein sollte.
Frau Paola Testori Coggi, die Vorsitzende, führte aber aus, dass der Ministerrat am 28. November 2002 den Vorschlag eines Mitgliedstaats diskutiert habe, "Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die durch Fermentation unter Verwendung von genetisch modifizierten Mikroorganismen hergestellt wurden, von denen die genetisch modifizierten Mikroorganismen entfernt wurden", seien in den Regeln über die Gentechnikpflichtkennzeichnung mitzuerfassen. Hier habe sich keine ausreichende Unterstützung für diesen Vorschlag gefunden, vielmehr sei beschlossen worden, "dass der Status von durch Fermentation hergestellten Lebensmitteln, die durch im Endprodukt nicht mehr vorhandene, genetisch modifizierte Mikroorganismen hergestellt wurden", später geklärt werden solle. Folglich sei klar gewesen, dass der Rat nicht die Absicht gehabt habe, Lebensmittel, die durch den Einsatz gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt worden seien, der Gentechnikpflichtkennzeichnung zu unterwerfen.
Im Protokoll wurde entsprechend als Arbeitsergebnis einer Unterscheidung von "durch" von "aus" gentechnisch veränderten Mikroorganismen" festgehalten: "Lebensmittel und Futtermittel (einschließlich Inhaltsstoffen für Lebens- und Futtermittel wie Zusatzstoffe, Aromen und Vitamine), die durch Fermentation unter Verwendung eines genetisch modifizierten Mikroorganismus' (GMM) hergestellt werden, der unter kontrollierten Bedingungen verwahrt und im Endprodukt nicht enthalten ist, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003. Diese Lebens- und Futtermittel sind als durch das GMM anstelle von aus dem GMM hergestellt zu betrachten. Lebensmittel und Futtermittel (einschließlich Inhaltsstoffen für Lebens- und Futtermittel wie Zusatzstoffe, Aromen und Vitamine), die durch Fermentation unter Verwendung eines genetisch modifizierten Mikroorganismus' (GMM) hergestellt werden, der im Endprodukt ganz oder teilweise, lebend oder nicht lebend, enthalten ist, fallen in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 sowohl in Bezug auf die Zulassung als auch auf die Kennzeichnung".
Auf diese Weise wurde die Verpflichtung zur Gentechnikkennzeichnung für Enzyme, die durch gentechnisch veränderte Mikroorganismen gewonnen wurden, aus dem Anwendungsbereich der Gentechnikpflichtkennzeichnung entfernt. Für die Zwecke dieser Verordnung ist nun umgekehrt klar, dass "durch GVO hergestellt" auch ein Enzym ist, das durch den Stoffwechsel eines GVO hergestellt wird. Ob und inwieweit sein Einsatz für die Herstellung eines Ökoproduktes verboten ist, entscheidet sich in Artikel 9, denn dort wird das Einsatzverbot auf den Einsatz "in der ökologischen Produktion" und für bestimmte Verwendungszwecke (" ... nicht als, ... verwendet werden") eingeschränkt.
Das Tatbestandsmerkmal "durch GVO hergestellt" wird in Artikel 2 Buchstabe v mit einer Wendung definiert, die für den außenstehenden Leser unverständlich ist. "Durch GVO hergestellt" soll etwas sein, das unter "Verwendung eines GVO als letztem lebenden Organismus im Produktionsverfahren gewonnen" worden sei. Die Menge der Dinge, die in diese Definition fallen, wird, so der Wortlaut, dann noch weiter eingeschränkt, indem aus dieser Menge die "aus GVO hergestellten" Produkte herausgenommen werden, die in der Be-griffsdefinition unter Buchstabe u als "aus GVO gewonnen" definiert sind, wobei dann noch zusätzlich, vorangestellt, die beiden Herausnahmetatbestände "nicht aus GVO bestehend" und "nicht GVO enthaltend" aus der Begriffsdefinition des Buchstaben u wiederholt werden. Was dies bedeutet, erschließt sich nicht aus dem Wortlaut.
Das Tatbestandsmerkmal "durch GVO hergestellt" zielt insbesondere auf die Fälle, in denen ein Mikroorganismus zur Umsetzung eines Substrats in seinem eigenen Stoffwechsel eingesetzt wird und das Stoffwechselprodukt z.B. ein Enzym dann zum Einsatz gelangt. Ist der Mikroorganismus selbst nicht gentechnisch verändert, soll es auf die Herkunft des Substrats, welcher der Mikroorganismus in seinem Stoffwechsel umsetzte, also auf die gentechnische Veränderung dieses Substrats, nicht ankommen. Käse wird in der traditionellen Herstellung mit einem natürlichen Ferment aus dem Kälbermagen, dem Lab, hergestellt. Labaustauschstoffe mit Chymosin, die von jeweils gentechnisch veränderten Escherichia-Coli-Bakterien, Kluyveromyces-Lactis-Hefe oder Aspergillus-Niger-Schimmelpilzen gewonnen werden, können nach Artikel 9 nur in der konventionellen Milchverarbeitung eingesetzt werden. Sie sind "durch GVO hergestellt".
Vitamin C wird seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in einem mehrstufigen Verfahren der chemischen Synthese (Reichstein-Verfahren) hergestellt. Diese chemische Synthese verlangt einen hohen Energieaufwand, so dass seit Jahrzehnten Teile der chemischen Synthese durch enzymatische oder fermentative Schritte ersetzt werden. Die Synthese nimmt ihren Ausgang von Stärke, welche aus landwirtschaftlichen Kulturpflanzen gewonnen wird. Das Tatbestandsmerkmal "durch GVO hergestellt" zielt darauf, die Notwendigkeit der Rückschau auf die mögliche Herkunft dieser Stärke aus GVO-Anbau auszuschließen. Die (nicht notwendig erwünschte) Folge dieser Technik des Eingrenzens der Rückschau ist es, dass biotechnologische Verfahren, in denen nicht gentechnisch veränderte Mikroorganismen zum Einsatz gelangen, gefördert werden. Die klassische chemische Synthese, die in einer Vielzahl von Schritten zum radikalen Umbau der Ausgangsstoffe führt, wird damit insoweit benachteiligt, als dass die dort gewonnenen Produkte als "aus" GVO hergestellt gelten, wenn die im Ausgangsschritt verwendete Stärke aus GVO-Anbau stammte, auch wenn sich natürlich aufgrund der Tiefe der Syntheseschritte keine Spuren der gentechnischen Veränderung in den Produkten findet. Diese Rückschau wird nach dieser Vorstellung nur dadurch unterbrochen, dass ein nicht gentechnisch veränderter Mikroorganismus einen oder mehrere der Syntheseschritte durch fermentative und enzymatische Prozesse ersetzt.
Zweck des Tatbestandsmerkmals "durch GVO hergestellt" ist danach, die Rückschau über die Stufe des Einsatzes eines lebenden Organismus im Produktionsverfahren einzugrenzen, folglich die zu betrachtende Kausalkette abzuschneiden. Die Pflicht zur Sicherung des GVO-Ausschlusses soll auf einen praktisch beherrschbaren Bereich der Produktion beschränkt werden. Die Grenzen der Rückschau sollen dazu dienen, normativ zu beschreiben, was der Unternehmer an GVO-Ausschluss leisten muss, der seine Produkte als Bioprodukte kennzeichnet. Das Vitamin C soll also nicht als "aus" einem gentechnisch veränderten Mais hergestellt gelten, wenn in der Folge der Verarbeitungsschritte zumindest ein Mal ein nicht gentechnisch veränderter Mikroorganismus zur Umsetzung eingesetzt wurde. Ganz anders, wenn der Einsatz eines solchen Mikroorganismus fehlt: Dann muss die Rückschau konsequent, so jedenfalls das in der Praxis angewandte Verständnis, über alle Stufen der Umformung, durch welche chemischen Syntheseschritte auch immer, erfolgen.
Die Legaldefinition des Begriffs "durch GVO hergestellt" wird schließlich in Artikel 2 Buchstabe v dahingehend eingeschränkt, dass es sich dabei nur um solche handeln soll, die "nicht ... aus GVO hergestellt" sind. Ob Vitamin C, das nach einem Verzuckerungsschritt durch einen gentechnisch nicht veränderten Mikroorganismus in einer Synthese entsteht, an deren Ausgangspunkt möglicherweise Maisstärke gewonnen aus der Ernte einer Bt-Kultur, "aus GVO hergestellt" ist, soll ja gerade durch das Tatbestandsmerkmal "durch GVO hergestellt" abschlägig in dem Sinne beantwortet werden, dass der Einsatz eines gentechnisch nicht veränderten Mikroorganismus die Rückschau abschneidet. Durch die in Artikel 2 Buchstabe v gesetzte Vorgabe, "durch GVO hergestellt" sei nicht, was "aus GVO hergestellt" sei, wird der mit dem Tatbestandsmerkmal "durch" GVO hergestellt verfolgte legislatorische Zweck eher verschleiert, als verdeutlicht.
Würde man den Wortlaut der hier vorliegenden Legaldefinition streng nehmen, würde das Tatbestandsmerkmal "durch GVO hergestellt" seinen praktischen Sinn verfehlen: Käme es bei einem Vitamin C auf die landwirtschaftliche Herkunft der Stärke an, von der seine Herstellung ausging, käme es also auf seine Herstellung "aus" dem möglicherweise gentechnisch veränderten Mais an, würde die Rückschau gerade nicht bei einem gentechnisch nicht veränderten Mikroorganismus, durch den ein Verzuckerungsschritt anstelle klassischer chemischer Synthese erfolgte, enden.
*24 Die Begriffsbestimmung für "Futtermittelzusatzstoffe" in § 2 Buchstabe w entspricht jener in der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003: " a) "Futtermittelzusatzstoffe": Stoffe, Mikroorganismen oder Zubereitungen, die keine Futtermittel-Ausgangserzeugnisse oder Vormischungen sind und bewusst Futtermitteln oder Wasser zugesetzt werden, um insbesondere eine oder mehrere der in Artikel 5 Absatz 3 genannten Funktionen zu erfüllen".
*25 Die Begriffsbestimmung für "gleichwertig", entsprechend dem Fremdwort "äquivalent" in Artikel 2 Buchstabe x lautet: "In Bezug auf verschiedene Systeme oder Maßnahmen, durch Anwendung von Bestimmungen, die die gleiche Konformitätsgewähr bieten, geeignet, die gleichen Ziele und Grundsätze zu erfüllen". "Gleichwertig" ist etwas anderes als "gleich", auch wenn der Schritt von der Gleichheits- zur Gleichwertigkeitsprüfung in der Praxis häufig Mühe macht, weil der Prüfende sich nur schwer von seiner eigenen Gewichtung einzelner Elemente löst. Diese Verordnung gibt vor, dass Maßstab der Gleichwertigkeitsprüfung die im Titel II niedergelegten "Ziele und Grundsätze" sind und eben nicht deren Ausführung in den Detailbestimmungen der nachfolgenden Titel oder in entsprechenden Kommissionsverordnungen.
*26 Die Begriffsbestimmung für "Verarbeitungshilfsstoffe" in Artikel 2 Buchstabe y lautet: "Stoffe, die nicht selbst als Lebensmittelzutaten verzehrt werden, jedoch bei der Verarbeitung von Rohstoffen, Lebensmitteln oder deren Zutaten aus technologischen Gründen während der Be- oder Verarbeitung verwendet werden und unbeabsichtigte, technisch unvermeidbare Rückstände oder Rückstandsderivate im Enderzeugnis hinterlassen können, unter der Bedingung, dass diese Rückstände gesundheitlich unbedenklich sind und sich technologisch nicht auf das Enderzeugnis auswirken".
Es handelt sich um eine Legaldefinition für "Verarbeitungshilfsstoffe" aus der Fußnote zu Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a der Etikettierungs-Richtlinie 89/107/EWG. "Unbeabsichtigt" sind Rückstände, wenn die Herstellung ohne Wissen erfolgt, dass Rückstände entstehen. "Technisch unvermeidbar" sind Rückstände, wenn sie auch nach Verwendung von Prozessen nach dem besten Stand der Technik nicht verhindert werden können. Nach dieser Definition sind Stoffe, wenn sie gesundheitlich bedenkliche Rückstände hinterlassen, keine "Verarbeitungshilfsstoffe". Verarbeitungshilfsstoffe sind nur Stoffe, die im fertigen Lebensmittel keine Wirkung zeigen. Keine Verarbeitungshilfsstoffe sind Stoffe, die in mehr als technisch unvermeidbarem Umfang im Produkt vorhanden sind.
*27 Ionisierende Bestrahlung erlaubt die Verordnung uneingeschränkt für diätetische Erzeugnisse mit Biokennzeichnung, die Patienten steril verabreicht werden. Dies folgt aus der folgenden Begriffsbestimmung. Praktisch relevant wird sie angesichts der sehr engen Produktdefinition wohl nicht. Mit begrenzter Strahlenenergie erlaubt die Verordnung die Bestrahlung von Bioprodukten durch Mess- oder Prüfgeräte.
Die Richtlinie 96/29/Euratom des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen enthält in Artikel 1 diese Legaldefinition: „Ionisierende Strahlung: Transfer von Energie in Form von Teilchen oder elektromagnetischen Wellen mit einer Wellenlänge von 100 Nanometer oder weniger oder einer Frequenz von 3×1015 Hertz oder mehr, die direkt oder indirekt Ionen erzeugen können."
Die gesetzliche Begriffsbestimmung in Artikel 2 Buchstabe z geht von dieser Legaldefinition aus, wird dann aber durch einen Verweis aus den zweiten Absatz des Artikel 1 der Richtlinie 1999/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Februar 1999 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über mit ionisierenden Strahlen behandelte Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile eingeschränkt.
Dieser zweite Absatz grenzt den Anwendungsbereich jener Richtlinie dahin ab, dass diese nicht auf Lebensmittel anwendbar sein soll, die durch Mess- oder Prüfgeräte einem geringeren als dem angegebenen Maß ionisierender Strahlen ausgesetzt wurden. Damit bewirkt diese Vorschrift eine Einschränkung des Bestrahlungsverbotes für Biolebensmittel: Bestrahlung, welche durch den zweiten Absatz des Artikel 1 dem Anwendungsbereich der Richtlinie 1999/2/EG entnommen wird, ist für Bioprodukte nicht verboten.
„(1) Diese Richtlinie betrifft die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Einfuhr von mit ionisierenden Strahlen behandelten Lebensmitteln und Lebensmittelbestandteilen (im folgenden "Lebensmittel" genannt). (2) Diese Richtlinie gilt nicht für a) Lebensmittel, die mit ionisierenden Strahlen von Mess- oder Prüfgeräten bestrahlt worden sind, wenn die absorbierte Dosis bei einer maximalen Strahlenenergie von 10 MeV im Fall von Röntgenstrahlen, 14 MeV im Fall von Neutronen und 5 MeV in den übrigen Fällen nicht über 0,01 Gy, soweit es sich um Prüfgeräte handelt, bei denen Neutronen verwendet werden, und nicht über 0,5 Gy liegt, falls es sich um andere Geräte handelt; b) die Bestrahlung von Lebensmitteln, die für Patienten zubereitet werden, die unter medizinischer Kontrolle sterile Nahrung erhalten müssen."
*28 Die Begriffsbestimmung in Artikel 2 Buchstaben aa für die "Arbeitsgänge in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen" lautet: "Die Aufbereitung ökologischer/biologischer Erzeugnisse in Gaststättenbetrieben, Krankenhäusern, Kantinen und anderen ähnlichen Lebensmittelunternehmen an der Stelle, an der sie an den Endverbraucher verkauft oder abgegeben werden". Die Begriffsbestimmung nimmt, entgegen der Erwartung des Lesers, keinen Bezug auf eine personale Sonderbeziehung der Verpflegten zur Einrichtung. Die englische Sprachfassung, die von "mass catering operation" handelt, lässt besser erkennen, dass der Begriff nicht nur Einrichtungen mit Gemeinschaftsbindung ihrer Nutzer betrifft: "The preparation of organic products in restaurants, hospitals, canteens and other similar food business at the point of sale or delivery to the final consumer".
Ob eine Einrichtung der Verpflegung eines durch Vertrag oder Sonderrechtsbeziehung verbundenen Personenkreises dient, ist nicht erheblich. Die Laufkundschaft einer Gaststätte wird von einer solchen "gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtung" genauso bedient wie die Belegschaft eines Unternehmens in dessen Kantine, die Patienten eines Krankenhauses in ihren Betten durch die Krankenhausküche, die Insassen einer Haftanstalt durch die Gefängnisküche oder die Besucher einer Universitätsmensa. Nicht nur Einrichtungen, die eine Personengruppe zusammenschließen, sind bezüglich ihrer Verpflegung "gemeinschaftliche Verpflegungseinrichtungen", sondern auch eine Gaststätte, die ein Zufallspublikum versorgt.
TITEL II
ZIELE UND GRUNDSÄTZE DER ÖKOLOGISCHEN/
BIOLOGISCHEN
PRODUKTION
Artikel 3
Ziele
Die ökologische/biologische Produktion verfolgt folgende allgemeine Ziele*1:
a) Errichtung eines nachhaltigen Bewirtschaftungssystems für die Landwirtschaft, das
i) die Systeme und Kreisläufe der Natur respektiert und die Gesundheit von Boden, Wasser, Pflanzen und Tieren sowie das Gleichgewicht zwischen ihnen erhält und fördert, *2
ii) zu einem hohen Niveau der biologischen Vielfalt beiträgt, *3
iii) die Energie und die natürlichen Ressourcen wie Wasser, Boden, organische Substanz und Luft verantwortungsvoll nutzt, *4
iv) hohe Tierschutzstandards beachtet und insbesondere tierartspezifischen verhaltensbedingten Bedürfnissen nachkommt; *5
b) Produktion qualitativ hochwertiger Erzeugnisse; *6
c) Herstellung einer reichen Vielfalt an Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die der Nachfrage der Verbraucher nach Erzeugnissen entsprechen, die durch Verfahren hergestellt wurden, die der Umwelt, der menschlichen Gesundheit, der Pflanzengesundheit, sowie der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Tiere nicht abträglich sind. *7
Kommentierung des Artikel 3
*1 Die "allgemeinen Ziele" bilden einen Rahmen für die Nutzung der vom Rat übertragenen Gesetzgebungskompetenz durch die Kommission. Sie sollen die Kommission anleiten, Entwürfe für Kommissionsverordnungen dem Ausschuss nach Artikel 37 so vorzulegen, dass die hier aufgeführten "Ziele" verfolgt werden. Überraschend ist, dass die ökologisch wirtschaftenden Landwirte keine Erwähnung finden. Für viele der Landwirte, die auf den ökologischen Landbau umstellten, war die Vermeidung des eigenen Kontaktes mit Pflanzenschutzmitteln, die für nicht wenige ein Risiko für Berufskrankheiten darstellten, ein wichtiger Gesichtspunkt. Für viele Landwirte war auch wichtig, dass der ökologische Landbau eine besondere Art der Agrarwirtschaft darstellt, die sich von der konventionellen Landwirtschaft nachhaltig unterscheidet. Die Ziele, die hier formuliert sind, vermeiden es, den Landwirt als verantwortlich handelnden Entscheidungsträger zu benennen. Da es die Landwirte waren, die den ökologischen Landbau entwickelten, insbesondere seit den 70iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, fällt ins Auge, dass diese Verordnung sie praktisch nicht erwähnt. Die Autoren der Kommission machten klar, dass sie künftig die "Herrin der Richtlinien" des ökologischen Landbaus ist. Die Erwähnung der Landwirte hätte nur die Klarheit dieser Nachricht verwischt.
*2 Stattdessen wird die "Errichtung eines nachhaltigen Bewirtschaftungssystems für die Landwirtschaft" erwähnt. Dass es die Ökobauern waren, die dieses System als besondere Form der Landwirtschaft ausgebildet haben, erwähnt der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht. Immerhin erkennt er an, dass es sich um ein "nachhaltiges Bewirtschaftungssystem" handelt, dass sich von der nichtökologischen Landwirtschaft wesentlich unterscheidet.
Das nachhaltige Bewirtschaftungssystem der ökologischen Produktion unterscheidet sich von der konventionellen Landwirtschaft dadurch, dass "die Systeme und Kreisläufe der Natur respektiert" werden. Auch wird genannt, dass die "Gesundheit" erhalten und gefördert werden soll und zwar von "Boden, Wasser, Pflanzen und Tieren". Dass die Bodenfruchtbarkeit wesentlich von den Bodenlebewesen, dem Edaphon, bestimmt wird, liegt hier zu Grunde.
*3 Die "biologische Vielfalt" und der Beitrag zu einem hohen Niveau zu diesem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal wird hier zwar genannt, findet sich dann aber in den weiteren Regeln dieser Verordnung praktisch nicht. Richtig ist, dass der Nichteinsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden und die im Ökolandbau übliche vielgliedrige Fruchtfolge in der Regel ohnehin, ohne weitere Maßnahme dazu beitragen, dass mehr verschiedene Arten von Pflanzen und Tieren in und im Umkreis der Ökokulturen präsent sind als im Bereich der konventionellen Landwirtschaft.
*4 Die "Energie" soll verantwortungsvoll genutzt werden. Der Aspekt der Energienutzung findet in dieser Verordnung keine weitere Berücksichtigung. Das angebliche Ziel wird vom Gemeinschaftsgesetzgeber selbst nicht verfolgt. Daneben sollen auch die "natürlichen Ressourcen", insbesondere "Wasser, Boden, organische Substanz und Luft" verantwortungsvoll genutzt werden. Diese Zielsetzung wird angesichts der wesentlichen Einschränkung der Nutzung chemisch-synthetischer Agrochemikalien verfolgt.
*5 "Hohe Tierschutzstandards" werden aufgrund der besonderen Haltungsbedingungen beachtet. Auch trifft zu, dass die Haltung die artspezifischen Vorlieben von Tieren weitgehend berücksichtigt. Die Formulierung "tierartspezifische verhaltensbedingte Bedürfnisse" ist redaktionell unbeholfen. Gemeint ist, dass den Verhaltensbedürfnissen von Tieren entsprechend den ethologischen Bedürfnissen einer jeden Tierart genügt werden soll.
*6 Die Produktion "qualitativ hochwertiger" Erzeugnisse wird von dieser Verordnung insoweit als Ziel verfolgt, als dass die Abwesenheit von Spuren chemisch-synthetischer Agrochemikalien praktisch dadurch gewährleistet wird, dass sie nicht zum Einsatz kommen. Auch kann geringer Einsatz von treibenden Stickstoffdüngern oder der Einsatz langsam wachsender Tierrassen unter geringem Ernährungsdruck ohne Wachstumsförderer dazu beitragen, dass die Qualität der Lebensmittel besser ist als jene aus konventioneller Lebensmittelherstellung. Dieses Ziel ist insofern bemerkenswert, als die Vorgängerverordnung noch ausdrücklich untersagte, auf die bessere Qualität von Bioerzeugnissen und -produkten zu verweisen. Durch den Verzicht auf treibende Düngemittel weisen ökologisch erzeugte Produkte in der Regel eine signifikant höhere Dichte an wertprägenden Inhaltsstoffen, etwa an Mineralstoffen und Vitaminen auf, aber auch an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, die für Geschmack und Bekömmlichkeit bestimmend sein können.
*7 Dass diese Verordnung herausstellt, dass die Ökoproduktion zum Ziel hat, Erzeugnisse hervorzubringen, die durch "Verfahren" hergestellt werden, "die der Umwelt, der menschlichen Gesundheit, der Pflanzengesundheit sowie der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Tiere nicht abträglich" sind, gibt den Charakter dieser Verordnung als einer verfahrensbezogenen Regelung zutreffend wieder. Es wird ein Verfahren bestimmt und nicht eine bestimmte Qualitätsdefinition im Sinne einer End-of-Pipe-Festlegung vorgegeben. Vielmehr folgt aus den Parametern, die für das Herstellungsverfahren vorgegeben werden, als Regel, dass sich die ökologischen Produkte wesentlich von den nichtökologischen Produkten schon dadurch unterscheiden, dass die ökologischen Produkte keine Spuren der Anwendung von Stoffen aufweisen, wie sie sowohl in der landwirtschaftlichen Erzeugung wie auch in der Verarbeitung bei der konventionellen Produktion, insbesondere der Lebensmittelproduktion üblich sind.
Die Definition der ökologischen Produktion ist nicht am Endprodukt, sondern am Verfahren der Erzeugung orientiert. Dies bestätigte das Landgericht Halle in einer Entscheidung im Mai 2007. Das Gericht sprach einem Ökounternehmen Schadensersatzansprüche gegen das Land Sachsen-Anhalt zu. Ein Landesamt hatte ein Biomüsli aufgrund analytisch festgestellter Spuren chemisch-synthetischer Pestizide als kein Produkt des ökologischen Landbaus bezeichnet. Der Untersuchungsbericht mit diesem Vorwurf wurde über zwei zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörden an ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels übermittelt. Als auch eine Nachprobe vom Landesuntersuchungsamt wegen Spuren chemisch-synthetischer Pestizide als irreführend gekennzeichnet beurteilt wurde, weil es als Ökoprodukt gekennzeichnet war, forderte der Lebensmitteleinzelhändler den Hersteller zur Rückholung des Produkts aus 2.500 Filialen auf. Das Landgericht sprach dem Herstellerunternehmen Schadensersatz durch das Land zu, denn die Feststellungen des Landesamtes seien unrichtig gewesen. Nur die bewusste Verwendung von Pestiziden, die im ökologischen Landbau nicht zugelassen sind, führe dazu, dass die Produkte nicht mit dem Hinweis auf die Herkunft aus ökologischem Landbau vermarktet werden können. Die Feststellung geringer Mengen von Procymidon und Chlorpyrifos in Biomüsli führt demnach nicht zur Dezertifizierung, es sei denn, dass sich die Pflanzenschutzmittelspuren als Ergebnis bewusster Verwendung erweisen und sich nicht als Folge unbeabsichtigter Verunreinigung aus ubiquitären oder technisch nicht beherrschbaren Quellen erklären lassen.
Es ist zu begrüßen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Verfahrensbezogenheit der Definition und daraus resultierend eine wesentliche Unterscheidung der Erzeugnisse hier festgehalten hat. Richtig ist auch, dass Verbraucher diese praktische Folge erkannt haben und dies sich in ihrem Nachfrageverhalten widerspiegelt. In ihrem Nachfrageverhalten werden Verbraucher unter anderem dadurch bestärkt, dass die amtliche Lebensmittelüberwachung beim Vergleich konventioneller und ökologischer Gemüse regelmäßig feststellt, dass sich in konventionellem Gemüse ein Dutzend Pflanzenschutzmittel nachweisen lassen. Dies sind Spuren des vorsätzlichen Einsatzes, die zwar in der Regel unter den gesetzlichen Obergrenzen bleiben, gleichwohl aber im Verhältnis zu den Ökoprodukten Verbrauchern den Eindruck eines möglichen Gesundheitsnachteils geben.
Dass der Gemeinschaftsgesetzgeber hier den Schutz der "menschlichen Gesundheit" durch die ökologische Produktion als Ziel so deutlich herausstellt, ist ein wesentliches Verdienst, denn damit stellt er zugleich dar, dass Ökoprodukte im Verhältnis zu Produkten aus konventioneller Produktion, auch dann, wenn jene die gesetzlichen Pflanzenschutzmittelhöchstgrenzen einhalten, einen Gesundheitsvorteil bieten.
Artikel 4
Allgemeine Grundsätze
Die ökologische/biologische Produktion hat auf folgenden Grundsätzen zu beruhen*1:
a) geeignete Gestaltung und Handhabung biologischer Prozesse auf der Grundlage ökologischer Systeme unter Nutzung systeminterner natürlicher Ressourcen und unter Einsatz von Methoden, für die Folgendes gilt*2:
i) Verwendung lebender Organismen und mechanischer Produktionsverfahren, *3
ii) Pflanzenbau und Tiererzeugung sind flächengebunden; Aquakultur in Einklang mit dem Grundsatz der nachhaltigen Nutzung der Fischerei, *4
iii) keine Verwendung von GVO und aus oder durch GVO hergestellten Erzeugnissen mit Ausnahme von Tierarzneimitteln, *5
iv) Vornahme von Risikobewertungen und gegebenenfalls Durchführung von Vorsorge- und Präventivmaßnahmen; *6
b) Beschränkung der Verwendung externer Produktionsmittel*7. Sind externe Produktionsmittel erforderlich oder gibt es die geeigneten Bewirtschaftungspraktiken oder -verfahren nach Buchstabe a nicht*8, so beschränken sie sich auf
i) Produktionsmittel aus der ökologischen/biologischen Produktion, *9
ii) natürliche oder naturgemäß gewonnene Stoffe, *10
iii) schwer lösliche mineralische Düngemittel; *11
c) strenge Beschränkung der Verwendung chemisch-synthetischer Produktionsmittel auf Ausnahmefälle*12, in denen
i) geeignete Bewirtschaftungspraktiken fehlen*13 und
ii) die externen Produktionsmittel nach Buchstabe b auf dem Markt nicht erhältlich sind*14 oder
iii) die Verwendung von externen Produktionsmitteln nach Buchstabe b unannehmbare Umweltfolgen hätte; *15
d) erforderlichenfalls Anpassung im Rahmen dieser Verordnung der Vorschriften für die ökologische/biologische Produktion zur Berücksichtigung des Gesundheitszustandes, regionaler Unterschiede bei Klima und örtlichen Verhältnissen, der Entwicklungsstadien und spezifischer Tierhaltungspraktiken. *16
Kommentierung des Artikel 4
*1 Wie die "Ziele" haben die "allgemeinen Grundsätze", wie auch die anderen Vorschriften des Titel II nicht die Funktion, Unternehmen unmittelbar Anweisungen zu erteilen. Verpflichtungen für diese und korrespondierend für die Kontrollstellen ergeben sich aus den Vorschriften des Titel III und den folgenden Titeln. Titel II verpflichtet die Kommission, wenn sie die ihr vom Rat delegierten Gesetzgebungskompetenzen bei der Festsetzung von Durchführungsvorschriften in Kommissionsverordnungen entwirft. Diese sind zwar den Mitgliedstaaten zur Zustimmung im Artikel-37-Ausschuss vorzulegen, gleichwohl hat die Kommission eine eigene institutionelle Verantwortung, sich bei ihren Entwürfen im Rahmen der Vorgaben des Titel II zu halten. Hier wie auch bei Artikel 3 fällt auf, dass ökologisch wirtschaftende Landwirte nicht im Blick des Gesetzgebers sind. Dass sie es sind, die den ökologischen Landbau betreiben, wird nicht erwähnt.
*2 Die "ökologische/biologische Produktion", natürlich die von Erzeugern, die so arbeiten, soll nach Artikel 4 Buchstabe a auf einer geeigneten "Gestaltung" und einer geeigneten "Handhabung" beruhen. Diese Handhabung soll sich auf "biologische Prozesse" beziehen. Gestaltung und Handhabung sollen auf der "Grundlage ökologischer Systeme" erfolgen. Diese Gestaltung und Handhabung soll "systeminterne natürliche Ressourcen" nutzen. Technokratischer lässt sich nicht formulieren, was biologische Landwirtschaft ausmachen soll. Was gemeint ist, klingt entfernt an.
*3 Nach Artikel 4 Buchstabe a Unterabschnitt i sollen die Landwirte bei der Gestaltung und Handhabung dessen, was sie in ihren Betrieben tun, mit Methoden arbeiten, die "lebende Organismen" verwenden und außerdem "mechanische Produktionsverfahren". Was der Gemeinschaftsgesetzgeber mit diesem ersten Tatbestandsmerkmal meint, erschließt sich nicht. Der Gegensatz zur Verwendung lebender Organismen wäre die Verwendung abgestorbener Organismen. Beim Tatbestandsmerkmal der "mechanischen Produktionsverfahren" könnte man daran denken, dass die Kontrolle von Beikräutern durch Hacken und nicht durch chemisch-synthetische Herbizide erfolgen soll. Beikrautkontrolle durch Flammen wäre aber keine mechanische, sondern eine physikalische Einwirkung. Der Grundsatz ist aber jedenfalls so abstrakt formuliert, dass er keinen Sinn hat, denn der Leser kann nicht verstehen, was der Gesetzgeber meint.
*4 In Artikel 4 Buchstabe 4 Unterabschnitt ii wird angesprochen, dass "flächengebunden" sowohl "Pflanzenbau" wie auch die "Tiererzeugung" sein sollen. Wenn damit gemeint wäre, dass ökologischer Pflanzenbau nur in der Fläche und in der Erde erfolgen darf, wäre die ökologische Produktion "hors sol" als ökologische Produktion verboten. Tierhaltung ohne eigene Futtermittelproduktion wäre ebenfalls verboten. Tatsächlich wird in den Regelungen dieser Verordnung, etwa in Artikel 14 Buchstabe d Unterabschnitt ii klar, dass nicht mehr verlangt wird, als die Futtermittel überwiegend von Ökobetrieben in der gleichen Gegend stammen sollen, wobei "Gegend" regelmäßig den Mitgliedstaat und angrenzende Gebiete meint und mit dem entsprechenden englischen Begriff "primarily" nicht mehr gemeint ist, als dass mehr als die Hälfte der Futtermittelration aus der Region stammt. Die hier als Grundsatz formulierte Flächengebundenheit wird von dieser Verordnung nicht in die Praxis umgesetzt.
Aquakultur soll in Einklang "mit dem Grundsatz der nachhaltigen Nutzung der Fischerei" betrieben werden. Hier ist gemeint, dass Fischanteile der Futtermittelration in Aquakultur nicht aus Gammelfischerei stammen soll und nicht als Beifang zu nicht nachhaltiger Fischerei, sondern dass die Fischbestandteile für das Futter in der Aquakultur, wie sie etwa bei den lachsartigen Aquakulturfischen erforderlich sind, aus nachhaltigem Wildfang stammen sollen.
*5 Für die ökologische Produktion wird die Verwendung von GVO und "aus oder durch GVO" hergestellten Erzeugnissen formuliert. Hier wird die "Ausnahme von Tierarzneimitteln" vorgegeben, was sich aus der Überlegung erklärt, dass das Wohlergehen und die entsprechende Gesunderhaltung und Heilung erkrankter Tiere als Zielsetzung im Vordergrund stehen. Die Vorgabe erklärt sich aus der unterschiedlichen Bewertung von "roter" und "grüner" Gentechnik, denn die rote Gentechnik der Arzneimittelherstellung erfolgt in der Regel ohne Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen in der Umwelt, bei denen die fehlende Rückholbarkeit im Vordergrund der Bedenken der Öffentlichkeit steht.
*6 Es sollen "Risikobewertungen" und gegebenenfalls "Vorsorge- und Präventionsmaßnahmen" durchgeführt werden. Bei der weiteren Ausgestaltung der Regeln des ökologischen Landbaus, insbesondere bei Fragen der Zulassung von Betriebsmitteln hat der Gesetzgeber ein striktes Risikominimierungs- sowie Vorsorgeprinzip zu wahren, das dem vorbeugenden Gesundheits- und Ressourcenschutz verpflichtet ist.
7 Die "Beschränkung der Verwendung externer Produktionsmittel" ist der Dreh- und Angelpunkt der Unterscheidung zwischen konventioneller und ökologischer Produktion für die Praxis der Kontrolle. Der Einsatz externer Produktionsmittel muss in der ökologischen Erzeugung minimiert werden. Nachdem der Kommissionsentwurf vom Dezember 2005 das System der Positivlisten gar nicht erst erwähnte, findet es sich nun systematisch in dieser Verordnung im Sinne von Verwendungsverboten für bestimmte Verwendungszwecke bezüglich aller nicht ausdrücklich positiv gelisteten Erzeugnisse und Stoffe.
*8 Die Positivlistungspflicht bezieht sich auf "externe Produktionsmittel". Gemeint ist, dass die eigenen Erzeugnisse, beispielsweise Brennnesselsud erzeugt aus eigenen Beständen zum Einsatz gelangen dürfen. Hier gibt es keine Beschränkungen nach dieser Verordnung, so dass diese Verordnung auch nicht den Einsatz solcher Substanzen zum Zwecke des Pflanzenschutzes untersagt.
*9 Wenn hier "Produktionsmittel aus der ökologischen/biologi-schen Produktion" genannt werden, ist nicht die Produktion im eigenen ökologischen Betrieb gemeint, sondern es sind "externe" Produktionsmittel, also solche aus der ökologischen Produktion anderer Betriebe angesprochen. Sie sollen vorrangig als externe Produktionsmittel der Ökobetriebe zum Einsatz gelangen.
*10 "Natürliche Stoffe" sollen als externe Produktionsmittel vorrangig sein. Was "naturgemäß gewonnen" ist, ergibt sich deutlicher aus der englischen Fassung, die von "naturally derived substances" handelt und aus der französischen, in der von "substances dérivées de substance naturelles" die Rede ist. Damit wird klar, dass die deutsche Fassung lauten müsste: "Natürliche Substanzen und Substanzen, die aus natürlichen Substanzen gewonnen wurden". Da auch etwa die Kupferverbindungen (Bordeauxbrühe), die als Fungizide in ökologischen Obst- und Weinkulturen seit über hundert Jahren, jedoch mit zunehmend geringerer Aufwandmenge zum Einsatz gelangen, von natürlichen Ausgangsstoffen durch chemische Synthese abgeleitet sind, lässt sich nicht sagen, dass dieser Grundsatz nicht eingehalten wird. Allerdings stellt sich die Frage, welcher chemisch-synthetische Stoff nicht von natürlichen Ausgangsstoffen abgeleitet ist. Allerdings unterstellt die Verordnung in Artikel 4 Buchstabe c Unterabschnitt ii, dass "chemisch-synthetische Produktionsmittel" nicht mit den "naturgemäß gewonnenen Stoffen" identisch sind, denn dort wird als Bedingung für den Einsatz chemisch-synthetischer Produktionsmittel in Ausnahmefällen formuliert, dass die externen Produktionsmittel nach Buchstabe b auf dem Markt nicht erhältlich seien. Damit wird klar, dass das Tatbestandsmerkmal der "naturgemäß gewonnenen Stoffe" der deutschen Fassung nicht die Gruppe der "chemisch-synthetischen Produktionsmittel" entsprechend des Artikel 4 Buchstabe c einschließt. Was aber tatsächlich "naturgemäß gewonnene Stoffe" oder nach der französischen Fassung von natürlichen Stoffen abgeleitete Stoffe nach dem Willen des Gesetzgebers sein sollen, bleibt unbestimmt. Die Formulierungen des Textes schaffen keine Klarheit. Zumindest signalisieren sie ein, wenn auch unbestimmtes, Wollen.
*11 Nach Artikel 4 Buchstabe b Unterabschnitt iii soll sich die Verwendung "externe Produktionsmittel" auf "schwer lösliche mineralische Düngemittel" beschränken, was insbesondere für den Ausschluss leicht löslicher Stickstoffdünger wichtig ist.
*12 Es wird eine "strenge Beschränkung" der Verwendung "chemisch-synthetischer Produktionsmittel" als allgemeiner Grundsatz vorgegeben und zwar beschränkt auf "Ausnahmefälle".
*13 Als Ausnahmetatbestand wird das Fehlen "geeigneter Bewirtschaftungspraktiken" beschrieben, dies in Parallelität zur Vorgabe des Artikel 4 Buchstabe b. Gemeint ist, dass durch vorsorgende Ausgestaltung der Bewirtschaftung die Notwendigkeit der Verwendung chemisch-synthetischer Produktionsmittel nicht ausgeschlossen werden kann.
*14 Nach Artikel 4 Buchstabe c Unterabschnitt ii setzt die Verwendung chemisch-synthetischer Produktionsmittel voraus, dass die natürlichen oder naturgemäß gewonnenen Produktionsmittel, welche Artikel 4 Buchstabe b Unterabschnitt ii anspricht, auf dem Markt nicht erhältlich sind. Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Markt" wird in dieser Verordnung wiederholt verwendet, aber nicht erklärt. Gemeint ist der Markt, dessen Angebot Landwirten zugänglich ist. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann dies ein lokaler Markt oder aber auch ein nationaler, gelegentlich auch ein Markt sein, der den gesamten EU-Binnenmarkt umfasst. Dies je nach dem, wie das externe Produktionsmittel gehandelt wird.
*15 Als allgemeiner Grundsatz wird hier vorgegeben, dass externe Produktionsmittel nicht verwendet werden, wenn ihre Verwendung "unannehmbare Umweltfolgen" hätte. Welche Relevanz dieses Tatbestandsmerkmal je haben kann, ist offen, denn die Verwendung der "chemisch-synthetischen Produktionsmittel" steht immer unter dem Vorbehalt, dass sie nach allgemeinem Landwirtschaftsrecht überhaupt zum Einsatz gelangen dürfen. Es wäre erstaunlich, aber unter dem Aspekt der Risikobewertung und vorsorgenden Vorbeugung von Umweltschäden zu begrüßen, wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber allgemein zulässige Agrochemikalien für den ökologischen Landbau mit der Begründung nicht zulassen würde, dass ihr Einsatz "unannehmbare Umweltfolgen" hätte. Jedenfalls erkennt der Gemeinschaftsgesetzgeber hier die Umweltleistungen des ökologischen Landbaus.
*16 Durch Artikel 4 Buchstabe d wird angesprochen, dass es zu den Grundsätzen dieser Verordnung gehören soll, ihre Grundsätze unter Berücksichtigung "regionaler Unterschiede bei Klima und örtlichen Verhältnissen" abzuwenden. Der gleiche Aspekt Relativierung von Vorschriften schwingt bei den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen der Berücksichtigung "des Gesundheitszustandes" und der Berücksichtigung von "spezifischen Tierhaltungspraktiken" wie auch "Entwicklungsstadien" mit. Letztlich dient Artikel 4 Buchstabe d als Merkposten zur Rechtfertigung der Flexibilisierungsregelung in Artikel 22.
Artikel 5
Spezifische Grundsätze für die landwirtschaftliche
Erzeugung
Neben den allgemeinen Grundsätzen nach Artikel 4 hat der ökologische/biologische Landbau auf folgenden spezifischen Grundsätzen zu beruhen*1:
a) Erhaltung und Förderung des Bodenlebens und der natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens, der Bodenstabilität und der biologischen Vielfalt des Bodens zur Verhinderung und Bekämpfung der Bodenverdichtung und -erosion und zur Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen hauptsächlich über das Ökosystem des Bodens; *2
b) Minimierung der Verwendung von nicht erneuerbaren Ressourcen und von außerbetrieblichen Produktionsmitteln; *3
c) Wiederverwertung von Abfallstoffen und Nebenerzeugnissen pflanzlichen und tierischen Ursprungs als Produktionsmittel in der pflanzlichen und tierischen Erzeugung; *4
d) Berücksichtigung des örtlichen oder regionalen ökologischen Gleichgewichts bei den Produktionsentscheidungen; *5
e) Erhaltung der Tiergesundheit durch Stärkung der natürlichen Abwehrkräfte der Tiere sowie durch Auswahl der geeigneten Rassen und durch entsprechende Haltungspraktiken; *6
f) Erhaltung der Pflanzengesundheit durch vorbeugende Maßnahmen wie Auswahl geeigneter Arten und Sorten, die gegen Schädlinge und Krankheiten resistent sind, geeignete Fruchtfolge, mechanische und physikalische Methoden und Schutz von Nützlingen; *7
g) Betreiben einer flächengebundenen und an den Standort angepassten Tiererzeugung; *8
h) Beachtung eines hohen Tierschutzniveaus unter Berücksichtigung tierartspezifischer Bedürfnisse; *9
i) Gewinnung ökologischer/biolo-gischer tierischer Erzeugnisse von Tieren, die seit Geburt bzw. Schlupf ununterbrochen in ökologischen/biologischen Betrieben gehalten wurden; *10
j) Wahl von Tierrassen unter Berücksichtigung ihrer Anpassungsfähigkeit an die örtlichen Bedingungen, ihrer Vitalität und ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten oder Gesundheitsprobleme; *11
k) Verwendung ökologischer/bio-logischer Futtermittel in der Tierhaltung, die sich aus Ausgangserzeugnissen aus dem ökologischen/biologischen Landbau und natürlichen, nicht landwirtschaftlichen Stoffen zusammensetzen; *12
l) Anwendung von Tierhaltungspraktiken, durch die das Immunsystem der Tiere und ihre natürlichen Abwehrkräfte gegen Krankheiten gestärkt werden; dazu gehören insbesondere regelmäßige Bewegung und Zugang zu Freigelände und gegebenenfalls zu Weideland; *13
m) Verzicht auf die Zucht künstlich erzeugter polyploider Tiere; *14
n) Erhaltung der biologischen Vielfalt der natürlichen aquatischen Ökosysteme und längerfristig der Gesundheit der aquatischen Umwelt und der Qualität der angrenzenden aquatischen und terrestrischen Ökosysteme in der Aquakultur; *15
o) Verwendung von Futtermitteln in der Aquakultur, die gemäß der nachhaltigen Nutzung der Fischereiressourcen im Sinne des Artikels 3 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik (1) gewonnen wurden, oder von ökologischen/biologischen Futtermitteln, die sich aus Ausgangserzeugnissen aus dem ökologischen/biologischen Landbau und aus natürlichen, nicht landwirtschaftlichen Stoffen zusammensetzen. *16
(1) ABl. L 358 vom 31.12.2002, S. 59.
Kommentierung des Artikel 5
*1 Artikel 4 soll für jede Form der ökologischen Produktion, sei es Landwirtschaft, Aquakultur oder Wildsammlung gelten. Artikel 5 zielt demgegenüber auf die Grundsätze der Landwirtschaft. Auch hier wird der Landwirt nicht erwähnt. Landwirtschaft im Sinne dieser Verordnung ist ein System, das sich selbst organisiert und in dem der Mensch, dem dieses System anvertraut ist und der es entwickelt, keine Rolle spielt. Die Verordnung gibt ihrem fehlenden Respekt vor dem Landwirt als dem Akteur und Entwickler des ökologischen Landbaus deutlichen Ausdruck.
*2 Nach Artikel 5 Buchstabe a soll die Versorgung von Pflanzen mit Nährstoffen hauptsächlich über das Ökosystem des Bodens erfolgen. Dies soll durch die Erhaltung und Förderung des Edaphons und der natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens bewirkt werden. Der ökologische Landbau soll im Gegensatz zur konventionellen Erzeugung Düngemittel nicht als Nährstoffe der Pflanzen - zugeführt nach dem Maßstab agronomischer Input-Output-Rechnung - verstehen, sondern stattdessen das Bodenleben pflegen und über seine Leistungsfähigkeit die Nährstoffversorgung der Pflanzen nicht unwesentlich sicherstellen. Die Erhaltung und Förderung der Bodenstabilität und der biologischen Vielfalt des Bodens soll dem gleichen Ziel dienen, nämlich der indirekten Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen über das Ökosystem des Bodens. Als weiteres Ziel wird die "Verhinderung und Bekämpfung der Bodenverdichtung und -erosion" formuliert.
*3 Als spezifischer Grundsatz wird in Artikel 5 Buchstabe b, offensichtlich unwahr und den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechend, die "Minimierung der Verwendung von nicht erneuerbaren Ressourcen" vorgegeben. Die Minimierung etwa des Energieeinsatzes spielt weder in den Richtlinien noch in der Zertifizierung des ökologischen Landbaus eine Rolle. Dies ist ein Thema der Zukunft. Minimierung der Verwendung von "außerbetrieblichen Produktionsmitteln" entspricht nur insoweit der Praxis, als dass eine Vielzahl von Produktionsmitteln, die in der konventionellen Landwirtschaft zum Einsatz gelangen, durch das System der Verwendungsverbote unter dem Erlaubnisvorbehalt der Positivlistung gänzlich aus der ökologischen Produktion ausgeschlossen sind. Jene externen Produktionsmittel, die aber zugelassen sind, unterliegen durch die Vorgaben dieser Verordnung hier sonst keine Minimierungsanforderungen.
*4 Die "Wiederverwendung von Abfallstoffen und Nebenerzeugnissen pflanzlichen und tierischen Ursprungs" könnte sich auf die Kompostierung beziehen und damit auf den Einsatz als Produktionsmittel in der pflanzlichen Erzeugung. Was jedoch mit der Wiederverwendung von Abfallstoffen in der tierischen Erzeugung gemeint ist, ist unklar. Zur ökologischen Produktion gehört es gerade nicht, dass Abfallstoffe und Nebenerzeugnisse beliebigen pflanzlichen und tierischen Ursprungs zum Einsatz gelangen. Dieser Grundsatz ist hier so formuliert, als sei beispielsweise auch das Hineinführen von Klärschlamm in die ökologische Produktion in Ordnung. Davon kann keine Rede sein. Ebenso wenig ist es ein Grundsatz, Abfälle tierischer Produktion, insbesondere aus konventioneller Tierhaltung, in die ökologische Tierhaltung einzuführen. Der hier formulierte Grundsatz ist kein Grundsatz der ökologischen Produktion. Allenfalls kann das möglichst weitgehende Schließen der betriebseigenen Stoffkreisläufe gemeint sein.
*5 Es soll das "örtliche und regionale ökologische Gleichgewicht" bei "den Produktionsentscheidungen" berücksichtigt werden. Dieser Grundsatz löst sich vom Sinn des Titel II, der Vorgaben für den Gemeinschaftsgesetzgeber, vornehmlich für die Nutzung der vom Rat auf die Kommission übertragenen Rechtsetzungsbefugnisse durch die Kommission enthält, indem so formuliert wird, als wende sich dieser Grundsatz an den Landwirt, der Produktionsentscheidungen trifft. Der hier formulierte Grundsatz scheint in Anspruch zu nehmen, dass Landwirte eine regionale Gesamtbetrachtung der Relevanz ihrer Produktion für die Ökologie der Region zu leisten hätten. Die Formulierung klingt zwar einleuchtend, praktische Relevanz hat sie jedoch nicht, weil ökologisch wirtschaftende Landwirte ein ökologisches Gleichgewicht ohnehin nur deutlich weniger beeinflussen können als die konventionelle Landwirtschaft.
*6 Mit dem Grundsatz der Erhaltung der Tiergesundheit durch die "Stärkung der natürlichen Abwehrkräfte der Tiere" spricht die Verordnung einen wichtigen positiven Gesichtspunkt an. Diese Verordnung stellt den vorsorgenden Tiergesundheitsschutz deutlich in den Vordergrund. Hier wird insbesondere auch die "Auswahl der geeigneten Rassen" verlangt. Dies setzt allerdings voraus, dass Rassen, etwa Hühnerrassen, zur Verfügung stehen, die sich nicht durch Schnellwüchsigkeit bei maximierter Nährstoffzufuhr auszeichnen, sondern durch ein angemessenes, physiologisches Wachstum, das regelmäßig mit einem höheren Schlachtalter als in konventionell optimierter Produktion einhergeht. Hier wird auch die Erhaltung der Gesundheit durch entsprechende "Haltungspraktiken" als Grundsatz mit Recht in den Vordergrund gestellt.
*7 Entsprechend der Erhaltung der Tiergesundheit wird in Artikel 5 Buchstabe f die Erhaltung der Pflanzengesundheit ebenfalls durch Auswahl "geeigneter Arten und Sorten" formuliert. Dies allerdings eingeschränkt auf den Gesichtspunkt der Resistenz gegen Schädlinge und Krankheiten. Der Maßstab für die Geeignetheit ist nicht nur die spezifische Resistenz, sondern auch die Vitalität der Pflanzen, die trotz Schädlingsbefall ihre Leistungsfähigkeit erhalten. Die "geeignete Fruchtfolge" wird als Instrument der Erhaltung der Pflanzengesundheit genannt. Mechanische und physikalische Methoden im Gegensatz zur chemischen Schädlingsbekämpfung werden aufgeführt und der Schutz von Nützlingen, nicht allerdings der Einsatz von Nützlingen.
*8 Die Flächengebundenheit der Tiererzeugung wird hier zwar postuliert, jedoch findet sie in den Regelungen dieser Verordnung keine Verankerung. Auch die Anpassung an den "Standort" wird für die Tiererzeugung als Grundsatz vorgegeben, ohne dass sich dies in den Regelungen der Verordnung wiederfindet.
*9 Die Beachtung eines hohen Tierschutzniveaus wird entsprechend dem 17. Erwägungsgrund in den Vordergrund gestellt. Die "Berücksichtigung tierartspezifischer Bedürfnisse" wird mit Recht als Grundsatz genannt, der dann auch in der Bewirtschaftungs- und Zertifizierungspraxis seinen Niederschlag findet.
*10 Hier wird als Grundsatz formuliert, dass ökologische Tierhaltung die entsprechende Haltung während der gesamten Lebenszeit der Tiere meint.
*11 Wie in Artikel 5 Buchstabe e wird in Buchstabe j die Wahl von Tierrassen angesprochen, wiederum vornehmlich unter dem Aspekt der Tiergesundheit. Die fehlende Systematik der Verordnung springt ins Auge. Es ist schwer verständlich, wie ein Gesetzestext derart unsystematisch und redundant gestaltet werden kann.
*12 Für die Fütterung in ökologischer Haltung werden Ökoprodukte als Grundsatz formuliert. Außerdem den Einsatz von natürlichen Stoffen.
*13 Wie schon in Artikel 5 Buchstabe e zur Erhaltung der Tiergesundheit geeignete Haltungspraktiken als Grundsatz aufgeführt werden, wird hier bedeutungsgleich der Grundsatz nochmals formuliert. Nun allerdings ergänzt durch die Vorgabe, dass "regelmäßige Bewegung und Zugang zu Freigelände" zu angemessenen Tierhaltungspraktiken gehören. Der Zugang zu "Weideland" wird relativiert durch das Tatbestandsmerkmal "gegebenenfalls".
*14 Der Verzicht auf die Zucht künstlich erzeugter polyploider Tiere als Grundsatz scheint angesichts der in ökologischer Aquakultur in Frankreich zugelassenen triploiden Forellen zumindest kein unumstrittener Grundsatz zu sein.
*15 Die Erhaltung der "biologischen Vielfalt der natürlichen aquatischen Ökosysteme" wird als Grundsatz formuliert. Außerdem die "Gesundheit der aquatischen Umwelt" und schließlich die "Qualität der angrenzenden aquatischen und terrestrischen Ökosyssteme". Dies alles als Grundsätze der Aquakultur, offenbar darauf zielend, dass die Emission von Antibiotika und Stoffwechselprodukten bei hohem Besatz, wie für die konventionelle Aquakultur typisch, in der ökologischen Aquakultur vermieden werden soll. Dies ist zwar ein Aspekt ökologischer Aquakultur, praktisch eine notwendige Folge des entsprechend verminderten Einsatzes von externen Produktionsmitteln, es erstaunt aber doch, diesen eher sekundären Aspekt als "Grundsatz" des ökologischen Landbaus formuliert zu sehen.
*16 Die Fütterung in der Aquakultur soll nach diesem Grundsatz entweder durch Wildfang, aber qualifiziert im Sinne dieses Grundsatzes oder mit Produkten des ökologischen Landbaus erfolgen. Die Fütterung aus Wildfang soll aus "nachhaltiger Nutzung der Fischereiressourcen" erfolgen und zwar im Sinne der Legaldefinition des Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002. Diese Definition ist praktisch ohne Bedeutung. Die genannte Verordnung ist die Grundlage einer als wirkungslos anerkannten gemeinsamen Fischereipolitik. Artikel 3 dieser Verordnung enthält Begriffsbestimmungen.
Die Begriffsbestimmung in Artikel 3 Buchstabe e der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 lautet: "Die Nutzung eines Bestandes in einer Weise, die die künftige Nutzung dieses Bestandes nicht gefährdet und keine negative Auswirkung auf die marinen Ökosysteme hat". Diese Definition stellt die wirtschaftliche Nutzung von Fischbeständen in den Vordergrund. Abgesehen von der Sicherung der künftigen Nutzung des Bestandes, auf welchem Niveau auch immer, findet sich dann als zweite Anforderung nur, dass nicht gesamte Ökosysteme unter negativen Auswirkungen dieser nachhaltigen Nutzung leiden sollen. Davon, dass alle Bestandteile der Ökosysteme nachhaltig erhalten bleiben sollen, ist hier keine Rede. Die Begriffsbestimmung spiegeln die Orientierung der gemeinsamen Fischereipolitik an dem Interesse der "Bewirtschaftung und Nutzung der lebenden aquatischen Ressourcen" im Sinne ihres Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c zutreffend wieder. Dass ausgerechnet diese höchst eingeschränkte Begrifflichkeit zum Maßstab für die Herkunft von Wildfischbestandteilen im Futter ökologischer Aquakultur gewählt wurde, beruht möglicherweise auf der Fehleinschätzung der tatsächlichen Bedeutung dieser Begriffsbestimmung in der Systematik dieser, die gemeinsame Fischereipolitik der Gemeinschaft begründenden Verordnung.
Artikel 6
Spezifische Grundsätze für die Verarbeitung von
ökologischen/biologischen Lebensmitteln
Neben den allgemeinen Grundsätzen des Artikels 4 hat die Herstellung verarbeiteter ökologischer/biologischer Lebensmittel auf folgenden spezifischen Grundsätzen zu beruhen*1:
a) Herstellung ökologischer/biolo-gischer Lebensmittel aus ökologischen/biologischen landwirtschaftlichen Zutaten, außer wenn eine Zutat auf dem Markt nicht als ökologisches/biologisches Erzeugnis erhältlich ist; *2
b) Beschränkung der Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen, von nichtökologischen/nichtbio-logischen Zutaten mit überwiegend technischen und sensorischen Funktionen sowie von Mikronährstoffen und Verarbeitungshilfsstoffen auf ein Minimum und auf Fälle, in denen dies ein wesentliches technologisches Erfordernis darstellt oder besonderen Ernährungszwecken dient; *3
c) Ausschluss von Stoffen und Herstellungsverfahren, die in Bezug auf die tatsächliche Beschaffenheit des Erzeugnisses irreführend sein könnten; *4
d) sorgfältige Verarbeitung der Lebensmittel, vorzugsweise unter Anwendung biologischer, mechanischer und physikalischer Methoden. *5
Kommentierung des Artikel 6
*1 Artikel 6 formuliert spezifische Grundsätze für die Verarbeitung von Ökoprodukten. Wie alle Vorschriften des Titel II handelt es sich nicht um Vorschriften, die sich an Unternehmen oder an die für Unternehmen verantwortlichen Kontrollstellen richten, sondern um Vorgaben, welche der Kommission einen Rahmen bei der Wahrnehmung der ihr vom Rat delegierten Rechtssetzungsbefugnisse setzen. Soweit allerdings auf die "allgemeinen Grundsätze des Artikel 4" für die Verarbeitung von Lebensmitteln Bezug genommen wird, liegt wohl ein Redaktionsfehler vor, denn die allgemeinen Grundsätze sind offensichtlich mit Blick auf die landwirtschaftliche Produktion und keineswegs mit Blick auf die Verarbeitungsstufe formuliert. Die Regelung beschränkt sich auf die Verarbeitung von ökologischen Lebensmitteln, weil alle anderen verarbeiteten Produkte mit Ausnahme von Futtermitteln, Vermehrungsmaterial und Saatgut gar nicht erst in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen (vgl. Kommentierung des Artikel 1 *2).
*2 Dieser Grundsatz wirkt so, als gehöre es zum System dieser Verordnung, in Ökolebensmitteln Zutaten aus konventioneller Erzeugung zuzulassen, wenn "auf dem Markt" Ökoprodukte nicht "erhältlich" sind. Dieser Grundsatz gibt die Realität der ökologischen Produktion glücklicherweise nicht wieder. Vielmehr wird die Verwendung von konventionellen Zutaten auf sehr wenige, positiv gelistete Produkte beschränkt. Sie findet sich in Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe a Unterabschnitt v. Eine weitere Grenze liegt in der Positivlistungspflicht dieser konventionellen Zutaten, die aus Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe c folgt. Diese Verordnung zeichnet sich dadurch aus, dass sie die wirklich wichtigen Regelungselemente an verschiedenen unauffälligen Stellen platziert und es dem Rechtsanwender überlässt, sie zusammenzuführen. Dass hier die Grundsätze die tatsächliche, durchaus positive Regelung verschleiern, überrascht.
*3 Zutreffend wird formuliert, dass ein im Vergleich zu Lebensmitteln aus konventioneller Produktion deutlich geringerer Verarbeitungsgrad gewährleistet wird. Dies nicht durch eine Beschränkung des Einsatzes von Verarbeitungstechniken, sondern durch ein Verwendungsverbot für Lebensmittelzusatzstoffe unter dem Vorbehalt einer Erlaubnis durch die Positivlistung dieser Stoffe. Das System der Positivlistung für diese Stoffe findet sich in Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe b vorgegeben. Auf welchen Prinzipien die Zulassung von Zusatzstoffen beruhen soll, ist seit Jahren Gegenstand der Diskussion mit den Fachkreisen der ökologischen Lebensmittelwirtschaft.
Manche verlangen ein System von Parametern, die möglichst wissenschaftlich begründet sind und aus denen praktisch zwangsläufig die Listung oder Nichtlistung bestimmter Zusatzstoffe abzuleiten ist. Ein solches System gibt es nicht. Es handelt sich vielmehr um wertende Entscheidungen, die sich wesentlich am Bedürfnis des Publikums orientieren, nicht mit Lebensmitteln konfrontiert zu werden, denen Fremdstoffe beigefügt wurden. Für die angesprochenen Verkehrskreise liegt der Reiz von Biolebensmitteln gerade darin, dass die Aufnahme von Fremdstoffen minimiert wird, wobei für die Wahrnehmung des Publikums nicht entscheidend ist, dass die in konventionellen Lebensmitteln zugelassenen Fremdstoffe nach dem Stand der Wissenschaft nicht auf Bedenken stoßen.
Soweit eine Beschränkung des Einsatzes von "Mikronährstoffen" angesprochen wird, ist damit wahrscheinlich gemeint, dass bestimmte Vitamine, die zur Gewährleistung des gesetzlich vorgeschriebenen Gehalts in Säuglingsanfangsnahrung auch Bioprodukten beigefügt werden, um den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgehalt zu gewährleisten. Wünschenswert wäre die klare Feststellung, dass ausschließlich gesetzlich vorgeschriebene Supplemente verwendet werden dürfen.
*4 Hier wird als Grundsatz der Ausschluss von Stoffen und Herstellungsverfahren formuliert, die "irreführend" sein könnten und zwar mit Bezug auf die "tatsächliche Beschaffenheit des Erzeugnisses". Dieser Grundsatz hat für die Praxis der Herstellung von Ökoprodukten keine Bedeutung, denn nicht die drohende Irreführung ist in der Praxis Entscheidungskriterium, ob Stoffe positiv gelistet werden, sondern ihre Unverzichtbarkeit. Hier als Maßstab die drohende Irreführung zu formulieren, verkehrt den Grundsatz der Positivlistungstechnik in ihr Gegenteil. Hier würde nicht gefragt, ob der Einsatz eines Zusatzstoffes unabdingbar ist, um ein Ökoprodukt überhaupt herzustellen, sondern es würde nur gefragt, ob der Einsatz irreführend sein könnte. Der gedankliche Ansatz dieses Grundsatzes widerspricht den Grundsätzen der Verarbeitung ökologischer Lebensmittel.
*5 Die Verarbeitung von Ökolebensmitteln soll "sorgfältig" sein, um die Notwendigkeit des Einsatzes von Zusatzstoffen und Verarbeitungshilfsstoffen zu vermeiden. Durch den besonders sorgfältigen Einsatz alternativer Verarbeitungsmethoden soll der Einsatz nichtökologischer Zusatzstoffe dadurch vermieden werden, dass eine Verschlechterung der Erzeugnisse, wie sie mit den in der konventionellen Lebensmittelwirtschaft eingeführten Verfahren einhergeht, vermieden wird.
Artikel 7
Spezifische Grundsätze für die Verarbeitung von
ökologischen/biologischen
Futtermitteln
Neben den allgemeinen Grundsätzen des Artikels 4 hat die Herstellung verarbeiteter ökologischer/ biologischer Futtermittel auf folgenden spezifischen Grundsätzen zu beruhen*1:
a) Herstellung ökologischer/biolo-gischer Futtermittel aus ökologischen/biologischen Futtermittel-Ausgangserzeugnissen, außer wenn ein Futtermittel-Ausgangs-erzeugnis auf dem Markt nicht als ökologisches/biologisches Erzeugnis erhältlich ist; *2
b) Beschränkung der Verwendung von Futtermittel-Zusatzstoffen und Verarbeitungshilfsstoffen auf ein Minimum und auf Fälle, in denen dies ein wesentliches technologisches oder zootechnisches Erfordernis darstellt oder besonderen Ernährungszwecken dient; *3
c) Ausschluss von Stoffen und Herstellungsverfahren, die in Bezug auf die tatsächliche Beschaffenheit des Erzeugnisses irreführend sein könnten; *4
d) sorgfältige Verarbeitung der Futtermittel, vorzugsweise unter Anwendung biologischer, mechanischer und physikalischer Methoden. *5
Kommentierung des Artikel 7
*1 Artikel 7 formuliert für die Verarbeitung von Futtermitteln mit gleichem Wortlaut, was sich in Artikel 6 für die Verarbeitung von Lebensmitteln findet.
*2 Futtermittel, die in der ökologischen Tierhaltung zum Einsatz kommen, müssen aus entsprechend erzeugten Ausgangsmaterialien hergestellt werden.
*3 Es ist schwer nachzuvollziehen, was den Gemeinschaftsgesetzgeber bewegt, drei Absätze für Lebensmittel und Futtermittel wortidentisch zu wiederholen, hier allerdings durch die Ergänzung der Tatbestandsmerkmale "wesentliches technologisches Erfordernis" durch das Tatbestandsmerkmal "zootechnisches Erfordernis", so dass die Verwendung von Zusatzstoffen und Verarbeitungshilfsstoffen auf Fälle beschränkt wird, in denen nicht nur ein wesentliches technologisches Erfordernis gegeben ist, sondern alternativ ein "zootechnisches" Erfordernis. Dass Zusatzstoffe nur äußerst restriktiv zum Einsatz kommen sollen, ist zu begrüßen.
*4 Die wörtliche Wiederholung des Tatbestands des Artikel 6 Buchstabe c hier in Artikel 7 Buchstabe c macht auch für Futtermittel keinen Sinn. Dass die drohende Irreführung der Maßstab für den Ausschluss von Stoffen sein soll, stellt den tatsächlichen Grundsatz auf den Kopf, nach dem der Einsatz von Stoffen nur bei unabdingbarer Notwendigkeit zulässig sein soll. Die Grenze des Irreführungsmaßstabs liegt weit außerhalb der Reichweite des Unverzichtbarkeitsmaßstabs.
*5 Die abermalige Nennung einer "sorgfältigen Verarbeitung" ist auch hier so gemeint, dass Sorgfalt in der Verarbeitung den Einsatz insbesondere chemisch-synthetischer Zusatz- und Verarbeitungshilfsstoffe vermeidet. Daher liegt in dem Grundsatz des Artikel 7 Buchstabe d nur eine unbeholfene Wiederholung des Grundsatzes aus Artikel 7 Buchstabe b.
TITEL III
PRODUKTIONSVORSCHRIFTEN
KAPITEL 1
Allgemeine
Produktionsvorschriften
Artikel 8
Allgemeine Anforderungen
Die Unternehmer müssen die Produktionsvorschriften einhalten, die in diesem Titel und in den in Artikel 38 Buchstabe a genannten Durchführungsbestimmungen festgelegt sind. *1
Kommentierung des Artikel 8
*1 Artikel 14 verpflichtet Landwirte unmittelbar. Anders als die Vorschriften des Titel II, welche vornehmlich der Kommission einen Rahmen für die Nutzung ihr vom Rat delegierten Rechtssetzungskompetenzen bilden, verpflichten die Vorschriften des Titel III nach Artikel 8 "die Unternehmer" im Sinne von "Produktionsvorschriften". Artikel 1 Absatz 3 dieser Verordnung ordnet an, dass sie für alle Lebensmittelunternehmen und sonstigen Unternehmen gilt, die mit der Produktion, der Aufbereitung oder dem Vertrieb der in Artikel 1 Absatz 2 abgegrenzten Produktgruppe befasst sind. Artikel 8 ordnet an, dass „die Unternehmen" die „Produktionsvorschriften" dieses Titels und die zu ihrer Durchführung erlassenen Kommissionsverordnungen einhalten müssen. Wenn alle Lebensmittelunternehmen die Regeln der ökologischen Produktion einhalten müssten, gäbe es nur noch Ökolebensmittel.
Der Verordnungstext ordnet an, was dem Willen des Gesetzgebers offensichtlich nicht entspricht. Der Text ist im Wege der teleologischen Reduktion so zu lesen, dass die hier normierte Pflicht nur für die Unternehmen gilt, die das Inverkehrbringen „als ökologische/biologische Produkte", wie es in Artikel 28 Absatz 1 formuliert ist, beabsichtigen, in dem eine Kennzeichnung gemäß Artikel 23 Absatz 1 dieser Verordnung erfolgen soll. Der Leser, der diese Regelungstechnik, die zu Texten führt, die nur Sinn machen, wenn man sie durch Lesen in Abweichung von ihrem Wortlaut „reduziert", schrecklich findet, hat recht.
Artikel 9
Verbot der
Verwendung von GVO
(1) GVO und aus oder durch GVO hergestellte Erzeugnisse dürfen nicht als Lebensmittel, Futtermittel, Verarbeitungshilfsstoff, Pflanzenschutzmittel, Düngemittel, Bodenverbesserer, Saatgut, vegetatives Vermehrungsmaterial, Mikroorganismus oder Tier in der ökologischen/biologischen Produktion verwendet werden. *1
(2) Für die Zwecke des Verbots nach Absatz 1 betreffend GVO oder aus GVO hergestellte Erzeugnisse in Zusammenhang mit Lebensmitteln und Futtermitteln können sich Unternehmer auf das Etikett auf dem Erzeugnis oder auf die Begleitpapiere verlassen, die gemäß der Richtlinie 2001/18/EG, der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (1) oder der Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen und über die Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln an ihm angebracht sind oder mit ihm bereitgestellt werden. *2
(1) ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 1. Geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1981/2006 der Kommission (ABl. L 368 vom 23.12.2006, S. 99).
Die Unternehmer können davon ausgehen, dass keine GVO oder aus GVO hergestellte Erzeugnisse bei der Herstellung gekaufter Lebensmittel und Futtermittel verwendet wurden, wenn diese nicht gemäß den genannten Verordnungen gekennzeichnet oder mit einem Begleitpapier versehen sind, es sei denn, den Unternehmern liegen Informationen vor, die darauf hindeuten, dass die Kennzeichnung der betreffenden Erzeugnisse nicht mit den genannten Verordnungen im Einklang stehen. *3
(3) Für die Zwecke des Verbots nach Absatz 1 bezüglich anderer Erzeugnisse als Lebensmittel und Futtermittel oder durch GVO hergestellte Erzeugnisse haben Unternehmer vom Verkäufer eine Bestätigung zu verlangen, dass die gelieferten Erzeugnisse nicht aus oder durch GVO hergestellt wurden, wenn sie solche nichtökologischen/nichtbiologischen Erzeugnisse von Dritten beziehen und verwenden. *4
(4) Die Kommission entscheidet nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren über Maßnahmen zur Durchführung des Verbots der Verwendung von GVO sowie von Erzeugnissen, die aus oder durch GVO hergestellt wurden. *5
Kommentierung des Artikel 9
*1 Artikel 9 setzt insbesondere für die ökologisch wirtschaftenden Landwirte unmittelbar geltende Regeln. Artikel 9 ist nicht nur ein Programmsatz, den die Kommission bei der Ausarbeitung von Kommissionsverordnungen beachten soll.
Das Tatbestandsmerkmal „in der ökologischen/biologischen Produktion" beschränkt das Gentechnikverbot auf diese. Es dient zur Eingrenzung der Reichweite der Aufmerksamkeit, welche die Ökoproduktion zum Ausschluss der Gentechnik pflegen muss. Letztlich geht es hier darum, die Rückschau darauf, woher ein Stoff kommt und welche Handlungen mit GVO nicht hinweggedacht werden können, ohne dass es diesen Stoff nicht gäbe, auf eine praktisch zu bewältigende Reichweite zu begrenzen.
Beispielsweise darf eine nichtökologische, ausnahmsweise durch Positivlistung zugelassene Zutat eines Ökoproduktes unter Einsatz eines Pflanzenschutzmittels, das „GVO" ist oder das „aus oder durch GVO hergestellt" wurde, landwirtschaftlich erzeugt worden sein, weil das Gentechnikverbot nur für die Erzeugung der ökologischen Zutaten gilt. Diese nichtökologische Zutat darf aber nicht selbst GVO und auch nicht durch Mahlen oder sonstiges Verarbeiten aus einem GVO-Ernteprodukt gewonnen worden sein.
Der Katalog der Verwendungszwecke ist kein Regelbeispielkatalog. Er begrenzt vielmehr die nach dieser Vorschrift erforderliche Betrachtung auf den Einsatz „als Lebensmittel, Futtermittel, Verarbeitungshilfsstoff, Pflanzenschutzmittel, Düngemittel, Bodenverbesserer, Saatgut, vegetatives Vermehrungsmaterial, Mikroorganismus und Tiere" präzise ab. Der Einsatz als Pflanzenstärkungsmittel unterliegt danach nicht dem Gentechnikverbot. Auch nicht der Einsatz als Mittel zur Reinigung und Desinfektion, deren Positivlisten nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben e und f zu führen sind. Auch Treibstoffe, die in den landwirtschaftlichen Geräten der ökologischen Produktion zum Einsatz gelangen, können danach aus GVO-Pflanzen gewonnen worden sein.
*2 Wenn Unternehmer sich "für die Zwecke des Verbots" des Einsatzes von GVO nach Artikel 9 Absatz 1, also für dessen Einhaltung, auf die Gentechnikpflichtkennzeichnung "gekaufter" Produkte verlassen können sollen, verfolgt der Gemeinschaftsgesetzgeber den Zweck, die jeweilige Praxis der Gentechnikpflichtkennzeichnung zugleich zur Determinante der Gentechnikfreiheit der ökologischen Produktion zu machen.
Damit wird deutlich, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in dieser Verordnung das genaue Gegenteil dessen angeordnet hat, was die Bundesregierung in ihrer Begründung für § 3a des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes über die Voraussetzungen für die Kennzeichnung ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hergestellter Lebensmittel mit dem Hinweis "ohne Gentechnik" als Maßstab formuliert: "Vielmehr hat der Verwender der Kennzeichnung eine Darlegungspflicht, dass der Gehalt an GV-Bestandteilen zufällig oder technisch unvermeidbar ist. Diese Pflicht trifft ihn mangels eines Schwellenwertes für eine zu duldende Höhe von GV-Bestandteilen schon bei einem Wert oberhalb der Nachweisgrenze, also in der Regel von mehr als 0,1 %. Für die Darlegung der Nichtverwendung von GV-Bestandteilen reicht somit in der Regel der Hinweis auf die Nichtverwendung von GV-gekennzeichneten oder kennzeichnungspflichtigen Bestandteilen nicht aus. Bei Produkten, bei denen nach der Verkehrserfahrung mit einem geringen Anteil oder auch nur mit Spuren von GV-Bestandteilen gerechnet werden muss, wird von dem Verwender der Kennzeichnungsmöglichkeit "ohne Gentechnik" in der Praxis regelmäßig eine Kontrolle auf die Abwesenheit solcher GV-Gehalte zu fordern sein" (Bundestags-Drucksache 16/6814, Beschlussempfehlung vom 14.01.2008).
Gerade anders als diese Begründung für die neuen deutschen Regeln zur "ohne Gentechnik"-Kennzeichnung es formulierte, hat etwa ein Landwirt, der Schweine in ökologischer Haltung füttert, nach dem in dieser Verordnung niedergelegten Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers nichts anderes darzulegen, als dass das zugekaufte Futtermittel nicht mit einer Gentechnikpflichtkennzeichnung versehen war und ihm keine "Informationen" vorlagen, "die darauf hindeuteten, dass das" Fehlen der Gentechnikpflichtkennzeichnung "nicht mit den genannten Verordnungen", gemeint ist hier die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, "im Einklang stehen".
Der vom Verwaltungsgericht Lüneburg im Mai 2007 entschiedene Fall wäre damit nach dieser Verordnung anders zu beurteilen: Die eigene Qualitätssicherung eines Futtermittellieferanten hatte in einer Bio-Soja-Fraktion gentechnische Veränderungen mit einem Wert von etwa 2,4 % festgestellt. Der Sojaanteil am Futtermittelerzeugnis betrug etwa 1,7 %. Da die Gentechnikpflichtkennzeichnung nach der Verordnung (EG) Nr. 1829/2001 schon bei Überschreiten eines Wertes von nur 0,9 % einsetzt, wäre das Futtermittel mit der Gentechnikpflichtkennzeichnung zu versehen gewesen. Im entschiedenen Fall rief der Lieferant das Futtermittel von den Landwirten zurück. Einer davon hatte das Futter während einer Woche in seiner ökologischen Schweinhaltung eingesetzt. Ihm verbot das Land die Vermarktung seiner Ökoschweine mit dem Hinweis auf deren Herkunft aus ökologischer Haltung. Das Land Niedersachsen trug dem Gericht vor, es sei nach dem Stand der Wissenschaft nicht auszuschließen, dass schon diese Fütterung im Fleisch der Tiere Veränderungen verursacht habe. Das Gericht entschied, dass der Auffassung des Landes zu folgen sei, denn dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit habe das Land dadurch Rechnung getragen, dass es auf den Schwellenwert für die Gentechnikpflichtkennzeichnung abgestellt habe.
Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat die Rechtslage verändert. Nun kann der Landwirt sich darauf berufen, dass er sich auf das Fehlen der Gentechnikpflichtkennzeichnung habe verlassen dürfen. Er dürfte im beschriebenen Fall die Schweine als Bioschweine verkaufen. Anders als im entschiedenen Fall müsste er den merkantilen Minderwert von etwa 200 Euro pro Tier, bei etwa 600 Tieren also 120.000 Euro, nicht selbst tragen. Dem Rückgriff auf den Futtermittellieferanten stehen in solchen Fällen häufig dessen fehlendes Verschulden oder vertragliche Haftungsausschlüsse entgegen, so dass Landwirte auf den guten Willen der Futtermittellieferanten angewiesen sind, einen Teil des Schadens mitzutragen.
*3 Der zweite Satz des Absatzes 2 wiederholt im Grunde den ersten Satz und stellt klar, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber das Gegenteil dessen intendierte, was die Begründung der Bundesregierung für die neuen Regelungen zur "ohne Gentechnik"-Kenn-zeichnung ausführt.
Durch Artikel 9 Absatz 2 wird die praktische Tiefe und Reichweite des GVO-Verbots in der ökologischen Produktion durch die Praxis der Gentechnikpflichtkennzeichnung bestimmt.
Nach Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 entfällt die Gentechnikpflichtkennzeichnung, wenn der gentechnisch veränderte Anteil nicht höher ist als 0,9%, dies bezogen auf jede einzelne Zutat. Dieser Schwellenwert gilt aber nicht absolut, sondern nur, wenn dieser Anteil zufällig oder technisch zu vermeiden war. Im übrigen findet sich in Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 ein Schwellenwert von 0,9% für nicht zugelassene GVO bei Vorliegen einer positiven Risikobewertung.
Das Tatbestandsmerkmal der Zufälligkeit oder der technischen Nichtvermeidbarkeit soll Sorgfaltspflichten des Unternehmers beschreiben. Nach Artikel 12 Absatz 3 trägt er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er alles ihm Zumutbare zur Vermeidung des zufälligen oder technisch nicht vermeidbaren Vorhandenseins gentechnischer Veränderungen unternommen hat. Artikel 12 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 bewirkt also eine Beweislastumkehr zu Lasten des Unternehmers.
Anders, als viele Beobachter aus den Fachkreisen des ökologischen Landbaus es vermuten, wird die Gentechnik-Kennzeichnungspflicht von der Kommission nicht so verstanden, dass die Präsenz gentechnischer Veränderung, die durch technische Maßnahmen, etwa weitere Abstände zwischen transgenen Kulturen und ökologischem Anbau, vermieden werden könnte, notwendig zur Gentechnikpflichtkennzeichnung führt.
Das Gegenteil ist der Fall: So erklärt sich, dass der Schlussbericht einer Arbeitsgruppe, die im Auftrag der Kommission die Schadensausgleichsmechanismen in der Europäischen Union nach dem Eintrag gentechnischer Veränderungen aus transgenen Kulturen in gentechnisch nicht veränderte Kulturen beschrieben, in ihrer Zusammenfassung unter Nr. 4 ausführte, es sei, um das Ausmaß der Schadensverantwortlichkeit zu beschreiben, eine zentrale Frage in allen Rechtsordnungen, ob die Anspruchsteller auch solche Verluste ersetzt verlangen können, welche durch einen Eintrag gentechnischer Veränderungen resultieren, die unter dem EU-Schwellenwert für die Gentechnikpflichtkennzeichnung liege, welche auf 0,9% bestimmt sei. Weil Produkte in solchen Fällen nicht mit einer Gentechnikpflichtkennzeichnung zu versehen seien, sollte typischerweise keine Preisdifferenz und folglich kein Verlust resultieren. Es könne jedoch sein, dass der Landwirt sich in eine vertragliche Verpflichtung zu seinen Abnehmern begeben habe, die einen entsprechenden Verlust bewirke:
"In order to define the extent of liability, one crucial decision that all jurisdictions invariably have to make is whether claimants shall also recover those losses which are caused by admixture of food or feed production below the EU threshold for GMO labelling, which is set at 0.9%. Since the produce would not have to be labelled GM in such cases, there should typically be no difference in the price and hence no loss. However, the farmer may be under a contractual obligation to a third party, for example, to deliver crops with an even higher degree of purity. The question therefore is whether the legal system will indemnify such losses as well even if the general marketability of the crops is given. The answer to this question is not predetermined by the fundamentals of tort law – it is the result of balancing the interests involved, and as with any weighing process, the outcome is not entirely predictable.The typical cause of any such losses, whether admixture remains below or exceeds the threshold, will be gene flow from a field where GM crops are being cultivated".
Dieser Bericht macht die Vorgaben der Kommission für diese Studie von 2007 deutlich: Der Wert von 0,9% gentechnischer Veränderung wird im Falle des "zufälligen", also nicht absichtlich herbeigeführten Eintrags als maßgebend angesehen, ohne dass es im Nachbarschaftsverhältnis zwischen einer transgenen und einer ökologisch geführten Kultur darauf ankäme, ob sich die gentechnische Veränderung durch einen größeren Abstand, zeitlich versetzte Pflanzung oder Abschirmpflanzen, also durch technische Maßnahmen weiter verringern ließe.
Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 setzt als Voraussetzung für das Nichteingreifen der Gentechnikpflichtkennzeichnung bei einem Anteil der gentechnischen Veränderung bis 0,9% nicht etwa voraus, dass dieser Anteil "zufällig und technisch nicht zu vermeiden" ist, sondern dass er "zufällig oder technisch nicht zu vermeiden" ist.
Da der Eintrag von einer transgenen Kultur in Nachbarkulturen nicht beabsichtigt, mithin "zufällig" ist, soll es offenbar nach der Auffassung der Kommission nicht mehr darauf ankommen, ob der Anteil durch technische Maßnahmen ganz oder teilweise zu vermeiden wäre. Die von der Kommission finanzierte Forschung zu den Umständen und zur Reichweite des Eintrags gentechnischer Veränderungen über Pollen transgener Kulturpflanzen, die in benachbarte, gentechnisch nicht veränderte Kulturen eingetragen werden, hebt durchgängig auf Maßnahmen ab, die ergriffen werden müssen, um die 0,9%-Schwelle einzuhalten.
So stellte insbesondere Andreas Gumbert für die Kommission im Dezember 2007 in einem Konferenzbeitrag anlässlich der Darstellung der von der Kommission angestrebten Koexistenzregeln klar, dass der Schwellenwert von 0,9% für die Frage, welcher Abstand zwischen transgenen und anderen Kulturen einzuhalten sei, den Maßstab bilde.
Soweit Beobachter aus Kreisen des ökologischen Landbaus erwartet hatten, die Gentechnikpflichtkennzeichnung greife bei Werten unter 0,9% und man könne gestützt auf sie weite Mindestabstände der eigenen Feldflächen zu GVO-Kulturen durchsetzen, wird diese Erwartung durch das von der Kommission kommunizierte Normverständnis und durch die damit zu erwartende Wirtschaftspraxis enttäuscht.
Der Wert von 0,9% determiniert für die Praxis, ob Lebensmittel und Futtermittel mit einer Gentechnikpflichtkennzeichnung versehen werden oder nicht. Dementsprechend determiniert dieser Wert die Aufnahme gentechnisch veränderter Erbinformation in den ökologischen Landbau beim Einsatz von Lebensmitteln und Futtermitteln.
Das Kriterium der "technischen Unvermeidbarkeit" hat insbesondere bei der Entwicklung von Regelungen für die Koexistenz gentechnisch veränderter und gentechnisch nicht veränderter Pflanzen im Anbau keine Bedeutung. Der Beweislastumkehr des § 12 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 wird der Unternehmer, in dessen Produkte sich Spuren gentechnischer Veränderungen unter 0,9% finden, dadurch gerecht, dass er die durch Rechtsnorm oder durch Wirtschaftspraxis als erforderlich bestimmten Mindestabstände einhält.
Für die Überwachung der Anbieter von Produkten, die für deren Gentechnikpflichtkennzeichnung verantwortlich sind, wird erheblich sein, ob das Produkt gentechnisch veränderte Anteile im Rahmen des am Markt üblicherweise Beobachteten enthält oder deutlich höhere Werte. Deutlich höhere Werte sollen ein Indiz dafür, dass die Tatbestandsmerkmale "zufällig" und "technisch unvermeidbar" nicht gegeben sind. Für die Zwecke dieser Verordnung sollen sich die Produzenten aber gerade auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Gentechnikpflichtkennzeichnung verlassen können.
Die Kommission betrachtet die Frage der Koexistenz insbesondere der Lebensmittelherstellung mit transgenen und gentechnisch nicht veränderten Kulturen nicht als eine Frage der praktischen Wirksamkeit der Abgrenzung, also nicht mit Blick darauf, ob sie praktisch wirksam ist, sondern ausschließlich als eine Frage des Schutzes der Landwirte und anderer Akteure in der Lebensmittelkette vor den möglichen wirtschaftlichen Folgen der Vermischung von gentechnisch veränderten und gentechnisch nicht veränderten Ernteprodukten.
Eine Mitarbeiterin der Kommission bezeichnete im März 2006 die Regelung in Artikel 9 Absatz 2 als einen Akt des guten Willens zu Gunsten der Ökoproduzenten: Sie würden vor wirtschaftlichen Verlusten als Folge des merkantilen Minderwertes von Ökoprodukten mit gentechnischen Veränderungen nicht nur im Bereich der Präsenz bis zur 0,9%-Schwelle geschützt, sondern auch dann, wenn dieser Schwellenwert - nicht erkannt und auch bei pflichtgemäßer Anstrengung für den Verwender nicht erkennbar - überschritten werde. Diese pflichtgemäße Anstrengung soll sich aber auf die Prüfung des Etiketts und der Begleitpapiere der für die vom Gentechnikverbot erfassten Verwendungszwecke in die Ökoproduktion eingeführten Erzeugnisse, zum Beispiel das eingekaufte Saatgut, beschränken.
*4 Im Anhang XIII des Entwurfs der Kommission vom Januar 2008 für eine Kommissionsverordnung mit Durchführungsvorschriften schlägt sie diesen Text als verbindlich für die Erklärungen der Lieferanten vor: „I declare that this product was manufactured neither "from" nor "by" GMOs as those terms are used in Articles 2 and 9 of Council Regulation (EC) No 834/2007. I do not have any information which could suggest that this statement is inaccurate. Thus, I declare that the above named product complies with Article 9 of Regulation (EC) No 834/2007 regarding the prohibition on the use of GMOs. [I undertake to inform our customer and its control body/authority immediately if this declaration is withdrawn or modified, or if any information comes to light which would undermine its accuracy.] I authorise the control body or control authority, as defined in Article 2 of Council Regulation (EC) No 834/2007 which supervises our customer to examine the accuracy of this declaration and if necessary to take samples for analytic proof. I also accept that this task may be carried out by an independent institution which has been appointed in writing by the control body. The undersigned takes responsibility for the accuracy of this declaration".
Dies würde bedeuten, dass sich die Lieferanten von Erzeugnissen und Stoffen, für die es keine gesetzliche Pflichtkennzeichnung gibt, etwa Pflanzenschutzmittel, die aus GVO hergestellt wurden, zwar nicht dem gemeinschaftsrechtlichen Kontrollsystem für die ökologische Produktion unterstellen müssten, wohl aber Kontrollbesuche und Untersuchung ihrer betrieblichen Dokumentation dulden müssten. Dies aufgrund der in der Erklärung enthaltenen Unterwerfungserklärung, die eine vertragliche Verpflichtung zu Gunsten der genannten Kontrollbehörde oder –kontrollstelle bewirkt. Dieser Vertrag zu Gunsten eines Dritten hat wie der Kontrollvertrag gemäß Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe b privatrechtlichen Charakter, wenn er zu Gunsten einer privaten, für diesen Bereich nicht hoheitlich beliehenen Kontrollstelle geschlossen wird. Er hat öffentlich rechtlichen Charakter, wenn er zu Gunsten einer Behörde geschlossen wird, denn dann dient er dazu, zu Lasten des erklärenden Unternehmens ein Subordinationsverhältnis zu begründen.
Sollte bei der auf dieser Grundlage durchgeführten Kontrolle des Drittunternehmens festgestellt werden, dass die Erklärung nicht korrekt war, wird es deren Kosten zumindest dann zu tragen haben, wenn es sich nicht um eine Routinestichprobe, sondern um eine Untersuchung handelte, die durch bestimmte Wahrnehmungen ausgelöst worden war.
*5 Dies Ermächtigung der Kommission im Wege ihrer vom Rat delegierte Rechtssetzungbefugnis für den Erlass von Durchführungsvorschriften zu nutzen, ist mit der allgemeinen Ermächtigung nach Artikel 38 Satz 1 deckungsgleich. Allerdings muss sich die Kommission im Rahmen dessen halten, was diese Verordnung als Tiefe des Gentechnikverbotes vorgibt. Maßstab sind die Begriffe in dem Verständnis, das die Kommission und der Rat im Juli 2007 als zutreffend ansahen.
Artikel 10
Verbot der Verwendung
ionisierender Strahlung
Die Verwendung ionisierender Strahlung zur Behandlung ökologischer/biologischer Lebens- oder Futtermittel oder der in ökologischen/biologischen Lebens- oder Futtermitteln verwendeten Ausgangsstoffe ist verboten. *1
Kommentierung des Artikel 10
*1 Die Legaldefinition dieser Verordnung (vgl. Kommentierung des Artikel 2 *27) schränkt die Wirkung des Verbots etwas ein. Die Verwendung - zu Untersuchungs- und Prüfzwecken.
KAPITEL 2
Landwirtschaftliche Erzeugung
Artikel 11
Allgemeine Vorschriften für die landwirtschaftliche Erzeugung
Der gesamte landwirtschaftliche Betrieb ist nach den Vorschriften für die ökologische/biologische Produktion zu bewirtschaften. *1
Im Einklang mit besonderen Bestimmungen, die nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren festzulegen sind, kann ein Betrieb jedoch in deutlich getrennte Produktionseinheiten oder, im Falle der Aquakultur, Produktionsstätten aufgeteilt werden, die nicht alle nach den Vorschriften für die ökologische/biologische Produktion wirtschaften*2. Dabei muss es sich bei Tieren um verschiedene Arten handeln. Bei der Aquakultur kann dies die gleiche Art betreffen, sofern eine angemessene Trennung zwischen den Produktionsstätten besteht. Bei Pflanzen muss es sich um verschiedene leicht zu unterscheidende Sorten handeln. *3
Wirtschaften gemäß Absatz 2 nicht alle Einheiten des Betriebs ökologisch/biologisch, muss der Unternehmer die Flächen, Tiere und Erzeugnisse, die in den ökologischen/biologischen Betriebseinheiten genutzt bzw. erzeugt werden, von den Flächen, Tieren und Erzeugnissen, die in den nichtökologischen/nichtbiologischen Einheiten genutzt bzw. erzeugt werden, getrennt halten und über die Trennung in angemessener Weise Buch führen. *4
Kommentierung des Artikel 11
*1 Der „gesamte Betrieb" meint nicht „die Betriebe" eines Unternehmens. Dass ein Unternehmen verschiedene Betriebe, manche ökologisch, manche nichtökologisch führen kann, ist hier nicht angesprochen. Diese Betriebe müssen allerdings deutlich von einander getrennt sein.
Hier geht es um die von den Ökolandbauverbänden erhobene Forderung, dass ein Betrieb mit einem schlüssigen Konzept der Produktionskreisläufe als Ganzes stimmig und nachhaltig ökologisch geführt werden muss. Die Vorschrift des Artikel 11 Absatz 1 dieser Verordnung wirkt so, als habe der Gemeinschaftsgesetzgeber das Prinzip der Gesamtbetriebsumstellung nun als Regel vorgesehen, von der aber durch Kommissionsverordnung wieder abgewichen werden kann.
*2 Hier wird aber vorgesehen, dass durch Kommissionsverordnung das Führen ökologischer und nichtökologischer „Produktionseinheiten" in einem „Betrieb" zugelassen sein kann, wenn diese hinreichend „getrennt" sind. Für die Aquakultur wird hingegen die „Aufteilung" der „Produktionsstätten", also eine räumliche Trennung durch Ansiedlung an verschiedenen Betriebstätten verlangt. Der Gemeinschaftsgesetzgeber scheint zu meinen, die Aquakultur bedürfe strengerer Trennung konventioneller und ökologischer Produktion als andere Betriebsarten. Artikel 34 des Entwurfs für eine Kommissionsverordnung sieht dementsprechend die Parallelproduktion vor.
*3 Bei paralleler ökologischer und konventioneller Produktion wird die Unterscheidbarkeit durch die Haltung verschiedener Tierarten verlangt. Da bei der Aquakultur ohnehin die Aufteilung der ökologischen und der nichtökologischen Produktion auf verschiedene Betriebsstätten verlangt wird, soll der Einsatz der gleichen Art, wohl gerade eben nicht unterscheidbarer Tiere, in der Aquakultur zulässig sein. Bei der Pflanzenproduktion gilt der Einsatz leicht unterscheidbarer Sorten. Nach dem Zweck der Vorschrift wird sich die Unterscheidbarkeit auch auf die unverarbeiteten Ernteprodukte beziehen müssen.
Die Anforderungen dieser Vorschrift gelten nicht, wenn ein Unternehmen verschiedene Betriebe in der gleichen Region betreibt. Und auch nicht, wenn eine Person an verschiedenen Unternehmen in der gleichen Region beteiligt ist.
*4 Der Buchführung über die Trennung entspricht eine Kontrolle dieser Buchführung im Rahmen der Kontrolle der ökologisch geführten Einheit. „Angemessen" wird die Buchführung sein, wenn sie nachvollziehen lässt, dass Eingänge von in der ökologischen Produktion nicht zugelassenen Erzeugnissen und Stoffen, ausschließlich im nichtökologisch geführten Betriebsteil verwendet wurden. Auch sollte ein Vergleich der Ausgangsdokumentation der ökologischen Produktion mit jener der nichtökologischen Produktion zeigen, dass nicht etwa die Ernte dieser als die Ernte jener abverkauft wurde.
Artikel 12
Vorschriften für die
pflanzliche Erzeugung
(1) Neben den allgemeinen Vorschriften für die landwirtschaftliche Erzeugung des Artikels 11 gelten für die ökologische/biologische pflanzliche Erzeugung folgende Vorschriften*1:
a) Bei der ökologischen/biologi-schen pflanzlichen Erzeugung müssen Bodenbearbeitungs- und Anbauverfahren angewendet werden, die die organische Bodensubstanz erhalten oder vermehren, die Bodenstabilität und die biologische Vielfalt im Boden verbessern und Bodenverdichtung und Bodenerosion verhindern. *2
b) Fruchtbarkeit und biologische Aktivität des Bodens müssen durch mehrjährige Fruchtfolge, die Leguminosen und andere Gründüngungspflanzen einschließt, und durch Einsatz von aus ökologischer/biologischer Produktion stammenden Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft oder organischen Substanzen, die vorzugsweise kompostiert sind, erhalten und gesteigert werden. *3
c) Die Verwendung biodynamischer Zubereitungen ist zulässig. *4
d) Zusätzliche Düngemittel und Bodenverbesserer dürfen lediglich eingesetzt werden, wenn sie nach Artikel 16 für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen wurden. *5
e) Mineralische Stickstoffdünger dürfen nicht verwendet werden. *6
f) Alle verwendeten Anbauverfahren müssen dazu beitragen, Belastungen der Umwelt zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten. *7
g) Die Verhütung von Verlusten durch Schädlinge, Krankheiten und Unkräuter hat sich hauptsächlich auf den Schutz durch Nützlinge, geeignete Arten- und Sortenwahl, Fruchtfolge, Anbauverfahren und thermische Prozesse zu stützen. *8
h) Bei einer festgestellten Bedrohung der Kulturen dürfen lediglich solche Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, die nach Artikel 16 für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen wurden. *9
i) Für die Erzeugung anderer Erzeugnisse als Saatgut und vegetativem Vermehrungsmaterial darf nur ökologisch/biologisch erzeugtes Saatgut und Vermehrungsmaterial verwendet werden. Zu diesem Zweck muss die Mutterpflanze bei Saatgut bzw. die Elternpflanze bei vegetativem Vermehrungsmaterial mindestens während einer Generation oder bei mehrjährigen Kulturen für die Dauer von zwei Wachstumsperioden nach den Vorschriften dieser Verordnung erzeugt worden sein. *10
j) Bei der pflanzlichen Erzeugung dürfen nur solche Reinigungs- und Desinfektionsmittel eingesetzt werden, die nach Artikel 16 für die Verwendung in der ökologischen/ biologischen Produktion zugelassen wurden. *11
(2) Das Sammeln von Wildpflanzen und ihrer Teile, die in der freien Natur, in Wäldern und auf landwirtschaftlichen Flächen natürlich vorkommen, gilt als ökologische/biologische Produktion*12, sofern
a) diese Flächen vor dem Sammeln der Pflanzen mindestens drei Jahre nicht mit anderen als den nach Artikel 16 für die Verwendung in der ökologischen/biolo-gischen Produktion zugelassenen Mitteln behandelt worden sind; *13
b) das Sammeln die Stabilität des natürlichen Lebensraums und die Erhaltung der Arten in dem Sammelgebiet nicht beeinträchtigt. *14
(3) Die zur Durchführung der Erzeugungsvorschriften dieses Artikels erforderlichen Maßnahmen werden nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren erlassen. *15
Kommentierung des Artikel 12
*1 Die allgemeinen Vorschriften für die landwirtschaftliche Erzeugung beziehen sich auf die Frage der Gesamtbetriebsumstellung im Verhältnis zu Teilbetriebsumstellungen und damit einhergehender nichtökologischer und ökologischer Parallelproduktion. Artikel 11 enthält den Hinweis an die Kommission, von der ihr vom Rat delegierten Rechtssetzungsbefugnis in einer Durchführungsverordnung dahingehend Gebrauch zu machen, vom Leitbild der Gesamtbetriebsumstellung abzuweichen und Teilbetriebsumstellungen unter der Bedingung angemessener Trennung zuzulassen.
*2 Als Schutzgüter, die durch die ökologische pflanzliche Erzeugung gewahrt und gefördert werden, sind hier aufgeführt: Organische Bodensubstanz, Bodenstabilität, biologische Vielfalt im Boden, Bodenverdichtung und Bodenerosion. Hier wird die Steigerung der Biodiversität des Edaphons verlangt. Das Edaphon, die Gesamtheit der Bodenlebewesen, ist eine Determinante der Bodenfruchtbarkeit. Mikroorganismen, Würmer und Insektenlarven, Flechten und Moose tragen durch ihre Abbauleistungen zur Versorgung der Kulturpflanzen mit mineralisierten Nährstoffen bei.
Die Mikrobiologie des Bodens kaum erforscht. Nur wenige Mikroorganismen der Zellen, die mikroskopisch beobachtet werden können, lassen sich im Labor kultivieren. PCR-Analysen der im Boden vorhandenen Erbinformation führen zur Schätzung von 10.000 genetisch verschiedenen Prokaryoten in einer Handvoll Erde. Wenn man konservativ einen Wirkungsbereich des Edaphons von fünfzehn Zentimetern annimmt würde das aktive Volumen eines Hektars (Fläche von 100 m Länge und 100 m Breite) 1.500 Kubikmeter ausmachen. Wenn man von einer Dichte von etwa 0.0013 Kilogramm pro Kubikmeter ausgeht, führt dies zu einem Gesamtgewicht des hier angenommenen biologisch aktiven Bodens von 2000 Tonnen pro Hektar. Die Biomasse der Viren beträgt danach 10 Kilogramm pro Hektar, die der Bakterien 2 Tonnen, der Pilze 5 Tonnen, die der Protozoen 0,5 Tonnen, die der Nematoden 0,2 Tonnen und die der Erdwürmer 2,5 Tonnen. In einem Kubikzentimeter Boden sind etwa 1 Milliarde Viren präsent, 90 Mio. Bakterien, 200.000 Pilze, 30.000 Algen, 5.000 Protozon, 30 Nematoden. Auf das Gramm Boden werden 1011 Bakterien geschätzt und insgesamt im Edaphon etwa 4 x 106 verschiedener protozoische Taxa.
Die Erhaltung oder Veränderung sind Ziele, die einerseits durch die angewendeten "Bodenbearbeitungs-" und die "Anbauverfahren" verfolgt werden. Diese Verpflichtung steht nicht unter dem Vorbehalt der Konkretisierung durch eine Kommissionsverordnung, sondern wirkt unmittelbar mit der Folge, dass die landwirtschaftlichen Erzeuger ihre ökologischen Betriebspläne so gestalten müssen, dass nachvollziehbar wird, wie sie diesen Gütern gerecht werden. Spiegelbildlich gehört es zum Pflichtenkreis der Zertifizierungsstellen, die Konformitätsprüfung an diesen gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen auszurichten und die darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe sachverständig auszulegen. Die Zusammenstellung des der Zertifizierungsentscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts, die nicht erkennen lässt, welche Feststellungen zu diesen Tatbestandsmerkmalen getroffen wurden, wäre ungenügend.
*3 Das Gleiche gilt für das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Mehrung der "Fruchtbarkeit und biologischen Aktivität des Bodens" durch eine "mehrjährige Fruchtfolge". Ebenfalls für den Einschluss von "Leguminosen und anderen Gründüngungspflanzen" in dieser Fruchtfolge. Schließlich gehört zu den unmittelbar verbindlichen gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen der Einsatz von "Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft" und zwar aus "ökologischer/biologischer Produktion oder, alternativ, "organischen Substanzen", diese dadurch qualifiziert, dass sie "vorzugsweise kompostiert" sind. Die "Fruchtbarkeit und biologische Aktivität des Bodens" muss also einerseits durch die Fruchtfolge, andererseits durch den Einsatz von Wirtschaftsdüngern erfolgen. Diese Tatbestandsmerkmale sind auch ohne Umsetzung in einer Kommissionsverordnung unmittelbar für jeden landwirtschaftlichen Erzeuger verpflichtend und von der Kontrollstelle daher nicht nur zu prüfen, sondern auch in den Sachverhaltsfeststellungen, die der Konformitätsentscheidung nach der EN 45011 zugrundegelegt werden, zu dokumentieren.
*4 "Biodynamische Zubereitungen" werden in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft eingesetzt. Sie wurde vom Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, durch seinen landwirtschaftlichen Kursus Pfingsten 1924 auf dem Gut Kopperwitz in der Nähe von Breslau begründet. Steiner beschrieb einen "landwirtschaftlichen Organismus". Eine dem Wesen der Tiere gerechte Fütterung, aber auch die Belebung des Bodens, sowie die Gewährleistung dauerhafter Bodenfruchtbarkeit wurden behandelt. Biologisch-dynamische Präparate sollen nach der Praxis des biologisch-dynamischen Landbaus einerseits die Wirkung von Nährstoffen verstärken, andererseits aber auch Licht und Wärme sowie deren durch den Kosmos beeinflusste Veränderungen. Die Präparate werden teilweise den ausgebrachten Wirtschaftsdüngern zum Ausbringen auf dem Boden beigefügt, etwa als Löwenzahn-, Brennnessel- oder ähnliche Kräuterpräparate. Eine Schachtelhalmzubereitung und Aschenpräparate dienen zum Vorgehen gegen Schädlinge. Die biologisch-dynamischen Präparate müssen nach den Richtlinien des Demeter-Verbandes eingesetzt werden. Es stellen nicht alle Demeter-Landwirte die Präparate selbst her. Sie können sie auch von anderen, meist erfahrenen Kollegen erhalten und nach ihren Bedürfnissen ausbringen. Die ausgebrachten Mengen sind gering, so dass Beobachter häufig den Vergleich zu Homöopathie ziehen.
Der Einsatz der biologisch-dynamischen Präparate erhöht nach den durch das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FibL) aus Auswertung des DOK-Versuchs, eines Vergleichs von biologisch-dynamischem, ökologischem und konventionellem Anbau, publizierten Ergebnissen die Bodenfruchtbarkeit gemessen an der Biomasse der Regenwürmer, der Diversität von Beikraut- und Laufkäferarten. Wenn biologisch-dynamische Zubereitungen unter Verwendung von tierischen Erzeugnissen der Jagd oder Rinderhörnern aus konventioneller Produktion hergestellt werden, stellt dies ihre Verwendung in der ökologischen Produktion nicht in Frage, denn Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c wirkt als Positivlistung. Es bedarf daher auch keiner Behandlung der biologisch-dynamischen Präparate als Ökoprodukte im Sinne dieser Verordnung, um sie von Landwirten, welche die Präparate zubereiten, an Landwirte abzugeben, die sie einsetzen. Es genügt die Angabe, dass es sich um biologisch-dynamische Präparate handelt, die nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c dieser Verordnung im verordnungskonformen Pflanzenbau zum Einsatz gelangen können.
*5 Dies wird durch die Vorgabe, dass "zusätzliche" Düngemittel und Bodenverbesserer nur im Rahmen von Positivlistungen von Artikel 16 eingesetzt werden dürfen. Hier liegt ein Verwendungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt durch die Aufnahme in die "beschränkten Verzeichnisse" des Artikel 16 vor.
*6 "Mineralische Stickstoffdünger" dürfen nicht verwendet werden. Da Düngemittel ohnehin einem Verwendungsverbot unter Erlaubnisvorbehalt nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d unterliegen, hat diese Vorgabe ihren Sinn nur darin, das Verhalten der Kommission zu steuern, wenn sie von ihrer vom Rat delegierten Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch macht, Durchführungsvorschriften durch Kommissionsverordnungen zu erlassen. Stickstoffverbindungen in organischen Substanzen werden durch Mikroorganismen im Boden zu Nitrat minimalisiert. Die Bodenbakterien Nitrosomonas bilden Nitrit und die Nitrobacter Nitrat. Leguminosen wie Erbse, Bohne und Lupine können durch die mit ihren Wurzeln symbiotisch lebenden Rhizobium leguminosarum (Knöllchen) Luftstickstoff binden und einlagern. Der Leguminosenanbau und das Einarbeiten der Pflanzen führt über die Mineralisierung der organischen Substanzen zur Steigerung des Bodenstickstoffgehalts: "Mineralische" Stickstoffdünger meint hier offenbar die anorganischen Verbindungen, die als Stickstoffdünger eingesetzt werden. Harnstoff ist doch das bedeutendste Stickstoffdüngemittel. Es wird aus Erdgas gewonnen, wobei auf die Wasserstoff- und Ammoniakgewinnung die Harnstoffsynthese folgt. Harnstoff ist eine organische Verbindung. Als solche fällt sie nicht in das Tatbestandsmerkmal der "mineralischen Stickstoffdünger". Zu den mineralischen Stickstoffdüngern gehört Kaliumnitrat (Kalisalpeter), das Kaliumsalz der Salpetersäure.
*7 Eine Minimierung der Umweltbelastung wird hier als unmittelbar verbindliche Pflicht formuliert. Dem entspricht, dass die Minimierung etwa von Nitratemissionen ins Grundwasser Gegen-stand der Anbauplanung, der Sachverhaltsermittlung für die Konformitätsprüfung und Gegenstand der Konformitätsentscheidung selbst sein muss.
*8 "Schädlinge, Krankheiten und Unkräuter" müssen "hauptsächlich" durch "Nützlinge, geeignete Arten- und Sortenwahl, (geeignete) Fruchtfolge, (geeignete) Anbauverfahren und thermische Prozesse" gestützt werden. Mit "thermischen Prozessen" ist der Einsatz von Flammgeräten zur Beikrautkontrolle gemeint.
*9 Hier wird ein Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln unter dem Vorbehalt der Erlaubnis durch Positivlistung formuliert, aber nur unter der Bedingung einer "festgestellten Bedrohung der Kulturen". Damit würde ein präventiver Einsatz von Gelatine als Insektizid, von Lecithin als Fungizid oder eines Pflanzenöls wie Minzöl als Akarizid nur dann vereinbar sein, wenn das Tatbestandsmerkmal "Bedrohung" auch schon bei einer Möglichkeit aufgrund Vorerfahrung gegeben ist, die es ökologisch wirtschaftenden Landwirten ratsam erscheinen lässt, die positivgelisteten, offensichtlich umweltunschädlichen präventiven Pflanzenschutzmittel zum Einsatz zu bringen. Eine enge Auslegung wäre mit dem Prinzip der vorsorgenden Prävention weit im Vorfeld einer Bestandsbedrohung unvereinbar.
*10 Hier wird die Verwendung von Saatgut und vegetativem Vermehrungsmaterial aus ökologischer Produktion verlangt. Dies ohne Einschränkung. Es handelt sich um eine unmittelbar für landwirtschaftliche Erzeuger begründete Pflicht, welche die Kontrollstellen in ihrer Konformitätsprüfung nach der EN 45011 ebenfalls unmittelbar verpflichtet. Das Saatgut muss von Pflanzen in einer Kultur stammen, die von der Feldbereitung für die Aussaat über die Aussaat und die gesamte Vegetationsperiode bis zur Ernte des Saatguts ökologisch geführt wurde.
*11 Hier findet sich ein Verbot des Einsatzes von "Reinigungs- und Desinfektionsmitteln" in der pflanzlichen Erzeugung. Es findet sich aber kein Verbot für den Einsatz von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln für die Verarbeitung von pflanzlichen Erzeugnissen. Dies hat zur Folge, dass das Verbot seine Grenze dort hat, wo von der landwirtschaftlichen Erzeugung zur Verarbeitung übergegangen wird. Es handelt sich um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt durch die Positivlistung, wie sie in Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe f vorgesehen ist.
*12 Hier wird das "Sammeln von Wildpflanzen" als ökologische Produktion gesetzlich fingiert. Dies steht in einem gewissen Zusammenhang zur Überlegung, dass schlichtes Nichtstun, etwa "Organic by Default" keine ökologische Produktion sei. Die Kritik zielt hier insbesondere auf Bewirtschaftungspraktiken, nach denen früher intensiv genutzte landwirtschaftliche Flächen, etwa Teeplantagen, praktisch keiner aktiven Bewirtschaftung mehr unterworfen werden, Ernteprodukte aber bezogen werden, ohne dass Nährstoffe durch kompostierte Pflanzenmaterialien zugeführt und die Bodenfruchtbarkeit nachhaltig erhalten bleibt.
Hier geht es aber darum, dass das Sammeln von Pflanzen, die nicht in Kulturen produziert werden, als ökologische Produktion gelten soll, wenn bestimmte Bedingungen vorliegen. Dabei soll es sich um "Wildpflanzen", also Spontanvegetation handeln und nicht um Vegetation, die durch Aussaat oder ähnliche Bewirtschaftungsmaßnahmen angesiedelt wurden. Letztlich ist hier aber nicht entscheidend, ob die "Wildpflanzen" aufgrund anthropogener Eingriffe am entsprechenden Standort vorhanden sind, sondern ob sie Teil von landwirtschaftlichen Kulturen sind, die unter Kontrolle des Erzeugers stehen. Hier geht es darum, dass der Gesetzgeber klarstellt, dass auch Kulturen, die nicht unter der Kontrolle des Erzeugers stehen, unter den nachfolgend definierten Bedingungen Ausgangspunkt ökologischer Produktion sein sollen. Allerdings muss es sich um funktionierende, nichtkultivierte Ökosysteme und nicht um schlicht aufgelassene Flächen, früher genützte Flächen, beispielsweise deprivierte Teeplantagen, handeln. Solche Gebiete können nur durch aktive Bewirtschaftung in die ökologische Produktion einbezogen werden.
*13 Hier wird verlangt, dass die Verwendungsverbote des ökologischen Landbaus auf den Flächen, also nicht nur auf den Pflanzen, sondern den Flächen, auf denen die Pflanzen stehen, beachtet wurden. Dies wenigstens drei Jahre vor dem Sammeln der Pflanzen.
*14 Schließlich wird verlangt, dass die "Stabilität des natürlichen Lebensraums" nicht beeinträchtigt wird. Außerdem die "Erhaltung der Arten". Diese Beschreibung überrascht, denn damit wird nicht die Erhaltung des Bestands der gesammelten Art verlangt, sondern die schlichte Erhaltung im Sammelgebiet. Hier ist das Tatbestandsmerkmal eher streng im Sinne der nachhaltigen Bewirtschaftung eines auf Dauer zu sichernden Bestandes zu verstehen, weil eine engere Auslegung des Tatbestandsmerkmals dem Zweck der Vorschrift, die nachhaltige Bewirtschaftung zu gewährleisten, zuwiderlaufen würde.
*15 Hier findet sich, wie in vielen Artikeln dieser Verordnung überflüssig wiederholt, die generelle Ermächtigung der Kommission, Durchführungsverordnungen als Kommissionsverordnungen mit der Beteiligung der Mitgliedstaaten im Verfahren nach Artikel 37 zu erlassen, wie sich diese Ermächtigung schon in Artikel 38 Absatz 1 findet.
Artikel 13
Vorschriften für die
Erzeugung von Meeresalgen
(1) Das Sammeln von im Meer natürlich vorkommenden wild wachsenden Algen und ihrer Teile gilt als ökologische/biologische Produktion*1, sofern
a) die betreffenden Gewässer von hoher ökologischer Qualität im Sinne der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (1) und von einer Qualität sind, die bezeichneten Gewässern im Sinne der noch umzusetzenden Richtlinie 2006/113/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die Qualitätsanforderungen an Muschelgewässer (2) entspricht und in gesundheitlicher Hinsicht nicht ungeeignet sind*2. Solange im Rahmen von Durchführungsbestimmungen keine detaillierten Vorschriften erlassen wurden, dürfen wild wachsende essbare Algen nicht in Gebieten gesammelt werden, die nicht den Kriterien für die Gebiete der Klasse A oder der Klasse B im Sinne des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit besonderen Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs (3) genügen; *3
(1) ABl. L 327 vom 22.12.2000, S. 1. Geändert durch die Richtlinie Nr. 2455/2001/EG (ABl. L 331 vom 15.12.2001, S. 1).
(2) ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 14.
(3) ABl. L 139 vom 30.4.2004, S. 206. Berichtigung im ABl. L 226 vom
25.6.2004, S. 83.
b) das Sammeln die langfristige Stabilität des natürlichen Lebensraums oder die Erhaltung der Arten im Sammelgebiet nicht beeinträchtigt. *4
(2) Die Algenzucht erfolgt in Küstengebieten, deren Umwelt und Gesundheitsmerkmale mindestens den in Absatz 1 beschriebenen Merkmalen entsprechen müssen, um als ökologisch/biologisch gelten zu können*5; ferner
a) sind auf allen Stufen der Erzeugung von der Sammlung von Jungalgen bis zur Ernte nachhaltige Praktiken anzuwenden; *6
b) sind regelmäßig Jungalgen in freien Gewässern zu sammeln, um den Zuchtbestand in Innenanlagen zu ergänzen und sicherzustellen, dass ein großer Genpool erhalten bleibt; *7
c) dürfen außer in Innenanlagen keine Düngemittel verwendet werden; es dürfen nur solche Düngemittel eingesetzt werden, die nach Artikel 16 für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zu diesem Zweck zugelassen wurden. *8
(3) Die zur Durchführung der Produktionsvorschriften dieses Artikels erforderlichen Maßnahmen werden nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren erlassen. *9
Kommentierung des Artikel 13
*1 So wie die Wildsammlung von Pflanzen in Artikel 12 Absatz 2 im Wege der gesetzlichen Fiktion als "ökologische/biologische Produktion" behandelt wird, wird das Sammeln von Algen im Meer als "ökologische/biologische Produktion" gesetzlich gewertet. "Sammeln" ist das Zusammenführen zum Zwecke der Verwertung. Verlangt ist nicht das Sammeln "im Meer", sondern das Sammeln "von im Meer" "natürlich vorkommenden" und "wild wachsenden" Algen, aber nicht nur von diesen, sondern auch von ihren "Teilen". Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte zu einem Sachverhalt, der nach der Vorgängerverordnung zu bewerten war, entschieden, dass es keine Verwertung von Algen sei, wenn nicht mehr lebende Algen, die teilweise etwa schon auf ihr Kalkgerüst durch Wettereinwirkung reduziert waren, am Ufer gesammelt wurden. Der Text der neuen Verordnung stellt klar, dass auch das Sammeln abgestorbener Algenteile zur ökologischen Produktion gehört.
*2 Die "betreffenden Gewässer", also jene, aus denen die gesammelten Algen stammen, müssen "von hoher ökologischer Qualität" sein. Diese Qualität soll in der Richtlinie 2000/60/EG bestimmt sein. Es handelt sich um die Rahmenrichtlinie für die Wasserpolitik. Danach wird ein Gemeinschaftsrahmen für den Schutz und die Bewirtschaftung von Gewässern festgelegt. Die Rahmenrichtlinie gilt für Küstengewässer. Es handelt sich um die Oberflächengewässer auf der landwärtigen Seite einer Linie, auf der sich jeder Punkt eine Seemeile seewärts vom nächsten Punkt der Basislinie befindet, von der aus die Breite der Hoheitsgewässer gemessen wird, gegebenenfalls bis zur äußeren Grenze eines Übergangsgewässers. Übergangsgewässer ist der Oberflächenwasserkörper in der Nähe von Flussmündungen, die aufgrund ihrer Nähe zu den Küstengewässern einen gewissen Salzgehalt aufweisen, aber im Wesentlichen von Süßwasserströmungen beeinflusst werden.
Die Richtlinie zielt auf eine Bewirtschaftung der Binnenoberflächengewässer, des Grundwassers, der Übergangsgewässer und der Küstengewässer mit dem Ziel, deren Verschmutzung zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten müssen Bewirtschaftungspläne für alle Wasserkörper aufstellen. Diese Verordnung nimmt auf die nicht gerade klaren gesetzlichen Tatbestände der Richtlinie Bezug, weil die Kommission während der Erarbeitung dieser Verordnung wohl gerade damit beschäftigt war, einen Bericht über die erste Stufe der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG zu erstellen. Er wurde am 22. März 2007 veröffentlicht.
Artikel 2 der Richtlinie definiert den Begriff "ökologischer Zustand" unter Nummer 21 als: "Die Qualität von Struktur und Funktionsfähigkeit aquatischer, in Verbindung mit Oberflächengewässern stehender Ökosysteme gemäß der Einstufung nach Anhang V". Unter Nummer 22 wird "guter ökologischer Zustand" definiert als: "Der Zustand eines entsprechenden Offenflächenwasserkörpers gemäß der Einstufung nach Anhang V". Eine Definition für "hohe ökologische Qualität", wie sie in Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe a Satz 1 angesprochen ist, findet sich in der Richtlinie nicht. Ihr Anhang V enthält im Abschnitt 1.2 "normative Begriffsbestimmungen zur Einstufung des ökologischen Zustands". Die Tabelle mit "allgemeinen Begriffsbestimmungen für den Zustand von Flüssen, Seen, Übergangsgewässern und Küstengewässern" nennt in der ersten Spalte als "sehr guten Zustand": „Die taxonomische Zusammensetzung des Phytoplanktons entspricht vollständig oder nahezu vollständig den Bedingungen bei Abwesenheit störender Einflüsse. Die durchschnittliche Abundanz des Phytoplanktons entspricht voll und ganz den typspezifischen physikalisch-chemischen Bedingungen und ist nicht so beschaffen, dass dadurch die typspezifischen Bedingungen für die Sichttiefe signifikant verändert werden. Planktonblüten treten mit einer Häufigkeit und Intensität auf, die den typspezifischen physikalisch-chemischen Bedingungen entspricht". Als "guten Zustand" nennt sie: „Die planktonischen Taxa weichen in ihrer Zusammensetzung und Abundanz geringfügig von den typspezifischen Gemeinschaften ab. Diese Abweichungen deuten nicht auf ein beschleunigtes Wachstum von Algen hin, das das Gleichgewicht der in dem Gewässer vorhandenen Organismen oder die physikalisch-chemische Qualität des Wassers oder Sediments in unerwünschter Weise stören würde. Es kann zu einem leichten Anstieg der Häufigkeit und Intensität der typspezifischen Planktonblüten kommen".
Weitere Angaben folgen für die Bewertung eines "mäßigen Zustands" und für Gewässer, deren Zustand schlechter als mäßig ist.
Es folgen weitere Kriterien für die Bewertung eines "sehr guten Zustandes" und eines "guten Zustandes", aufgeteilt nach Phytoplankton, Makrophyten und Phytobenthos, benthische wirbellose Fauna, Fischfauna und physikalisch-chemische Qualitätskomponenten, dort nach allgemeinen Bedingungen und nach spezifischen synthetischen Schadstoffen. Die Vorgaben für die Bewertung eines "sehr guten Zustandes" sind dementsprechend:
"Phytoplankton: Die taxonomische Zusammensetzung des Phytoplanktons entspricht vollständig oder nahezu vollständig den Bedingungen bei Abwesenheit störender Einflüsse. Die durchschnittliche Abundanz des Phytoplanktons entspricht voll und ganz den typspezifischen physikalisch-chemischen Bedingungen und ist nicht so beschaffen, dass dadurch die typspezifischen Bedingungen für die Sichttiefe signifikant verändert werden. Planktonblüten treten mit einer Häufigkeit und Intensität auf, die den typspezifischen physikalischchemischen Bedingungen entspricht. Makrophyten und Phytobenthos: Die taxonomische Zusammensetzung entspricht vollständig oder nahezu vollständig den Bedingungen bei Abwesenheit störender Einflüsse. Keine erkennbaren Änderungen der durchschnittlichen makrophytischen und der durchschnittlichen phytobenthischen Abundanz. Benthische wirbellose Fauna: Die taxonomische Zusammensetzung und die Abundanz entsprechen vollständig oder nahezu vollständig den Bedingungen bei Abwesenheit störender Einflüsse. Der Anteil störungsempfindlicher Taxa im Verhältnis zu robusten Taxa zeigt keine Anzeichen für eine Abweichung von den Werten, die bei Abwesenheit störender Einflüsse zu verzeichnen sind. Der Grad der Vielfalt der wirbellosen Taxa zeigt keine Anzeichen für Abweichungen von den Werten, die bei Abwesenheit störender Einflüsse zu verzeichnen sind. Fischfauna: Zusammensetzung und Abundanz der Arten entsprechen vollständig oder nahezu vollständig den Bedingungen bei Abwesenheit störender Einflüsse. Alle typspezifschen störungsempfindlichen Arten sind vorhanden. Die Altersstrukturen der Fischgemeinschaften zeigen kaum Anzeichen anthropogener Störungen und deuten nicht auf Störungen bei der Fortpflanzung oder Entwicklung irgendeiner besonderen Art hin".
Zu den physikalisch-chemische Qualitätskomponenten wird vorgegeben: „Allgemeine Bedingungen: Die Werte für die physikalisch-chemischen Komponenten entsprechen vollständig oder nahezu vollständig den Werten, die bei Abwesenheit störender Einflüsse zu verzeichnen sind. Die Nährstoffkonzentrationen bleiben in dem Bereich, der normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse festzustellen ist. Salzgehalt, ph-Wert, Säureneutralisierungsvermögen und Temperatur zeigen keine Anzeichen anthropogener Störungen und bleiben in dem Bereich, der normalerweise bei Abwesenheit störender Einflüsse festzustellen ist".
Zu den „Spezifischen synthetischen Schadstoffen": "Konzentrationen nahe Null oder zumindest unter der Nachweisgrenze der allgemein gebräuchlichen fortgeschrittensten Analysetechniken".
Bezüglich der spezifischen synthetischen Schadstoffe lauten die Kriterien für die Bewertung als "guter Zustand": "Konzentrationen nicht höher als die Umweltqualitätsnormen, die nach dem Verfahren gemäß Randnummer 1.2.6 festgelegt werden, unbeschadet der Richtlinie 91/414/EG und der Richtlinie 98/8/EG".
Da weltweit ubiquitäre synthetische Schadstoffe in Wasser nachgewiesen werden und es an europäischen Küsten derart primitive Küstengewässer kaum gibt, ist die für diese Verordnung geforderte hohe ökologische Qualität jedenfalls nicht die des "sehr guten Zustands" der Richtlinie 2000/60/EG. Die Orientierung an den Nachweisgrenzen würde zur Untauglichkeit des Tatbestandmerkmals für Zwecke der Abgrenzung führen. Wenn man sich tatsächlich am Begriff "ökologischer Qualität" im Sinne eines "sehr guten Zustandes" nach dem Anhang V der Richtlinie orientieren würde, wären die Vorgaben ohne Sinn. Daher müssen sie mit einer sinnvollen teleologischen Reduktion interpretiert werden.
Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe a Satz 1 verweist im Sinne eines kumulativen, also zusätzlich zu berücksichtigenden Kriteriums auch noch auf die Richtlinie 2006/113/EG hin. Es handelt sich um die Richtlinie "über Qualitätsanforderungen an Muschelgewässer". Der zweite, kumulative Maßstab soll die Qualität von "bezeichneten Gewässern" im Sinne dieser Richtlinie sein. Hintergrund ist, dass nach dem sechsten Erwägungsgrund jener Richtlinie die Mitgliedstaaten "die Gewässer bezeichnen, auf die sie Anwendung findet". Artikel 3 der Richtlinie gibt vor, dass die Mitgliedstaaten "für die bezeichneten Gewässer Werte für die in Anhang I aufgeführten Parameter festlegen, die nach Artikel 3 Absatz 2 nicht weniger streng sein dürfen, als die in Spalte E des Anhang I angegebenen Werte. Danach muss der pH-Wert zwischen 7 und 9 liegen.
Zur Färbung gilt: "Die Farbe des Wassers nach Filtrierung, die sich infolge einer Einleitung ergibt, darf in den von der Einleitung beeinflussten Muschelgewässern nicht mehr als 10 mg Pt/l von der in unbeeinflussten Gewässern gemessenen Farbe abweichen". Für den Schwebstoffgehalt: "Der Schwebstoffgehalt, der sich infolge einer Einleitung ergibt, darf in den von der Einleitung beeinflussten Muschelgewässern nicht mehr als 30 % über dem in unbeeinflussten Gewässern gemessenen Schwebstoffgehalt liegen". Für den Salzgehalt: "≤ 40 ‰ Die durch eine Einleitung verursachte Schwankung des Salzgehalts darf in den durch diese Einleitung beeinflussten Muschelgewässern 10 % des in den unbeeinflussten Gewässern gemessenen Salzgehalts nicht überschreiten". Für gelösten Sauerstoff angegeben mit Prozent des Sättigungswerts: "≥ 70 % (Mittelwert) Ergibt eine Einzelmessung einen Wert von weniger als 70 %, so werden die Messungen wiederholt. Bei einer Einzelmessung darf sich nur dann ein Wert von weniger als 60 % ergeben, wenn hierdurch die Entwicklung des Muschelbestands nicht beeinträchtigt wird". Für Kohlenwasserstoffe aus Erdöl: "Kohlenwasserstoffe dürfen nicht in so großen Mengen in den Muschelgewässern vorhanden sein, dass sie — einen sichtbaren Film an der Wasseroberfläche und/oder eine Ablagerung auf den Schalentieren hervorrufen — schädliche Auswirkungen auf die Schalentiere hervorrufen". Solange kein Ölfilm auf dem Wasser schwimmt, ist das Gewässer folglich für die ökologische Produktion tauglich. Bezüglich organohalogener Stoffe gibt die Richtlinie vor: " Die Konzentration keiner der genannten Stoffe im Muschelwasser oder im Muschelfleisch darf so hoch sein, dass sie schädliche Auswirkungen auf die Schalentiere und die Larven hat".
Bezüglich der Metalle Silber, Arsen, Cadmium, Chrom, Kupfer, Quecksilber, Nickel, Blei und Zink wird vorgegeben: Hier darf die Konzentration im Muschelfleisch nicht so hoch sein, dass dies schädliche Auswirkungen auf die Schalentiere hat. Es wird deutlich, dass die Anforderungen der Richtlinie 2000/60/EG deutlich weiter greifen als die der Qualitätsanforderungen aus der Richtlinie für Muschelgewässer. Dass der Gemeinschaftsgesetzgeber auf beide nebeneinander Bezug nimmt, ist schon erstaunlich und es verblüfft, dass Maßstab für die Belastung der Muscheln mit Schwermetallen und anderen Toxen deren Gesundheit und nicht die der Menschen, die sie verzehren, ist. Der Organismus dieser Meerestiere ist jedenfalls robuster als der der Menschen, wenn es um die Speicherung von Schwermetallen geht.
*3 In Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe a Satz 2 wird schließlich vorgegeben, dass, solange nicht durch eine Kommissionsverordnung Durchführungsvorschriften für diese Verordnung mit "detaillierten Vorschriften" erlassen wurden, "wildwachsende essbare Algen" nicht in Gebieten gesammelt werden, "die nicht den Kriterien für die Gebiete der Klasse a oder der Klasse b im Sinne des Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 854/2004" entsprechen. Hier wird ein viertes, nochmals kumulatives Kriterium für Gewässer, in denen Algen gesammelt werden können, formuliert. Eine unbeholfenere Gesetzgebungstechnik ist kaum denkbar, weil die drei Normensysteme und das Kriterium der Ungeeignetheit in gesundheitlicher Hinsicht nicht aufeinander bezogen sind, sondern den gleichen Sachverhalt mit ganz unterschiedlicher Tiefe und entsprechend unterschiedlichem Anforderungsgrad regeln. Für die Rechtsanwendung stellt sich das Problem, ob hier die höchste gemeinsame Anforderung Maßstab sein soll oder die geringste.
Die Verordnung (EG) Nr. 854/2004 formuliert in ihrem Anhang II für "lebende Muscheln" zum Zwecke der amtlichen Überwachung Kriterien für die "Einstufung von Erzeugungs- und Umsetzgebieten". Nach Anhang II Kapital II Teil A Nummer 3 kann die zuständige Behörde "diejenigen Gebiete in Klasse a einstufen, aus denen lebende Muscheln für den unmittelbaren Verzehr geerntet werden können. Lebende Muscheln aus diesen Gebieten müssen den Hygienevorschriften für lebende Muscheln gemäß Anhang III Abschnitt VII Kapitel V" einer Verordnung über Hygienevorschriften für lebende Muscheln entsprechen. Maßstab für die Zulässigkeit des Sammelns von Algen ist die Einstufung nach Klasse b. Nach der Nummer 4 des zitierten Anhangs können Gebiete in Klasse b eingestuft werden, " aus denen lebende Muscheln geerntet, aber erst nach Aufbereitung in einem Reinigungszentrum oder nach dem Umsetzen zum Verzehr in den Verkehr gebracht werden dürfen, damit sie den Hygienevorschriften gemäß Nummer 3 entsprechen. Bei lebenden Muscheln aus diesen Gebieten dürfen in einem 5-tube-3-dilution-MPN-Test maximal 4600 E.coli je 100 g Muschelfleisch und Schalenflüssigkeit nachweisbar sein".
Diese erstaunlich unstrukturierte Anhäufung von Verweisungen auf unvereinbare normative Maßstäbe ist so zu verstehen, dass bis zur spezialgesetzlichen Regelung durch eine Kommissionsverordnung zu dieser Verordnung die weitergehenden in diesen vier Normkomplexen gemeinsamen Maßstäbe gelten. Bei dieser eigentümlichen verwirrenden Regelungstechnik, stand offenbar die Freude an der Nutzung von Gemeinschaftsnormen im Vordergrund.
*4 Der Bezug auf die langfristige Stabilität sowohl des natürlichen Lebensraums wie auch der Erhaltung der Arten findet sich wortgleich auch für das Sammeln von Wildpflanzen in Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b. Es fällt auf, dass nicht die langfristige Stabilität des Bestands beeinträchtigt werden soll, sondern nur die Arten erhalten. Die Beschränkung auf den Maßstab der schlichten Erhaltung der gesammelten Art ist mit der Zielsetzung dieser Verordnung nicht vereinbar. Im Wege einer teleologischen Auslegung ist das Tatbestandsmerkmal der "langfristigen Stabilität" auch auf die Erhaltung des Bestandes der gesammelten Algen zu beziehen, zugleich aber auch auf den Bestand der Arten, die von ihrer Präsenz abhängen, sei es als Nahrungsquelle oder als Schutz.
*5 Artikel 13 Absatz 2 bezieht sich, anders als Absatz 1 nicht auf das Sammeln von Algen aus Wildbeständen, sondern auf die "Algenzucht". Durch Verweis auf Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe a wird als Voraussetzung für die Algenzucht formuliert, dass das Gewässer "mindestens" den in Absatz 1 beschriebenen Merkmalen entsprechen müsse. Da dort eine kaum übersehbare Fülle von Kriterien, die überwiegend miteinander nicht kompatibel sind und bezüglich ihrer Stringenz von einander abweichen, vorgegeben werden, ist vom geringsten gemeinsamen Nenner auszugehen.
*6 Es sollen "von der Sammlung von jungen Algen" bis "zur Ernte" nachhaltige Praktiken angewendet werden. Dies impliziert, dass in der Zucht von Algen nicht etwa in ökologischer Haltung vermehrte Jungalgen verwendet werden sollen, sondern Jungalgen, die aus Wildbeständen abgezogen werden.
*7 Dies wird in Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b dann auch als Forderung formuliert, nämlich mit dem Ziel, den "Genpool" der Pflanzen in der Zucht durch das Hineinführen von Jungalgen aus Wildbeständen zu ergänzen. Die Vorgabe ist allerdings nicht so zu verstehen, dass zwingend bei jedem neuen Produktionszyklus Jungalgen, die aus freien Gewässern abgefischt werden, zum Einsatz gelangen. Die gelegentliche Ergänzung der in den Zuchtpflanzen vorhandenen Erbinformation dürfte genügen.
*8 In Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe c findet sich einerseits ein vollständiges Düngeverbot für Außenanlagen. Andererseits findet sich die Vorgabe, dass in Innenanlagen nur solche Düngemittel eingesetzt werden dürfen, die positiv gelistet sind. Es handelt sich um ein Verwendungsverbot mit dem Erlaubnisvorbehalt der Positivlistung durch Kommissionsverordnung. Für Außenanlagen gilt, dass "keine Düngemittel" eingesetzt werden, was nach dem Wortlaut auch zertifizierte Dünger landwirtschaftlichen Ursprungs einschließt.
Die englische Fassung handelt von "indoor facilities". Damit wird klar, dass Düngemittel nur bei der Zucht von Meeresalgen in geschlossenen Systemen oder in Becken eingesetzt werden dürfen, die sich in einem Gebäude befinden.
Artikel 13 betrifft nur die Produktion von Meeresalgen. Die Spirulina platensis ist keine Meeresalge. Sie stammt aus stark alkalischen Binnengewässern, wie dem afrikanischen Tschadsee und am mexikanischen Texcoco-See. Die Blaualge Aphanizomenon flos-aquae und die Chlorella pyrenoidosa sind Süßwasseralgen.
Aus der japanischen Küche sind Combu, Wakame und Nori bekannt. Die ersten beiden sind Braunalgen, Nori sind Rotalgen der Arten Arten Porphyra yezoensis und Porphyra tenera. In Wales wird die Porphyra umbilicalis als "laverbread" verzehrt, auch "sloke" genannt. Die Alge wird an Felsküsten gesammelt.
Die Tatsache, dass Artikel 13 nur die Meeresalgen erfasst, findet sich in Artikel 42 Satz 2 reflektiert, wo vorgesehen ist, dass die Kennzeichnungs- und Kontrollvorschriften aus Artikel 23 und Titel V dieser Verordnung Anwendung finden, wobei, wenn mitgliedstaatliche Rechtsnormen fehlen, die akzeptierten oder anerkannten privaten Standards angewendet werden. "Akzeptiert" sind die Standards, welche die Verkehrspraxis prägen und damit auch Maßstab für das spezialgesetzliche lebensmittelrechtliche Irreführungsverbot und gegebenenfalls auch für das allgemeine wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot sind. "Anerkannt" sind Standards, die durch statische oder dynamische Verweisung in mitgliedstaatlichen Rechtsnormen in den Normenbestand des mitgliedstaatlichen Rechts aufgenommen wurden.
*9 Die Kommission ist mit dem Erlass von Durchführungsvorschriften als Kommissionsverordnung im Verfahren gemäß Artikel 37 beauftragt. Es handelt sich um die schlichte Wiederholung des allgemeinen Auftrags, wie er sich in Artikel 38 dieser Verordnung findet.
Artikel 14
Vorschriften für die
tierische Erzeugung
(1) Neben den allgemeinen Vorschriften für die landwirtschaftliche Erzeugung des Artikels 11 gelten für die ökologische/biologische tierische Erzeugung folgende Vorschriften*1:
a) Herkunft der Tiere*2:
i) Die ökologischen/biologischen Tiere müssen in ökologischen/ biologischen Betrieben geboren und aufgezogen worden sein. *3
ii) Nichtökologisch/nichtbiologisch aufgezogene Tiere können unter bestimmten Voraussetzungen zu Zuchtzwecken in den ökologischen/biologischen Betrieb eingestellt werden. Solche Tiere und von ihnen gewonnene Erzeugnisse können nach Einhaltung des in Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe c genannten Umstellungszeitraums als ökologisch/biologisch gelten. *4
iii) Tiere, die sich zu Beginn des Umstellungszeitraums in dem Betrieb befinden, und von ihnen gewonnene Erzeugnisse können nach Einhaltung des in Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe c genannten Umstellungszeitraums als ökologisch/biologisch gelten. *5
b) Haltungspraktiken und Unterbringung der Tiere*6:
i) Die Tierhalter müssen die nötigen Grundkenntnisse und -fähig-keiten in Bezug auf die Tiergesundheit und den Tierschutz besitzen. *7
ii) Die Haltungspraktiken, einschließlich Besatzdichte und Unterbringung, müssen den entwicklungsbedingten, physiologischen und ethologischen Bedürfnissen der Tiere gerecht werden. *8
iii) Die Tiere müssen ständigen Zugang zu Freigelände, vorzugsweise zu Weideland, haben, wann immer die Witterungsbedingungen und der Zustand des Bodens dies erlauben, es sei denn, es gelten mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang stehende Einschränkungen und Pflichten zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier. *9
iv) Der Tierbesatz muss so niedrig sein, dass Überweidung, Zertrampeln des Bodens, Erosion oder Umweltbelastung verursacht durch die Tiere oder die Ausbringung des von ihnen stammenden Wirtschaftsdüngers möglichst gering gehalten werden. *10
v) Ökologische/biologische Tiere müssen von anderen Tieren getrennt gehalten werden. Das Weiden ökologischer/biologischer Tiere auf Gemeinschaftsweiden und das Weiden nichtökologischer/ nichtbiologischer Tiere auf ökologischem/biologischem Grünland ist jedoch unter bestimmten restriktiven Bedingungen zulässig. *11
vi) Anbindung oder Isolierung der Tiere ist untersagt, außer wenn dies bei einzelnen Tieren aus Sicherheits-, Tierschutz- oder tierärztlichen Gründen gerechtfertigt ist und zeitlich begrenzt wird. *12
vii) Die Dauer von Tiertransporten muss möglichst kurz gehalten werden. *13
viii) Ein Leiden der Tiere, einschließlich Verstümmelung, ist während der gesamten Lebensdauer der Tiere sowie bei der Schlachtung so gering wie möglich zu halten. *14
ix) Der Standort von Bienenstöcken muss so gewählt werden, dass Nektar- und Pollenquellen vorhanden sind, die im Wesentlichen aus ökologisch/biologisch erzeugten Pflanzen oder gegebenenfalls aus Wildpflanzen oder nichtökologisch/nichtbiologisch bewirtschafteten Wäldern oder Kulturpflanzen bestehen, die nur mit Methoden bewirtschaftet werden, die eine geringe Umweltbelastung mit sich bringen. Der Standort von Bienenstöcken muss sich in ausreichender Entfernung von Verschmutzungsquellen befinden, die die Imkereierzeugnisse kontaminieren oder die Gesundheit der Bienen beeinträchtigen können. *15
x) Bienenstöcke und in der Bienenhaltung verwendetes Material müssen hauptsächlich aus natürlichen Stoffen bestehen. *16
xi) Die Vernichtung von Bienen in den Waben als Methode zur Ernte der Imkereierzeugnisse ist untersagt. *17
c) Züchtung*18:
i) Die Fortpflanzung hat auf natürlichem Wege zu erfolgen. Künstliche Befruchtung ist jedoch zulässig. *19
ii) Die Fortpflanzung darf außer im Rahmen einer therapeutischen tierärztlichen Behandlung eines einzelnen Tieres nicht durch die Behandlung mit Hormonen oder ähnlichen Stoffen eingeleitet werden. *20
iii) Andere Formen der künstlichen Fortpflanzung, wie zum Beispiel Klonen und Embryonentransfer, sind untersagt. *21
iv) Es sind geeignete Rassen auszuwählen. Die Wahl geeigneter Rassen trägt auch zur Vermeidung von Leiden und Verstümmelung der Tiere bei. *22
d) Futtermittel*23:
i) Die Futtermittel für die Tierhaltung sind hauptsächlich in dem Betrieb, in dem die Tiere gehalten werden, oder in anderen ökologischen/biologischen Betrieben im gleichen Gebiet zu erzeugen. *24
ii) Die Tiere sind mit ökologischen/biologischen Futtermitteln zu füttern, die dem ernährungsphysiologischen Bedarf der Tiere in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien entsprechen. Die Futterration kann teilweise Futtermittel enthalten, die aus Produktionseinheiten stammen, die sich in der Umstellung auf ökologischen/ biologischen Landbau befinden. *25
iii) Mit der Ausnahme von Bienen müssen die Tiere ständigen Zugang zu Weideland oder Raufutter haben. *26
iv) Nichtökologische/nichtbiologi-sche Futtermittelausgangserzeugnisse pflanzlichen Ursprungs, Futtermittelausgangserzeugnisse tierischen und mineralischen Ursprungs, Futtermittelzusatzstoffe, bestimmte Erzeugnisse für die Tierernährung und Verarbeitungshilfsstoffe dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie nach Artikel 16 für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen wurden. *27
v) Die Verwendung von Wachstumsförderern und synthetischen Aminosäuren ist untersagt. *28
vi) Junge Säugetiere müssen während der Säugeperiode mit natürlicher Milch, vorzugsweise mit der Milch der Muttertiere, gefüttert werden. *29
e) Krankheitsvorsorge und tierärztliche Behandlung*30:
i) Die Krankheitsvorsorge muss auf der Wahl geeigneter Rassen und Linien, Tierhaltungsmanagementmethoden, hochwertigen Futtermitteln und Auslauf, angemessener Besatzdichte und einer geeigneten und angemessenen Unterbringung unter hygienischen Bedingungen beruhen. *31
ii) Krankheiten sind unverzüglich zu behandeln, um ein Leiden der Tiere zu vermeiden; chemisch-synthetische allopathische Tierarzneimittel einschließlich Antibiotika dürfen erforderlichenfalls unter strengen Bedingungen verwendet werden, wenn die Behandlung mit phytotherapeutischen, homöopathischen und anderen Erzeugnissen ungeeignet ist. Insbesondere sind Beschränkungen in Bezug auf die Zahl der Behandlungen und Bestimmungen über die Wartezeiten festzulegen. *32
iii) Die Verwendung immunologischer Tierarzneimittel ist gestattet. *33
iv) Nach dem Gemeinschaftsrecht zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier vorgeschriebene Behandlungen sind zulässig. *34
f) Zur Reinigung und Desinfektion dürfen in Gebäuden und Anlagen, in denen die Tiere gehalten werden, lediglich Reinigungs- und Desinfektionsmittel verwendet werden, die nach Artikel 16 für die Verwendung in der ökologischen/ biologischen Produktion zugelassen wurden. *35
(2) Die zur Durchführung der Produktionsvorschriften dieses Artikels erforderlichen Maßnahmen und Bedingungen werden nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren erlassen.*36
Kommentierung des Artikel 14
*1 Artikel 14 verpflichtet Landwirte unmittelbar. Anders als die Vorschriften des Titel II, welche vornehmlich der Kommission einen Rahmen für die Nutzung ihr vom Rat delegierten Rechtssetzungskompetenzen bilden, verpflichten die Vorschriften des Titel III nach Artikel 8 "die Unternehmer" im Sinne von "Produktionsvorschriften". Es handelt sich daher bei den Vorschriften des Artikel 14 nicht um Zielbestimmungen, die erst durch "Durchführungsbestimmugen", wie sie in Artikel 8 genannt sind, konkretisiert werden müssen. Vielmehr gelten vorrangig die verbindlichen Regeln dieser Ratsverordnung und damit auch die Vorgaben des Artikel 12, und dann nachrangig und Details ausführend die Vorschriften einer entsprechenden Kommissionsverordnung, für die die Kommission im Januar 2008 einen Entwurf vorlegte.
*2 Zur Herkunft der Tiere enthält jener Entwurf in seinem Artikel 7 Regeln, die sich an jene des Anhang I Teil B der Vorgängerverordnung anlehnen.
*3 Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a Abschnitt i verlangt, dass Tiere für die ökologische Haltung in ökologischen Betrieben "geboren" worden sein müssen. Dies hat zur Folge, dass Tiere, die in ökologischen Betrieben von Müttern geboren werden, die aus konventioneller Haltung in diese Betriebe verbracht wurden, selbst als ökologisch gehalten behandelt werden. Die englische Fassung spricht von "shall be born", die französische Fassung entspricht dem. Geflügel "schlüpft" zwar aus dem Ei, so dass der Begriff "geboren" nicht passt. Der Begriff "geboren" wird aber für Geflügel so auszulegen sein, dass nicht der Zeitpunkt des Eierlegens, sondern des Schlüpfens aus dem Ei maßgeblich ist, denn dieses steht dem Geborenwerden bei Säugetieren gleich, da erst mit dem Schlüpfen ein eigenständiger lebensfähiger Organismus in den ökologischen Betrieb eintritt. So werden auch Fische, die von Fischeiern aus konventioneller Vermehrung stammen, als im ökologischen Betrieb geboren zu behandeln sein.
*4 Andere Tiere, also solche, die nicht schon in ökologischen Betrieben geboren wurden, können unter "bestimmten Voraussetzungen" in ökologischen Betrieben eingesetzt werden. Diese Voraussetzungen werden in der Ratsverordnung nicht normiert, sondern vielmehr ist Satz 2 als Auftrag an die Kommission zum Erlass von Durchführungsvorschriften als Kommissionsverordnung gemäß Artikel 14 Absatz 2 zu verstehen. Nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a Unterabschnitt ii Satz 1 soll die "Einstellung" von Tieren, die nicht in ökologischen Betrieben "geboren" wurden zu Zuchtzwecken möglich sein. Die englische Fassung handelt von "breeding purposes" und die französische von "à des fins de reproduction". "Plant breeding" bedeutet regelmäßig Pflanzenzucht, also nicht das Anbauen von Kulturpflanzen, um Ernteprodukte zu gewinnen, sondern die selektive Vermehrung, um Eigenschaften zu verbessern. "Animal breeding" ist regelmäßig als "Viehzucht" im Sinne von "Tierhaltung" zu übersetzen. Der durch Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a Unterabschnitt ii der Kommission gegebene Auftrag ist damit durch die Vorgabe eingegrenzt, das Einführen von Tieren, die nicht in ökologischen Betrieben geboren wurden, auf solche zu beschränken, deren Erbgut im Rahmen der Ausbildung neuer Eigenschaften in die Zucht von Tieren eingeführt werden soll. Andere Zwecke können mit dem Einführen nicht ökologisch aufgezogener Tiere in die ökologische Produktion ebenso verfolgt werden, beispielsweise die Erneuerung des Bestands nach einer Kalamität.
Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a Unterabschnitt ii zweiter Satz enthält einen Redaktionsfehler. Es wird auf den in Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe c genannten Umstellungszeitraum verwandt. Dort ist in Verbindung mit Artikel 17 Absatz 2 vorgegeben, dass die Kommission "je nach der Art der pflanzlichen oder tierischen Erzeugung" jeweils "spezifische Umstellungszeiträume" durch Kommissionsverordnung "festlegt". Allerdings sagt der einleitende Satz, dass hier Umstellungszeiträume angesprochen sind, die "für landwirtschaftliche Betriebe" gelten, "auf denen mit der ökologischen/biologischen Produktion begonnen wird". Beim Umstellungszeitraum, wie er hier in Artikel 14 angesprochen ist, geht es gerade nicht um die Umstellung von Tieren in Betrieben, auf denen mit der ökologischen Produktion begonnen wird, sondern in Betrieben, in deren ökologische Produktion nicht ökologisch aufgezogene Tiere eingestellt werden.
*5 Dies wird insbesondere deutlich, wenn der Vergleich zu Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a Unterabschnitt iii gezogen wird, denn hier werden Tiere angesprochen, "die sich zu Beginn des Umstellungszeitraums in dem Betrieb befinden". Hier passt dann auch die Verweisung auf Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe c, denn dort findet sich die Vorschrift an die Kommission durch Kommissionsverordnung "spezifische Umstellungszeiträume" für die verschiedenen Arten der pflanzlichen und tierischen Erzeugung für landwirtschaftliche Betriebe festzulegen, auf denen, so Artikel 17 Absatz 1, "mit der ökologischen/biologischen Produktion begonnen wird.
*6 Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b enthält Formulierungen, die als Ziele und Grundsätze verstanden werden könnten, wenn sie nach ihrer Stellung in Titel III dieser Verordnung und nach ihrem Wortlaut nicht als unmittelbar von den Unternehmen und damit auch von den sie kontrollierenden Kontrollstellen einzuhaltende Verpflichtungen zu verstehen wären. Was hier vorgegeben ist, muss Gegenstand des "Ergebnisberichts über die Konformität von allen Zertifizierungsanforderungen" sein, den insbesondere jede private Kontrollstelle als Zertifizierungsstelle gemäß Punkt 11 Buchstabe a der EN 45011 erstellt.
*7 Daraus folgt, dass die Zertifizierung die "nötigen Grundkenntnisse" und "Fähigkeiten" der Tierhalter "in Bezug auf die Tiergesundheit und den Tierschutz" prüfen muss. In Mitgliedstaaten, in denen die Landwirte überwiegend Berufsausbildungen nach staatlichen Ausbildungsplänen absolviert haben, wird diese regelmäßig Maßstab der Bewertung sein. Allerdings deutet das Tatbestandsmerkmal der "nötigen" Grundkenntnisse und -fähigkeiten daraufhin, dass allgemeine Kenntnisse in Bezug auf die Tiergesundheit und den Tierschutz nicht genügen, sondern dass es sich um Kenntnisse und Fähigkeiten handeln muss, die den besonderen Anforderungen der ökologischen Tierhaltung entsprechen. Insbesondere mit Blick darauf, dass die prophylaktische Gabe von Antibiotika abweichend von der konventionellen Tierhaltung untersagt und damit die Nutzung von Alternativen notwendig ist. Die Kenntnisse und Fähigkeiten zum Einsatz dieser Alternativen sind geeignet zu prüfen, etwa durch den Nachweis des Besuchs von fortbildenden Fachkursen oder entsprechender, gefestigter Berufserfahrung.
*8 Soweit diese Verordnung oder die Kommissionsverordnung mit Durchführungsvorschriften keine detaillierten Regeln zu den Haltungspraktiken, insbesondere zu Besatzdichten oder zur Unterbringung setzen, müssen die Tierhalter die unbestimmten Tatbestandsmerkmale der "entwicklungsbedingten, physiologischen und ethologischen Bedürfnisse der Tiere" selbst sachgerecht auslegen, und die Kontrollstellen müssen die Einhaltung der sachdienlich ausgelegten Tatbestandsmerkmale in eigener Verantwortung im Rahmen der Konformitätskontrolle überprüfen. Beide werden von dieser Verpflichtung nicht etwa dadurch entlastet, dass die Kommission bezüglich einzelner Tierarten oder bezüglich einzelner Aspekte der Besatzdichte oder Unterbringung von Tieren keine Regelung trifft. Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b Unterabschnitt ii verpflichtet zur sachverständigen Auslegung der unbestimmten Tatbestandsmerkmale dieser Norm, die unmittelbar Verpflichtungswirkung entfaltet.
*9 Es wird eine Verpflichtung normiert, "ständigen Zugang zum Freigelände" zu gewährleisten. Dies allerdings unter der Einschränkung, dass dies nur gilt, wenn "die Witterungsbedingungen" und "der Zustand des Bodens" dies "erlauben". Es muss der Tierhalter diese unbestimmten gesetzlichen Tatbestandsmerkmale sachdienlich auslegen, und die Kontrollstelle muss sie sachverständig überprüfen. Da es sich um Tatbestände handelt, die dazu dienen, eine gesetzliche Pflicht einzuschränken, muss die Kontrollstelle im Rahmen der Zertifizierungsentscheidung zur Festlegung gelangen, dass, wenn der ständige Zugang zum Freigelände nicht gewährt wurde, dies wegen entsprechender Witterungsbedingungen oder wegen eines entsprechenden Bodenzustandes geschah, nicht aber aus anderen Gründen.
Damit wäre die Stallhaltung während der Nacht durch diese Tatbestandsmerkmale nicht gerechtfertigt, wenn sie zum Schutz der Tiere vor Raub dient. Es findet sich in dieser Vorschrift aber die weitere Einschränkung, dass der ständige Zugang zum Freigelände nicht nur den beiden genannten einschränkenden Tatbestandsmerkmalen unterliegt, sondern der weiteren Einschränkung durch "mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang stehende Einschränkungen und Pflichten zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier". Diese Einschränkung zielt offenbar eher auf Stallhaltung, die zum Schutz vor Epidemien in Wildtierbeständen angeordnet wird, als auf den individuellen Schutz von Tierbeständen in ökologischer Haltung etwa vor nachtaktiven Raubtieren. Da der Tierschutz ein zentrales Schutzgut dieser Verordnung ist, wird es richtig sein die Verordnung so auszulegen, dass auch der Schutz von Geflügel vor nachtaktiven Füchsen das Verwehren des Zugangs zum Freigelände rechtfertigt.
*10 Für den Tierbesatz wird eine verpflichtende Vorgabe formuliert, die sich an möglichen Schäden eines zu hohen Besatzes orientiert. Auch die Geringhaltung der Ausbringung von Wirtschaftsdünger wird als Orientierungsmaßstab formuliert. Es handelt sich um ein Verbot eines Tierbesatzes in ökologischer Haltung, der zur Verwirklichung der genannten Schwellentatbestandsmerkmale der "Überweidung" und der weiteren Kriterien führt. Diese sind von den Landwirten und den sie kontrollierten Stellen sachdienlich auszulegen und anzuwenden. Die Vorschrift wirkt aus sich heraus. Nur dort und soweit durch Kommissionsverordnung in Durchführungsvorschriften Festlegungen zum Tierbesatz getroffen werden, bedarf es dieser Auslegung nicht. Auf diese Festlegungen kann sich die Praxis der Unternehmen und Kontrollstellen stützen, denn insoweit hat die Kommission dann von ihrer Konkretisierungskompetenz durch Erlass von Durchführungsvorschriften als Kommissionsverordnung Gebrauch gemacht. Einer zusätzlichen Prüfung, ob diese allgemeinen Tierbesatzvorgaben im konkreten Fall hinreichen, bedarf es nur in Ausnahmefällen, in denen etwa durch vorgefundene Bodenerosion die Erosionsgefahr auch bei Einhaltung der festgesetzten Besatzdichte fortbesteht. In solchen und vergleichbaren Sonderfällen wirkt Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b Unterabschnitt ii unmittelbar in dem Sinn, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls Unternehmer und Kontrollstelle geringere Tierbesätze vorsehen müssen, als allgemein durch Kommissionsverordnung zugelassen.
*11 In Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b Unterabschnitt v ist ein Gebot des Getrennthaltens "ökologischer/biologischer Tiere" von "anderen Tieren" angeordnet. Nach dem Wortlaut ist klar, dass damit jedenfalls der physische Kontakt von einem zum anderen gemeint ist. Dass damit aber auch gemeint ist, dass nichtbiologische Tiere nur unter bestimmten restriktiven Bedingungen in Abwesenheit ökologisch gehaltener Tiere sich auf ökologischem Grünland aufhalten dürfen sollen, ergibt sich aus dem zweiten Satz. Dort ist angeordnet, dass sowohl das Weiden von Tieren aus ökologischer Haltung auf Gemeinschaftsweiden, die auch von nichtökologisch gehaltenen Tieren genutzt werden, wie auch das Weiden von Tieren aus nichtökologischer Haltung auf ökologisch geführtem Grünland nur unter Bedingungen zulässig ist, die von der Kommission als Durchführungsvorschriften durch Kommissionsverordnung nach Artikel 14 Absatz 2 festgesetzt werden.
*12 Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b Unterabschnitt vi untersagt jedes Anbinden. Und es wird jede Isolierung untersagt. Diese beiden Verbote werden aber unter den Vorbehalt einer Einzelfallbeurteilung bezogen auf einzelne Tiere gestellt. Dieser Vorbehalt ist so formuliert, dass die Einzelfallbeurteilung sich auf Sicherheitsgründe, auf Gründe des Tierschutzes oder auf tierärztliche Gründe stützen muss. Außerdem darf die Einzelfallbeurteilung nur zu einer "zeitlich begrenzten" Entscheidung für die "Anbindung oder Isolierung der Tiere" führen. Es handelt sich um zwei Verbote, die unmittelbare Wirkung entfalten, aber auch um Ausnahmen, die ebenso unmittelbare Wirkung entfalten, ohne dass es einer Regelung dieser Ausnahmen durch Kommissionsverordnung bedarf, anders als dies etwa bezüglich dem Weiden auf Gemeinschaftsweiden in Unterabschnitt v vorgesehen ist.
*13 Zu Tiertransporten wird angeordnet, dass ihre Dauer "möglichst kurz gehalten" werden muss. Es handelt sich um eine gesetzliche Minimierungspflicht, die unmittelbar greift, ohne dass es einer Durchführungsvorschrift durch Kommissionsverordnung bedarf. Das Gebot richtet sich nicht auf die Gewährleistung bestmöglicher Bedingungen während Tiertransporten unter Berücksichtigung der physiologischen, ethologischen Bedürfnisse der Tiere, sondern das Gebot ist nur auf die "Dauer" ausgerichtet. Dies hat zur Folge, dass die Unternehmer, die Tiertransporte veranlassen und durchführen, ebenso verpflichtet sind, für die bestmögliche Verkürzung der Dauer von Tiertransporten Sorge zu tragen, wie Kontrollstellen verpflichtet sind, dies zum Gegenstand ihrer Kontrollen zu machen. Soweit die Transporte von Unternehmen durchgeführt werden, die dem gemeinschaftsrechtlichen Kontrollsystem für die ökologische Produktion nicht unterworfen sind, trifft die Minimierungspflicht die Veran- lasser, regelmäßig landwirtschaftliche Erzeuger oder Lebensmittel-unternehmen, die selbst dem Kontrollsystem unterstehen.
*14 Die Verpflichtung zur Minimierung von Leiden wirkt unmittelbar. Sie verpflichtet sowohl Unternehmen zur Einhaltung wie auch Kontrollstellen zur Prüfung. Dies gilt für die gesamte Lebensdauer der Tiere. Insbesondere aber für die Schlachtung. "So gering wie möglich" ist Leiden nur, wenn Leiden sich durch den Einsatz alternativer Methoden nicht verringern lässt. Ob alternative Methoden, die nach guter fachlicher Praxis zur Verfügung stehen müssten, nicht zum Einsatz gelangen, muss Gegenstand der "Bewertung der Konformität" mit "allen Zertifizierungsanforderungen" nach Punkt 11 der EN 45011 durch die Kontrollstellen sein.
*15 In Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b Unterabschnitt ix werden für die Standortwahl von Bienenstöcken in ökologischer Haltung zwei Vorgaben gesetzt. Nach Satz 1 muss der Standort so gewählt werden, dass Nektar und Pollenquellen, die "vorhanden sind", "im Wesentlichen" aus ökologischen Kulturen, Wildpflanzen, Wäldern oder aus Kulturpflanzen bestehen, "die nur mit Methoden bewirtschaftet werden, die eine geringe Umweltbelastung mit sich bringen". "Im Wesentlichen" wird in dieser Verordnung, wie auch in der Vorgängerverordnung, als "überwiegend" verstanden. Maßstab dürfte auch nicht die Zahl der Quellen und nicht der Flächenanteil sein, sondern die praktische Leistungsfähigkeit der Quellen, gemessen an dem Anteil, den die Quellen am Sammelertrag der Bienen haben. Da die Regelung darauf zielt, den Eintrag in der ökologischen Produktion unzulässiger Toxen, insbesondere aus Pflanzenschutzmitteln, zu minimieren, sollte das Tatbestandsmerkmal "im Wesentlichen" hier eher nicht so ausgelegt werden, als genüge schon ein schlichtes Überwiegen des Ernteeintrags aus anderen Quellen als von Kulturpflanzen in intensivem konventionellem Anbau, um die Vorgaben einzuhalten. Die französische Fassung verlangt ein Bestehen "essentiellement" und die englische Fassung von einem Bestehen "essentially " von Quellen, die nicht intensiv konventionell bewirtschaftete Pflanzenkulturen sind. Der erste Satz stellt in der englischen Fassung auf die Behandlung der Kulturen "with low environmental impact methods" ab.
Angesprochen ist hier offenbar nicht die Vermeidung von gentechnisch veränderten Kulturen im Umkreis von Bienenstöcken, wenn es sich etwa um BT-Pflanzen handelt, die das mikrobielle Toxin in ihrem zellulären Stoffwechsel selbst bilden. Anders ist die Lage, wenn in den Kulturen Herbizide auf transgenen Pflanzen zum Einsatz gelangen, denen die Herbizidresistenz gentechnisch induziert wurde. Der Ansatzpunkt für das Standortverbot ist dann aber jeweils nach den Formulierungen dieser Vorschrift das Ausbringen von Agrochemikalien, nicht die potenzielle Freisetzung von transgenen Pollen.
Im zweiten Satz wird die Verpflichtung begründet, die Standorte von Bienenstöcken abseits von Kontaminationsquellen zu wählen. Es wird eine "ausreichende Entfernung von Verschmutzungsquellen" verlangt. Ausreichend soll die Entfernung nur sein, wenn sie genügt, die Kontamination der Imkereierzeugnisse oder die Beeinträchtigung der Gesundheit der Bienen zu vermeiden. Im Umkehrschluss folgt, dass diese Verpflichtung, Mindestentfernungen einzuhalten, verletzt ist, wenn sich in den Imkereierzeugnissen Spuren bestimmter Verschmutzungsquellen finden, die höher liegen, als nach der allgemein in der Region vorhandenen ubiquitären Umweltkontamination zu erwarten ist. Das Entsprechende gilt, wenn Bienenkrankheiten durch singuläre Kontaminationsquellen verursacht werden, denen die ökologische Bienenhaltung durch Wahl anderer Standorte entgehen kann. Werden Gesundheitsschädigungen von Bienen festgestellt, die nicht auf ubiquitäre Umweltkontamination, sondern auf Nahemissionen zurückgehen, ist das hier vorgegebene Vermeidungsverbot verletzt.
Die ökologische Bienenhaltung muss die Einhaltung beider Abstandsvorschriften dokumentieren. Die Zertifizierung muss sie, zumindest durch Stichproben nachvollziehen.
Artikel 11 des Kommissionsentwurfs vom Januar 2008 für Durchführungsvorschriften sah unter der Nummer 1 vor, dass ein Radius von drei Kilometern "essentially of organically produced crops and/or spontaneous vegetation" bestehen müsse. Der Begriff "essentially" weist hier ebenfalls auf eine zulässige Präsenz von nicht unerheblichen anderen Flächen hin. Ob "essentially" gegeben ist, wenn 50% ökologischer Fläche oder Flächen mit spontaner Vegetation überschritten sind, ist zumindest problematisch, denn Sinn der Vorschrift ist die Minimierung des Eintrags von unerwünschten Agrochemikalien in die Erzeugnisse der Bienenhaltung. Der Entwurf der Kommissionsverordnung löst sich völlig von der Systematik der Ratsverordnung und stellt nur auf ökologisch geführte Feldkulturen und auf Spontanvegetation ab. Wälder, die bewirtschaftet werden, sind keine Spontanvegetation, andererseits aber auch, wenn in ihnen keine Pflanzenschutzmaßnahmen erfolgen, nicht Quellen entsprechender Kontamination. Hier zeichnet sich schon das Grundproblem der neuen Systematik der gemeinschaftsrechtlichen Regeln für den ökologischen Landbau ab: Der Rechtsanwender muss im Zickzack zwischen der Ratsverordnung und mehreren Kommissionsverordnungen lesen und findet dabei schon in der Ratsverordnung ein recht unstrukturiertes Potpourri verschiedenster Regelungs- und Gedankensansätze, die dann aber in der Kommissionsverordnung nicht sorgfältig aufgenommen und strukturiert werden, die vielmehr in den Kommissionsverordnungen mit gleicher Sorglosigkeit in eigenständigen Begriffen, die sich auf die Ratsverordnung nicht beziehen, angesprochen werden. Eine buntere Vielfalt und geringere Systematisierung einer rechtlichen Regelung ist kaum denkbar.
*16 Natürliche Stoffe sollen in Bienenstöcken vorrangig eingesetzt werden, um dem Eintrag synthetischer Stoffe in den Honig vorzubeugen.
*17 In Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b Unterabschnitt xi wird die Vernichtung von Bienen in den Waben - also des Bienennachwuchses - untersagt, aber nur als "Methode zur Ernte der Imkereierzeugnisse".
*18 Hier meint "Züchtung" die gezielte Entwicklung bestimmter Eigenschaften durch Zuchtwahl (vgl. Kommentierung zu Artikel 14 *4).
*19 Die "künstliche Befruchtung" wird in der englischen Fassung als "artificial insemination" angesprochen. Gemeint ist die künstliche Besamung, wie sie insbesondere bei Rindern, Schweinen und Honigbienen durchgeführt wird. Die künstliche Besamung schafft Zugang zu einem breiteren Genpool.
*20 Die Fortpflanzung darf mit Hormonen und ähnlichen Stoffen eingeleitet werden, aber nur "im Rahmen einer therapeutischen tierärztlichen Behandlung", diese nicht bezogen auf einen gesamten Bestand, sondern bezogen auf die individuellen Notwendigkeiten, die sich aus dem Status "eines einzelnen Tieres" beziehen. Damit ist nicht gemeint, dass diese Einleitung der Fortpflanzung auf wenige Einzelfälle beschränkt sein muss. Das Tatbestandsmerkmal des "einzelnen" Tieres zielt vielmehr darauf, dass der Einsatz nicht pauschal für den Bestand ungeachtet des Gesundheitszustands der einzelnen Tiere erfolgen darf, vielmehr muss er differenziert und individuell nach den Anordnungen des Tierarztes vorgenommen werden, etwa zur Beseitigung von Reproduktionsstörungen einzelner Tiere.
*21 Alle "anderen Formen der künstlichen Fortpflanzung" sollen nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe c Unterabschnitt iii untersagt sein. Als Beispiele werden das "Klonen" und der "Embryonentransfer" genannt. In den USA hatte das Center for Food Safety in einem kritischen Bericht die Einschätzung der Food and Drug Administration (FDA) kritisiert, als sich abzeichnete, dass diese Bundeseinrichtung Milch und Fleisch von geklonten Tieren als "safe for the sale for the public" einschätzen würde. Das reproduktive Klonen in der Tierzucht meint die Erzeugung eines vollständigen Organismus ausgehend von Erbinformation, die einem bereits existierenden Organismus entnommen wurde, mit dem Ziel, dass die Erbinformation des neu gewonnenen Organismus mit der des Ausgangsorganismus übereinstimmt. Das Pendant zu geklonten Säugetieren sind eineiige Zwillinge.
Im Pferdesport ist das Klonen erfolgreicher Tiere verbreitet. Versuche mit Rindern, Schweinen und Schafen werden durchgeführt. Der breite Einsatz ist wohl noch unwirtschaftlich.
Der "Embryonentransfer" meint das künstliche Einbringen von Embryonen in die Gebärmutter. Dabei werden Embryone aus in der Regel künstlich befruchteten Weibchen entnommen. Hier stammen die Embryonen noch oft aus In-Vitro-Fertilisation, also aus künstlicher Befruchtung außerhalb der Gebärmutter. Durch das Verbot des Embryonentransfers ist klar, dass das Tatbestandsmerkmal der "künstlichen Befruchtung", die in Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe c Unterabschnitt i als zulässig bezeichnet wird, nicht die Befruchtung im Reagenzglas einschließt, weil diese notwendig mit dem Embryonentransfer einhergeht. In der konventionellen Tierhaltung ist der Embryonentransfer bei Kühen mit hoher Milchleistung verbreitet. Hier werden die weiblichen Tieren, von denen Eizellen stammen, als Spender benützt und die aus der In-Vitro-Fertilisation stammenden Embryonen zur Fortpflanzung Ammentieren eingesetzt. Bei Rindern wird die Reifung von bis zu 30 Eizellen durch Hormonbehandlung induziert. Eine Woche nach der Befruchtung werden die Embryonen ausgespült und den Ammentieren eingesetzt. Die Embryone werden häufig tiefgefroren gehandelt.
*22 Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe c Unterabschnitt iv ordnet die Wahl geeigneter Rassen an. Der zweite Satz gibt einen Hinweis auf die bei der Wahl zu berücksichtigenden Parameter, denn er deutet an, dass die Geeignetheit einer Rasse auch "zur Vermeidung von Leiden und Verstümmelung der Tiere" beitragen könne. Gemeint ist wohl, dass auf das Enthornen von Rindern verzichtet werden kann, die aufgrund ihres rassenspezifischen Verhaltens geringe Neigung zu Rangkämpfen haben, bzw. die genetisch hornlos sind (z.B. Angus).
*23 "Futtermittel" im Sinne dieser Verordnung sind jene nach der Definition der Lebensmittel-Basis-Verordnung (vgl. Kommentierung des Artikel 2 *11). Es handelt sich um Stoffe, die zur oralen Tierfütterung bestimmt sind. "Fütterung" dient der Ernährung. Kräuterpräparate, die nicht Nährstoffe bereitstellen, sondern die Immunreaktion der Tiere verbessern sollen, zählen nicht zu den Futtermitteln.
*24 Es wird verlangt, dass "hauptsächlich" die Futtermittel für die ökologische Tierhaltung "in dem Betrieb, in dem die Tiere gehalten werden", erzeugt werden müssen. Diese Regelung wird aber durch die Alternative "oder in anderen ökologischen/biologischen Betrieben" weitgehend wieder aufgehoben. Da aber diese aufhebende Alternative wiederum durch das Tatbestandsmerkmal "im gleichen Gebiet" eingeschränkt ist, stellt sich die Frage, was das "gleiche Gebiet" ist. Es wird sich in der Regel um den Mitgliedstaat handeln, allerdings nicht auf dessen Territorium beschränkt sein: Das Elsass und Baden werden im Verhältnis zueinander das "gleiche Gebiet" im Sinne dieser Vorschrift sein.
Das Tatbestandsmerkmal "hauptsächlich" entspricht in der englischen Fassung " primarily" und in der französischen "principalement". Es ist als ein Überwiegen dieser Futtermittel im Verhältnis zu anderen in der Jahresration des Tierbestandes zu verstehen. Der Vorschlag der Kommission für eine Kommissionsverordnung vom Januar 2008 sieht in Artikel 16 die Vorgabe für Pflanzenfresser vor, dass "at least fifty procent of feed shall come from the farm unit itself or in case if this is not feasible be produced in co-operation with other farms in the same region". Diese Vorgabe erinnert an jene über die Nutzung tierischer Düngemittel aus der eigenen Haltung in Kooperation mit anderen Ökobetrieben in der gleichen Region. Das Tatbestandsmerkmal "in co-operation" scheint eine vertragliche Beziehung zu den Lieferanten zu verlangen. Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals in diesem Sinn sollte allerdings nicht eng erfolgen, weil sich regelmäßig, häufig genossenschaftlich strukturierte Landhandelssysteme in den Regionen der Mitgliedstaaten finden, die auch aus der Region ökologische Futtermittel beschaffen und Erzeugern zur Verfügung stellen können, ohne dass einzelvertragliche Beziehungen zwischen dem Herkunfts- und dem Zielbetrieb begründet werden. Dies zu verlangen, wäre aus den Zielen dieser Verordnung nicht zu rechtfertigen.
*25 Die Fütterung muss sich am "ernährungsphysiologischen Bedarf der Tiere" und zwar orientiert an ihren "Entwicklungsstadien" orientieren. Diese Tatbestandsmerkmale im ersten Satz von Unterabschnitt ii können bewirken, dass notfalls auch als Futtermittel zu verwendende Futtermittel aus ökologischer/biologischer Produktion, die aber den ernährungsphysiologischen Bedarf entsprechend dem Entwicklungsstadium nicht ideal decken, nicht zum Einsatz gelangen, vielmehr Futtermittel aus konventioneller Produktion in den engen Grenzen dieser Verordnung vorgezogen werden.
Der zweite Satz erwähnt, dass teilweise Umstellungsfuttermittel eingesetzt werden können. Er ist als Delegationsauftrag an die Kommission zu verstehen, in einer Kommissionsverordnung die Voraussetzungen zu regeln. Im Entwurf der Kommission vom Januar 2008 findet sich die Vorgabe in Artikel 18, dass bis zu 30% der Futterration durch Umstellungsfuttermittel bestritten werden darf. Dieser Anteil kann sich, wenn die Umstellungsfuttermittel aus dem eigenen Betrieb stammen, auf 60% erhöhen.
*26 Der "ständige Zugang zu Weideland" oder alternativ "Rauhfutter" wird für jede ökologische Tierhaltung angeordnet. Ausgenommen werden nur Bienen. Der Zugang zu "Weideland" ist nur gewährt, wenn es sich um Zugang zu Flächen handelt, auf denen die Tiere Pflanzen finden, durch deren Abweiden sie einen Teil ihres Nährstoffbedarfs decken. Der Begriff "Rauhfutter" bezeichnet Grünfutter mit einem hohen Rohfasergehalt. In den Fachkreisen Strukturanteil genannt ist dieser Rohfasergehalt wichtig, um die Sättigung der Tiere herbeizuführen und eine artgemäße Verdauung zu gewährleisten, ohne im Übermaß Nährstoffe zuzuführen. Die Anordnung, immer Zugang zu Rauhfutter zu gewährleisten, gehört mit zu den Vorschriften, welche die Artgerechtheit der Tierhaltung sicherstellen sollen. Rauhfutter ist dem energiereichen Futter, möglicherweise Getreide, gegenübergestellt.
*27 Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe d Unterabschnitt iv enthält ein Verbot des Einsatzes von pflanzlichen, tierischen und mineralischen Futtermittelausgangserzeugnissen, von Futtermittelzusatzstoffen, von bestimmten Erzeugnissen für die Tierernährung und von Verarbeitungshilfsstoffen, es sei denn, sie stammen aus ökologischer Produktion im Sinne dieser Verordnung. Dieses Verbot ist unter den Erlaubnisvorbehalt des Aufführens in den begrenzten Verzeichnissen, in den Fachkreisen Positivlisten genannt, wie sie nach Artikel 16 aufgestellt werden. Nicht Artikel 16 ordnet dieses Verbot an, sondern die hier kommentierte Bestimmung. Da der Kommissionsvorschlag vom Dezember 2005 für die Ratsverordnung das System der Positivlisten noch nicht einmal erwähnte, ist diese Regelung als wesentlicher Fortschritt anzusehen, denn die Grenze zwischen der konventionellen und der ökologischen Tierhaltung wird insbesondere durch diese Positivlisten gezogen. Was in ihnen für die dem Verbot nach dieser Vorschrift unterliegenden Verwendungszwecke nicht enthalten ist, kommt in der ökologischen Tierhaltung nicht zum Einsatz. Da weit weniger Stoffe und Erzeugnisse für die aufgeführten Verwendungszwecke in der ökologischen Tierhaltung zum Einsatz gelangen, unterscheidet sie sich von der konventionellen Tierhaltung als eine besondere Art der Tierhaltung. Der deutlich verminderte Einsatz von Fremdstoffen führt zur Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Spuren insbesondere chemisch-synthetischer Stoffe in den tierischen Erzeugnissen. Außerdem sorgt er für langsames, artgemäßes Wachstum.
*28 Die Verwendung von "Wachstumsförderern" und "synthetischen Aminosäuren" wird ohne Erlaubnisvorbehalt durch Positivlistung allgemein untersagt. Gemeint sind jedenfalls antibiotische Wachstumsförderer. In Pansen von Wiederkäuern hemmen sie die Aktivität von Essig-, Milchsäure und methanbildenden Bakterien. Auch für die konventionelle Tierhaltung wird die Verwendung von Antibiotika als Wachstumsförderer nach und nach untersagt, insbesondere für auch in der Humanmedizin verwendete Antibiotika, die nicht mehr als Zusatzstoffe in Futtermittel zum Einsatz gelangen sollen. Im Verkehr werden Hefezubereitungen oder solche mit Milchsäurebakterien häufig als "probiotische" Leistungs- oder Wachstumsförderer bezeichnet. Sie entsprechen nicht dem Tatbestandsmerkmal "Wachstumsförderer" dieser Vorschrift, und ihre Verwendung ist damit nicht untersagt, vielmehr unter den Vorbehalt der Positivlistung gestellt.
*29 Säugetiere müssen während der Säugeperiode mit natürlicher Milch gefüttert werden. Es ist der Vorzug von Milch der Muttertiere angeordnet. Die Milch, die zur Verfütterung gelangt, muss nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b unter Absatz ii aus ökologischer Produktion stammen.
*30 Das Zusammenfassen von "Krankheitsvorsorge und tierärztlicher Behandlung" in dieser Vorschrift macht deutlich, dass die Verordnung von einer Minimierung tierärztlicher Behandlung durch ökologische Tierhaltung ausgeht.
*31 Dementsprechend muss die gesamte Palette alternativer Gestaltungsmöglichkeiten in der Tierhaltung genutzt werden, um den Krankheitsdruck zu vermindern. Die "Wahl geeigneter Rassen und Linien", die "Tierhaltungsmanagementmethoden", die Hochwertigkeit von Futtermitteln und die Art und Weise der Gewähr von Auslauf, die Angemessenheit von Besatzdichten und die geeignete und angemessene Unterbringung unter hygienischen Bedingungen sind gesetzliche Tatbestandsmerkmale, die von jedem Tierhalter unmittelbar unter dem Aspekt der Minimierung des Krankheitsdrucks geprüft und gestaltet werden müssen. Spiegelbildlich ist dies Gegenstand jeder Zertifizierung nach den Vorgaben der EN 45011. Eine Zertifizierungsentscheidung, die die Konformität der konkret geprüften Tierhaltung nicht unter Berücksichtigung dieser Parameter und Anwendung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale auf den konkreten Einzelfall prüft, wird den Anforderungen der Konformitätsprüfung nach der Europäischen Norm nicht gerecht. Dort, wo durch Kommissionsverordnung in Durchführungsvorschriften diese unbestimmten Rechtsbegriffe näher konkretisiert sind, können sich die Produzenten und Kontrollstellen daran orientieren, was sie aber dort, wo dies nicht geschehen ist oder dort, wo getroffene Festlegungen dem Einzelfall nicht gerecht werden, nicht der Pflicht enthebt, gleichwohl eine Einzelfallprüfung anhand dieser Parameter vorzunehmen.
*32 Der Grundsatz, dass chemisch-synthetische Stoffe nicht in der ökologischen Haltung zum Einsatz gelangen sollen, ist nicht zu beachten, wenn der Einsatz zur unverzüglichen Behandlung von Krankheiten erforderlich ist, "um ein Leiden der Tiere zu vermeiden". Da Krankheit regelmäßig mit einem Leiden einhergeht, trifft diese Verordnung im Folgesatz die Anordnung, dass "chemisch-synthetische allopathische Tierarzneimittel" - betont wird "einschließlich Antibiotika" - verwendet werden dürfen, wenn andere Behandlungsalternativen ungeeignet sind, insbesondere phytotherapeutische oder homöopathische. In der englischen Fassung ist von "allopathic" und in der französischen von "allopathiques" die Rede, die beim Fehlen von Alternativen auch dann zum Einsatz kommen sollen, wenn sie chemisch-synthetisch hergestellt sind. Der Begriff der "Allopathie" folgt aus den griechischen Begriffen für "anders" und "leiden". Es ist eine auf Hahnemann zurückgehende Bezeichnung für die nichthomöopathische Behandlung. Der Wortbestandteil "anders" bezieht sich darauf, dass die Allopathie im Gegensatz zur homöopathischen Methode versucht, Krankheiten dadurch zu heilen, dass etwas anderes als das beobachtete Krankheitsbild bewirkt werden soll. Die Homöopathie zielt nach dem Prinzip "similia similibus curentur" auf die Heilung durch das Auslösen von Körperreaktionen, wie sie auch dem Krankheitsbild entsprechen.
Im zweiten Satz ist der Kommission aufgetragen, Beschränkungen in Bezug auf die Zahl der Behandlungen und Bestimmungen über die Wartezeit nach der Behandlung mit chemisch-synthetischen Tierarzneimitteln festzulegen. Der Entwurf der Kommission vom Januar 2008 sieht entsprechende Beschränkungen in Artikel 21 vor. Dort werden drei Behandlungen pro Jahr als Maßstab genannt. Außerdem die zweifache gesetzliche Wartezeit.
*33 Die Verwendung "immunologischer Tierarzneimittel" wird gestattet. Gemeint ist die Impfung der Tiere.
*34 Zwangsbehandlungen, wie sie "nach dem Gemeinschaftsrecht" vorgesehen sind, sind zulässig. Zwangsbehandlungen, die nicht vom Gemeinschaftsrecht, sondern von nationalen Gesetzgebern angeordnet werden, sind von dieser Zulässigkeitsvorgabe nach ihrem Wortlaut nicht erfasst. Allerdings dürfte hier gemeint sein, dass Maßnahmen von Mitgliedstaaten, die das Gemeinschaftsrecht nicht verletzen, sondern mit ihm im Einklang stehen, ebenfalls zulässig sind. Die gesondert erlassenen Verwendungsbeschränkungen, jeweils bezogen auf den Tierbestand und die Lebenszeit der Tiere, dürften hinreichen, hier angemessene Grenzen zu setzen.
*35 Hier wird ein eigenes Verwendungsverbot für Reinigungs- und Desinfektionsmittel, verbunden mit einem Erlaubnisvorbehalt durch Positivlistung angeordnet. Ein entsprechendes Verbot gibt es für die pflanzliche Produktion nicht. Das Verbot der "Reinigungs- und Desinfektionsmittel" bezieht sich nicht auf die Reinigung der Tiere, sondern ausschließlich auf die Gebäude und Anlagen.
*36 Hier wird für den Bereich des in Artikel 14 geregelten Sachverhalts der Kommission eine Normsetzungsbefugnis delegiert, die sie aufgrund der allgemeinen Ermächtigung durch Artikel 38 dieser Verordnung ohnehin schon hat.
Artikel 15
Vorschriften für die Erzeugung von Aquakulturtieren
(1) Neben den allgemeinen Vorschriften für die landwirtschaftliche Erzeugung des Artikels 11 gelten für die Erzeugung von Aquakulturtieren folgende Vorschriften*1:
a) Herkunft der Aquakulturtiere*2:
i) Die ökologische/biologische Aquakultur beruht auf der Aufzucht eines Jungbestands, der aus ökologischen/biologischen Brutbeständen und ökologischen/biolo-gischen Betrieben stammt. *3
ii) Sind keine Jungbestände aus ökologischen/biologischen Brutbeständen oder Betrieben erhältlich, so können unter bestimmten Bedingungen nichtökologisch/nicht-biologisch erzeugte Tiere in einen Betrieb eingebracht werden. *4
b) Haltungspraktiken*5:
i) Die Tierhalter müssen die nötigen Grundkenntnisse und -fähigkeiten in Bezug auf die Tiergesundheit und Tierschutz besitzen. *6
ii) Haltungspraktiken, einschließlich Fütterung, Bauweise der Anlagen, Besatzdichte und Wasserqualität müssen den entwicklungsbedingten, physiologischen und verhaltensmäßigen Bedürfnissen der Tiere gerecht werden. *7
iii) Durch die Haltungspraktiken müssen negative Auswirkungen des Betriebs auf die Umwelt — einschließlich des Entweichens von Beständen — so gering wie möglich gehalten werden. *8
iv) Ökologische/biologische Tiere müssen von anderen Aquakulturtieren getrennt gehalten werden. *9
v) Beim Transport ist sicherzustellen, dass der Tierschutz erhalten bleibt. *10
vi) Ein Leiden der Tiere, einschließlich bei der Schlachtung, ist so gering wie möglich zu halten. *11
c) Fortpflanzung*12:
i) Künstliche Polyploidie- Induktion, künstliche Hybridisierung, das Klonen und die Erzeugung von gleichgeschlechtlichen Linien — mit Ausnahme einer manuellen Sortierung — ist untersagt. *13
ii) Es sind geeignete Linien auszuwählen. *14
iii) Es sind artenspezifische Bedingungen für die Bewirtschaftung der Brutbestände, für die Aufzucht und die Erzeugung von Jungfischen festzulegen. *15
d) Futtermittel für Fische und Krebstiere*16:
i) Die Tiere sind mit Futtermitteln zu füttern, die dem ernährungsphysiologischen Bedarf der Tiere in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien entsprechen. *17
ii) Der pflanzliche Anteil der Futtermittel muss aus ökologischer/ biologischer Produktion stammen; der aus Wassertieren gewonnene Anteil der Futtermittel muss aus der nachhaltigen Nutzung der Fischerei stammen. *18
iii) Nichtökologische/nichtbiologi-sche Futtermittelausgangserzeugnisse pflanzlichen Ursprungs, Futtermittelausgangserzeugnisse tierischen und mineralischen Ursprungs, Futtermittelzusatzstoffe, bestimmte Erzeugnisse für die Tierernährung und Verarbeitungshilfsstoffe dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie nach Artikel 16 für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen wurden. *19
iv) Die Verwendung von Wachstumsförderern und synthetischen
Aminosäuren ist untersagt. *20
e) Muscheln und andere Arten, die nicht gefüttert werden, sondern sich von natürlichem Plankton ernähren*21:
i) Diese Tiere, die sich durch Ausfiltern von Kleinlebewesen aus dem Wasser ernähren, müssen ihren ernährungsphysiologischen Bedarf in der Natur decken; dies gilt nicht für Jungtiere, die in Brutanlagen und Aufzuchtbecken gehalten werden. *22
ii) Sie müssen in Gewässern gehalten werden, die die Kriterien für die Gebiete der Klasse A oder der Klasse B im Sinne des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 erfüllen. *23
iii) Die betreffenden Gewässer müssen von hoher ökologischer Qualität im Sinne der Richtlinie 2000/60/EG und von einer Qualität sein, die bezeichneten Gewässern im Sinne der noch umzusetzenden Richtlinie 2006/113/EG entspricht. *24
f) Krankheitsvorsorge und tierärztliche Behandlung*25:
i) Die Krankheitsvorsorge muss auf einer Haltung der Tiere unter optimalen Bedingungen durch eine angemessene Standortwahl, eine optimale Gestaltung des Betriebs, die Anwendung guter Haltungs- und Bewirtschaftungspraktiken, einschließlich regelmäßiger Reinigung und Desinfektion der Anlagen, hochwertige Futtermittel, eine angemessene Besatzdichte und die Wahl geeigneter Rassen und Linien beruhen. *26
ii) Krankheiten sind unverzüglich zu behandeln, um ein Leiden der Tiere zu vermeiden; chemisch-synthetische allopathische Tierarzneimittel einschließlich Antibiotika dürfen erforderlichenfalls unter strengen Bedingungen verwendet werden, wenn die Behandlung mit phytotherapeutischen, homöopathischen und anderen Erzeugnissen ungeeignet ist. Insbesondere sind Beschränkungen in Bezug auf die Zahl der Behandlungen und Bestimmungen über die Wartezeiten festzulegen. *27
iii) Die Verwendung immunologischer Tierarzneimittel ist gestattet. *28
iv) Nach dem Gemeinschaftsrecht zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier vorgeschriebene Behandlungen sind zulässig. *29
g) Zur Reinigung und Desinfektion dürfen in Teichen, Käfigen, Gebäuden und Anlagen lediglich Reinigungs- und Desinfektionsmittel verwendet werden, die nach Artikel 16 für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen wurden. *30
(2) Die zur Durchführung der Produktionsvorschriften dieses Artikels erforderlichen Maßnahmen und Vorkehrungen werden nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren erlassen.*31
Kommentierung des Artikel 15
*1 Artikel 15 setzt "Vorschriften für die Erzeugung von Aquakulturtieren". Dies korrespondiert mit dem ausdrücklichen Einbeziehen der Erzeugnisse der Aquakultur in den Geltungsbereich dieser Verordnung durch Artikel 1 Absatz 2 Satz 1, der davon handelt, dass die dann aufgeführten "Erzeugnisse der Landwirtschaft, einschließlich der Aquakultur" in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallen sollen. Die Vorgängerverordnung hatte in ihrem Artikel 1 Absatz 2 Satz 1 die "Aquakultur" und die "Erzeugnisse der Aquakultur" ausdrücklich aus der Regelung ausgenommen. Für die Tierarten, für die in dem Anhang I der Vorgängerverordnung keine Erzeugungsvorschriften erlassen worden waren, gelten die Etikettierungsvorschriften des Artikel 5 der Vorgängerverordnung und die Kontrollvorschriften gemäß den Artikeln 8 und 9 und zwar mit der Maßgabe, dass bis zur "Aufnahme ausführlicher Erzeugungsvorschriften" die "einzelstaatlichen Bestimmungen" oder die "von den Mitgliedstaaten akzeptierten oder anerkannten privaten Standards" zur Anwendung gelangen.
Diese Verordnung sieht zwar in Artikel 42 Satz 2, der auch für die Erzeugung von Süßwasser-Aquakulturtieren Anwendung findet, vor, dass solange "keine ausführlichen Produktionsvorschriften vorliegen", die "Kennzeichnungsvorschriften des Artikel 23 und die Kontrollvorschriften des Titels V" gelten. Gemeint ist, dass diese gelten, soweit Artikel 15 nicht schon Regelungen trifft. Artikel 42 Satz 3 sieht dann entsprechend dem bislang in Artikel 1 Absatz 2 der Vorgängerverordnung enthaltenen Modell vor, dass "bis zur Aufnahme ausführlicher Produktionsvorschriften", eben auch für die tierische Aquakultur, die "nationalen Bestimmungen" gelten oder, "falls solche Bestimmungen nicht bestehen, von den Mitgliedstaaten akzeptierte oder anerkannte private Standards". Damit entsteht nun erstmals für Süßwasser-Aquakulturtiere die gleiche Lage, wie sie in den Mitgliedstaaten unter der Geltung der Vorgängerverordnung bezüglich jener Tierhaltungen bestand, für die keine Erzeugungsvorschriften im Anhang I festgesetzt worden waren, beispielsweise Kaninchen.
Hier haben die Mitgliedstaaten nicht etwa die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie die Verordnung überhaupt für Tiererzeugnisse, etwa Erzeugnisse der tierischen Süßwasser-Aquakultur, anwenden, solange die Kommission keine Erzeugungsvorschriften als Kommissionsverordnung im Artikel-37-Verfahren erlassen hat. Vielmehr wirkt diese Verordnung direkt. Sie bewirkt die unmittelbare Anwendbarkeit der Kennzeichnungs- und Kontrollvorschriften dieser Verordnung auch für die tierische Süßwasser-Aquakultur, wenn deren Erzeugnisse als Ökoprodukte gekennzeichnet werden. Die Mitgliedstaaten haben nur insoweit Entscheidungsspielraum, als dass sie wählen können, ob sie es dem Verkehr überlassen, eine entsprechende Verkehrserwartung zu entwickeln, deren Einhaltung dann über die allgemeinen Regeln der lebensmittelrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbote kontrolliert wird oder ob sie sich dafür entscheiden, für die Zeit bis zum Gültigwerden gemeinschaftsrechtlicher Produktionsvorschriften eine eigene, nationale gesetzliche Norm mit Vorschriften, hier also mit Vorschriften für die tierische Aquakultur zu erlassen.
Wenn und solange sie dies nicht tun, bewirkt die Verkehrspraxis der privaten Ökozertifizierung tierischer Süßwasser-Aquakultur, dass sich die berechtigte Verkehrserwartung herausbildet, anhand derer geprüft wird, ob eine Ökozertifizierung nach einem "akzeptierten oder anerkannten privaten Standard" vorliegt, wie Artikel 42 Satz 3 dieser Verordnung formuliert. Hier bedeutet "akzeptiert", dass der entsprechende Mitgliedstaat die Verkehrspraxis hinnimmt. Das Tatbestandsmerkmal "anerkannt" bezieht sich auf einen Anerkennungsakt, mit dem der entsprechende Mitgliedstaat die privaten Standards "anerkennt". In Deutschland müsste diese Anerkennung durch eine gesetzliche Norm, sei es ein Parlamentsgesetz oder eine Exekutivnorm, die sich auf eine parlamentsgesetzliche Ermächtigung stützen müsste, erfolgen, weil mit der Anerkennnungsentscheidung zugleich ein gestaltender Eingriff in private Wirtschaftstätigkeit, insbesondere in die Tätigkeit der nicht anerkannten Konkurrenten verbunden ist.
Artikel 15 Absatz 1 verweist zunächst auf die "allgemeinen Vorschriften" des Artikel 11. Artikel 15 soll "für die Erzeugung von Aquakulturtieren" speziellere Vorschriften enthalten. Artikel 11 Satz 2 und Satz 4 enthält gerade für die Aquakultur spezifische Vorgaben bezüglich der Trennung von ökologischer und konventioneller Produktion. Diese Vorschriften des Artikel 11 sind spezieller als die hier im Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b Unterabsatz v folgenden Vorgaben. Wenn in Artikel 11 Satz 2 davon die Rede ist, dass "im Falle der Aquakultur" eine Trennung dadurch erfolgen soll, dass "Produktionsstätten aufgeteilt" werden, währenddem für andere landwirtschaftliche Erzeugung "deutlich getrennte Produktionseinheiten" genügen, stellt sich die Frage, was es bedeutet, wenn Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b unter Absatz IV nur davon spricht, dass "ökologische/biologische Tiere" von "anderen Aquakulturtieren getrennt gehalten werden" müssen. Was gemeint ist, wird auch nicht dadurch klarer, dass Artikel 11 Satz 4 davon spricht, dass "bei der Aquakultur", abweichend von der Tierhaltung im Übrigen, wo die Haltung verschiedener Arten verlangt wird, die Haltung der "gleichen Art" zulässig ist, sofern "eine angemessene Trennung zwischen den Produktionsstätten" bestehe. Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b unter Absatz IV handelt demgegenüber nur von einer getrennten Haltung von Aquakulturtieren, nicht von einer erforderlichen "Trennung zwischen Produktionsstätten". Wahrscheinlich ist gemeint, dass getrennte "Produktionsstätten" nur dort erforderlich sind, wo die "gleiche Art" vom gleichen Unternehmen sowohl in konventioneller wie in ökologischer Haltung vermehrt werden. In privaten Standards werden für die Aquakultur in miteinander verbundenen Gewässern mehrere Kilometer Abstand verlangt (Soil Association), teilweise einige hundert Meter (DEBIO).
*2 Die Regelungen über die Herkunft der Aquakulturtiere sprechen einen für die Entwicklung nachhaltiger Praxis wichtigen Gesichtspunkt nicht an: Den des Wildfangs von Jungstadien.
*3 Verlangt ist, parallel zu den Vorgaben des Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a Unterabschnitt i die Herkunft von Jungtieren aus ökologischen Betrieben.
*4 Ebenfalls parallel zu Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a Unterabschnitt ii wird vorgegeben, dass wenn keine Jungbestände aus ökologischen Brutbeständen oder Betrieben "erhältlich" sind, unter "bestimmten Bedingungen" nicht ökologisch "erzeugte Tiere" in einem Betrieb eingebracht werden können. Damit sind die Bedingungen, unter denen dieses Einführen erlaubt sein könnten, nicht bestimmt. Die Bestimmung dieser Bedingungen muss durch die Durchführungsvorschriften einer Kommissionsverordnung erfolgen. Da die deutsche Fassung aber von "erzeugten" Tieren handelt, stellt sich die Frage, ob der Rat der Kommission hier vorgegeben hat, nur das Einführen von nichtökologisch erzeugten Beständen in die ökologische Produktion unter noch festzulegenden Bedingungen zuzulassen, nicht aber das Einführen von Jungbeständen aus Wildfang. Die englische Fassung handelt von "non-organically produced animals", was ebenfalls dagegen spricht, das Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a Unterabschnitt ii der Kommission die Möglichkeit gibt, das Einführen von wildgefangenen Jungbeständen zu erlauben. Soweit dies zum Aufbau ökologisch geführter Bestände mit Zuchtmöglichkeiten erforderlich ist, können Durchführungsregelungen als Kommissionsverordnung gestützt auf die Ermächtigung in Artikel 38 Satz 1 wie auch gemäß Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe a ergehen.
*5 Bezüglich der Haltungspraktiken steht, wie auch bei der terrestrischen Tierhaltung, deren entsprechende Regelungen sich in Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b finden, die Tiergerechtigkeit der Haltungsbedingungen im Vordergrund. Dazu kann auch gehören, dass beim Stör die Grundflächen nicht glatt, sondern rauh sind, so dass ihm ein Barteln möglich ist.
*6 Wenn verlangt wird, dass "Grundkenntnisse und -fähigkeiten" in Bezug auf die "Tiergesundheit" und den "Tierschutz" verlangt werden müssen, schließt dies, jedenfalls nach dem Wortlaut, keine Kenntnisse bezüglich der Bedürfnisse der Tiere ein. Wie auch bei der terrestrischen Tierhaltung kann die Ausbildung des Tierhalters das Vorhandensein der Grundkenntnisse glaubhaft machen, wenn nicht, muss die verantwortliche Kontrollstelle andere Erkenntnismöglichkeiten, beispielsweise den Besuch von Fortbildungen, prüfen und zum Gegenstand ihrer Konformitätsfeststellung machen.
*7 Hier wird der Aspekt der "Bedürfnisse" der Tiere unter "entwicklungsbedingten, physiologischen und verhaltensmäßigen" Aspekten angesprochen. Sie müssen sowohl in der Haltung wie auch bei der Fütterung, der Besatzdichte und der Wasserqualität beachtet werden. Auch wenn sich in Durchführungsvorschriften, welche die Kommission als Kommissionsverordnung erlässt, keine Details zu verhaltensgerechten Haltungspraktiken finden, müssen die artspezifischen Bedürfnisse der Tiere in der konkreten Haltung berücksichtigt werden. Eine Störhaltung, die dem Stör das Barteln nicht erlaubt, wäre nach diesem Maßstab nicht verordnungskonform.
Die Kommissionsverordnung wird bezüglich der Haltungspraktiken insbesondere die Besatzdichten feststellen müssen und die Zulässigkeit von Rezirkulationssystemen. Außerdem die Frage, in welchem Umfang geschlossene Systeme und in welchem Umfang landbasierte Einrichtungen zulässig sind. Manche privaten Standards geben auch Mindestfließgeschwindigkeiten an.
Der Einsatz künstlicher Beleuchtung wird in privaten Standards regelmäßig auf die Länge eines langen natürlichen Tags von 16 Stunden begrenzt.
*8 "Negative Auswirkungen" können neben dem "Entweichen von Beständen", welche den Genpool von Wildpopulationen beeinträchtigen können, die Stoffwechselprodukte der Kulturfische sein.
*9 Die getrennte Haltung verlangt nicht nur das optische Auseinander-Sortieren-Können, sondern die Trennung der Bestände, so dass sie keinen Körperkontakt haben können. Weiter stellt sich die Frage, ob die Vermeidung des Austausches von Stoffwechselprodukten das Ziel des Trennungsverbotes ist. Dies wird in der Regel, angesichts der Bedeutung der Kontamination mit Ausscheidungen konventioneller Aquakultur zu bejahen sein.
*10 Die unbeholfene Formulierung, "dass der Tierschutz erhalten" bleibt, nämlich während des "Transports", zielt auf einen Transport, welcher den physiologischen und verhaltensmäßigen Bedürfnissen der Tiere gerecht wird.
*11 Anders als bei der Regelung des Transports wird bezüglich der Schlachtung eine Minimierung des "Leidens" der Tiere verlangt. Maßstab ist die beste Praxis.
*12 In Frankreich waren nationale Produktionsregeln am 13.02.2007 im Amtsblatt veröffentlicht worden, unter anderem für Forellen, wobei die künstlich induzierte Triploidie als zulässig gewertet wurde.
*13 Die künstliche Polyploidie-Induktion, welche in der Definition der gentechnischen Veränderung als nicht einschlägig identifiziert ist (vgl. Kommentierung des Artikel 2 *21), wird hier für die tierische Aquakultur untersagt. Die Erzeugung von gleichgeschlechtlichen Beständen durch manuelle Sortierung als physikalische Maßnahme im Gegensatz zu einer hormonell induzierten, wird als zulässig anerkannt. Die künstliche Hybridisierung ist nicht zulässig. Hybridisierungsverfahren, bei denen lebende Zellen mit neuen Kombinationen von genetischem Erbmaterial durch Verschmelzung zweier oder mehrerer Zellen anhand von Methoden gebildet werden, die unter natürlichen Bedingungen nicht auftreten, sind nach der Definition für GVO schon aufgrund des allgemeinen Verbots durch Artikel 8 nicht zulässig (vgl. Kommentierung des Artikel 2 *21). Die Bildung von Hybriden will den Heterosis-Effekt ausnutzen, der bewirkt, das die Hybriden eine gesteigerte Vitalität aufweisen. Wenn reinerbige Zuchtlinien als Elterngeneration zur Erzeugung einer ersten Filialgeneration verwandt werden, sind diese F1-Hybriden genetisch identisch.
*14 Die Verpflichtung zur Auswahl "geeigneter Linien" zielt insbesondere auf die Verringerung des Krankheitsdrucks durch die Wahl geeigneter Bestände.
*15 Während die Verpflichtung zur Auswahl geeigneter Linien als unmittelbare Verpflichtung des Tierhalters ausgestaltet ist, womit eine Verpflichtung der Kontrollstelle einhergeht, eine sachverständige Prüfung der Geeignetheit vorzunehmen, ist die Verpflichtung zur Schaffung "artenspezifischer Bedingungen" für die Bewirtschaftung von Brut für die Aufzucht als ein Auftrag an die Kommission formuliert, diese Bedingungen in Durchführungsvorschriften als Kommissionsverordnung im Verfahren nach Artikel 37 dieser Verordnung zu erlassen.
*16 Regeln für Futtermittel für "Fische und Krebstiere" sollten auch die Vorgabe eines Mindestanteils pflanzlicher Inhaltsstoffe enthalten. In Frankreich wird als Regel ein 30%iger Anteil der nationalen Regelung zugrunde gelegt.
*17 Eine Mindestquote für pflanzliche Futteranteile muss den artspezifischen ernährungsphysiologischen Bedarf der Tiere berücksichtigen. Eine pauschale Regelung verbietet sich hier.
*18 Der pflanzliche Anteil muss nach der Vorgabe aus ökologischer Produktion stammen. Der aus Wassertieren gewonnene Anteil muss aus "der nachhaltigen Nutzung der Fischerei" stammen. Die Durchführungsvorschriften werden Regeln über das Verhältnis von Abfällen (trimmings) und ganzen Fischen, bzw. Fischmehl gewonnen aus vollständigen Fischen aufstellen. In der Diskussion sind Vorgaben bezüglich einer Zertifizierung. Das Tatbestandsmerkmal der "Nachhaltigkeit" der Fischerei soll durch eine Drittzertifizierung überwacht werden, wie sie etwa das Marine Stewardship Council praktiziert.
*19 Für nichtökologische Futtermittelausgangserzeugnisse pflanzlichen, tierischen und mineralischen Ursprungs, Futtermittelzusatzstoffe, Erzeugnisse für die Tierernährung und Verarbeitungshilfsstoffe wird hier ein Verwendungsverbot mit dem Erlaubnisvorbehalt der Positivlistung durch eine Durchführungsverordnung der Kommission vorgegeben.
*20 Die Verwendung von Wachstumsförderern und synthetischen Aminosäuren wird untersagt.
*21 "Natürlicher Plankton" ist das ohne menschlichen Eingriff im Gewässer vorhandene Plankton.
Die Aussage, dass sich dieses Gebot auf alle Arten bezieht, die nicht gefüttert werden, bezieht sich nicht darauf, ob ein konkreter Bestand gefüttert wird oder nicht, sondern auf die Üblichkeit der Fütterung.
*22 Hier wird ein Verbot des Eingriffs in den Ernährungsprozess durch Fütterung formuliert, aber unter die Ausnahme der Fütterung von Jungtieren in geschlossenen Systemen.
*23 Für die Haltung von Muscheln und anderen Arten, die sich durch Ausfiltern von Kleinlebewesen aus dem Wasser ernähren, werden Vorgaben für die Wasserqualität formuliert. Dies allerdings durch Bezugnahme auf dafür ungeeignete Normen des Gemeinschaftsrechts (vgl. Kommentierung des Artikel 13 *2). Die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 sind in nicht unwesentlichen Teilen geringer als die im folgenden Abschnitt in Bezug genommenen. Der Widerspruch ist wohl im Sinne eines kleinsten gemeinsamen Nenners aufzulösen.
*24 Die Gewässerbewirtschaftungsrichtlinie 2000/60/EG formuliert in ihren Anhängen als höchste Stufe nicht einhaltbare Forderungen, welche durch die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 854/2004, auf die ebenfalls Bezug genommen wird, relativiert werden.
*25 In privaten Regeln werden Behandlungen mit synthetischen Arzneimitteln teilweise auf zwei Behandlungen pro Jahr (Frankreich), teilweise auf ein Maximum von zwei Behandlungen pro Lebenszeit (Soil Association) festgesetzt.
*26 In Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe f werden unmittelbar verbindliche Verhaltenspflichten für die Tierhalter und entsprechende Konformitätsprüfpflichten für die Kontrollstellen normiert. Die dort genannten Parameter, unbestimmte Rechtsbegriffe, müssen orientiert an der guten fachlichen Praxis ausgelegt und umgesetzt werden. Durch die Nennung einer Vielzahl von Präventionsparametern macht diese Ratsverordnung deutlich, dass der Einsatz von tierärztlicher Behandlung nur nachrangig gestattet und nur unter der Voraussetzung, dass ein Optimum an Krankheitsvorsorge beobachtet wurde. War dies nicht der Fall und wird tierärztliche Behandlung erforderlich, muss die Produktion konventionell weitergeführt werden.
*27 Die Vermeidung von Leiden wird für die tierische Aquakultur ebenso als Maßstab formuliert wie bezüglich der terrestrischen Tierhaltung in Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe e (vgl. Kommentierung des Artikel 14 *32).
*28 "Immunologische Tierarzneimittel" sind solche, die angewendet werden, um eine aktive oder passive Immunität herbeizuführen oder den Status der Immunität zu stellen.
*29 Wenn hier von "vorgeschriebenen Behandlungen" die Rede ist, die zulässig sind, sind nur Behandlungen der Krankheitsvorsorge oder die ärztliche Behandlung gemeint. Nach dieser Verordnung zulässig sollen Behandlungen sein, die verpflichtend nach dem Gemeinschaftsrecht vorgeschrieben sind, aber nicht alle Behandlungen, sondern nur die "zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier" vorgeschriebenen Behandlungen. Behandlungen, die durch nationales Recht vorgeschrieben sind, werden hier nicht als zulässig bewertet. Soweit sie verpflichtenden Vorgaben von EU-Richtlinien entsprechen, gelten sie als Gemeinschaftsrecht, nicht aber, wenn die entsprechenden Richtlinien den Mitgliedstaaten Entscheidungsalternativen eröffnen.
*30 Entsprechend der Regelung des Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe f wird ein Verwendungsverbot von "Reinigungs- und Desinfektionsmitteln" unter dem Erlaubnisvorbehalt einer positiven Listung angeordnet.
*31 Für diesen Artikel wird die Kommission bedeutungsgleich wie in Satz 1 des Artikel 38 mit einer vom Rat an sie delegierten Normsetzungskompetenz betraut.
Artikel 16
Im Landbau verwendete Erzeugnisse und Stoffe und Kriterien für ihre Zulassung
(1) Die Kommission lässt nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren die Erzeugnisse und Stoffe, die im ökologischen/biologischen Landbau für folgende Zwecke verwendet werden dürfen, zur Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zu und nimmt sie in ein beschränktes Verzeichnis auf*1:
a) als Pflanzenschutzmittel; *2
b) als Düngemittel und Bodenverbesserer; *3
c) als nichtökologische/nichtbiolo-gische Futtermittelausgangserzeugnisse pflanzlichen Ursprungs, Futtermittelausgangserzeugnisse tierischen und mineralischen Ursprungs und bestimmte Erzeugnisse für die Tierernährung; *4
d) als Futtermittelzusatzstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe; *5
e) als Mittel zur Reinigung und Desinfektion von Teichen, Käfigen, Gebäuden und Anlagen für die tierische Erzeugung; *6
f) als Mittel zur Reinigung und Desinfektion von Gebäuden und Anlagen für die pflanzliche Erzeugung, einschließlich Lagerung in einem landwirtschaftlichen Betrieb. *7
Die in dem beschränkten Verzeichnis aufgeführten Erzeugnisse und Stoffe dürfen nur insoweit verwendet werden, wie die entsprechende Verwendung in der Landwirtschaft allgemein in den betreffenden Mitgliedstaaten gemäß den einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften oder den nationalen Vorschriften im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht zugelassen ist. *8
(2) Die Zulassung der in Absatz 1 genannten Erzeugnisse und Stoffe unterliegt den Zielen und Grundsätzen des Titels II sowie folgenden allgemeinen und speziellen Kriterien, die als Ganzes zu bewerten sind*9:
a) Ihre Verwendung ist für eine nachhaltige Produktion notwendig und für die beabsichtigte Verwendung unerlässlich; *10
b) alle Erzeugnisse und Stoffe müssen pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder mineralischen Ursprungs sein, es sei denn, solche Erzeugnisse oder Stoffe sind nicht in ausreichender Menge oder Qualität erhältlich oder Alternativen stehen nicht zur Verfügung; *11
c) im Falle der in Absatz 1 Buchstabe a genannten Erzeugnisse gilt Folgendes:
i) Ihre Verwendung ist unerlässlich für die Bekämpfung eines Schadorganismus oder einer bestimmten Krankheit, zu deren Bekämpfung keine anderen biologischen, physischen, züchterischen Alternativen oder anbautechnischen Praktiken oder sonstigen effizienten Bewirtschaftungspraktiken zur Verfügung stehen; *12
ii) Erzeugnisse, die nicht pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder mineralischen Ursprungs und nicht mit ihrer natürlichen Form identisch sind, dürfen nur zugelassen werden, wenn in ihren Verwendungsbedingungen jeglicher Kontakt mit den essbaren Teilen der Pflanze ausgeschlossen wird; *13
d) im Falle der in Absatz 1 Buchstabe b genannten Erzeugnisse ist die Verwendung unerlässlich, um die Fruchtbarkeit des Bodens zu fördern oder zu erhalten oder einen besonderen ernährungsphysiologischen Bedarf von Pflanzen zu decken oder spezifische Bodenverbesserungszwecke zu erfüllen; *14
e) im Falle der in Absatz 1 Buchstaben c und d genannten Erzeugnisse gilt Folgendes*15:
i) Sie sind für die Erhaltung der Tiergesundheit, des Wohls und der Vitalität der Tiere erforderlich und tragen zu einer angemessenen Ernährung bei, die den physiologischen und verhaltensgemäßen Bedürfnissen der betreffenden Art entspricht, oder es ist ohne Rückgriff auf diese Stoffe unmöglich, solche Futtermittel herzustellen oder haltbar zu machen; *16
ii) Futtermittel mineralischen Ursprungs, Spurenelemente, Vitamine oder Provitamine sind natürlichen Ursprungs. Stehen diese Stoffe nicht zur Verfügung, so können chemisch genau definierte analoge Stoffe für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen werden. *17
(3) a) Die Kommission kann nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren Bedingungen und Einschränkungen hinsichtlich der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, bei denen die in Absatz 1 genannten Erzeugnisse und Stoffe angewendet werden dürfen, der Anwendungsweise, der Dosierung, des Verwendungszeitraums und des Kontakts mit den landwirtschaftlichen Erzeugnissen festlegen und gegebenenfalls über die Rücknahme der Zulassung dieser Erzeugnisse und Stoffe entscheiden. *18
b) Ist ein Mitgliedstaat der Ansicht, dass ein Erzeugnis oder Stoff in das in Absatz 1 genannte Verzeichnis aufgenommen oder daraus gestrichen werden sollte oder dass die unter Buchstabe a genannten Spezifikationen für die Anwendung geändert werden sollten, so stellt er sicher, dass der Kommission und den Mitgliedstaaten offiziell ein Dossier mit den Gründen für die Aufnahme, Streichung oder Änderungen übermittelt wird. *19
Änderungs- oder Rücknahmeanträge sowie die diesbezüglichen Entscheidungen werden veröffentlicht. *20
c) Erzeugnisse und Stoffe, die vor der Annahme dieser Verordnung für Zwecke verwendet wurden, die den in Absatz 1 genannten Zwecken entsprechen, können nach deren Annahme weiter verwendet werden. Die Kommission kann die Zulassung solcher Erzeugnisse oder Stoffe in jedem Fall gemäß Artikel 37 Absatz 2 zurücknehmen. *21
(4) Die Mitgliedstaaten können in ihrem Hoheitsgebiet die Verwendung von Erzeugnissen und Stoffen im ökologischen/biologischen Landbau für andere als die in Absatz 1 aufgeführten Zwecke regeln, sofern ihre Verwendung den Zielen und Grundsätzen des Titels II und den allgemeinen und spezifischen Kriterien des Absatzes 2 entspricht und dabei das Gemeinschaftsrecht beachtet wird. Die betreffenden Mitgliedstaaten unterrichten die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission über solche nationalen Vorschriften. *22
(5) Die Verwendung von Erzeugnissen und Stoffen, die nicht von den Absätzen 1 und 4 erfasst werden, ist im ökologischen/biolo-gischen Landbau zulässig, sofern ihre Verwendung den Zielen und Grundsätzen des Titels II und den allgemeinen Kriterien dieses Artikels entspricht. *23
Kommentierung des Artikel 16
*1 Artikel 16 gibt der Kommission den Auftrag, im Artikel-37-Verfahren dieser Verordnung "Erzeugnisse" und "Stoffe" "zur Verwendung" in der ökologischen/biologischen Produktion zuzulassen und in ein "beschränktes Verzeichnis" aufzunehmen. Dieser Auftrag bezieht sich nur auf die Verwendung für bestimmte Verwendungszwecke und zwar, die im Katalog des Artikel 26 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe a bis f aufgeführt sind.
Sie sind in ein "beschränktes Verzeichnis" aufzunehmen. Dieses Verzeichnis wird in der englischen Fassung als "restricted list" und in der französischen als "liste restreinte" angesprochen. Es handelt sich um die "Positivlisten" der Erzeugnisse, die für die genannten Verwendungszwecke im ökologischen Landbau eingesetzt werden dürfen. Das Attribut "beschränkt" bezogen auf diese Liste, kann bedeuten, dass es sich um Listen handelt, welche den Einsatz von dem Grunde nach in der Landwirtschaft zugelassenen Erzeugnissen, beispielsweise Pflanzenschutzmitteln, im ökologischen Landbau auf die wenigen, in der Positivliste aufgeführten Pflanzenschutzmittel beschränkt.
Der Begriff "beschränkt" kann aber auch so verstanden werden, dass er sich auf die Vorgabe in Artikel 16 Absatz 2 bezieht, welche der Kommission aufgibt, nur Erzeugnisse und Stoffe zu listen, die "notwendig" oder "unerlässlich" sind. Da die Positivliste, die nach Artikel 16 Absatz 1 aufzustellen ist, für eine unbestimmte Vielzahl von Verkehrsteilnehmern verbindlich sein soll, wird die Kommission ihre Zulassungsentscheidung als Kommissionsverordnung im Artikel-37-Verfahren treffen und das "beschränkte Verzeichnis" in diesem Verfahren aufstellen. Damit es allerdings keine Eile, denn Artikel 16 Absatz 3 Buchstabe c sieht vor, dass die Positivlisten des Anhang II der Vorgängerverordnung auf unbestimmte Zeit weitergelten.
Die zweite Lesart dürfte zutreffen: Artikel 16 Absatz 1 gibt danach selbst kein Verbot vor, "Erzeugnisse und Stoffe", die nicht gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a als "Pflanzenschutzmittel" in die Positivliste aufgenommen worden sind, im ökologischen Landbau einzusetzen. Artikel 16 Absatz 1 gibt vielmehr nur der Kommission den Auftrag die Positivliste zu erstellen. Das Verbot des Einsatzes nicht gelisteter Pflanzenschutzmittel im ökologischen Landbau findet sich stattdessen in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe h. Dort ist vorgegeben, dass "lediglich solche Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden" dürfen, die "nach Artikel 16 für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen wurden".
*2 Nach einer von der Kommission seit dem Jahre 2000 vertretenen Auffassung werden "Erzeugnisse und Stoffe", die als "Pflanzenstärkungsmittel" eingesetzt werden, vom Begriff Pflanzenschutzmittel der Vorgängerverordnung und korrespondierend auch dieser Verordnung nicht erfasst. Dies hat zur Folge, dass Pflanzenstärkungsmittel, die in den Mitgliedstaaten allgemein im konventionellen Landbau eingesetzt werden dürfen, auch im ökologischen Landbau zum Einsatz gelangen, weil der Einsatz dieser Stoffe nicht dem allgemeinen Verbot, hier nun des Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe h für "Pflanzenschutzmittel" unter dem Vorbehalt der Positivlistung unterliegt, sondern überhaupt nicht positivlistungspflichtig ist. Hier liegt ein Versäumnis des Gesetzgebers vor: Die Ausklammerung der Pflanzenstärkungsmittel aus der Positivlistung bewirkt, dass eine Vielzahl von Synthetika, die nach den Angaben der Inverkehrbringer Schutzmechanismen der Kulturpflanzen auslösen sollen, auch im ökologischen Landbau eingesetzt werden.
In Deutschland müssen Pflanzenstärkungsmittel, bevor sie für diesen Zweck im Verkehr angeboten werden, bei der Biologischen Bundesanstalt angemeldet sein (§ 31 ff. Pflanzenschutzgesetz). Dort kommt es zwar zu einer Prüfung, ob die Wirkung eher im Angriff auf den Schadorganismus liegt, das Produkt also wie ein Pflanzenschutzmittel wirkt. Soweit dies aber nicht der Fall ist, erfolgt die Listung ohne Weiteres mit der Folge, dass es für diese Produkte, die durch Rückstände in den Pflanzen oder in der Umwelt durchaus bedenklich sein können, auch für den ökologischen Landbau keine Beschränkung gibt. Die Liste der in Deutschland angemeldeten Pflanzenstärkungsmittel findet sich auf der Webseite der Bundesanstalt. "Erzeugnisse und Stoffe" dürfen als Pflanzenstärkungsmittel in Deutschland nur gehandelt werden, wenn sie bei der Bundesanstalt angemeldet sind.
Eingesetzt dürfen "Erzeugnisse und Stoffe" als Pflanzenstärkungsmittel aber nach dem fachlichen Gutdünken eines jeden Landwirts. Es obliegt jedem Landwirt selbst zu entscheiden, was er als Pflanzenstärkungsmittel einsetzt. Wenn er etwas einsetzt, das er zwar als Pflanzenstärkungsmittel bezeichnet, das aber erkennbar einen anderen Zweck verwirklicht, welcher der Listungspflicht unterliegt, etwa den Angriff auf einen Schadorganismus, so wie ein Pflanzenschutzmittel dies tut, greift das Verbot des Artikel 12. Ist aber ein solcher, anderer Zweck nicht erkennbar oder nachweisbar, kann der Landwirt, auch wenn er ökologisch wirtschaftet, praktisch nach Belieben "Erzeugnisse und Stoffe" unter Berufung darauf einsetzen, dass er sich davon eine Stärkung seiner Kulturpflanzen erhofft.
Diese eigentümliche Regelungslücke erklärt sich historisch: Die Kommission hatte Ende der 90iger Jahre begonnen, den im ökologischen Obst- und Weinbau seit Jahrzehnten üblichen Einsatz von Kupferverbindungen zur Kontrolle von Pilzerkrankungen der Pflanzen mit dem Argument anzugreifen, dass hier eine Reduktion erfolgen müsse. Unter anderem begründete die Kommission ihr Anliegen der weitgehenden Zurückdrängung des Einsatzes von Kupfermitteln damit, dass doch Pflanzenstärkungsmittel keiner Listungspflicht unterliegen und deshalb von Ökolandwirten eingesetzt werden dürften. Insbesondere wurden Produkte mit phosphoriger Säure, die von der Biologischen Bundesanstalt als Pflanzenstärkungsmittel gelistet worden waren, im ökologischen Landbau eingesetzt. Gegen die Verwendung dieser Mittel, insbesondere nach der Blüte, wurden Bedenken mit Blick darauf erhoben, dass sich in den Blättern und Ernteprodukten von Reben eine erhebliche Konzentration beobachten lässt. Manche Mittel wurden von der Biologischen Bundesanstalt nach mehrjähriger Listung als Pflanzenstärkungsmittel im Ergebnis als Pflanzenschutzmittel eingestuft.
*3 Die Regelung für "Düngemittel und Bodenverbesserer" findet sich in Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d. Diese Positivlistungspflicht gilt aber nur für Düngemittel und Bodenverbesserer, die nicht "biodynamische Zubereitungen" sind, denn diese sind schon durch Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c allgemein zur Verwendung im ökologischen Landbau zugelassen. Und das Verbot des Einsatzes nicht gelisteter "Düngemittel und Bodenverbesserer" bezieht sich nicht auf "Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft" und nicht auf "organische Substanzen", die aus ökologischer/biologischer Produktion "stammen", wie sich aus Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b ergibt.
*4 Hier wird das Erstellen einer Positivliste für "Futtermittelausgangserzeugnisse" vorgegeben. Diese Vorgabe entspricht dem Verwendungsverbot des Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe d Unterabschnitt iv. Die Positivlistung wirkt als normative Erlaubnis, welches das allgemeine Verwendungsverbot aus Artikel 14 aufhebt. "Futtermittelausgangserzeugnisse" ist in dieser Verordnung gesetzlich nicht definiert, schließt aber nach anderen gemeinschaftsrechtlichen Begriffsbestimmungen deren Zusatzstoffe ein (vgl. Kommentierung des Artikel 18 *3).
*5 Nach den Begriffsbestimmungen des Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 über Zusatzstoffe zur Verwendung in der Tierernährung sind: „a) „Futtermittelzusatzstoffe": Stoffe, Mikroorganismen oder Zubereitungen, die keine Futtermittel-Ausgangserzeugnisse oder Vormischungen sind und bewusst Futtermitteln oder Wasser zugesetzt werden, um insbesondere eine oder mehrere der in Artikel 5 Absatz 3 genannten Funktionen zu erfüllen; b) „Futtermittel-Ausgangserzeugnisse": Erzeugnisse gemäß der Begriffsbestimmung in Artikel 2 Buchstabe a) der Richtlinie 96/25/EG des Rates vom 29. April 1996 über den Verkehr mit Futtermittel-Ausgangserzeugnissen; ... h) „Verarbeitungshilfsstoffe": an sich nicht als Futtermittel verwendete Stoffe, die bei der Verarbeitung von Futtermitteln oder Futtermittel-Ausgangserzeug-nissen absichtlich zu dem Zweck verwendet werden, während der Be- oder Verarbeitung einen technologischen Zweck zu erfüllen, was zum Vorhandensein nicht beabsichtigter, aber technisch unvermeidbarer Rückstände oder Rückstandsderivate im Enderzeugnis führen kann, sofern sich diese Rückstände weder schädlich auf die Gesundheit von Tier und Mensch oder auf die Umwelt noch technologisch auf das Enderzeugnis auswirken; ...".
Gemäß Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 über Zusatzstoffe zur Verwendung in der Tierernährung müssen alle Zusatzstoffe in einem Reevaluierungsverfahren neu zugelassen werden.
Für jeden der "Alt-Stoffe" (das sind Futtermittel-Zusatzstoffe gemäß der ehemaligen Richtlinie 70/524/EWG, Harnstoff und seine Derivate, Aminosäuren, deren Salze oder Analoge gemäß den ehemaligen Nummern 2.1, 3 und 4 des Anhangs der Richtlinie 82/471/EWG sowie Silierzusatzstoffe gemäß Artikel 10 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003), der im Zuge des Notifizierungsverfahrens gemäß Artikel 10 Absatz 1 dieser Verordnung von der Kommission in das Gemeinschaftsregister der Futtermittel-Zusatz-stoffe eingetragen wurde, muss spätestens bis zum 07.11.2010 bzw. bei Zusatzstoffen mit begrenzter Zulassungsdauer bis spätestens ein Jahr vor Auslaufen der jeweiligen Zulassung ein Antrag gemäß Artikel 7 dieser Verordnung bei der Kommission gestellt werden, um nach diesem Zeitpunkt bzw. nach Auslaufen der befristeten Zulassung weiterhin in den Verkehr gebracht und verwendet werden zu dürfen.
Für die Erstellung der Antragsunterlagen wurde von der Kommission eine Durchführungsverordnung gemäß Artikel 7 Absatz 4 und 5 mit Vorschriften für die Erstellung und Vorlage der Zulassungsanträge (so genannte "neuen Leitlinien") erarbeitet, zu der der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit, Sektion Tierernährung, im Dezember 2007 eine befürwortende Stellungnahme abgegeben hat. Mit dem Erlass dieser Durchführungs-Verordnung durch die Kommission und der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union ist im Laufe des ersten Halbjahres 2008 zu rechnen. Mit dieser Verordnung werden die bisherigen Leitlinien (Anhang der Richtlinie 87/153/EWG in der Fassung der Richtlinie 2001/79/EG) abgelöst. Es wurden Futtermittel-Zusatz-stoff-Zulassungs-Konsortien als freiwillige Zusammenschlüsse von Unternehmen zur gemeinsamen Erstellung und Vorlage von Zulassungsanträgen und -unterlagen für Futtermittel-Zusatzstoffe, die gemäß Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 nicht firmengebunden zugelassen werden, gegründet. Es bestehen Konsortien für Aromastoffe, Vitamine, Aminosäuren, Carotinoide und Spurenelementen. Weitere Konsortien sind in Planung, so für Emulgatoren, Säuren, Säureregulatoren, Bindemittel und Silierzusatzstoffen.
*6 Hier ist die Positivliste angesprochen, die den Verwendungsverboten einerseits in Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe f für die terrestrische Tierhaltung, andererseits von Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe g für die Erzeugung von Aquakulturtieren entspricht. Nicht Artikel 16 ordnet das Verwendungsverbot unter dem Erlaubsnisvorbehalt der Positivlistung an, sondern die beiden zitierten Vorschriften.
*7 Diese Positivliste entspricht dem Verwendungsverbot, wie es in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe j dieser Verordnung vorgegeben ist, dort allerdings, wie es auch der Formulierung der Positivlistung entspricht, ausschließlich für landwirtschaftliche Betriebe und nicht für den Bereich der Herstellung verarbeiteter Lebensmittel, wie sie in Artikel 19 geregelt ist. Die Scheidelinie zwischen der "pflanzlichen Erzeugung" und der "Herstellung verarbeiteter Lebensmittel" ist daher auch für die Frage der Positivlistungspflichtigkeit der zur Reinigung und Desinfektion eingesetzten Erzeugnisse wichtig (vgl. Kommentierung zu Artikel 1 *6).
Diese Verordnung führt ein, im Vergleich zur Vorgängerverordnung neues Verbot mit Listungsvorbehalt für "Reinigungs- und Desinfektionsmittel" in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe j ein. Dementsprechend gibt Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe f der Kommission die Listung von "Erzeugnissen und Stoffen" als Mittel zur Reinigung und Desinfektion "von Gebäuden und Anlagen für die pflanzliche Erzeugung, einschließlich Lagerung in einem landwirtschaftlichen Betrieb" vor. Der Auftrag der Positivlistung macht deutlich, dass Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe j tatsächlich ein Verwendungsverbot mit Listungsvorbehalt nur für den Bereich der landwirtschaftlichen Erzeugung vorsieht, nicht aber für den Einsatz in "Gebäuden und Anlagen", in denen Erzeugnisse aus ökologischem Landbau nach dem Abschluss ihrer "Erzeugung", also nach ihrem Verlassen des landwirtschaftlichen Betriebs, gelagert oder transportiert werden.
Ist der Einsatz von Mitteln zur Vernichtung von Insekten in Gebäuden und Einrichtungen damit prositivlistungspflichtig oder nicht? Nein, denn die "Mittel zur Reinigung und Desinfektion von Gebäuden" umfassen Biozide, die zur Beseitigung von Schadinsekten aus Gebäuden eingesetzt werden, nicht. „Desinfektion" bezeichnet nur das Abtöten von Keimen, durch alle Maßnahmen, durch die Krankheitserreger (Bakterien, Viren, Protozoen) abgetötet oder an ihrer Vermehrung gehindert (inaktiviert) werden, damit sie nicht mehr infektiös sind, und nicht die Vernichtung von Schädlingen höherer Arten, wie Insekten.
Die Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten gilt für Biozid-Produkte gemäß Artikel 2 der Richtlinie: „ a) Biozid-Produkte Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten, in der Form, in welcher sie zum Verwender gelangen, und die dazu bestimmt sind, auf chemischem oder biologischem Wege Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, Schädigungen durch sie zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen. Anhang V enthält ein erschöpfendes Verzeichnis von 23 Produktarten mit Beispielbeschreibungen innerhalb jeder Produktart".
Anhang V beschreibt für die „HAUPTGRUPPE 1: Desinfektionsmittel und allgemeine Biozid-Produkte" die für die Zwecke dieser Verordnung wichtige Biozid-Produktart 4 so: „Desinfektionsmittel für den Lebens- und Futtermittelbereich, Produkte zur Desinfektion von Einrichtungen, Behältern, Besteck und Geschirr, Oberflächen und Leitungen, die im Zusammenhang mit der Herstellung, Beförderung, Lagerung oder dem Verzehr von Lebens- oder Futtermitteln oder Getränken (einschließlich Trinkwasser) für Menschen und Tiere Verwendung finden".
In der „HAUPTGRUPPE 2: Schutzmittel" umfasst die „HAUPTGRUPPE 3: Schädlingsbekämpfungsmittel" die folgenden Produktarten: „Produktart 14: Rodentizide Bekämpfungsmittel gegen Mäuse, Ratten und andere Nagetiere. Produktart 15: Avizide Bekämpfungsmittel gegen Vögel. Produktart 16: Molluskizide Bekämpfungsmittel gegen Mollusken. Produktart 17: Fischbekämpfungsmittel Bekämpfungsmittel gegen Fische; diese Produktart umfaßt nicht Produkte zur Behandlung von Fischkrankheiten. Produktart 18: Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden Bekämpfungsmittel gegen Arthropoden (z. B. Insekten, Spinnentiere und Schalentiere). Produktart 19: Repellentien und Lockmittel Produkte zur Fernhaltung oder Köderung von Schadorganismen (wirbellose Tiere wie z. B. Flöhe, Wirbeltiere wie z. B. Vögel)".
Die Biozid-Richtlinie unterscheidet „Desinfektionsmittel" und „Schädlingsbekämpfungsmittel.
Es liegt jedenfalls eine Unterlassung des Gemeinschaftsgesetzgebers vor, wenn die Pestizide nach wie vor ohne Positivlistung zur Entwesung leerer Räume und Einrichtungen auch in Ökobetrieben eingesetzt werden können. Dass demgegenüber Reinigungs- und Desinfektionsmittel positivlistungspflichtig sind, weist auf die fehlende Fokussierung der Novellierung auf neuralgische Punkte der Ökoproduktion hin.
Das Pestizid Chlorpyrimiphos wird typisch in sehr geringen, aber regelmäßig nachweisbaren Spuren in den ökologischen Getreideprodukten aus Italien nachgewiesen. Der Grund liegt mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit nicht im verbotenen Einsatz dieses Pflanzenschutzmittels in der ökologischen Erzeugung und auch nicht in Abdrift aus benachbarten konventionellen Kulturen, sondern im Einsatz bei der Entwesung von Lagereinrichtungen des Handels und Transportmitteln mit Chlorpyrimiphos.
Die Verwendung von Chlorpyrimiphos "auf" gelagerten Ernteprodukten wäre ein Einsatz als Pflanzenschutzmittel, ganz gleich, ob das Erntegut noch beim landwirtschaftlichen Erzeuger lagert oder im Handel auf dem Wege zur Verarbeitung oder beim Verarbeiter. Wird Chlorpyrimiphos jedoch in geräumten "Gebäuden und Anlagen" eingesetzt, gilt dieser Einsatz nicht als Einsatz eines Pflanzenschutzmittels, sondern als Einsatz für einen anderen Verwendungszweck, nämlich als Biozid zur Entwesung.
Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c bis e verpflichten die Kommission zur Führung von Positivlisten für "Erzeugnisse und Stoffe", die in der ökologischen Tierhaltung zum Einsatz gelangen. Dies steht im Widerspruch zur Angabe, dass Artikel 16 Absatz 1 die Listung von Stoffen für den ökologischen/biologischen "Landbau" zum Gegenstand hat. Der deutsche Begriff "Landbau" wird im Verkehr regelmäßig als Hinweis auf die pflanzliche Produktion verstanden, nicht aber auf die Tierhaltung. Die französische Fassung spricht hier von "agriculture biologique", die englische von "organic farming". Es liegt also ein Übersetzungsfehler vor.
*8 Artikel 8 stellt die Positivlistung unter den Vorbehalt der Verwendungszulässigkeit allgemein in der Landwirtschaft.
Artikel 16 Absatz 1 Satz 2 stellt klar, dass auch die für die in Artikel 16 Absatz 1 Satz 2 aufgeführten Verwendungszwecke eingesetzten und in der Positivliste einer Kommissionsverordnung für diese Zwecke aufgeführten "Erzeugnisse und Stoffe" im ökologischen Landbau nur dann zum Einsatz gelangen dürfen, wenn sie "in der Landwirtschaft allgemein" für diese Verwendungszwecke eingesetzt werden dürfen. Es hebt die Formulierung des Artikel 16 Absatz 1 Satz 2 nicht auf die tatsächliche Rechtspraxis in den Mitgliedsstaaten ab, sondern auf ein fiktives, gemeinschaftsrechtskonformes nationales Recht, nämlich auf die Zulässigkeit des Einsatzes entweder nach Gemeinschaftsrecht oder nach mitgliedsstaatlichem Recht, aber nur, wenn es gemeinschaftsrechtskonform ist. Dies impliziert, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber für den ökologischen Landbau, die Verwendung zum Beispiel von Pflanzenschutzmitteln, die in Mitgliedstaaten nach nationalem Recht eingesetzt, nach Gemeinschaftsrecht aber nicht eingesetzt werden dürften, verbietet.
Artikel 16 Absatz 1 Satz 2 handelt davon, dass "Erzeugnisse und Stoffe" zur Verwendung in der Landwirtschaft allgemein "zugelassen" sein müssen. Die englische Fassung handelt von einem "corresponding use", die "authorised in general agriculture" sei. Die französische Fassung entsprechend von einer "utilisation correspondante" die "autorisée" sei. Gemeint ist hier nicht nur eine auf ein konkretes Produkt, dass etwa als Pflanzenschutzmittel zugelassen wurde, bezogene Zulassungs- oder Autorisierungsentscheidung, sondern auch eine Rechtslage, die "Stoffe und Erzeugnisse" zum Einsatz in der Landwirtschaft ohne individuelle, produktbezogene Zulassungsentscheidung zulässt.
*9 Die Grundsätze des Titel II steuern nach der Systematik dieser Verordnung nicht das Verhalten von Landwirten und Kontrollstellen unmittelbar, sondern allenfalls als Auslegungshilfe für die Vorschriften des Titel 3 und der folgenden Titel. Sie steuern aber das Verhalten der Kommission beim Aufstellen der Positivlisten, wobei hier hervorgehoben wird, dass es sich um Kriterien handelt, die "als Ganzes zu bewerten" seien. Die englische Fassung spricht "the following general and specific criteria" an "which shall be evaluated as a whole".
Dies kann bedeuten, dass alle aufgeführten Kriterien kumulativ vorliegen müssen. Es könnte aber auch bedeuten, dass die Kriterien als Belange in eine abwägende Entscheidung mit dem ihnen zukommenden Gewicht eingestellt und berücksichtigt werden müssen, womit verbunden wäre, dass nicht alle Belange bei jeder Zulassungsentscheidung mit ihrem vollem Gewicht Berücksichtigung fänden.
*10 Hier wird die Notwendigkeit zu listender Erzeugnisse und Stoffe für eine nachhaltige Produktion und ihre Unerlässlichkeit für die beabsichtigte Verwendung formuliert. Dies entspricht der englischen Fassung, die voraussetzt, dass "their use is necessary for system production and essential for its intended use". In der englischen Fassung fehlt der unbestimmte Artikel bezogen auf die Produktion. Dass hier zwei unterschiedliche Tatbestandsmerkmale, einmal "necessary" und zum anderen "essential" einerseits für die Produktion und andererseits für die Verwendung gebraucht werden, deutet darauf hin, dass die Zulassungsentscheidung für eine bestimmte Verwendung, nämlich nur für unerlässliche Verwendungen, fallen soll, folglich mit einer eingrenzenden Beschreibung der Verwendungsbestimmungen verbunden sein soll. Das Tatbestandsmerkmal der "Unerlässlichkeit" deutet auf eine entsprechende Verpflichtung der Kommission hin, ihre Vorschläge entsprechend einzugrenzen. Diese Vorgabe, welche das Verhalten der Kommission steuern soll, ähnelt der Vorgabe in Artikel 21 Absatz 1 Unterabschnitt i, wo das Fehlen von "Alternativen" als Voraussetzung der Listung beschrieben wird.
*11 Hier wird der Kreis der Herkünfte der positivgelisteten Stoffe auf solche pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder mineralischen Ursprungs eingeschränkt. Zugleich wird der Kreis aber geöffnet hin zu den chemisch-synthetisch hergestellten, in dem deren Liste unter die alternativen Bedingungen gestellt wird, dass andere Stoffe entweder am Markt nicht in ausreichender Menge oder Qualität verfügbar sind oder Alternativen nicht zur Verfügung stehen, womit insbesondere das Fehlen technischer Alternativen, also die Notwendigkeit des Einsatzes chemisch-synthetischer Erzeugnisse und Stoffe angesprochen wird.
*12 Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe c beschreibt die Voraussetzungen für die Listung von Stoffen als Pflanzenschutzmittel. Die Voraussetzungen gelten nicht für die Listung als Pflanzenstärkungsmittel, denn hier gibt es kein Verwendungsverbot und damit keine Positivlistung. Die Voraussetzungen beziehen sich auch nicht auf den Einsatz zur Entwesung von Anlagen, Lagerräumen und Transportfahrzeugen in Abwesenheit von Ernteprodukten, denn dann handelt es sich nicht um den Einsatz als Pflanzenschutzmittel, sondern um die Reinigung von Räumen. Die Reinigung von Räumen ist allerdings zumindest für den Bereich der pflanzlichen Erzeugung in die Positivlistungspflichtigkeit einbezogen, so dass für diese Zwecke eine Positivliste gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe f erstellt wird. Zu den "Mitteln zur Reinigung und Desinfektion von Gebäuden und Anlagen" gehören auch solche, die als Pflanzenschutzmittel eingesetzt würden, wenn sie auf dem Ernteprodukt ausgebracht würden und nicht zur Entwesung geräumter Einrichtungen eingesetzt.
Die Positivlistung von Pflanzenschutzmitteln wird unter den Vorbehalt ihrer Unerlässlichkeit ihrer Verwendung gestellt. Es muss sich um die Unerlässlichkeit zur Bekämpfung eines "Schadorganismus" oder einer "bestimmten Krankheit" handeln. Die Positivlistung muss daher spiegelbildlich mit der Benennung dieser, zumindest ihrer Art nach, einhergehen. Weitere Voraussetzung ist, dass für die Bekämpfung keine "biologischen, physischen, züchterischen Alternativen oder anbautechnischen Praktiken oder sonstigen effizienten Bewirtschaftspraktiken" zur Verfügung stehen. Hier stellt sich die Frage, ob es der Kommission untersagt ist, Fungizide für den Weinbau zu listen, wenn resistente Sorten zum Anbau zur Verfügung stehen. Ohne eine Änderung dieser Verordnung wird aber davon auszugehen sein, dass die tatsächliche Praxis des ökologischen Landbaus, in der Sorten zum Anbau gewählt werden, wie sie auch im konventionellen Anbau zum Einsatz gelangten, nicht praktisch zu Gunsten des Anbaus weniger attraktiver Neuzüchtungen untersagt werden soll.
*13 Das Verbot jeglichen Kontakts, insbesondere chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel, bezieht sich auf Kontakt "mit den essbaren Teilen der Pflanze". Hier stellt sich die Frage, was für Teile gilt, die zum Zeitpunkt der Anwendung zwar noch nicht essbar sind, es aber noch werden. Die Frage stellt sich beispielsweise bei Trauben bezogen auf die Blüten und Fruchtstände. Das Tatbestandsmerkmal "essbar" könnte so verstanden werden, dass erst das Verwenden bei fortgeschrittener Vegetationsperiode, praktisch unmittelbar vor der Ernte, unzulässig sein soll. Damit würde die Wirkung des Verbots aber weitgehend auf den schlichten äußerlichen Kontakt mit den ausgereiften Früchten und Samen beschränkt werden.
Für die Integrität der ökologischen Produktion wichtiger ist die Frage, ob bei einem Aufbringen zu einem früheren Zeitpunkt des Wachstumsprozesses die chemisch-synthetischen Wirkstoffe von der Pflanze aufgenommen und in den Ernteprodukten eingelagert wird. Wenn die Aufnahme durch ein Aufbringen auf den Fruchtstand geschieht, legt die Auslegung nahe, dass es sich hier um einen Kontakt mit den essbaren Teilen der Pflanze handelt. Erstaunlich ist jedoch, dass die Aufnahme über andere Teile, verbunden mit der Einlagerung in den Ernteprodukten, seien es Früchte oder Samen, von dieser Verordnung nicht angesprochen wird. Es scheint kein Entscheidungskriterium zu sein, welches für die Kommission zu beachten hätte, in welchem Maße die Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel in ökologischen Kulturen zu deren Präsenz in Lebensmitteln führt. Wahrscheinlich hat der Gemeinschaftsgesetzgeber die Verpflichtung der Kommission, die Positivlisten so zu führen, dass derartige Ernterückstände praktisch vermieden werden, als so selbstverständlich angesehen, dass er diesen Grundsatz noch nicht einmal der Erwähnung würdig fand.
*14 Hier wird die Unerlässlichkeit von "Düngemitteln und Bodenverbesserern" für die Förderung und Erhaltung der Fruchtbarkeit des Bodens als Bedingung formuliert. Und alternativ als Bedingung die Unerlässlichkeit zur Befriedigung eines besonderen ernährungsphysiologischen Bedarfs von Pflanzen. Schließlich als dritte Alternative die Unerlässlichkeit für "spezifische Bodenverbesserungszwecke".
*15 Für die Listung von Futtermittelausgangserzeugnissen, Futtermittelzusatzstoffen und Verarbeitungshilfsstoffen werden die folgenden Kriterien für die Listungsvorschläge der Kommission genannt, welche diese im Verfahren des Artikel 37 den Mitgliedstaaten vorlegt.
*16 Hier wird die "Erforderlichkeit" für die Erhaltung der Gesundheit, des Wohls und der Vitalität der Tiere" gefordert. Es fällt auf, dass mit den Tatbestandsmerkmalen notwendig, unerlässlich und erforderlich in Artikel 16 Absatz 2 scheinbar unterschiedliche Maßstäbe formuliert werden. Bei genauerer Betrachtung macht aber der Versuch, hier eine geringere Bedeutung der Gesundheit, des Wohls und der Vitalität der Tiere herauszulesen, weil nur das relativ schwache Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit und nicht jenes der Unerlässlichkeit formuliert ist, keinen rechten Sinn. Es ist davon auszugehen, dass die Autoren des Verordnungstextes die Begriffe als gleichwertig angesehen und verschiedene Begriffe nur zur Auflockerung des Textes nach ihrem Sprachgefühl gewählt haben. Im Unterabschnitt i wird auf die Unmöglichkeit des Haltbarmachens ohne Zusatzstoffe abgestellt, was impliziert, dass das Haltbarmachen mit Zusatzstoffen ein postivlistungsfähiger Verwendungszweck ist.
*17 Vitamine und Provitamine chemisch-synthetischen Ursprungs werden als postivlistungsfähig beschrieben, wenn solche "natürlichen Ursprungs" nicht verfügbar sind. Das praktische Problem, dass Vitamine, wie sie in der Tierfütterung verwendet werden, mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen (GMMs) erzeugt werden, löst diese Verordnung nicht, sondern sie verweist die Entscheidung über die Zulässigkeit dieses Einsatzes in die Flexibilisierungsermächtigung zu Gunsten der Kommission, wie sie in Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe g gesteuert von der Einschränkung vorgegeben ist, dass "diese Stoffe anders als durch GVO hergestellt auf dem Markt nicht erhältlich sind".
*18 Die Kommission wird zum Erlass von Durchführungsvorschriften ermächtigt, wie dies schon durch Artikel 38 Satz 1 dieser Verordnung allgemein geschieht. Artikel 16 Absatz 3 Buchstabe a ist allerdings so zu verstehen, dass die Kommission gehalten ist, die Anwendungsweise, die Dosierung, den Verwendungszeitraum und den Kontakt mit den landwirtschaftlichen Erzeugnissen festzulegen. In Artikel 16 Absatz 3 Buchstabe c findet sich die allgemeine Regelung, dass "Erzeugnisse und Stoffe", die nach der Vorgängerverordnung verwendet wurden, weiterverwendet werden können. Die Kommission kann aber diese Positivlistung durch Kommissionsverordnung im Artikel-37-Verfahren zurücknehmen. Es bedarf allerdings einer solchen ausdrücklichen Zurücknahme. In dem schlichten Erlass einer Kommissionsverordnung mit einer Positivliste liegt keine Zurücknahmeentscheidung, welche die Grundentscheidung dieser Ratsverordnung aufheben würde, die vorhandenen Positivlistungen weiter gelten zu lassen.
*19 Diese Vorgabe entspricht jener des Artikel 21 Absatz 2 Satz 2 (vgl. Kommentierung des Artikel 21 *6)
*20 Die Praxis der Geheimhaltung des Artikel-37-Verfahrens wird durch diese Anordnung der Ratsverordnung durchbrochen.
*21 Hier findet, wie in Artikel 21 Absatz 2 Satz 4 dieser Verordnung die Vorgabe, dass die Listungen von "Erzeugnissen und Stoffen" in den Positivlisten der Vorgängerverordnung weiter auch unter der Gültigkeit dieser Verordnung wirken, bis diese Listungen durch eine Kommissionsverordnung aufgehoben werden.
*22 Hier ist vorgegeben, dass die Mitgliedstaaten, allerdings begrenzt auf die Praxis auf ihrem Hoheitsgebiet, weitere Verwendungszwecke zum Gegenstand eines allgemeinen Verbots unter Zulassungsvorbehalt wählen können. Diese Regelung entspricht der des Artikel 34 Absatz 2, mit der allgemein strengere Vorschriften, aber begrenzt in der Wirkung auf das jeweilige Hoheitsgebiet, von den Mitgliedstaaten angeordnet werden können. Hier wäre beispielsweise die Positivlistung für die Verwendung als Pflanzenstärkungsmittel ein Aspekt, der von einzelnen Mitgliedstaaten in ihrer Rechtsordnung geregelt werden könnte.
Da dies mit einem Eingriff in das Eigentum an eingerichteten und ausgeübten Betrieb einhergeht und mit einem ähnlichen Eingriff in die freie Ausübung eines Gewerbes, bedarf es in der Regel einer gesetzlichen Regelung, zumindest einer Administrativentscheidung, die durch eine parlamentsgesetzliche Ermächtigung hinreichend konkret gesteuert ist. Völlig verwirrend ist die Vorgabe, die Mitgliedstaaten müssten, wenn sie die Verwendung von Erzeugnissen und Stoffen für weitere Verwendungszwecke als hier in dieser Verordnung vorgegeben, unter ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt stellen möchten, die Verwendung bestimmter Erzeugnisse und Stoffe dann entsprechend den "Zielen und Grundsätzen des Titel II" gestalten. Da der Verordnungsgeber sich hier dafür entschieden hat, diese anderen Verwendungszwecke überhaupt nicht erst zum Gegenstand einer Regelung zu wählen, kann es schon erstaunen, wenn hier die Mitgliedstaaten verpflichtet sein sollen, eben die Ziele und Grundsätze des Titel II dieser Verordnung zu beachten, die nach der eigenen Wertung des Gemeinschaftsgesetzgebers gar nicht erst eine Regelung der hier nicht geregelten Verwendungszwecke erforderlich machten.
*23 Ganz folgerichtig ist es aber umgekehrt, wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber hier eine allgemeine, durchgreifende Regelung für die Verwendung von Erzeugnissen und Stoffen vorsieht, die für Zwecke erfolgt, die er nicht mit einem Verwendungsverbot unter dem Erlaubnisvorbehalt der Positivlistung belegt hat. Beispielsweise sind Pflanzenstärkungsmittel nach dieser Verordnung nicht in Positivlisten aufzuführen, weil ihr Einsatz im ökologischen Landbau genauso zugelassen ist, wie in der konventionellen Landwirtschaft. Allerdings muss ihre Verwendung den "Zielen und Grundsätzen des Titel II" entsprechen. Und außerdem auch noch den "allgemeinen Kriterien dieses Artikels".
Dies hat zur Folge, dass etwa chemisch-synthetische Pflanzenstärkungsmittel nicht in Kontakt mit den essbaren Teilen der Pflanze kommen dürfen wie dies in Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe c Unterabschnitt ii für die Pflanzenschutzmittel vorgegeben ist. Artikel 16 enthält zwar in den Absätzen 1 bis 3 Vorgaben, welche das Verhalten der Kommission steuern, dann in Absatz 4 Vorgaben für das Verhalten von Mitgliedstaaten, jedoch richtet sich Absatz 5 unmittelbar an jeden Landwirt und jede Kontrollstelle.
Wenn "Erzeugnisse und Stoffe" für Verwendungszwecke eingesetzt werden, die keinem allgemeinen Verbot mit dem Erlaubnisvorbehalt der Positivlistung belegt sind, muss die Prüfung, welche die Kommission bei der Entscheidung über die Positivlistung vorzunehmen hätte, sachdienlich vom Landwirt und von der sachverständigen Ökokontrollstelle selbst erfolgen. Die Kriterien der Erforderlichkeit, der Unerlässlichkeit, der Notwendigkeit und der weiteren Bedingungen wie dieser Artikel sie formuliert, müssen spezifisch gewertet und geprüft werden.
Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat sich hier die Sache einfach gemacht: Er war mit dem Vorhalt einiger Mitgliedstaaten konfrontiert, dass es doch nicht angehe, etwa chemisch-synthetische Stoffe bei einer Verwendung als Pflanzenstärkungsmittel in die ökologische Produktion einfließen zu lassen, weil dies mit der Integritätserwartung der Verbraucher nicht vereinbar sei. Auf diesen Vorhalt hat er politisch bei der Herstellung von Einvernehmen mit dem Rat dadurch reagiert, dass er nun die abwägende Zulässigkeitsprüfung, wie er sie der Kommission für das Führen von Positivlisten aufgegeben hat, von jedem einzelnen Landwirt und von jeder Ökokontrollstelle für all die Verwendungszwecke verlangt, die er nicht mit einem allgemeinen Verwendungsverbot belegt hat.
Artikel 16 Absatz 5 erhält damit impliziert den Charakter einer allgemeinen Verwendungseinschränkung auch für Verwendungszwecke, die nicht mit einem Verwendungsverbot belegt sind. Erzeugnisse und Stoffe, die zu irgendeinem Zweck in der Ökoproduktion verwendet werden, müssen immer auf die Frage geprüft werden, ob sie ähnlich wie die Erzeugnisse und Stoffe, bezüglich derer ein Verwendungsverbot gilt, Fragen der Verwirklichung der Ziele und Grundsätze des Titel II aufwerfen, wie jene Erzeugnisse und Stoffe, die von den Verwendungsverboten erfasst sind.
Artikel 17
Umstellung
(1) Folgende Vorschriften gelten für landwirtschaftliche Betriebe, auf denen mit der ökologischen/ biologischen Produktion begonnen wird*1:
a) Der Umstellungszeitraum beginnt frühestens, wenn der Unternehmer den zuständigen Behörden seine Tätigkeit gemeldet und seinen Betrieb dem Kontrollsystem gemäß Artikel 28 Absatz 1 unterstellt hat. *2
b) Während des Umstellungszeitraums finden sämtliche Vorschriften dieser Verordnung Anwendung. *3
c) Je nach der Art der pflanzlichen oder tierischen Erzeugung werden spezifische Umstellungszeiträume festgelegt. *4
d) In einem Betrieb oder einer Betriebseinheit mit teilweiser ökologischer/biologischer Produktion und teilweiser Umstellung auf ökologische/biologische Produktion muss der Unternehmer die ökologisch/ biologisch produzierten Erzeugnisse und die Umstellungserzeugnisse getrennt halten, und die entsprechenden Tiere müssen getrennt oder leicht unterscheidbar sein, und er muss über die Trennung Buch führen. *5
e) Zur Bestimmung des genannten Umstellungszeitraums kann ein dem Zeitpunkt des Beginns des Umstellungszeitraums unmittelbar vorangehender Zeitraum berücksichtigt werden, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. *6
f) Während des unter Buchstabe c genannten Umstellungszeitraums produzierte Tiere und tierische Erzeugnisse dürfen nicht unter Verwendung der in den Artikeln 23 und 24 genannten Angaben bei der Kennzeichnung und Werbung vermarktet werden. *7
(2) Die zur Durchführung der Bestimmungen dieses Artikels erforderlichen Maßnahmen und Bedingungen und insbesondere die Zeiträume nach Absatz 1 Buchstaben c bis f werden nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren festgelegt. *8
Kommentierung des Artikel 17
*1 Die Vorschriften des Artikel 17 beziehen sich nicht auf die Umstellung von einzelnen Tieren oder Tiergruppen oder einzelnen Flächen, die in ökologisch geführte Betriebe aufgenommen werden, sondern auf "landwirtschaftliche Betriebe, auf denen mit der ökologischen/biologischen Produktion begonnen" wird. Die Betriebsbezogenheit der Umstellung, wie sie hier geregelt ist, wird durch die englische Fassung bestätigt, die von einer "farm" handelt, "on which organic production is started".
*2 Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a gibt zwar als Beginn des Umstellungszeitraums den Zeitpunkt der Meldung der Tätigkeit durch den Unternehmer und der Unterstellung des Betriebs unter das Kontrollsystem, regelmäßig durch Abschluss eines Kontrollvertrags, gemäß Artikel 28 Absatz 1 vor, was aber durch die Bestimmung des Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe e dahingehend korrigiert wird, dass "zur Bestimmung" des Umstellungszeitraums ein dem Zeitpunkt dieses Beginns "unmittelbar vorangehender Zeitraum" berücksichtigt werden kann.
*3 Die Vorgabe, dass "sämtliche Vorschriften" dieser Verordnung "Anwendung" finden, bewirkt, dass es sich bei Produkten aus Umstellungsbetrieben eigentlich um Produkte aus vollständig ökologischer Produktion handelt. Nur eben mit der Einschränkung, dass bis zum Zeitpunkt der Gewinnung der Produkte, also etwa bis zum Zeitpunkt der Ernte, der Zeitraum bis zu vollständig ökologischen Produktion, so wie er nach dieser Verordnung vorgegeben wird, noch nicht vollständig durchlaufen wurde. Bezüglich der Kennzeichnung der Produkte aus Umstellung sieht diese Verordnung einerseits Einschränkungen vor, indem die Kennzeichnung auf pflanzliche Monoprodukte beschränkt und die Verwendung des EU-Öko-Logos ausgeschlossen wird. Andererseits sieht diese Verordnung, abweichend von der Vorgängerverordnung, bei der Biokennzeichnung dieser Umstellungsprodukte keinen Umstellungshinweis vor (vgl. Kommentierung des Artikel 19 *6, Kommentierung des Artikel 25 *2).
*4 In Artikel 16 Buchstabe c wird kein Auftrag an die Unternehmer oder Kontrollstellen festgelegt, sondern es wird die Kommission durch diese Ratsverordnung angeleitet, von der an sie delegierten Rechtssetzungsbefugnis dadurch Gebrauch zu machen, dass durch eine Kommissionsverordnung im Artikel-37-Verfahren Umstellungszeiträume festgelegt werden. Der Kommissionsentwurf vom Januar 2008 sieht in seinem Titel II Kapitel 5 die Vorgaben aus Anhang I Teil A Nummer 1.1. der bisherigen Verordnung für Pflanzenprodukte vor. Der Kommissionsentwurf enthält in seinem Artikel 34 Vorgaben für die Mindestzeit in ökologischer Produktion. Aus Artikel 34 Absatz 4 des Entwurfs, der auf Artikel 7 Absatz 5 des Entwurfs verweist, folgt aber, dass die in Artikel 34 Absatz 1 vorgesehenen Umstellungszeiten, etwa 6 Wochen für Legehennen, auch für die Einstellung von Tieren aus nichtökologischer Aufzucht in ökologisch geführte Betriebe gelten.
*5 Hier wird vorausgesetzt, dass nicht nur in einem Betrieb, sondern auch einer "Betriebseinheit" die Produktion "teilweise ökologisch und teilweise in Umstellung auf die ökologische Produktion geführt werden kann. Die Vorgabe, dass "Umstellungserzeugnisse" getrennt gehalten werden müssen, setzt für die Pflanzenproduktion voraus, dass konventionelle Flächen in einem ökologisch geführten Betrieb vorhanden sein können, etwa durch Zukauf oder Zupacht. Bezüglich der Tiere wird nicht nur verlangt, dass die Erzeugnisse getrennt gehalten werden, sondern die Tiere selbst müssen getrennt sein. Allerdings wird durch das Tatbestandsmerkmal "oder" klargestellt, dass statt der Trennung auch die "leichte Unterscheidbarkeit" genügt. Die Trennung sowohl der Erzeugnisse wie auch der Tiere, beziehungsweise die leichte Unterscheidbarkeit der Tiere muss vom Unternehmer dokumentiert werden.
*6 Zwar wird die Meldung im gemeinschaftsrechtlichen Kontrollsystem und die Unterstellung unter seine Kontrollen als Beginn des Umstellungszeitraums in Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a vorgegeben. Jedoch sieht Buchstabe e vor, dass ein diesem Zeitpunkt "unmittelbar vorangehender Zeitraum" berücksichtigt werden kann. Dies unter der Voraussetzung der Erfüllung bestimmter Bedingungen. Diese Bestimmungen sind durch die Durchführungsbestimmungen, welche als Kommissionsverordnung erlassen werden, festzulegen. Im Entwurf der Kommission vom Januar 2008 findet sich dazu in Artikel 32 in den Absätzen 2 bis 4, was unter der Vorgängerverordnung in Anhang I Teil A unter der Nummern 1.2. bis 1.4. geregelt war.
*7 Tiere und tierische Erzeugnisse aus ökologischer Produktion, die die Umstellungszeiträume, wie sie nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c festgesetzt werden, noch nicht vollständig durchlaufen haben, dürfen nicht als Ökoprodukte vermarktet werden. Im Gegenzug folgt, dass pflanzliche Erzeugnisse aus Umstellung mit den Hinweisen nach Artikel 23 vermarktet werden dürfen, wobei allerdings der Umkehrschluss auf Artikel 24 und das dort vorgesehene EU-Logo nicht richtig wäre. Denn die Verwendung des Gemeinschafts-Logos für Umstellungserzeugnisse ist nach Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 allgemein nicht gestattet.
*8 Hier ist abermals, wie bei den meisten Artikeln dieser Verordnung die ohnehin schon in Artikel 38 Satz 1 vorgegebene allgemeine Durchführungskompetenzdelegation des Rats an die Kommission wiederholt. Unter Beteiligung der Mitgliedstaaten im Verfahren nach Artikel 37 können Kommissionsverordnungen erlassen werden. Wenn hier allerdings die Bestimmung der "Zeiträume" nicht nur nach Buchstabe c, sondern auch noch nach den folgenden Buchstaben d, e und f angesprochen wird, liegt ein Redaktionsfehler vor. Diese Angaben sind unbeachtlich, denn Buchstabe d bezieht sich auf die Trennung von vollständig umgestellter und noch nicht vollständig umgestellter Produktion. Hier geht es nicht um die Festsetzung von Zeiträumen. Buchstabe e ist insoweit zutreffend angesprochen, als dass die Bedingungen der Berücksichtigung früherer Zeiträume, nicht aber die Zeiträume selbst festgesetzt werden. Zu diesen Bedingungen kam dann, nach dem Vorbild des Anhang I der Vorgängerverordnung, wie jetzt auch im Kommissionsentwurf vom Januar 2008 aufgenommen, dass Flächen ohne Einsatz im ökologischen Landbau unerlaubter Pflanzenschutz- und Düngemittel bewirtschaftet wurden. Nach Buchstabe f ist kein eigener Zeitraum festzulegen, vielmehr richtet sich der dort maßgebliche Zeitraum ausschließlich nach den Festsetzungen der spezifischen Umstellungszeiträume für bestimmte Pflanzen und Tierarten, wie sie von Artikel 16 Buchstabe c verlangt wird.
KAPITEL 3
Herstellung verarbeiteter Futtermittel
Artikel 18
Allgemeine Vorschriften für die Herstellung verarbeiteter
Futtermittel
(1) Die Herstellung verarbeiteter ökologischer/biologischer Futtermittel muss räumlich oder zeitlich getrennt von der Herstellung verarbeiteter nichtökologischer/nicht-biologischer Futtermittel erfolgen. *1
(2) Ökologische/biologische Futtermittelausgangserzeugnisse oder Umstellungsfuttermittelausgangserzeugnisse dürfen nicht zusammen mit den gleichen Futtermittelausgangserzeugnissen aus nichtökologischer/nichtbiologischer Produktion zur Herstellung eines ökologischen/biologischen Futtermittels verwendet werden. *2
(3) Futtermittelausgangserzeugnisse, die bei der Herstellung ökologischer/biologischer Futtermittel eingesetzt oder weiterverarbeitet werden, dürfen nicht unter Einsatz von chemisch-synthetischen Lösungsmitteln hergestellt worden sein. *3
(4) Stoffe und Verfahren, die bei der Verarbeitung und Lagerung ökologischer/biologischer Futtermittel verloren gegangene Eigenschaften wiederherstellen oder das Ergebnis nachlässiger Verarbeitung korrigieren oder anderweitig in Bezug auf die tatsächliche Beschaffenheit dieser Erzeugnisse irreführend sein könnten, dürfen nicht verwendet werden. *4
(5) Die zur Durchführung der Erzeugungsvorschriften dieses Artikels erforderlichen Maßnahmen und Vorkehrungen werden nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren erlassen. *5
Kommentierung des Artikel 18
*1 Werden nichtökologische Futtermittel auf den gleichen Anlagen verarbeitet, ist die Präsenz gentechnischer Veränderungen bei Einsatz von GVO-Futtermitteln für die nichtökologische Produktion verbreitet. In der Regel muss auch mit einer Überschreitung des Pflichtkennzeichnungs-Schwellenwerts von 0,9% gerechnet werden. Auch stellt sich die Frage, ob bei der Verarbeitung nicht in räumlich getrennten Einrichtungen, sondern nur bei zeitlicher Trennung tatsächlich die technischen Vorkehrungen nach dem Stand guter Praxis getroffen wurden. Die Verwender des ökologischen Landbaus verlangen die räumliche Trennung, folglich auch die Nutzung verschiedener Anlagen für die Verarbeitung von ökologischen und nichtökologischen Futtermitteln. Der Gemeinschaftsgesetzgeber ist dieser Forderung nicht gefolgt, sondern hat nur zeitliche Trennung als dem Stand der guten fachlichen Praxis entsprechend praktisch durch normative Anordnung fingiert.
*2 Diese Vorschrift entspricht der Verpflichtung gemäß Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe d für die Herstellung verarbeiteter Lebensmittel (Zwillingsverbot).
*3 Hier wird ein Verwendungsverbot für "chemisch-synthetische Lösungsmittel" angeordnet. Dies ohne Listungsvorbehalt. Das Verwendungsverbot ist beschränkt auf die Herstellung von "Futtermittel-Ausgangserzeugnissen". Lösungsmittel, die durch Destillation aus "Naturstoffen", auch Erdöl, gewonnen werden, sind kein Produkt chemischer Synthese.
In Artikel 2 Buchstabe j findet sich nur eine Begriffsbestimmung für "Futtermittel".
"Futtermittel-Ausgangserzeugnisse" waren von der Richtlinie 96/25/EG in deren Artikel 14 bestimmt worden als "unterschiedliche pflanzliche oder tierische Erzeugnisse im natürlichen Zustand, frisch oder haltbar gemacht, und die Erzeugnisse ihrer industriellen Verarbeitung sowie organische oder anorganische Stoffe, mit oder ohne Zusatzstoffe, die zur Tierernährung durch Fütterung bestimmt sind, sei es unmittelbar als solche oder in verarbeiteter Form, für die Herstellung von Mischfuttermitteln oder als Trägerstoff für Vormischungen". Damit wurde die Begriffsbestimmung für "Futtermittel-Ausgangserzeugnisse" in Artikel 2 Buchstabe f der Richtlinie 70/524/EWG festgesetzt. Auf diese Begriffsbestimmung wurde noch in der Nummer 18 des Artikel 4 der Vorgängerverordnung (EWG) Nr. 2092/91 verwiesen. Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe d Unterabschnitt iv normiert für die nichtökologischen Futtermittel-Ausgangs-erzeugnisse pflanzlichen Ursprungs und für die Futtermittel-Aus-gangserzeugnisse tierischen und mineralischen Ursprungs ein Verwendungsverbot unter dem Erlaubnisvorbehalt der Positivlistung.
Dieser Erlaubnisvorbehalt wirkt nicht für Futtermittel-Ausgangserzeugnisse, die unter Einsatz von chemisch-synthetischen Lösungsmitteln hergestellt wurde. Eine chemische Synthese erzeugt aus Elementen oder aus einfachen Verbindungen komplexere Verbindungen. Beispielsweise dient das Haber-Bosch-Verfahren zur Ammoniaksynthese. Der Begriff der Synthese bezieht sich auf die Vereinigung zweier Stoffe zu einer Verbindung. Das Aufarbeiten von öl- oder eiweißhaltigen pflanzlichen Rohstoffen mit Alkohol und ähnlichen Destillationsprodukten würde durch dieses Tatbestandsmerkmal nicht erfasst. Die Gewinnung von Pflanzenölen, etwa aus Soja mit Hexan ebenfalls nicht, wenn Hexan zwar eine Verbindung, nicht aber das Ergebnis einer chemischen Synthese, sondern nur der Destillation wäre. Hexan wird durch das Raffinieren von Rohöl gewonnen. Hexan ist kein chemisch-synthetisches Lösungsmittel und damit, genauso wie die anderen Raffinationsprodukte vom Verbot des Artikel 18 Absatz 3 dieser Verordnung nicht erfasst.
*4 In Artikel 18 Absatz 4 wird untersagt, verlorengegangene Eigenschaft wieder herzustellen. Dieses Verbot bezieht sich auch auf Stoffe, die zwar einem Verwendungsverbot unterliegen, bei denen aber die Verwendungserlaubnis durch Aufnahme in die Positivlisten erteilt wurde. Dieser Fall wird als Fall der Irreführung behandelt, indem mit dem Begriff "anderweitig" klargemacht wird, dass es sich bei Restituierung einer verlorengegangenen Eigenschaft um eine Verletzung des Irreführungsverbots handelt. Hier wird also ein besonderer, ökofuttermittelrechtlicher Irreführungstatbestand niedergelegt.
*5 Hier findet sich abermals, wie bei vielen Artikeln dieser Verordnung, die allgemein in Artikel 38 Satz 1 dieser Verordnung der Kommission erteilte Ermächtigung, Durchführungsvorschriften als Kommissionsverordnung durch Nutzung einer vom Rat delegierten Rechtssetzungskompetenz zu erlassen.
KAPITEL 4
Herstellung verarbeiteter Lebensmittel
Artikel 19
Allgemeine Vorschriften für die Herstellung verarbeiteter
Lebensmittel
(1) Die Aufbereitung verarbeiteter ökologischer/biologischer Lebensmittel muss räumlich oder zeitlich getrennt von jener nichtökologischer/nichtbiologischer Lebensmittel erfolgen. *1
(2) Für die Zusammensetzung verarbeiteter ökologischer/biologischer Lebensmittel gilt Folgendes*2:
a) Das Erzeugnis wird überwiegend aus Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs hergestellt; bei der Bestimmung, ob ein Erzeugnis überwiegend aus Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs hergestellt ist, werden hinzugefügtes Wasser und Kochsalz nicht berücksichtigt. *3
b) Es dürfen nur Zusatzstoffe, Verarbeitungshilfsstoffe, Aromastoffe, Wasser, Salz, Zubereitungen aus Mikroorganismen und Enzymen, Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine sowie Aminosäuren und andere Mikronährstoffe in Lebensmitteln, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, verwendet werden, sofern diese gemäß Artikel 21 für die Verwendung in der ökologischen/biolo-gischen Produktion zugelassen worden sind. *4
c) Nichtökologische/nichtbiologi-sche landwirtschaftliche Zutaten dürfen nur verwendet werden, wenn sie nach Artikel 21 für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen worden sind oder
von einem Mitgliedstaat vorläufig zugelassen wurden. *5
d) Eine ökologische/biologische Zutat darf nicht zusammen mit der gleichen nichtökologischen/nicht-biologischen oder während der Umstellung erzeugten Zutat vorkommen. *6
e) Lebensmittel aus während der Umstellung erzeugten Pflanzen dürfen nur eine pflanzliche Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs enthalten. *7
(3) Stoffe und Verfahren, die bei der Verarbeitung und Lagerung ökologischer/biologischer Lebensmittel verloren gegangene Eigenschaften wiederherstellen oder das Ergebnis nachlässiger Verarbeitung korrigieren oder anderweitig in Bezug auf die tatsächliche Beschaffenheit dieser Erzeugnisse irreführend sein könnten, dürfen nicht verwendet werden. *8
Die zur Durchführung der Produktionsvorschriften dieses Artikels erforderlichen Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich der Verarbeitungsverfahren und der Bedingungen für die in Absatz 2 Buchstabe c genannte vorläufige Zulassung durch die Mitgliedstaaten, werden nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren erlassen. *9
Kommentierung des Artikel 19
*1 Die räumliche oder zeitliche Trennung der Verarbeitung ökologischer und nichtökologischer Zutaten in Lebensmittelunternehmen entspricht den Regeln für die Herstellung verarbeiteter Futtermittel in Artikel 18 Absatz 1 (vgl. Kommentierung des Artikel 18 *1).
*2 Diese Regelungen gelten nur für verarbeitete Lebensmittel und nicht für solche, die etwa nur aus vermischten, unverarbeiteten Zutaten bestehen.
*3 Da Kochsalz nicht berücksichtigt wird, genügt ein Speisesalz mit Biokräutern dieser Anforderung. Dies gilt auch für ein Getränk, das überwiegend aus Wasser besteht und eine Bioauslobung wegen der Herkunft der nur zu einem geringen Prozentanteil enthaltenen pflanzlichen Zutaten trägt.
*4 Hier wird für bestimmte Verwendungszwecke ein Verwendungsverbot mit dem Erlaubnisvorbehalt der Positivlistung vorgesehen. Die verwandten Tatbestandsmerkmale, also die Begriffe der Norm, müssen jeweils unter Berücksichtigung ihrer Begriffsbestimmung in dieser und in anderen Rechtsnormen darauf untersucht werden, ob die jeweils zu prüfende Substanz oder das jeweils zu prüfende Erzeugnis tatsächlich vom Verwendungsverbot erfasst sind.
*5 Hier wird die Zulassung von nichtökologischen landwirtschaftlichen Zutaten angesprochen. Da diese Verordnung in Artikel 39 Absatz 2 die Verweisung auf die aufgehobene Verordnung in anderen Verordnungen als Verweisung auf diese Verordnung ansieht, wird impliziert, dass die Verordnung (EWG) Nr. 207/93 fortwirkt. Sie sieht die Möglichkeit vor, eine Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs, solange diese noch nicht in Anhang VI Teil C der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 aufgeführt ist, unter bestimmten Voraussetzungen für einen Zeitraum von maximal drei Monaten zur Herstellung des betroffenen Erzeugnisses zuzulassen. Der Mitgliedstaat darf diese Zulassung höchstens drei Mal um jeweils sieben Monate verlängern. Will ein Mitgliedstaat sicherstellen, dass eine auf herkömmlichen Weg hergestellte Zutat nach dem Ablauf der dritten Verlängerung der Zulassung weiterhin verwendet werden darf, muss er zusammen mit der Mitteilung der dritten Verlängerung einer erteilten Zulassung einen Antrag auf die Aufnahme der Zutat in Anhang VI einreichen. Solange die Zutat nicht im Artikel-14-Verfahren der Vorgängerverordnung aufgenommen oder die Zulassung zurückgezogen war, konnte der Mitgliedstaat die Zutat weitere Male um jeweils sieben Monate verlängern. Damit konnten landwirtschaftliche Zutaten, die nicht aus ökologischem Landbau zur Verfügung stehen, wenn sie entsprechend gelistet wurden bis zu einem Anteil von 5% der Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs bei der Herstellung von Bioprodukten Verwendung finden. Solange die Verordnung (EWG) Nr. 207/93 nicht aufgehoben wird, wirkt dieser mitgliedstaatliche Zulassungspfad fort.
*6 Hier ist ein Zwillingsverbot vorgegeben, dass die gleichzeitige Verwendung einer landwirtschaftlichen Zutat in ökologischer und in nichtökologischer Qualität untersagt.
*7 Hier ist vorgegeben, dass nur Umstellungsprodukte mit einer einzigen pflanzlichen Zutat als Bioprodukte (Monoprodukte) vermarktet werden dürfen, nämlich mit einer Bio-Kennzeichnung, ohne dass diese Verordnung an irgendeiner Stelle vorgibt, dass auf die Tatsache der Herkunft aus Umstellungsproduktion hingewiesen werden muss.
*8 Hier ist ein spezialgesetzliches Irreführungsverbot, entsprechend der Vorgabe des Artikel 18 Absatz 4 für die Futtermittelherstellung vorgegeben (vgl. Kommentierung des Artikel 18 *4).
*9 Hier findet sich, wie bei praktisch jedem Artikel der Verordnung, eine Ermächtigung der Kommission, so wie sie sich auch schon allgemein in Artikel 38 Satz 1 findet.
Artikel 20
Allgemeine Vorschriften für die Herstellung ökologischer/biologischer Hefe
(1) Für die Herstellung ökologischer/biologischer Hefe dürfen nur ökologisch/biologisch erzeugte Substrate verwendet werden. Andere Erzeugnisse und Stoffe dürfen nur insoweit verwendet werden, wie sie nach Artikel 21 für die Verwendung in der ökologischen/ biologischen Produktion zugelassen wurden. *1
(2) Ökologische/biologische Hefe darf in ökologischen/biologischen
Lebens- oder Futtermitteln nicht zusammen mit nichtökologischer/ nichtbiologischer Hefe vorkommen. *2
(3) Ausführliche Vorschriften für die Herstellung können nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren festgelegt werden. *3
Kommentierung des Artikel 20
*1 Nach Artikel 1 Absatz 2 Satz 3 (vgl. Kommentierung zu Artikel 1 *10) gilt die Verordnung auch für Hefen, die als Lebens- oder Futtermittel eingesetzt werden. Artikel 20 Absatz 1 ordnet an, dass als "Substrate" nur "ökologisch/biologisch erzeugte" verwendet werden dürfen. Gemeint sind die Nährmedien, auf denen Hefen vermehrt werden. Soweit diesen andere "Erzeugnisse und Stoffe" zugefügt werden, müssen sie positiv gelistet sein. Für "andere Erzeugnisse und Stoffe" ordnet Artikel 20 Absatz 1 ein Verwendungsverbot mit dem Vorbehalt der Erlaubnis an, die durch Aufnahme in das "beschränkte Verzeichnis" nach Artikel 21 Absatz 1 erteilt wird. Für die landwirtschaftliche Produktion sind Verbote in Artikel 12 und die Vorgaben für die Erlaubnis durch Aufnahme in eine Positivliste in Artikel 16 dieser Verordnung geregelt. Die Verwendung der Hefeorganismen zur Herstellung von "ökologischer/biologischer Hefe" steht nicht unter Erlaubnisvorbehalt. Das Verbot des Artikel 9 Absatz 1, GVO in der ökologischen/biologischen Produktion zu verwenden, betrifft auch Hefen, denn diese fallen in die Gruppe der Mikroorganismen, die bezüglich der Reichweite des GVO-Verwendungsverbots in Artikel 9 Absatz 1 dieser Verordnung genannt sind. Gentechnisch veränderte Hefe darf nach diesem Verbot nicht zum Einsatz gelangen.
*2 Artikel 20 Absatz 2 ordnet an, dass "ökologische/biologische Hefe", also solche, die auf einem Substrat aus ökologischer Landwirtschaft vermehrt wurde, nicht als Lebens- oder Futtermittel gemeinsam mit Hefe "vorkommen" darf, die auf einem anderen, nicht aus ökologischer Produktion stammenden Substrat vermehrt wurde (Zwillingsverbot). Diese Vorgabe entspricht der von Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe d. Die Vorschrift ist hier wie dort fehlerhaft formuliert, denn es ist jedem Lebensmittelunternehmen unbenommen, "ökologische/biologische Hefe" und "nichtökologische/nichtbiologische Hefe" in einem Lebensmittel aufzunehmen. Vielmehr zielt die Vorschrift darauf, dass dann die Kennzeichnung gemäß Artikel 23 Absatz 1 nicht zulässig ist. Die Vorschrift dient nicht etwa dazu, wie es ihr Wortlaut naheliegen könnte, eine Verpflichtung zu begründen, "biologische/ökologische Hefe" in der Lebensmittelverarbeitung zwingend als solche auslobbar zu erhalten. Der Verzicht auf die Auslobung steht dem Lebensmittelunternehmen frei.
*3 Wie an vielen Stellen dieser Verordnung wird die schon durch Artikel 38 allgemein begründete Kompetenz der Verordnung wiederholt, Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung zu erlassen. Wenn die Kommission von dieser Ermächtigung Gebrauch macht, muss sie der Vorgabe des Artikel 38 genügen und diese so entwerfen, dass sie sich "im Rahmen der Ziele und Grundsätze des Titels "II" halten, wie dies Artikel 38 Satz 2 dieser Verordnung vorsieht.
Artikel 21
Kriterien für bestimmte Erzeugnisse und Stoffe bei der Verarbeitung
(1) Die Zulassung von Erzeugnissen und Stoffen nach Artikel 19 Absatz 2 Buchstaben b und c zur Verwendung in der ökologischen/ biologischen Produktion und deren Aufnahme in ein beschränktes Verzeichnis unterliegen den Zielen und Grundsätzen des Titels II sowie folgenden Kriterien, die als Ganzes zu bewerten sind*1:
i) Gemäß diesem Kapitel zugelassene Alternativen stehen nicht zur Verfügung; *2
ii) ohne sie kann das Lebensmittel nicht hergestellt oder haltbar gemacht werden oder können ernährungsspezifische Anforderungen, die aufgrund des Gemeinschaftsrechts festgelegt wurden, nicht eingehalten werden. *3
Außerdem müssen die in Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe b genannten Erzeugnisse und Stoffe in der Natur vorkommen und dürfen nur mechanischen, physikalischen, biologischen, enzymatischen oder mikrobiologischen Prozessen unterzogen worden sein, außer wenn die betreffenden Erzeugnisse und Stoffe aus solchen Quellen nicht in ausreichender Menge oder Qualität auf dem Markt erhältlich sind. *4
(2) Die Kommission entscheidet nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren über die Zulassung und die Aufnahme der Erzeugnisse und Stoffe in das beschränkte Verzeichnis gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels und legt spezifische Bedingungen und Einschränkungen ihrer Verwendung fest; sie entscheidet erforderlichenfalls auch über die Rücknahme der Zulassung. *5
Ist ein Mitgliedstaat der Ansicht, dass ein Erzeugnis oder Stoff in das in Absatz 1 genannte Verzeichnis aufgenommen oder daraus gestrichen werden sollte oder dass die im vorliegenden Absatz genannten Spezifikationen für die Verwendung geändert werden sollten, so stellt er sicher, dass der Kommission und den Mitgliedstaaten offiziell ein Dossier mit den Gründen für die Aufnahme, Streichung oder Änderungen übermittelt wird. *6
Änderungs- oder Rücknahmeanträge sowie die diesbezüglichen Entscheidungen werden veröffentlicht. *7
Erzeugnisse und Stoffe, die vor der Annahme dieser Verordnung für die Zwecke des Artikels 19 Absatz 2 Buchstaben b und c verwendet wurden, können nach deren Annahme weiterhin verwendet werden. Die Kommission kann die Zulassung für diese Erzeugnisse und Stoffe in jeden Fall im Einklang mit Artikel 37 Absatz 2 zurücknehmen. *8
Kommentierung des Artikel 21
*1 Wenn die Positivlisten dieser Verordnung ein Erzeugnis oder einen Stoff für positivlistungspflichtige Verwendungszwecke nicht zulassen, können die Mitgliedstaaten keine nationalen "Härtefall"-Regelungen praktizieren, indem sie etwa nicht gelistete Stoffe doch zulassen, etwa Ostereierschalenfarben. Eine nationale Härtefallregelung findet sich nur für Zutaten aus konventioneller Landwirtschaft, die in Bioprodukten bis zur Fünf-Prozentgrenze aus Artikel 24 Absatz 4 Buchstabe a Unterabsatz ii eingesetzt werden, aber nicht für ungelistete nichtlandwirtschaftliche Zutaten. Wenn die Verordnung in ihren Regelungen klar ist und die Verwendung eines bestimmten Erzeugnisses oder Stoffes nicht zulässt, dürfen Mitgliedstaaten das Verwendungsverbot dieser Verordnung nicht durch nationale Regelung durchbrechen.
In manchen Fällen gibt es jedoch Meinungsstreit über die Frage der richtigen Auslegung der Verordnung. So wurde aufgrund der am 01.07.2007 gültig gewordenen Fassung des Anhang VI der Vorgängerverordnung einerseits herausgelesen, dass die im Anhang einer anderen Verordnung, auf welche der Anhang VI Bezug nahm, gelisteten Eierschalenfarben auch für die Zwecke des Färbens von Ostereiern Verwendung finden können, währenddem eine andere Lesart von einer Beschränkung dieser Verwendung auf die Pflichthinweise nach der Eiermarktordnung ausging. Das Verwaltungsgericht München sprach sich für die zweite Lesart aus. Dass die deutschen Vertreter im November 2007 im Artikel-14-Ausschuss sich gerade für diese Lesart eingesetzt hatten und nicht für die ebenso denkbare entgegengesetzte, ist schwer verständlich. Denn den Beteiligten musste klar gewesen sein, dass sich Bio-Ostereier seit Jahren im Angebot des Lebensmitteleinzelhandels finden und dass eine Ausgestaltung und Auslegung des Anhang VI im Sinne eines Verbots der Verwendung herkömmlicher Eierschalenfarben dazu führt, dass der Bio-Eieranteil am Ostereiermarkt von den konventionellen Eierproduzenten übernommen wird. Dem Förderungscharakter dieser Verordnung und ihrem Ziel, Verbrauchern Bio-Ostereier anzubieten, wird so nicht Rechnung getragen. Die für konventionelle Ostereier zugelassenen Eierfarben sind auf einen engen Kreis von Lebensmittelfarben beschränkt, bezüglich derer es keine bekannte "Gesundheitsbedenken" gibt.
Anders liegen die Fälle bei denen es um Zusatzstoffe geht, die in der umwelttoxikologischen Diskussion kritisch bewertet werden. In diesen Fällen ist eher enge Auslegung der Verordnung berechtigt.
Artikel 21 sieht das Erstellen von Positivlisten für die Verarbeitung vor. Dies entsprechend dem Muster, dem auch Artikel 16 für die Erzeugung entspricht. Artikel 21 sieht, komplementär zum Verwendungsverbot in Artikel 19, das Aufstellen von Positivlisten vor. Es handelt sich also um eine Ermächtigung der Kommission, die Erlaubnis zur Verwendung durch Aufnahme in "beschränkte Verzeichnisse", also Positivlisten zu erteilen. Die Verwendungsverbote, die durchbrochen werden sollen, sind in Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe b und c vorgegeben, nämlich für "Zusatzstoffe, Verarbeitungshilfsstoffe, Aromastoffe, Wasser, Salz, Zubereitungen aus Mikroorganismen und Enzymen, Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine sowie Aminosäuren und andere Mikronährstoffe in Lebensmitteln" und für "nichtökologische/nichtbiologische landwirtschaftliche Zutaten".
Es fällt auf, dass zwar "Zubereitungen" aus Mikroorganismen und Enzymen, nicht aber lebende Mikroorganismen Gegenstand der Positivlistungspflicht und eines dem korrespondierenden Verwendungsverbot sind. Es greift allerdings das GVO-Verbot nach Artikel 9 Absatz 1 dieser Verordnung.
*2 Die Bedingungen für die Positivlistung von Erzeugnissen und Stoffen für die Verarbeitung sind so formuliert, dass die Voraussetzungen für die Positivlistung bei konsequenter Anwendung praktisch nie vorliegen würden. Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 sieht als erste Voraussetzung vor, dass "Alternativen" nicht zur Verfügung stehen. Die naheliegende Alternative zur Erfüllung der Verwendungszwecke, bezüglich derer Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe b und c Verwendungsverbote unter dem Erlaubnisvorbehalt der Positivlistung anordnet, ist auf den Zweck zu verzichten. Also auf die mit der Verwendung beabsichtigte "Verbesserung" des Lebensmittels zu verzichten.
*3 Steht eine "Alternative" so wie sie nach dieser Verordnung schon zugelassen ist, beispielsweise der Einsatz eines Erzeugnisses aus ökologischer Produktion, nicht zur Verfügung, kann eine Positivlistung nur erfolgen, wenn das Lebensmittel "ohne sie" nicht "hergestellt oder haltbar gemacht werden" kann. Dass ein Lebensmittel überhaupt nicht hergestellt und überhaupt nicht haltbar gemacht werden kann, ohne dass ein bestimmtes "Erzeugnis" oder ein bestimmter "Stoff" bei der Verarbeitung eingesetzt wird, wird selten gegeben sein. Vielmehr wird der Einsatz in der Regel aus Gründen längerer Mindesthaltbarkeit oder des Qualitätsschutzes wünschenswert sein. Die Frage, ob sich Alternativen bieten, entscheidet sich, streng genommen, am gewünschten Verarbeitungsgrad und am Shelf-Life der Lebensmittel.
Die scheinbare Strenge der Positivlistungskriterien läuft praktisch ins Leere, denn schon ein wesentlicher Teil der in Anhang VI nach der Vorgängerverordnung gelisteten Erzeugnisse und Stoffe würde dem Kriterium der fehlenden Alternativen, wenn es so eng ausgelegt wird, wie der Wortlaut dieser Verordnung es nahelegt, nicht zu listen sein.
"Ernährungsspezifische Anforderungen", die von Produkten aus ökologischer Produktion nicht eingehalten werden können, ohne dass bestimmte Erzeugnisse oder Stoffe hinzugefügt werden, finden sich insbesondere für Säuglingsanfangsnahrung, auch für die Getreidebeikost. Hier werden Mindestgehalte für Mineralstoffe und Vitamine vorgegeben. Werden sie von Produkten aus ökologischer Produktion nicht schon nach deren natürlichen Gehalt erreicht, darf die Positivlistung dieser Stoffe zur ergänzenden Mineralisierung und Vitaminisierung erfolgen.
*4 Artikel 20 Absatz 1 Satz 2 gibt eine Präferenz vor, die es ausschließt, Stoffe und Erzeugnisse aus chemischer Synthese einzusetzen, wenn Alternativen auf dem Markt erhältlich sind. Die Formulierung entspricht jener des Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe b für die Positivlisten des Landbaus.
*5 Entsprechend der Regelung in Artikel 16 Absatz 3 Buchstabe a wird auch hier die in Artikel 38 Satz 1 schon allgemein vorgegebene Kommissionskompetenz wiederholt, die Positivlisten zu erstellen. Dabei gilt neben dem spezifischen Rahmen, der durch Artikel 21 Absatz 1 vorgegeben wird, der Allgemeinrahmen der "Ziele und Grundsätze" des Titels II entsprechend Artikel 38 Satz 1 dieser Verordnung.
*6 Wie auch in der parallelen Regelung für die Positivlisten der Landwirtschaft in Artikel 16 Absatz 3 Buchstabe b wird in Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 eine Abweichung vom alleinigen Initiativrecht der Kommission dahingehend vorgesehen, dass jeder Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, Entscheidungen im Ausschuss nach Artikel 37 herbeizuführen.
*7 Abweichend von der nach der Mustergeschäftsordnung für Ausschüsse, wie dem Ausschuss nach Artikel 37 dieser Verordnung, üblich, wird vom Grundsatz der Vertraulichkeit gemäß Artikel 20 Absatz 2 Satz 3 abgewichen, indem sowohl die Anträge eines jeden Mitgliedstaates wie auch die Entscheidungen des Ausschusses nach Artikel 37 zu veröffentlichen sind. Damit soll dem Verlangen aus Fachkreisen des ökologischen Landbaus Rechnung getragen werden, dem Listungsverfahren mehr Transparenz zu verleihen. Diesem gesetzgeberischen Ziel wird nur genügt werden, wenn nicht nur die Anträge, sondern auch ihre Begründung und die dazu vorgelegten technischen Dossiers öffentlich zugänglich gemacht werden. Entsprechendes gilt für die Stellungnahme der Kommission zu den von den Mitgliedstaaten eingereichten Anträgen.
*8 Entsprechend Artikel 16 Absatz 3 Buchstabe c soll die in den Anhängen der Vorgängerverordnung erfolgte Positivlistung fortbestehen, bis die Kommission die Zulassung für diese Verwendungszwecke zurücknimmt. Der im Januar 2008 vorgelegte Entwurf der Kommission für eine Kommissionsverordnung, mit der Positivlisten entsprechend den Vorgaben dieser Ratsverordnung erstellt werden sollen, sieht die Zurücknahme der Positivlistungen nach der Vorgängerverordnung nicht vor.
Diese würden damit, da sie nicht von der Positivlistung in jener neuen Kommissionsverordnung als neues Recht verdrängt werden, in gleicher Weise und Reichweite wie nach der Vorgängerverordnung fortwirken. Soweit die Kommission durch die Neufassung der Positivlisten in ihrer Kommissionsverordnung eine Einschränkung der bisherigen Verwendungsmöglichkeiten oder den Ausschluss anstrebt, würde dies fehlschlagen, wenn die Neufassung der Positivlisten nicht mit einer ausdrücklichen Zurücknahme der bisherigen Listung gemäß Artikel 90 Absatz 2 Satz 5 einherginge.
KAPITEL 5
Flexibilität
Artikel 22
Ausnahmen von den
Produktionsvorschriften
(1) Die Kommission kann im Rahmen der Ziele und Grundsätze des Titels II und der Bestimmungen des Absatzes 2 des vorliegenden Artikels nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren Bestimmungen über die Gewährung von Ausnahmen von den in den Kapiteln 1 bis 4 festgelegten Produktionsvorschriften erlassen. *1
(2) Ausnahmen nach Absatz 1 sind auf ein Mindestmaß zu beschränken und gegebenenfalls zeitlich zu begrenzen; sie dürfen nur gewährt werden, wenn *2
a) sie für die Aufnahme oder die Aufrechterhaltung der ökologischen/biologischen Produktion in Betrieben mit klimabedingten, geografischen oder strukturellen Beschränkungen erforderlich sind; *3
b) sie zur Versorgung mit Futtermitteln, Saatgut und vegetativem Vermehrungsmaterial, lebenden Tieren oder anderen landwirtschaftlichen Produktionsmitteln erforderlich sind, soweit diese nicht als ökologische/biologische Erzeugnisse auf dem Markt erhältlich sind; *4
c) sie zur Versorgung mit Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs erforderlich sind, soweit diese nicht als ökologische/biologische Erzeugnisse auf dem Markt erhältlich sind; *5
d) sie zur Lösung spezifischer Probleme in der ökologischen/ biologischen Tierhaltung erforderlich sind; *6
e) sie im Hinblick auf die Verwendung spezifischer Erzeugnisse und Stoffe in der Verarbeitung nach Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe b erforderlich sind, damit seit langem eingeführte Lebensmittel als ökologische/biologische Erzeugnisse hergestellt werden können; *7
f) sie als befristete Maßnahme zur Erhaltung oder Wiederaufnahme der ökologischen/biologischen Produktion in Katastrophenfällen erforderlich sind; *8
g) Lebensmittelzusatzstoffe oder andere Stoffe nach Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe b oder Futtermittelzusatzstoffe oder andere Stoffe nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe d verwendet werden müssen und diese Stoffe anders als durch GVO hergestellt auf dem Markt nicht erhältlich sind; *9
h) die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen oder anderen Stoffen nach Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe b oder von Futtermittelzusatzstoffen nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe d aufgrund von Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder von nationalen Rechtsvorschriften erforderlich ist. *10
(3) Die Kommission kann nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren spezifische Bestimmungen zur Anwendung der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Ausnahmen erlassen. *11
Kommentierung des Artikel 22
*1 Flexibilisierung meint die Setzung ungleichen Rechts. Artikel 22 erhält eine Generalermächtigung der Kommission durch den Rat ungleiche Vorschriften für ungleiche Sachverhalte zu schaffen. Damit wird diese Verordnung keinen gemeinschaftsweit harmonisierten Rechtsrahmen für die ökologische Produktion schaffen. Die hier vorgesehene Flexibilisierung sieht vielmehr ein System des Ausgleichs durch gesetzliche Ungleichbehandlung (reverse discrimination) vor. Diese Verordnung ermächtigt die Kommission die Gleichheit, welche sie ihrer Rechtsnatur als in allen Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbarem Recht schafft, aufzuheben. Die Flexibilisierungsregelung dieser Verordnung folgt aus dem Leitbild eines Gesetzgebers, der bestehende Ungleichheit der Produktionsbedingungen zu Gunsten der weniger priviligierten Produzenten durch normative Diskriminierung der von Natur besser gestellten Produzenten ausgleicht. Es ist das Leitbild eines Gesetzgebers, der durch ungleiches Recht Gerechtigkeit schafft.
Die Kommission hatte ihren Entwurf für eine Totalrevision vom Dezember 2005 im Schwerpunkt damit begründet, dass eine Regelung durch "derogation" nicht mehr gewünscht werde. Es sei nicht in Ordnung, dass an mehreren Dutzend Stellen der Vorgängerverordnung Regelungen gewesen seien, die es den Kontrollstellen und Behörden der Mitgliedstaaten erlauben, Entscheidungen über die Anwendung einer Vorschrift zu treffen. Künftig solle dies transparenter dadurch geschehen, dass die Kommission entscheide. In den Fachkreisen des ökologischen Landbaus war dies zunächst so verstanden worden, als könnten die Landwirte in jeder Region, abhängig von den Produktionsverhältnissen in einer Vegetationsperiode und unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse, unter denen sie produzieren, bei der Kommission Sonderregelungen (auf Zeit) zur Bewältigung der Probleme beantragen.
Die Kommission zielte wohl eher darauf, die Sachverhalte, bei denen durch offene Tatbestandsmerkmale sachverständige Entscheidungen anvertraut wurden, in den Mitgliedstaaten einzugrenzen.
Nach Artikel 27 Absatz 7 Buchstabe b kann die Kommission in den Kommissionsverordnungen, die im Verfahren nach Artikel 37 unter Beteiligung der Mitgliedstaaten beschlossen werden müssen, durchaus vorsehen, dass die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten den Kontrollstellen "die Gewährung von Ausnahmen nach Artikel 22" übertragen. Es handelt sich dann um Entscheidungen im Rahmen der Zertifizierungstätigkeit nach der EN 45011 und damit Entscheidungen im Rahmen eines privaten Zertifizierungssystems. Artikel 22 Absatz 1 scheint zunächst eine breite Kompetenz zu Gunsten der Kommission für Ausnahmen der in Untertitel 3 in den Kapiteln 1 bis 4 festgelegten Produktionsvorschriften vorzusehen. Diese Kompetenz ist aber einmal durch den "Rahmen der Ziele und Grundsätze des Titel II" und zusätzlich, hier besonders wichtig, durch die "Bestimmungen des Absatzes 2" begrenzt.
*2 Die Ausnahmen nach Absatz 2 sind einerseits auf ein "Mindestmaß zu beschränken" und insbesondere "zeitlich zu begrenzen", wo dies nach ihrer Eigenart sachdienlich ist. Im Grunde ist vorgegeben, dass die Ausnahmen keineswegs bezüglich aller Elemente der Produktionsvorschriften aus den Kapiteln 1 bis 4 gewährt werden dürfen, vielmehr nur bezüglich der Sachverhaltselemente, wie sie im Katalog der Buchstaben a bis h in Absatz 2 aufgeführt sind. Es handelt sich nicht um einen Regelbeispielkatalog, sondern um ein geschlossenes Verzeichnis zulässiger Anknüpfungssachverhalte für Regelungen der "Flexibilität", wie sie Kapitel V des Titel III vorsieht. Dieser Grundsatz wird allerdings durch die sehr weit gefassten Tatbestandsmerkmale der Anknüpfungssachverhalte praktisch aufgegeben, so dass die Flexibilisierung für praktisch alles, was die Praxis interessiert, erfasst. Nur für die Verarbeitung gilt dies nicht, denn hier wird die Flexibilisierung auf die Fälle der traditionellen Produkte, die gesetzliche Erforderlichkeit und die fehlende Marktverfügbarkeit nicht-GVO-derivierter Erzeugnisse abgestellt.
*3 Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe a sieht Ausnahmen für "Betriebe mit klimabedingten, geographischen oder strukturellen Beschränkungen" vor. Es war der Kommission, als sie ihren Entwurf im Dezember 2005 vorlegte, sehr wichtig, klarzustellen, dass es nicht so sein solle, dass Mitgliedstaaten über lange Zeit darüber entscheiden, ob Säugetieren Weide- oder Freigeländezugang oder -auslauf zu gewähren ist, wie dies in Anhang I Teil B Nummer 8.3.1 der Vorgängerverordnung vorgesehen war. Dies aber mit der Maßgabe gemäß Nummer 8.5.1, dass abweichend von dieser Nummer die zuständigen Behörden des jeweiligen Mitgliedstaats für einen Übergangszeitraum bis Ende Dezember 2010 Ausnahmen zulassen konnten für Tierhaltungsbetriebe mit vorhandenen Haltungsgebäuden, die vor August 1999 errichtet worden waren.
Der Vorschlag einer Kommissionsverordnung mit Durchführungsvorschriften vom Januar 2008 enthält zwar unter seinem Titel II ein Kapitel 6 mit fünf Abschnitten mit Flexibilitätsregelungen, darunter auch in Sektion 1 solche, die sich ausdrücklich auf Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe a beziehen, jedoch keine, die das Problem des Auslaufs, beispielsweise für innerorts gelegenen Höfen in alpiner Lage behandeln. Dieser Aspekt der "Flexibilität" wird von der Kommission ganz anders behandelt, nämlich im Entwurf vom Januar 2008 in Artikel 12. In Absatz 2 wird dort ausgeführt, dass in Fällen, in denen Pflanzenfressern Zugang zur Weide während der Weideperiode gewährt wird und denen die Winterställe den Tieren Bewegungsfreiheit geben, die Verpflichtung zur Gewähr jederzeitigen Auslaufs während der Wintermonate Gegenstand eines Verzichts sein kann. Der englische Entwurf spricht davon, dass die Auslaufanforderung "may be waived". Wer diesen Verzicht erklären soll, gibt der Entwurf der Kommissionsverordnung nicht vor, jedoch ergibt sich aus der Art des Zertifizierungssystems, das durch die EN 45011 gesteuert wird, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung im Rahmen der Konformitätsprüfung handelt, die zu berücksichtigen hat, ob mit der Kombination von Weidezugang im Sommer und Bewegungsfreiheit im Stall im Winter, die Tierhaltung genügend artgerecht ist.
Wer die heftigen Einlassungen der Kommissionsmitarbeiter erlebt hat, die betonten, wie wichtig es sei, die Ausnahmen, insbesondere bezüglich der Ställe, nun in einer neuen Verordnung im Rahmen der Flexibilitätsregelungen transparent und zentralisiert bei der Kommission angesiedelt zu verwalten, ist erstaunt: Gerade das Musterbeispiel, mit dem die Kommission die Notwendigkeit einer Gesamtrevision der Vorgängerverordnung begründete, wird nun mitnichten im Rahmen der Flexibilitätsregelung gelöst, sondern an einer eher unauffälligen Stelle durch die Formulierung eines offenen Tatbestandsmerkmals. Für den Rechtsanwender entsteht so nicht mehr Transparenz, sondern staunende Verwirrung. Positiv ist hier festzuhalten, dass der Kommissionsvorschlag für eine Durchführungsverordnung vom Januar 2008 mit der Regelung in Artikel 12 Absatz 2 dieses Entwurfs den Kontrollstellen vor Ort mehr Verantwortung bei der Beurteilung des Wohls der Tiere unter Berücksichtigung der jeweils spezifischen Haltungsbedingungen gibt.
In Artikel 35 des Entwurfs der Kommission vom Januar 2008 wird dem gegenüber zur Anbindehaltung von Rindern eine ganz andere Regelung vorgeschlagen. Hier sollen die zuständigen Behörden, also die staatlichen Behörden, den Erzeugern eine Genehmigung erteilen können. Diese Genehmigung soll nur solchen Erzeugern erteilt werden, die schon eine Ausnahmebewilligung nach Teil B Nummer 6.1.6 des Anhang I der Vorgängerverordnung erhalten hatten. Diese Ausnahmebewilligung soll aber unter der Bedingung stehen, dass den Tieren zweimal in der Woche Weidezugang oder Zugang zu Auslauf gewährt wird. Auch in alpinen Innerortslagen wird damit, gleich ob im Sommer oder Winter, ein Auslauf wenigstens zweimal in der Woche als Gegenpol dafür verlangt, dass die Bewegungsfreiheit der Tiere in vielen traditionellen Ställen in solcher Lage nicht gewährleistet ist. Damit wird zwei Jahre vor dem Auslaufen der nach der Vorgängerverordnung gewährten Übergangsfrist eine neue Bedingung formuliert, die Landwirte mit Anbindeställen in den Alpen dazu zwingt, die Tiere auch nach starken Schneefällen ins Freie zu führen. Für Betriebe, die nicht schon Ausnahmegenehmigungen nach der Vorgängerverordnung beantragt hatten, wäre die Regelung nach Artikel 35 entsprechend dem Entwurf der Kommission vom Januar 2008 nicht anzuwenden.
In Artikel 36 jenes Entwurfs wird gestützt auf Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe a eine Reihe von Vorgaben für das Parallelführen von ökologischer und nichtökologischer Produktion durch einen Landwirt im gleichen Gebiet formuliert. Diese Regelung ist offensichtlich nicht auf Zeit gedacht und sie steht auch nicht unter dem Vorbehalt einer Genehmigung durch eine staatliche Behörde, sondern sieht, ähnlich wie die Vorgängerverordnung dies schon festsetzte, eine Verpflichtung zur Information der Kontrollstelle über den Erntezeitpunkt vor. Eigentlich handelt es sich um eine Dauerregelung, aber da die Kommission sowohl durch Artikel 38 Satz 1 ermächtigt ist, Dauerregelungen zu erlassen, wie auch durch Artikel 22 diskriminierende Regelungen oder solche auf Zeit, wobei alle diese Regelungen als Kommisionsverordnungen ergehen, kommt es auf die Unterscheidung nicht an. Es schadet also nicht, wenn die Kommission in ihren Durchführungsverordnungen Regelungen als solche der Flexibilisierung gemäß Artikel 22 bezeichnet, die es eigentlich nicht sind, wenn sich die Kommissionsverordnung auf eine der zahlreichen Einzelermächtigungen jeweils am Ende ihrer Artikel oder in Artikel 38 stützen kann.
*4 Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe b sieht Ausnahmeregelungen bezüglich der Versorgung mit aller Art "landwirtschaftlicher Produktionsmittel" vor, jeweils unter der Bedingung, dass diese aus ökologischer Produktion "auf dem Markt" nicht erhältlich seien. Im Wege eines Regelbeispielkatalogs werden "Futtermittel, Saatgut und vegetatives Vermehrungsmaterial" und "lebende Tiere" aufgeführt. Was der "Markt" ist, wird genauso wenig wie in der Vorgängerverordnung definiert. Nach dem Zweck der Verordnung muss es sich um einen Markt handeln, der für den Landwirt im Einzelfall zugänglich ist. Der Begriff "Markt" reicht nicht weiter als die Angebote, die dem Landwirt unter Nutzung der verkehrsüblichen Informationsquellen zugänglich sind. Je nach der Eigenart des Marktes und der entsprechenden Angebote muss dies nicht auf die Region und nicht auf den Mitgliedstaat beschränkt sein, insbesondere wenn es sich um Produktionsmittel handelt, deren weiträumiger Handel üblich ist. Ist dieser aber nicht üblich, handelt es sich um den lokalen Markt.
Es kann aber der Markt auf wenige umliegende Orte beschränkt sein, etwa wenn es um die Zufuhr von tierischen Düngemitteln geht. Der Entwurf der Kommission für eine Durchführungsverordnung vom Januar 2008 sieht in Artikel 37 Regeln über das Einführen von Tieren aus nichtökologischer Aufzucht vor. In Artikel 38 Regeln über den Einsatz von nichtökologischen Futtermitteln. In Artikel 39 Regeln über den Gebrauch von nichtökologischem Bienenwachs und in Artikel 30 solche über den Einsatz von Saatgut und Pflanzkartoffeln aus nichtökologischer Produktion. Weitgehend werden die Regelungen der Vorgängerverordnung übernommen. Bei Artikel 38 des Entwurfs fällt auf, dass der zweite Satz einen Anteil von 10% an der Futtermittelration, aber nur für Nichtpflanzenfresser, noch bis zum Jahresende 2009 erlaubt und fünf Prozent noch bis zum Jahresende 2011. Für Pflanzenfresser sind keine Ausnahmen von der vollständig ökologischen Fütterung, auch durch Umstellungsfuttermittel vorgesehen. In Artikel 40 ist die Delegation der Entscheidung über den Einsatz von nichtökologischem Saatgut an die Kontrollstellen vorgesehen. Insgesamt ergibt sich das Bild, dass sich im Verhältnis zu den Regelungen der Vorgängerverordnung inhaltlich praktisch nichts verändert. Verändert hat sich das institutionelle Gefüge: Die Kommission ist nicht nur zu unitarischer Rechtssetzung ermächtigt, sondern sogar zur Setzung diskriminierenden, aber angesichts der ungleichen Verhältnisse für ausgleichende Gerechtigkeit sorgenden Rechts.
*5 In Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe c sind Ausnahmen angesprochen, die "zur Versorgung mit Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs erforderlich" sind. Welche Art der "Versorgung" gemeint ist, entscheidet diese Ratsverordnung nicht. Sie bezieht sich wiederum auf die Erhältlichkeit der Erzeugnisse "auf dem Markt", der nicht definiert ist. Um wessen "Versorgung" es geht, zeigt sich in Artikel 41 des Entwurfs der Kommissionsverordnung mit Durchführungsvorschriften vom Januar 2008. Hier ist das Hinzufügen von 5% nichtökologischen Hefeautolysat in der Herstellung von Hefe bis zu einem bestimmten, noch nicht festgelegten Zeitpunkt angesprochen. Hefeautolysat wird als Kulturmedium verwendet. Gemeint ist offenbar das Hinzufügen von frischem Hefeautolysat zu Hefenährlösungen, um die Zellautolyse zu beschleunigen. Damit wird klar, dass die Kommission beabsichtigt, durch Kommissionsverordnung über Einzelanträge, bestimmte Einsatzstoffe, auch für die Verarbeitung, aus konventioneller Produktion zuzulassen. Dieses Verfahren unterscheidet sich nicht von dem Verfahren nach der Vorgängerverordnung, in dem bestimmte Einsatzstoffe unter Bedingungen oder für bestimmte Zeit in die Positivlisten aufgenommen wurden. Die "Flexibilitäts"-Regelung, die durch dieses Verfahren transparenter werden sollte, ist die Regelung, mit der unter der Vorgängerverordnung die Positivlisten für die landwirtschaftliche Erzeugung im Anhang II und für die Verarbeitung in Anhang VI durch wiederholte Kommissionsverordnungen verändert wurden. Da die wesentliche Scheidelinie zwischen der konventionellen und der ökologischen Produktion in der Praxis der Zertifizierung durch die Positivlisten gezogen wird, ist der Vorbehalt des Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe c besonders wichtig. Währenddem Regelungen auf Zeit in den bisher geltenden Positivlisten nach der Vorgängerverordnung als Ausnahmen angesehen wurden, die sich nur durch einen noch nicht hinreichend ausgeprägten Entwicklungsstand der ökologischen Produktion erklären, sieht diese Verordnung nun derartige Ausnahmen im Rahmen der Flexibilitätsregelung des Artikel 22 als zum Tagesgeschäft gehörend an. Dies zwar mit der Maßgabe der Begrenzung auf ein "Mindestmaß", aber eben als einen fortdauernden Prozess, durch den die Scheidelinie jeweils leicht in die eine oder andere Richtung verschoben wird, so dass ein eher verwischtes und nicht ein klares Bild der ökologischen Produktion als einer Erzeugung besonderer Art entsteht. Man kann von einer "fuzzy logic" sprechen, denn ähnlich wie in diesem Regelungssystem kommt es nie zu einer klaren Definition, sondern strukturbedingt zu einem Graubereich, in dem der Verbraucher nie wissen kann, ob das Produkt, das er erwirbt, gerade Gegenstand einer Flexibilitätsregelung wurde.
Das Beispiel des Hefeautolysats zeigt, dass von einer Begrenzung auf das "Mindestmaß" kaum gesprochen werden kann. In der Praxis werden auch andere Beschleuniger, beispielsweise Ethanol eingesetzt, so dass die Überlegung berechtigt ist, wie es kommt, dass gerade Hefeautolysate aus konventioneller Produktion in die ökologische eingeführt werden sollen, obgleich dies die Problematik des Hineinführens von Spuren aus gentechnisch verändertem Substrat oder sogar gentechnisch veränderten Mikroorganismen herbeiführt. Es ist zu befürchten, dass das Tatbestandsmerkmal der Begrenzung auf ein "Mindestmaß" in der Praxis eben gerade nicht beachtet, sondern zum Opfer lobbyistischen Zugangs von Partikularinteressen zum Flexibilitätsverfahren in der Hand der Kommission wird.
*6 Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe d sieht Ausnahmen "zur Lösung spezifischer Probleme in der ökologischen/biologischen Tierhaltung" vor. Hier handelt es sich um eine weitere Öffnungsklausel, die praktisch Ausnahmen für den gesamten Bereich der Tierhaltung erlaubt. Die Offenheit dieser Regelung korrespondiert der Vorgabe des Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe b, der für die pflanzliche Produktion praktisch die gleiche Öffnungswirkung hat. Im Kommissionsentwurf vom Januar 2008 für eine Durchführungsverordnung ist in Artikel 42 vorgesehen, dass die abschließende Mästungsphase von erwachsenen Rindern im Stall stattfinden kann, vorausgesetzt diese Periode dauert nicht länger als drei Monate und macht nicht mehr als ein Fünftel der Lebenszeit aus. Diese Regelung ist eigentlich keine Flexibilitätsregelung, die einem bestimmten Problem, das in einer bestimmten Region und auf Zeit auftritt, Rechnung trägt. Es handelt sich vielmehr um eine schlichte, direkte Produktionsvorschrift, die schlüssiger in den Teil 2 des Titels II nach dem Entwurf der Kommissionsverordnung passen würde. Das Zusammenwirken der Kommissionsverordnungen mit Durchführungsvorschriften für diese Ratsverordnung mit der fehlenden Systematik dieser Ratsverordnung führt zu einer solchen Komplexität des Zickzacklesens, dass der durchschnittliche Rechtsanwender überfordert sein dürfte. Die Rechtsnorm erreicht damit ein Maß an Unzugänglichkeit, wie es noch nicht einmal die aus diesem Grund viel kritisierte Vorgängerverordnung erreichte.
*7 Nach Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe e können "Erzeugnisse" und "Stoffe", die in der Verarbeitung erforderlich sind, im Rahmen der Flexibilitätsregelung als Ausnahme zu den Positivlisten aufgenommen werden. Der Entwurf der Kommissionsverordnung vom Januar 2008 enthält hier kein Beispiel. Die Ermächtigung zu Gunsten der Kommission bedeutet hier nichts anderes, als dass die Zulassung von Erzeugnissen und Stoffen zur Verarbeitung, die bislang in den Positivlisten zum Teil beschränkt für bestimmte Zeit erfolgte, nun in gleicher Weise, allerdings bezeichnet als Flexibilitätsregelung, erfolgt.
Dies allerdings auch mit dem Unterschied, dass die entsprechend auf Zeit zugelassenen Stoffe nun nicht mehr in den Positivlisten, eingereiht unter den anderen ebenfalls zugelassenen Erzeugnissen und Stoffen zu finden sind, sondern verstreut über verschiedene Kommissionsverordnungen. Die Notwendigkeit des Zickzacklesens beschränkt sich also nicht etwa auf das Hinundherlesen zwischen einer Ratsverordnung und einer Kommissionsverordnung, sondern erst zwischen verschiedenen Kommissionsverordnungen, nämlich jener, welche die Positivlisten enthält und jenen Kommissionsverordnungen, die einzelne Stoffe zur Verarbeitung für bestimmte Zeit, in bestimmten Regionen oder anderen bestimmten Umständen zulassen. Es ist damit zu rechnen, dass die Rechtslage binnen kurzer Zeit so unübersichtlich wird, dass sie nun auch für Normenspezialisten unzugänglich ist. Diese Regelung gilt nur für "Erzeugnisse und Stoffe in der Verarbeitung" von Lebensmitteln, die "seit langem eingeführt" sind. Eine andere Regelung findet sich unter Buchstabe g, denn dort fallen nur "Erzeugnisse und Stoffe", für die der Gentechnik-Ausschluss nicht gesichert war, in den Flexibilisierungstatbestand. Die Orientierung an den "seit langem eingeführten Lebensmittel" birgt eine entscheidende Gefahr: Jeder, der mit einem Produkt am Markt ist, das einen bestimmten Geschmack, ein bestimmtes Aussehen oder andere Charakteristika aufweist, die in der Wahrnehmung des Verkehrs das Produkt zu etwas Besonderem machen, könnte versuchen, die Kommission zu einer Ausnahmeregelung dahin zu bewegen, chemisch-synthetische, im allgemeinen für die ökologische Produktion nicht zugelassene Erzeugnisse und Stoffe doch zuzulassen. Die damit einhergehende Gefahr wäre gravierend, denn Verbraucher könnten sich dann nie darauf verlassen, dass gerade verarbeitete Ökoprodukte das besondere Profil aufweisen, das sie gegenwärtig unter der Geltung der Vorgängerverordnung am Markt haben. Gegenwärtig können Verbraucher sich darauf verlassen, dass in Ökoprodukten die meisten der Zusatzstoffe mit E-Nummern nicht zum Einsatz gelangen. Insgesamt ist damit die Wahrscheinlichkeit der Präsenz von für viele Verbraucher unerwünschten Stoffen deutlich geringer als bei konventionellen Produkten. Wenn von der Flexibilitätsregelung des Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe e verbreitet Gebrauch gemacht wird, nämlich häufig dann, wenn sich eine am Markt eingeführte, erwünschte Anmutung als Lebensmittel nicht ohne Verwendung von Synthetika bewirken lässt, verlieren die Ökoprodukte ihr klares Profil. Andererseits zeigt der Fall der Ökoostereier, die es mit den herkömmlichen im Lebensmittelrecht zugelassenen Eierschalenfarben jedenfalls seit dreißig Jahren in Deutschland gibt, dass nationale Behörden selbst die Auslegung offener Tatbestandsmerkmale des EU-Rechts dazu nutzen, Ökoprodukten aus ganzen Marktgegenden zu verdrängen. 2008 wird es keine Ökoostereier in Deutschland geben (vgl. Kommentierung des Artikel 21 *1). Ihren Marktanteil werden die Eier aus konventioneller Legehennenhaltung übernehmen. Die Kommission kann gestützt auf Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe f einschreiten, um für Ostern 2009 für Ökoostereier in Deutschland und Österreich, wo diese traditionelle eingeführt sind, zu sorgen.
*8 Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe f sieht "befristete Maßnahmen" vor. Dies zur Erhaltung und Wiederherstellung der Produktion im Sinne dieser Verordnung "in Katastrophenfällen". Diese Ermächtigung ist eigentlich ganz überflüssig, denn Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe b in Verbindung mit den Buchstaben c und g öffnen die Festsetzung dieser Verordnung so weit, dass sich das Leitbild des ökologischen Landbaus durch derartige Maßnahmen praktisch soweit der konventionellen Produktion so annähern lässt, dass es zusätzlicher "befristeter Maßnahmen" zur Bewältigung von Kalamitäten eigentlich nicht wirklich bedarf. Es fällt allerdings auf, dass nur für die Bewältigung von "Katastrophenfällen" eine Befristung der Maßnahme angesprochen wird, währenddem bei den übrigen Buchstaben des Artikel 22 Absatz 2 offenbar stillschweigend unterstellt wird, dass keine Befristung erfolgt, vielmehr Dauerregelungen erlassen werden. Dies steht in eigenartigem Gegensatz zum Tatbestandsmerkmal der Begrenzung auf ein "Mindestmaß". Diese Verordnung beruht offenbar auf der Vorstellung, dass die Probleme, welche durch die Flexibilitätsausnahmen bewältigt werden sollen, keineswegs regelmäßig im Laufe der Zeit überwunden werden. Die zeitliche Begrenzung ist zwar in der Einleitung zu Artikel 22 Absatz 2 erwähnt, aber durch ein "gegebenenfalls" eingegrenzt. Damit ist die zeitliche Begrenzung nicht der Regelfall, sondern die Ausnahme und nur für Katastrophenbewältigungsmaßnahmen ist die zeitliche Begrenzung normativ vorgegeben.
*9 Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe g sieht die Flexibilitätsöffnung der Positivlisten für die Verarbeitung vor. Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe b listet die Verwendungszwecke auf, die die Positivlistungspflicht der dafür eingesetzten Erzeugnisse und Stoffe auslösen. Für alle diese Verwendungszwecke soll die Flexibilitätsöffnungsklausel dienen. Das Entsprechende gilt für die Verarbeitung von Futtermitteln und die Verwendungszwecke, die nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe d zur Positivlistungspflichtigkeit der dafür eingesetzten Stoffe und Erzeugnisse führt.
*10 Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe h enthält eine ähnliche Ermächtigung als die des Buchstaben g, nun unter die Bedingung gestellt, dass die Verwendung der Stoffe, die im Wege einer Flexibilitätsausnahme zugelassen werden, "aufgrund von Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder von nationalen Rechtsvorschriften erforderlich" sein soll. Für Nahrungsergänzungsmittel sind Mindestgehalte der Nährstoffe erforderlich, die sie nach der Zweckbestimmung durch den Anbieter supplementieren sollen. Wenn die landwirtschaftlichen Zutaten diese Gehalte nicht erreichen, müssen synthetische Vitamine oder Aminosäuren zugefügt werden. Durch diese Flexibilisierungsermächtigung wird der Kommission hierfür die Türe geöffnet.
*11 Artikel 22 Absatz 3 enthält, wie bei praktisch den meisten Artikeln dieser Verordnung, genau die gleiche Ermächtigung, wie sie sich allgemein in Artikel 38 Satz 1 dieser Verordnung findet. Ein Sinn dieser beständigen Wiederholung, außer dass optisch die Breite der vom Rat an die Kommission delegierte Normsetzungskompetenz dokumentiert wird, ist nicht erkennbar.
TITEL IV
KENNZEICHNUNG
Artikel 23
Verwendung von Bezeichnungen mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion
(1) Im Sinne dieser Verordnung gilt ein Erzeugnis als mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion gekennzeichnet, wenn in der Etikettierung, der Werbung oder den Geschäftspapieren das Erzeugnis, seine Zutaten oder die Futtermittelausgangserzeugnisse mit Bezeichnungen versehen werden, die dem Käufer den Eindruck vermitteln, dass das Erzeugnis, seine Bestandteile oder die Futtermittelausgangserzeugnisse nach den Vorschriften dieser Verordnung gewonnen wurden. Insbesondere dürfen die im Anhang aufgeführten Bezeichnungen, daraus abgeleitete Bezeichnungen und Verkleinerungsformen wie „Bio-" und „Öko-", allein oder kombiniert, in der gesamten Gemeinschaft und in allen ihren Amtssprachen bei der Kennzeichnung von Erzeugnissen und der Werbung für sie verwendet werden, wenn diese Erzeugnisse die mit dieser Verordnung oder im Einklang mit ihr erlassenen Vorschriften erfüllen. *1
Bei der Kennzeichnung von lebenden oder unverarbeiteten landwirtschaftlichen Erzeugnissen und der Werbung für diese dürfen Bezeichnungen mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion nur dann verwendet werden, wenn darüber hinaus alle Bestandteile dieses Erzeugnisses im Einklang mit dieser Verordnung erzeugt worden sind. *2
(2) Die Bezeichnungen nach Absatz 1 dürfen nirgendwo in der Gemeinschaft und in keiner ihrer Amtssprachen bei der Kennzeichnung und Werbung sowie in den Geschäftspapieren für Erzeugnisse, die die Vorschriften dieser Verordnung nicht erfüllen, verwendet werden, außer wenn sie nicht für landwirtschaftliche Erzeugnisse in Lebensmitteln oder Futtermitteln verwendet werden oder eindeutig keinen Bezug zur ökologischen/ biologischen Produktion haben. *3
Darüber hinaus sind alle Bezeichnungen, einschließlich in Handelsmarken verwendeter Bezeichnungen, sowie Kennzeichnungs- und Werbepraktiken, die den Verbraucher oder Nutzer irreführen können, indem sie ihn glauben lassen, dass das betreffende Erzeugnis oder die zu seiner Produktion verwendeten Zutaten die Vorschriften dieser Verordnung erfüllen, nicht zulässig. *4
(3) Die Bezeichnungen nach Absatz 1 dürfen nicht für Erzeugnisse verwendet werden, die nach den gemeinschaftlichen Vorschriften eine Kennzeichnung oder einen Hinweis tragen müssen, die bzw. der besagt, dass sie GVO enthalten, aus GVO bestehen oder aus GVO hergestellt worden sind. *5
(4) Bei verarbeiteten Lebensmitteln dürfen die Bezeichnungen nach Absatz 1 in folgenden Fällen verwendet werden*6:
a) in der Verkehrsbezeichnung*7, vorausgesetzt
i) die verarbeiteten Lebensmittel erfüllen die Anforderungen des Artikels 19; *8
ii) mindestens 95 Gewichtsprozent ihrer Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs sind ökologisch/biolo-gisch; *9
b) nur im Verzeichnis der Zutaten*10, vorausgesetzt die Lebensmittel erfüllen die Anforderungen des Artikels 19 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstaben a, b und d; *11
c) im Verzeichnis der Zutaten und im selben Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung*12, vorausgesetzt
i) die Hauptzutat ist ein Erzeugnis der Jagd oder der Fischerei; *13
ii) sie enthalten andere Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs, die ausschließlich ökologisch/biolo-gisch sind; *14
iii) die Lebensmittel erfüllen die Anforderungen des Artikels 19 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstaben a, b und d. *15
Im Verzeichnis der Zutaten ist anzugeben, welche Zutaten ökologisch/biologisch sind. *16
Finden die Buchstaben b und c dieses Absatzes Anwendung, so darf der Bezug auf die ökologische/biologische Produktion nur im Zusammenhang mit den ökologischen/biologischen Zutaten erscheinen und muss im Verzeichnis der Zutaten der Gesamtanteil der ökologischen/biologischen Zutaten an den Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs angegeben werden. *17
Die Bezeichnungen und die Prozentangabe gemäß Unterabsatz 3 müssen in derselben Farbe, Größe und Schrifttype wie die übrigen Angaben im Verzeichnis der Zutaten erscheinen. *18
(5) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Einhaltung dieses Artikels sicherzustellen. *19
(6) Die Kommission kann die Liste der Bezeichnungen im Anhang nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren anpassen. *20
Kommentierung des Artikel 23
*1 Artikel 23 Absatz 2 Satz verbietet die in Artikel 23 Absatz 1 Sätze 1 und 2 beschriebenen "Bezeichnungen" in Bezug auf die ökologische Produktion für Erzeugnisse, die die Vorschriften dieser Verordnung nicht erfüllen. Artikel 23 Absatz 2 Satz 1 ist die zentrale Steuerungsnorm dieser Verordnung, die entscheidet, ob ein Produkt als Bioprodukt etikettiert werden darf. Anders als der Wortlaut dieser Vorschrift es den flüchtigen Leser vermuten lässt, bedeutet dies aber nicht, dass die Kennzeichnung gemäß Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 für alle Produkte untersagt wird, für welche diese Verordnung keine Vorschriften enthält. Erzeugnisse, die nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung, wie in Artikel 1 Absatz 2 abgegrenzt, fallen, sind von den Festsetzungen des Artikel 23 nicht betroffen. Artikel 23 setzt kein Verbot der Bioauslobung für Erzeugnisse die nicht in seinen Anwendungsbereich fallen. Die deutsche Fassung des Artikel 23 Absatz 1 Satz 1 weicht von der englischen und französischen Sprachfassung ab. Wo die deutsche davon spricht, dass ein Erzeugnis als im Sinne dieser Verordnung mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion gekennzeichnet gelten soll, wenn dem Käufer der Eindruck vermittelt wird, es sei das Erzeugnis nach den Vorschriften dieser Verordnung gewonnen worden, wären die englische und die französische Fassung eher wie folgt ins Deutsche zu übertragen: "Für die Zwecke dieser Verordnung soll ein Erzeugnis als mit Begriffen gekennzeichnet gelten, welche sich auf die (seine) ökologische/biologische Erzeugung beziehen, wenn ....".
Es stellt sich die Frage, welchen Sinn der zweite Teil dieses Satzes hat, denn er gibt vor, dass für die Zwecke dieser Verordnung ein Erzeugnis nur dann als Bio-Produkt gekennzeichnet gelten soll, wenn seine Etikettierung, die Werbung und die Geschäftspapiere beim "Käufer den Eindruck vermitteln", dass die "Vorschriften dieser Verordnung bei seiner Gewinnung eingehalten worden seien".
Damit könnte die Aussage zulässig sein: "Dies ist zwar ein Bio-Produkt, jedoch keines nach der Definition des EU-Gesetzgebers, sondern eines nach unseren besonderen Bio-Produktionsregeln". Der Wortlaut gibt den Sinn dieser Verordnung jedoch nicht ganz zureichend wieder. Wenn Artikel 23 Absatz 1 Satz 1 auf den Eindruck der Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung abstellt ist damit die Beschränkung der Anwendbarkeit des im nächsten Absatz folgenden Verwendungsverbots auf Erzeugnisse angesprochen, für welche diese Verordnung überhaupt Vorschriften setzt, denn für solche, die nicht in ihren durch Artikel 1 Absatz 2 abgegrenzten Anwendungsbereich fallen, enthält sie zwangsläufig keine Vorschriften. Das Verbot des Absatz 2 darf daher nicht durch den klarstellenden Hinweis, man habe bei der Erzeugung jedoch diese Verordnung nicht oder nur teilweise eingehalten, durchbrochen werden.
Der erste Satz des Artikel 23 Absatz 1 enthält nur die Vorgabe, dass der "Eindruck des Käufers" maßgebend sein soll. Damit entspricht die Vorschrift der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum lebensmittelrechtlichen Irreführungsverbot. Hierbei muss das nationale Gericht darauf abstellen, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher diese Angabe wahrscheinlich auffassen wird. Zu beurteilen, ob eine bestimmte Bezeichnung irreführend ist, ist eine Tatfrage, die von den nationalen Gerichten zu klären sein wird. Maßgebend ist nicht mehr, wie noch vor Jahren der flüchtige Verbraucher, sondern der durchschnittliche, am Produkt interessierte und seine Kennzeichnung entsprechend seinem Interesse aufmerksam wahrnehmende Verbraucher.
In Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 werden Beispiele aufgeführt, wie auf die Herkunft von Erzeugnissen aus biologischer oder ökologischer Produktion hingewiesen werden kann, wenn die Vorgaben dieser Verordnung eingehalten sind. Es wird aber nicht angeordnet, dass sie nicht verwendet werden dürfen, wenn die Vorschriften dieser Verordnung nicht eingehalten sind.
Dieses Verbot ist in Artikel 23 Absatz 2 Satz 1 enthalten. Dieses Verbot von Kennzeichnungen bei Nichteinhaltung der Vorschriften dieser Verordnung nimmt Bezug auf "die Bezeichnungen nach Absatz 1". Dabei wird für die praktische Reichweite dieser Verordnung entscheidend, was genau zu der Gruppe der "Bezeichnungen" gemäß Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 gehört. Hier fällt im Vergleich der Sprachfassungen auf, dass die Kurzbezeichnungen "Bio" und "Öko" in der deutschen Sprachfassung mit einem Bindestrich, also als "Öko-" und "Bio-" wiedergegeben sind, währenddem die englische Fassung von "bio" und "eco" handelt und die französische von "bio" und "éco".
Diese Kurzbegriffe werden als "abgeleitete Bezeichnungen und Verkleinerungsformen" angesprochen. Es handelt sich tatsächlich um aus den Worten "biologischer" oder "ökologischer" Landbau abgeleitete Kurzbezeichnung. Eine Verkleinerungsform, also ein Diminutiv, von dem auch in der englischen und französischen Sprachfassung die Rede ist, wäre "Biöchen" oder "Ököchen". Derartige Verkleinerungsformen sind von keinem Markt in der Europäischen Gemeinschaft bekannt. Wahrscheinlich handelt es sich um ein begriffliches Missverständnis, dass sich aber schon vor Jahren in Artikel 2 Satz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 eingeschlichen hatte.
Das Tatbestandsmerkmal "kombiniert" bezieht insbesondere Marken und Firmenbezeichnungen in den Verbotskreis des Artikel 23 Absatz 2 Satz 1 ein, welche "Bio-" und "Öko-" enthalten. Die "im Anhang aufgeführten Bezeichnungen" sind aus dem Regelbeispielkatalog. Sie sind kein "beschränktes Verzeichnis". Der Anhang führt also Bezeichnungen auf, welche in den verschiedenen Amtssprachen als typische Hinweise auf die Herkunft aus biologischer oder ökologischer Produktion gelten. Es handelt sich bei den Begriffen dieses Katalogs nicht um bindende Vorgaben. Damit sind Unternehmer nicht gehindert, für Öko-Produkte eigene, phantasievolle Bezeichnungen zu entwickeln, die sich von den im Anhang formulierten Begrifflichkeiten vollständig lösen.
Wenn frei gewählte Begrifflichkeiten den Eindruck vermitteln, als sei das Erzeugnis nach den Vorschriften dieser Verordnung, so Satz 1, gewonnen worden, werden die zusätzlichen Kennzeichnungselemente, die nach Artikel 28 Absatz 1 Pflicht sind, in die Kennzeichnung aufgrund des gesetzlichen Befehls dieser Verordnung, aufgenommen. Es könnte ein Unternehmen eine eigene Begrifflichkeit, auch als Warenzeichen geschützt, für seine Bio-Produkte entwickeln, im Übrigen aber Begriffe, wie sie in Artikel 24 Absatz 1 Satz 2 angesprochen werden, vollständig vermeiden. Es müsste dann aber die Codenummer der Kontrollstelle und das EU-Öko-Logo gemäß Artikel 23 Absatz 1 auf der Verpackung erscheinen, wenn die von Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 erfassten Erzeugnisse so gekennzeichnet werden.
Die etwas holprige Fassung der ersten beiden
Sätze des Absatz 1 geht darauf zurück, dass die Kommission in ihrem Entwurf vom Dezember 2005 eine andere Fassung vorgeschlagen hatte, nämlich diese:
"Artikel 17 Verwendung von Bezeichnungen mit Bezug auf ökologische Erzeugung 1. Die in Anhang I aufgeführten Bezeichnungen, daraus abgeleitete Bezeichnungen und Diminutive, alleine oder kombiniert verwendet, dürfen in der gesamten Gemeinschaft und in allen ihren Amtssprachen bei der Kennzeichnung und Werbung für Erzeugnisse verwendet werden, die nach den Bestimmungen dieser Verordnung erzeugt und kontrolliert oder eingeführt wurden. 2. Die in Anhang I aufgeführten Bezeichnungen, daraus abgeleitete Bezeichnungen und Diminutive, alleine oder kombiniert verwendet, dürfen in der Gemeinschaft und in ihren Amtssprachen bei der Kennzeichnung und Werbung für Erzeugnisse, die nicht nach den Bestimmungen dieser Verordnung erzeugt und kontrolliert oder eingeführt wurden, nicht verwendet werden, außer wenn sie eindeutig nicht auf die landwirtschaftliche Erzeugung Bezug nehmen."
Auf das Drängen von Mitgliedstaaten und Öko-Anbauverbänden wurde die Orientierung am Käufereindruck und die gesetzliche Fiktion des Käufereindrucks bei Kurzformen wie "Bio" und "Öko", also zwei Elemente des Artikel 2 der Vorgängerverordnung aufgenommen. Sie hatten eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Rechtsstreit der Kommission mit Spanien gespielt. Der EuGH hatte klargestellt, dass der Begriff "Bio" nach der Entscheidung des Gesetzgebers in Artikel 2 der Vorgängerverordnung in allen Amtssprachen für Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft reserviert ist. Das französische Unternehmen DANONE hatte eine Marke BIO für Joghurtprodukte, hergestellt aus konventioneller Milch, in verschiedenen romanischen Ländern mit dem Argument verwandt, dort werde eher der Begriff "eco" als Hinweis auf den ökologischen Landbau verstanden und nicht "BIO". Der EuGH hat dazu insbesondere zur Rechtslage entschieden:
"33. Artikel 2 der Verordnung Nr. 2092/91 nimmt hinsichtlich der Etikettierung, der Werbung oder der Geschäftspapiere für Erzeugnisse aus ökologischem Landbau Bezug auf „die in den einzelnen Mitgliedstaaten gebräuchlichen Angaben, die dem Käufer den Eindruck vermitteln, dass das Erzeugnis … nach den [ökologischen] Produktionsregeln … gewonnen wurde…, und zwar insbesondere" auf die in einer Liste, die für jede der seinerzeit elf Amtssprachen der Gemeinschaft einen oder zwei Ausdrücke enthielt, enthaltenen „Begriffe oder … [die] davon abgeleiteten gebräuchlichen Begriffe". Diese Liste enthält für fünf der elf Sprachen einen einzigen Ausdruck; dieser entspricht dem französischen Begriff „biologique". Für drei weitere Sprachen findet sich ein einziger Ausdruck, der dem französischen Begriff „écologique" entspricht. Für die deutsche Sprache werden unterschiedslos zwei Ausdrücke angegeben, die diesen beiden Begriffen entsprechen, und für die beiden restlichen Sprachen wird ein anderer Ausdruck angegeben. 34. Diese Liste, die durch den Begriff „insbesondere" eingeleitet wird, ist nicht erschöpfend. 35. In der für das vorliegende Vertragsverletzungsverfahren geltenden Fassung ist Artikel 2 der Verordnung Nr. 2092/91 insoweit eindeutig. Da in der in diesem Artikel enthaltenen Liste für die spanische Sprache nur der Ausdruck „ecológico", der auch den hiervon abgeleiteten Begriff „eco" umfasst, angegeben ist, kann der spanischen Regierung kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie den Herstellern von Erzeugnissen, die nicht aus ökologischem Landbau stammen, die Verwendung anderer Ausdrücke, wie im vorliegenden Fall „biológico" oder „bio", nicht verboten hat. 36. Entgegen dem Vortrag der Kommission ergibt sich aus dem Wortlaut des Artikels 2 auch nicht, dass der abgeleitete Begriff „bio" in allen Mitgliedstaaten und in allen Sprachen, einschließlich derjenigen, für die in der Liste dieses Artikels Begriffe angeführt sind, die nicht dem französischen Ausdruck „biologique" entsprechen, speziell geschützt werden müsste, weil er in diesem Artikel als gebräuchlicher abgeleiteter Begriff aufgeführt ist. Wie bereits festgestellt, war dies zum streiterheblichen Zeitpunkt bei fünf von fünfzehn Mitgliedstaaten der Fall. Der Umstand, dass Artikel 2 der Verordnung Nr. 2092/91 auf die abgeleiteten Begriffe „Bio-Öko-, usw." Bezug nimmt, rechtfertigt es nämlich nicht, nur für den Begriff „bio" eine besondere Behandlung vorzusehen. 37. Zwar mag es in Anbetracht der wachsenden Bedeutung des Marktes für Erzeugnisse aus ökologischem Landbau auf Gemeinschaftsebene wünschenswert erscheinen, eine Harmonisierung der diese Erzeugnisse betreffenden Angaben vorzusehen, doch ist es Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers, auf ein solches Bedürfnis zu reagieren. Die Änderung von Artikel 2 der Verordnung Nr. 2092/91 durch die Verordnung Nr. 392/2004 belegt eine solche Entwicklung. Wie sich aus dem Urteil Comité Andaluz de Agricultura Ecológica ergibt, muss die aus dieser Änderung hervorgegangene Fassung des Artikels 2 dahin ausgelegt werden, dass die darin enthaltenen Ausdrücke in allen Amtssprachen der Gemeinschaft geschützt sein müssen. 38. Diese Änderung kann sich indessen nicht auf die frühere Rechtslage auswirken, die für die Beurteilung der vorliegenden Vertragsverletzungsklage maßgeblich ist. Die Verabschiedung einer neuen Fassung des Artikels 2 der Verordnung Nr. 2092/91 lässt nämlich annehmen, dass der Gesetzgeber diesen Artikel ändern, nicht aber ihn unverändert lassen wollte. Wenn eine solche Absicht nicht bestanden hätte, wäre diese Rechtsänderung nicht erforderlich gewesen.".
In diesem Verfahren waren die möglichen Auswirkungen der Änderungen des Artikel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 durch die Verordnung (EG) Nr. 392/2004 des Rates vom 24. Februar 2004 und durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge diskutiert worden. Die Verordnung Nr. 392/2004 hatte nämlich eine Angabe eingefügt, der zufolge die in diesem Artikel enthaltenen Bezeichnungen in den verschiedenen Sprachen „in der gesamten Gemeinschaft und in allen Amtssprachen als Hinweis auf Methoden des ökologischen Landbaus [gelten]". Diese Fassung des Artikels 2 war Gegenstand des Vorentscheidungsersuchens, das zu einem Urteil in einer Parallelsache vom gleichen Tag führte, die jedoch nach der 2004 neugeschaffenen Rechtslage zu beurteilen war. Die jetzt vorliegende Fassung des Artikel 23 dieser Verordnung stellt die Rechtslage, welche dem letztgenannten Urteil zugrunde lag, wieder her.
*2 Die Vorschrift in Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 bezüglich der Kennzeichnung "von lebenden oder unverarbeiteten landwirtschaftlichen Erzeugnissen" gehört systematisch an eine andere Stelle. Sie ist durch eine redaktionelle Ungeschicklichkeit hierher geraten. Es soll nichts Anderes bewirkt werden, als was Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe d für die verarbeiteten Lebensmittel vorschreibt. Dort ist die Regelung klarer gefasst: "Eine ökologische/biologische Zutat darf nicht zusammen mit der gleichen nichtökologischen/nichtbiologischen oder während der Umstellung erzeugten Zutat vorkommen". Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 wurde von den Autoren der Kommission offenbar in der Vorstellung verfasst, die Vorgabe sei notwendig, um sicherzustellen, dass zum Beispiel Bio-Getreide nach der Ernte, noch vor jedem ersten Verarbeitungsschritt, nicht etwa mit Getreide aus konventioneller Produktion vermischt wird. Was ist der Sinn dieses "Zwillings-" oder Chimärenverbotes"? Wahrscheinlich hatten die Autoren die Vorstellung, dass ohne Artikel 23 Absatz 1 Satz 3 die Angabe im Zutatenverzeichnis möglich wäre: "Bio- und konventioneller Mais, 50%/50%".
*3 Artikel 23 Absatz 2 Satz 1 greift die Forderung nach einem ebenso breiten Verbot der Verwendung von Bio-Kennzeichnungen und assoziativen Anlehnungen an diese auf, wie es die Vorgängerverordnung in deren Artikel 1 in Verbundenheit mit Artikel 2 angeordnet hatte. Da der EuGH auf die Details der Formulierungen des Artikel 2 in der Fassung durch die Verordnung (EG) Nr. 392/2004 entscheidend abgestellt hatte, hatten verschiedene Mitgliedstaaten auf die Wiederaufnahme insbesondere des Hinweises gedrungen, dass die nun in Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 aufgeführten Regelbeispiele "in der gesamten Gemeinschaft und in allen Amtssprachen als Hinweis auf Methoden des ökologischen Landbaus" gesetzlich gewertet werden, so die Formulierungen der Vorgängerverordnung, auch wenn diese gesetzliche Wertung nicht dem tatsächlichen Verkehrsverständnis entspricht.
Wenn diese Verordnung anordnet, dass die in Absatz 1 aufgeführten Bezeichnungen "nirgendwo in der Gemeinschaft und in keiner ihrer Amtssprachen in der Kennzeichnung" verwendet werden dürfen, wenn das gekennzeichnete Erzeugnis die Vorschriften dieser Verordnung nicht erfüllt, wird damit eine gesetzliche Fiktion einer entsprechenden Bedeutung aller aufgeführten Begriffe in allen Amtssprachen und für alle Märkte begründet, auch wenn das dort angesprochene Publikum dieses Verständnis nicht hat. Damit gilt der Begriff "eco" als Kennzeichnung mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion auch in Deutschland, obwohl es hier möglicherweise an einem breiten Verkehrsverständnis des Kürzels "eco" bezogen auf den ökologischen Landbau fehlt. Artikel 23 Absatz 2 Satz 1 schränkt diese gesetzliche Vermutung allerdings durch zwei Tatbestandsmerkmale, die sich auch schon in Artikel 2 Absatz 2 der Vorgängerverordnung fanden, ein: Die gesetzliche Vermutung greift nicht, wenn die Bezeichnungen "nicht für landwirtschaftliche Erzeugnisse in Lebensmitteln oder Futtermitteln verwendet werden" oder "eindeutig keinen Bezug zur ökologischen/biologischen Produktion" haben.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte zur Marke "Bio-bronch" entschieden, dass eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München Vorgaben der Vorgängerverordnung verletzt habe. In jenem Fall hatte sich ein Vertreiber von Hustenbonbons, die mit der Auslobung von "23 erlesenen Kräutern" und der hervorgehobenen Verwendung des Begriffs "Biobronch" vertrieben wurden, darauf berufen, dass die Kräuter nicht aus biologischer Landwirtschaft stammen müssten, weil die Käufer den Begriff "Biobronch" auf die biologische Wirkung der Kräuter in den Atemwegen beziehen würden und nicht auf ihre Herkunft aus biologischer Landwirtschaft. Das Bundesverfassungsgericht war dieser Auffassung mit dem Argument entgegengetreten, damit werde die Wertung des Gemeinschaftsgesetzgebers verletzt. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die Marke "Biobronch" im beschriebenen Fall für landwirtschaftliche Erzeugnisse in Lebensmitteln verwendet worden, nämlich für die in Lebensmitteln enthaltenen Kräuter. Es würde sich aber die Frage stellen, ob "Biobronch", so wie das Oberlandesgericht München dies überlegt hatte, sich nicht auf die biologische Produktion der Kräuter bezieht. Dies müsste aber nach der Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers "eindeutig" nicht der Fall sein.
Wenn Begriffe, die als Regelbeispiele in Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 aufgeführt sind, bezogen auf Lebensmittel Verwendung finden, werden sie regelmäßig eindeutig auf die biologische Produktion bezogen verstanden und nicht im Gegenteil "eindeutig" nicht auf diese bezogen. Es dürfte nur wenige Fälle geben, in denen "eindeutig" kein Bezug auf die entsprechende landwirtschaftliche Produktion gegeben ist. Selbst bei einem Begriff wie "Bio-Diesel" ist nicht eindeutig, sondern allenfalls aus dem Zusammenhang klar, ob er nur auf die pflanzliche Herkunft des Treibstoffs oder zugleich auf die Herkunft der Pflanzen aus biologischer Landwirtschaft hinweist.
Da Artikel 23 Absatz 2 Satz 1 die einzige Vorschrift dieser Verordnung ist, welche die Kennzeichnung mit den Bezeichnungen des Artikel 23 Absatz 1 verbietet, entsteht durch die konkrete Fassung des Artikel 23 Absatz 2 Satz 1 eine eigentümliche Lücke. Für Nichtlebensmittel, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, wie nicht verarbeitete Ökobaumwolle, würde das Verwendungsverbot eigentlich nicht gelten.
Die erste der beiden Ausnahmealternativen führt im Gegenschluss (argumentum e contrario) zur Aussage, dass die "Bezeichnungen nach Absatz 1" bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die nicht Lebensmittel und nicht Futtermittel sind, auch dann verwendet werden dürfen, wenn die Vorschriften dieser Verordnung nicht erfüllt sind. Damit könnte unverarbeitete Rohbaumwolle ebenso als Bioprodukt gekennzeichnet werden, obwohl ihre Erzeugung die Vorgaben dieser Vorschrift nicht erfüllte, wie auch Saatgut als Bio-Saatgut bezeichnet werden könnte, ohne dass die Vorschriften der Verordnung eingehalten sind. Es liegt ein Flüchtigkeitsfehler der redaktionellen Bearbeitung vor, denn die erste Ausnahme ist so gemeint, dass der folgende Wortlaut richtig wäre: "... außer wenn sie nicht für Erzeugnisse gemäß Artikel 1 Absatz 2 verwendet werden ....".
*4 Möglicherweise aus dem Eindruck heraus, dass Artikel 23 Absatz 2 Satz 1 nicht ganz geglückt ist, wurde in den zweiten Satz dieses Absatzes ein spezielles Irreführungsverbot für die Bio-Kennzeichnungen aufgenommen. Artikel 16 der Lebensmittel-Basis-Verordnung (EG) Nr. 178/2002 enthält ein ähnliches lebensmittelrechtliches Irreführungsverbot:
"Unbeschadet spezifischer Bestimmungen des Lebensmittelrechts dürfen die Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung von Lebensmitteln oder Futtermitteln auch in Bezug auf ihre Form, Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung sowie die über sie verbreiteten Informationen, gleichgültig über welches Medium, die Verbraucher nicht irreführen". Diese Vorschrift gilt in den Mitgliedstaaten als unmittelbar anzuwendendes Gesetz. Allerdings gilt sie nur "unbeschadet spezifischer Bestimmungen des Lebensmittelrechts".
Als derart spezifische Bestimmungen werden die Vorschriften des § 11 Absatz 1 des deutschen LFGB angesehen, denn Artikel 16 der Lebensmittelbasis-Verordnung gestattet es den Mitgliedstaaten, gestützt auf die Etikettierungs-Richtlinie 2000/13/EG und die Richtlinie über irreführende Werbung 84/450/EWG, detailliertere und damit speziellere Vorschriften zum Täuschungsschutz zu erlassen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, in ihr nationales Recht einen Täuschungsschutz entsprechend Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/13/EG aufzunehmen, nach dem Werbeangaben nicht geeignet sein dürfen, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht über i) die Eigenschaften des Lebensmittels, namentlich über Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart, ii) durch Angabe von Wirkungen oder Eigenschaften, die das Lebensmittel nicht besitzt, oder iii) in dem zu verstehen gegeben wird, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl andere vergleichbare Lebensmittel die selben Eigenschaften besitzen.
"Herkunft" im Sinne des Irreführungstatbestandes des deutschen LFGB ist nicht nur die geographische oder die betriebliche Herkunft, sondern auch die Herkunft aus ökologischer Produktion, denn es findet sich im deutschen Gesetz und in der Richtlinie der Gemeinschaft, welches damit umgesetzt wird, keinen Hinweis darauf, dass das Tatbestandsmerkmal "Herkunft" die Herkunft aus dem ökologischen Landbau als einer besonderen Art der Agrarerzeugung nicht erfasst.
Der Gestaltung des Täuschungsschutzes im nationalen Recht entsprechend den Vorgaben der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten sind nach der Rechtsprechung des EuGH enge Grenzen gesetzt. Er geht davon aus, dass die Richtlinie im Bereich des Täuschungsschutzes ein gemeinschaftsrechtlich definiertes Schutzniveau vorgibt, dass weder unter- noch überschritten werden darf. Entsprechend hatte der deutsche Bundesgerichtshof entschieden, dass nationale Vorschriften, die von abstrakten Irreführungsmöglichkeiten als Grundlage für Verkehrsverbote ausgehen, im Wege teleologischer Reduktion auf die durch Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2000/13/EG vorgegebene konkrete Irreführung einzuschränken sei.
Die für die Herkunft aus biologischer Produktion erhebliche Vorschrift des § 11 LFGB lautet: "Es ist verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn 1. bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen insbesondere über .... Herkunft oder Art der Herstellung oder Gewinnung verwendet werden ....".
Während Artikel 16 der Lebensmittelbasis-Verordnung darauf abstellt, dass Verbraucher nicht irregeführt werden dürfen, stellt § 11 LFGB darauf ab, dass "zur Täuschung geeignete" Bezeichnungen nicht verwendet werden dürfen. Das spezifische Irreführungsverbot für Biokennzeichnungen in Artikel 23 Absatz 2 Satz 2 stellt mit der Formulierung, es seien Bezeichnungen verboten, die "irreführen können" ähnlich wie die deutsche Regelung, eher auf das Irreführungspotential als auf die konkret eintretende Irreführung ab. Allerdings wird auch nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH bezüglich des lebensmittelrechtlichen Täuschungsschutzes keine tatsächliche Täuschung der Verbraucher als Wirkungsvoraussetzung der Verbotsnorm angenommen, sondern nur die Eignung zur Täuschung. Maßstab für das Potential zur Irreführung, also für das "Irreführen-Können" oder die Eignung zur Täuschung ist die Erwartung des angesprochenen Verkehrskreises. Diese Erwartung wird auch als Verkehrsauffassung bezeichnet.
Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat sich in dieser Verordnung von der Orientierung an tatsächlicher Verbrauchererwartung gelöst, indem er durch die gesetzliche Fiktion in Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 eine Vielzahl von Begriffen durch die aufgeführten Regelbeispiele zu Kennzeichnungen mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion im Sinne des Artikel 23 Absatz 1 Satz 1 gewidmet hat, auch dort, wo in Folge fehlender Sprachkenntnisse oder Ökomarkt dem Käufer kein einschlägiger "Eindruck" vermittelt wird.
Die ständige Rechtsprechung des EuGH stellt auf den Durchschnittsverbraucher ab und zwar auf den durchschnittlichen informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher. Es handle sich um einen Verbraucher, der, wenn er sich für die Einzelheiten der Herkunft eines Lebensmittels interessiert, das Etikett auch aufmerksam liest und damit einer Obliegenheit zur Informationsbeschaffung genügt.
Angesichts der hier vorliegenden gesetzlichen Fiktion kommt es auf den tatsächlichen Verbrauchereindruck für die Zwecke dieser Verordnung nur dort an, wo Kennzeichnungen verwendet werden, die von der Fiktion des Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 nicht erfasst sind, was nur für besondere Eigenschöpfungen gilt. Zum Beispiel für Eigenmarken, die den Eindruck der Kennzeichnung mit "Bezug auf" die Herkunft aus ökologischer Produktion erwecken.
*5 Die heute geltende gesetzliche Gentechnikpflichtkennzeichnung trat im Frühjahr 2004 in Kraft. Gemäß Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 gilt sie für Lebens- und Futtermittel, "die (a) GVO enthalten oder daraus bestehen oder (b) aus GVO hergestellt werden oder Zutaten enthalten, die aus GVO hergestellt werden". Nach der „Begriffsbestimmung" in Artikel 2 Nummer 10 „bezeichnet „hergestellt aus GVO" vollständig oder teilweise aus GVO abgeleitet, aber keine GVO enthaltend oder daraus bestehend".
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hatte diesen Kennzeichnungsvorschlag im Juli 2002 mit dem Argument vertreten, es würden nun sehr streng auch bislang von der Kennzeichnung nicht betroffene Produkte gekennzeichnet, so dass der Verbraucher eine Wahlmöglichkeit selbst dann habe, wenn im Produkt selbst keine Veränderungen vorhanden sind, er vielmehr mit seiner Kaufentscheidung die entsprechende transgene landwirtschaftliche Herkunftskultur fördern würde. Mit dem Argument, es würden damit auch hoch gereinigte Sojaprodukte, wie Öl und Lecithine oder Glukosesirup, bei denen ein analytischer Nachweis gentechnischer Veränderungen nicht möglich ist, kennzeichnungspflichtig und damit sei den Verbraucherinteressen bestens Rechnung getragen, setzte sich die Kommission für eine Aufhebung des Anbaumoratoriums ein.
Die Reichweite der Gentechnikpflichtkennzeichnung, die im April 2004 in Kraft trat, wird aber durch ein komplexes System von einschränkenden Kriterien, die von den Industrieverbänden der Lebensmittelwirtschaft für die Praxis ihrer Mitglieder vorgeschlagen wurden und heute für die Behördenpraxis ebenfalls von Bedeutung sind, wesentlich eingeschränkt. Die wichtigste Einschränkung ist, dass Milch, Eier und Fleisch von GVO-gefütterten Tieren nicht als von diesem Futter "abgeleitet" oder "aus" ihm hergestellt gelten. Folglich greift die Pflichtkennzeichnung nicht. Verbraucher kaufen die Produkte ohne Aufschluss über die Fütterung der Tiere, was zu einer fortdauernd breiten Präsenz von GVO-Futtermitteln auf dem globalen Markt in der Europäischen Union geführt hat.
Im ersten Schritt wird durch die restriktive Interpretation der Gentechnikpflichtkennzeichnung bewirkt, dass Zusatzstoffe, die im Lebensmittel keine technologische Wirkung mehr haben, die Gentechnikpflichtkennzeichnung nicht auslösen. Als Begründung wird genannt, dass Zutaten gemäß Artikel 6 Absatz 4 Etikettierungsrichtlinie kennzeichnungspflichtig seien. Dies sei zwar "jeder Stoff einschließlich der Zusatzstoffe, der bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendet wird und - möglicherweise in veränderter Form - im Enderzeugnis vorhanden bleibt", jedoch wird das Wort "Zutaten" in Artikel 4 Nummer 12 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2004 mit allem gesetzlich definierten „Herausnehmen" aus dem Zutatenbegriff gelesen, wie es im Artikel 6 Absatz 4 Buchstabe c der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG vorgegeben ist, auf den die Begriffsbestimmung für „Zutaten" in Artikel 2 Nummer 13 der Gentechnikkennzeichnungsverordnung verweist.
„Als Zutaten gelten jedoch nicht: i) Bestandteile einer Zutat, die während der Herstellung vorübergehend entfernt und dann dem Lebensmittel wieder hinzugefügt werden, ohne dass sie mengenmäßig ihren ursprünglichen Anteil überschreiten; ii) Zusatzstoffe, — deren Vorhandensein in einem Lebensmittel lediglich darauf beruht, dass sie in einer oder in mehreren Zutaten dieses Lebensmittels enthalten waren, sofern sie im Enderzeugnis keine technologische Wirkung mehr ausüben, — die als technologische Hilfsstoffe verwendet werden; iii) Stoffe, die in den unbedingt erforderlichen Dosen als Lösungsmittel oder Träger für die Zusatzstoffe und die Aromen verwendet werden. ...".
Nach dieser Überlegung lösen Zusatzstoffe, deren Vorhandensein in einem Lebensmittel darauf beruht, dass sie in einer oder mehreren Zutaten dieses Lebensmittels enthalten waren, die Gentechnikpflichtkennzeichnung nicht aus, weil sie nicht als Zutat gewertet werden, sofern sie im Enderzeugnis keine technologische Wirkung mehr ausüben. Diese Carry-Over-Stoffe werden zum Beispiel während eines Aufbereitungsprozesses zugefügt, um zu verhindern, dass das Produkt die Farbe verändert, nach Abschluss der Verarbeitung fällt diese Funktion aber weg, gleichwohl ist der Stoff im Lebensmittel vorhanden. Der Stoff wird nach dieser Auslegung als gar nicht vorhanden behandelt, also als Nichtzutat, so dass das Endprodukt auch dann nicht kennzeichnungspflichtig ist, wenn der Stoff aus einem GVO gewonnen wurde.
Nach dem gleichen Gedankengang sollen Zusatzstoffe, die aus GVO gewonnen wurden, die Gentechnikpflichtkennzeichnung nicht auslösen. Dies betrifft jedenfalls aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen (GMM) gewonnene Enzyme.
Stoffe, die als Lösungsmittel oder Träger für Zusatzstoffe oder Aromen verwendet werden, sollen nach der Interpretation die Gentechnikpflichtkennzeichnung ebenfalls nicht auslösen, wenn sie in der erforderlichen Weise verwendet werden.
Stoffe, die keine Zusatzstoffe sind, die aber zum gleichen Zweck wie technologische Hilfsstoffe verwendet werden, sollen die Gentechnikpflichtkennzeichnung ebenfalls nicht auslösen.
Ein GVO-Derivat, das in einer Zutat enthalten ist und das während der Herstellung vorübergehend entfernt und dann wieder hinzugefügt wurde, ohne dass es mengenmäßig nur seinen ursprünglichen Anteil überschreitet, soll ebenfalls die Gentechnikpflichtkennzeichnung nicht auslösen, weil solche weggenommenen und wiederzugefügten Bestandteile einer Zutat nach der Legaldefinition der Zutaten vom Begriff der „Zutaten" in Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 eben rechtlich nicht erfasst sei.
Es lässt sich die Rechtsansicht vertreten, die Ausnahmen in der Definition der Etikettierungsrichtlinie seien alle nur aus deren spezifischem Aufbau und Zweck zu erklären, daher für die Zwecke der Abgrenzung der Gentechnikpflichtkennzeichnung irrelevant. Diese Überlegung bestimmt aber nicht die Praxis, sondern eine Auslegung, welche die Pflichtkennzeichnung einschränkt, wie dargelegt.
Die gesetzliche Vorgabe der Gentechnikpflichtkennzeichnung für die "aus GVO" hergestellten Produkte wird im nächsten Gedankenschritt abgegrenzt zum Fehlen einer solchen Kennzeichnungspflicht für Produkte, die "mit" beziehungsweise "mit Hilfe eines GVO" hergestellt worden sind. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens wurde der umfassend verstandene Begriff der Herstellung "aus" im Sinne von im weiten Sinn „abgeleitet" von einem GVO einschränkend interpretiert. Das Ergebnis findet sich im Erwägungsgrund 16 der Verordnung. Dort ist vorgegeben, dass die Verordnung "Lebensmittel und Futtermittel abdecken" soll, die 'aus' einem GVO, jedoch nicht solche, die 'mit" oder „mit Hilfe" eines GVO hergestellt" sind.
"Entscheidend dabei ist, ob das Lebensmittel oder Futtermittel einen aus dem gentechnisch veränderten Ausgangsmaterial hergestellten Stoff enthält. Technische Hilfsstoffe, die nur während der Herstellung des Lebensmittels oder Futtermittels verwendet werden, entsprechen nicht der Definition der Lebens- und Futtermittel und fallen daher auch nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung. Ebenso fallen Lebensmittel und Futtermittel, die mit Hilfe eines genetisch veränderten Hilfsstoffes hergestellt wurden, nicht in den Geltungsbereich der Verordnung. Dies bedeutet, dass Produkte, die aus Tieren gewonnen wurden, welche mit genetisch veränderten Futtermitteln gefüttert oder mit genetisch Arzneimitteln behandelt wurden, weder den Zulassungsbestimmungen noch den Kennzeichnungsbestimmungen unterliegen". Damit wird das Gewinnen von Fleisch „aus" dem Tier dem Gewinnen des Fleisches „mit Hilfe" dessen Fütterung mit GVO gegenübergestellt.
Der Hinweis „Ohne Gentechnik" ist auch in der Etikettierung von Bioprodukten zulässig. Die Voraussetzungen für diese Auslobung werden durch den deutschen Gesetzgeber mit dem Ziel der Parallelisierung der Verwendungsvoraussetzungen mit denen dieser Verordnung überarbeitet. Mit dem Inkrafttreten ist im Frühjahr 2008 zu rechnen. Es liegt keine verbotene Werbung mit Selbstverständlichem vor (§§ 3, 5, 8 Abs. 1 UWG): „Die Werbung mit Selbstverständlichkeiten führt nicht irre, wenn der Verkehr sie richtig versteht, nämlich als einen an sich überflüssigen Hinweis auf etwas Selbstverständliches. Es ist demgegenüber irreführend, etwas Selbstverständliches - z. B. wie vorliegend eine gesetzlich vorgeschriebene Eigenschaft einer Ware - in der Werbung so zu betonen, dass die Hervorhebung den unrichtigen Eindruck erweckt, es gehe um etwas Besonderes. Denn dann nimmt der Verkehr fälschlich einen Vorzug der beworbenen Ware vor vergleichbaren anderen Produkten an".
Das Verbot der Werbung mit Selbstverständlichem ist ein Verbot der Werbung mit objektiv zutreffenden Angaben, die aber nach den Umständen des Einzelfalls so eingesetzt werden, dass sie beim angesprochenen Publikum einen unzutreffenden, das Publikum für das Produkt einnehmenden Eindruck hervorrufen. Dies setzt voraus, dass das unkundige Publikum nicht erkennt, dass alle Bioprodukte "Ohne Gentechnik" hergestellt sind und daher annimmt, es liege bei diesem Bioprodukt im Verhältnis zu anderen Bioprodukten eine Besonderheit vor, welches dieses Produkt gegenüber den Konkurrenzprodukten in besonderer Weise abhebt. Als irreführende Werbung mit Selbstverständlichem wäre eine Werbung für Milch mit der Angabe "ohne Zusatz- und Konservierungsstoffe" zu werten, wenn jede Milch von Gesetzeswegen frei von solchen Stoffen sein muss.
Bei der Auslobung von Bioprodukten ist das Beschreiben der gesetzlichen Produktionsbedingungen, aber auch zusätzlicher Anforderungen aus privaten Regelwerken, in der Regel zulässig, damit sich das Angebot von dem Lebensmittel aus nichtökologischer Produktion abhebt. "Ohne Gentechnik" darf bei Bioprodukten angegeben werden. Um im Verhältnis zu Mitbewerbern, die ebenfalls Bioprodukte anbieten, ganz sicher klarzustellen, dass sich der Anbieter hier keinen unlauteren Vorsprung verschaffen möchte, kommt die Bezeichnung "Ohne Gentechnik, weil Bio" in Betracht.
In Deutschland stellt sich aber umgekehrt die Frage, ob die Anbieter von Bioprodukten auf den Nichteinsatz der Gentechnik in der ökologischen Produktion ohne Verwendung des Begriffs "Ohne Gentechnik" hinweisen dürfen. Die Begriffe "Ohne Gentechnik" waren 1998 mit dem Ziel der Bildung einer Marke mit einem eigenen Markenimage vom Verordnungsgesetzgeber in Deutschland eingeführt worden. Man hatte die Vorstellung, dass wenn die Begriffe "Ohne Gentechnik" in immer gleicher Weise und nur diese verwandt werden, das Publikum besser erkennen kann, was die Tiefe und Reichweite dieser Aussage ist, als wenn am Markt verschiedene Begriffe verwandt werden.
Dies stellt nun die Frage, ob damit für Ökoprodukte in Deutschland ein Werbeverbot in dem Sinne gilt, dass auf den Nichteinsatz der Gentechnik in der ökologischen Produktion immer nur unter Verwendung der Worte "Gentechnik" hingewiesen werden darf. Wäre die deutsche Regelung so auszulegen, würde sie für Produkte etwa aus Österreich, die mit dem dort üblichen Begriff "Gentechnikfrei" gekennzeichnet sind, ein nichttarifäres Handelshemmnis darstellen, das zu errichten den Mitgliedstaaten auch durch Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 untersagt ist.
Würde die deutsche "Ohne Gentechnik"-Verordnung so ausgelegt, dass sie eine anderslautende Beschreibung, ja sogar die Wiedergabe des Textes des Artikel 9 dieser Verordnung in der Werbung für Ökoprodukte in Deutschland verbietet, würde Deutschland damit das Gemeinschaftsrecht verletzen. Hier richtig ist daher die Auslegung dieser Verordnung, dass sie als spezialgesetzliche Regelung den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorgeht. Die Mitgliedstaaten dürfen Inverkehrbringer nicht daran behindern, die besonderen gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen nach dieser Verordnung in der Werbung für diese Produkte mit den Begrifflichkeiten dieser Verordnung zu erläutern. Mitgliedstaaten dürfen nicht etwa einen bestimmten Wortlaut für die Erläuterungsbedeutung der Biokennzeichnung verpflichtend für ihr Territorium oder für die auf ihrem Territorium hergestellten Produkte vorgeben.
*6 Artikel 23 Absatz 4 ist das Pendant für die verarbeiteten Lebensmittel zu Artikel 23 Absatz 1 Satz 2. Dort ist vorgegeben, dass "alle Bestandteile" des "Erzeugnisses im Einklang mit dieser Verordnung erzeugt" worden sein müssen, wenn bei der Kennzeichnung Bezug auf die ökologisch/biologische Produktion genommen wird. Damit ist klargestellt, dass ein Getreide nicht mit der Angabe "50% Öko" als Mischung einer Ernte aus konventioneller und ökologischer Produktion vermarktet werden darf. Lebensmittel, die "unverarbeitet" sind, kommen nicht in den Genuss der Kennzeichnungsprivilegierungen des Absatzes 4. Für die unverarbeiteten Lebensmittel gilt die strenge Vorgabe des Artikel 21 Absatz 1 Satz 2. Erst das Überschreiten der Schwelle hin zur Verarbeitung bewirkt, dass die Privilegierung für die Kennzeichnung in der Verkehrsbezeichnung trotz Vorhandenseins konventioneller Zutaten und für die Angabe im Verzeichnis der Zutaten trotz des Vorhandenseins von Zutaten aus nichtökologischer Produktion ausgelöst wird (vgl. Kommentierung zu Artikel 1 *4).
Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe a lässt die Verwendung der Bezeichnungen nach Absatz 1 wie "Bio" ausdrücklich für die "Verkehrsbezeichnung" zu. Die "Verkehrsbezeichnung" ist ein gesetzlich vorgegebenes Etikettierungselement, das den Verbraucher ein Produkt sicher erkennen und einordnen, insbesondere es von anderen unterscheiden lässt. Der Begriff der "Verkehrsbezeichnung" ist gesetzlich festgelegt. Im Gegensatz zur Verkehrsbezeichnung stehen Phantasiebegriffe, wie sie in der heutigen Praxis der Lebensmittelunternehmen auf der Schauseite der Verpackungen verwendet werden. Die Verkehrsbezeichnungen finden sich weit überwiegend auf der Rückseite oder den Seitenflächen. Würde man den Wortlaut dieser Verordnung streng nehmen, wäre bei einem Produkt dessen Verkehrsbezeichnung "Marmelade" ist, verboten, den Phantasiebe-griff "Erdbeertraum" als "Bio-Erdbeertraum" zu fassen. Wenn man "Smoothie" als werbende Angabe und nach deutschen Verkehrsgewohnheiten (noch) nicht als Verkehrsbezeichnung anerkennen würde, dürfte zwar die Verkehrsbezeichnung "Bio-Fruchtmark mit Bio-Fruchtsaft" verwendet werden, nicht aber auf der Schauseite der Begriff "Erdbeer Smoothie" ergänzt als "Bio Erdbeer Smoothie".
Dass es nicht nur um die Verwendung der Bezeichnungen nach Artikel 23 Absatz 1 "in der Verkehrsbezeichnung" geht, ergibt sich aus der engen Begriffsbestimmung, wie sie sich gemeinschaftsrechtskonform in § 4 der deutschen Lebensmittel-Kennzeichnungs-verordnung (LMKV) findet: "Die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels ist die in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnung, bei deren Fehlen erstens die nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung oder zweitens eine Beschreibung des Lebensmittels und erforderlichenfalls seiner Verwendung, die es dem Verbraucher ermöglicht, die Art des Lebensmittels zu erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden". Unter § 4 Absatz 4 LMKV wird klargestellt: "Hersteller- oder Handelsmarken oder Phantasienamen können die Verkehrsbezeichnung nicht ersetzen". Die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs beschreiben die Verkehrsauffassung und legen die Verkehrsbezeichnung für viele Lebensmittel fest, für die eine gesetzliche Verkehrsbezeichnung nicht vorgegeben ist. Die Leitsätze haben den Charakter objektivierter Sachverständigengutachten. Sie dokumentieren die nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Verkehrsbezeichnung als Auslegungshilfe für die Anforderungen der Lebensmittel-Kenn-zeichnungsverordnung. Wenn nun durch Gesetz oder durch die Leitsätze eine bestimmte Bezeichnung für ein Lebensmittel festgelegt ist, wird diese Verkehrsbezeichnung nach der Praxis der Lebensmittelunternehmen zwar an einer sichtbaren Stelle und gut lesbar wiedergegeben, keineswegs aber als Blickfang so wie die Phantasiebezeichnungen. Dass aber Angaben wie "Bio" oder die Wiedergabe von Öko-Prüfzeichen der Anbauverbände oder das deutsche Biosiegel nur "in der Verkehrsbezeichnung" wiedergegeben werden dürfen, wäre ein offensichtlich unsinniges Ergebnis. Der hier vorgegebene Wortlaut, der scheinbar eine Beschränkung der Angaben auf den Bereich der Verkehrsbezeichnung vorsieht, beruht auf einem Redaktionsfehler. Der Text des Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe a würde richtig lauten: "In der Verkehrsbezeichnung und/oder an anderer Stelle".
*7 Voraussetzung für die freie Verwendung eines Biohinweises ist nach Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe a zunächst, dass die Anforderungen des Artikel 19 erfüllt sind und dann, dass mindestens 95 Gewichtsprozent der landwirtschaftlichen Zutaten aus ökologischer Produktion stammen.
*8 Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe c bewirkt, dass die weiteren 5 Prozent nicht etwa beliebig aus nichtökologischer Produktion stammen dürfen. Vielmehr ist das Verwenden von Zutaten solcher Herkünfte im Rahmen der Fünf-Prozentgrenze nur insoweit zulässig, als dass entweder diese landwirtschaftlichen Zutaten in einer Positivliste einer Kommissionsverordnung aufgeführt sind. Dies entsprechend dem Anhang VI Teil C der Vorgängerverordnung. Oder es muss die Zutat zu diesem Zweck "von einem Mitgliedstaat vorläufig zugelassen" worden sein, wie dies in Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe c angesprochen wird. Das Verfahren dieser vorläufigen Zulassung ist in Artikel 21 Absatz 2 Satz 2 geregelt.
*9 Wenn "mindestens 95 Gewichtsprozent" landwirtschaftliche Zutaten aus ökologischer Produktion verlangt werden, ist nicht der Gegenschluss erlaubt, dass die weiteren 5% dann beliebig aus nichtökologischer Produktion stammen dürfen. Vielmehr greift hier das allgemeine Verbot des Einsatzes nichtökologischer landwirtschaftlicher Zutaten bei der Herstellung verarbeiteter Lebensmittel in Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe c, das mit einem Erlaubnisvorbehalt der Positivlistung versehen ist. Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe c verweist richtig auf Artikel 21, denn dort ist in Absatz 2 das Erstellen von Positivlisten für Erzeugnisse und Stoffe durch Kommissionsverordnung vorgesehen, die aufgrund der Verwendungsverbote des Artikel 19 bei der Verarbeitung ökologischer Lebensmittel ohne die mit der Positivlistung verbundene Erlaubnis nicht eingesetzt werden dürfen. Artikel 21 Absatz 2 betrifft die Positivlisten für die Verarbeitung, währendem das Aufstellen der Positivlisten für die landwirtschaftliche Erzeugung in Artikel 16 Absatz 1 dieser Verordnung vorgegeben ist. Die gewisse Unübersichtlichkeit, die mit der fehlenden Struktur dieser Verordnung einhergeht, überwindet der Leser mit einiger Praxis.
Was das Tatbestandsmerkmal "Gewichtsprozent" in dieser Verordnung meint, ist in ihr nicht legal definiert. Die Berechnung der Anteile kann sich an jener für die Mengenkennzeichnung von Lebensmitteln (Quantitative Ingredients Declaration, QUID) aus richten. Mit der Neufassung des Artikel 7 der Etikettierungs-Richtlinie 79/112/EWG durch die Richtlinie 97/4/EG war die Angabe der bei der Herstellung eines Lebensmittels verwendeten Menge einer Zutat verpflichtend eingeführt worden. Die zu berücksichtigenden Anteile an den Zutaten werden anhand der Rezeptanweisungen über deren Verarbeitung berechnet. Entsprechend erfolgt auch die Festlegung der Reihenfolge im Zutatenverzeichnis (Artikel 6 Absatz 5 Buchstabe a). Artikel 6 Absatz 5 sieht mehrere Ausnahmen von diesem Prinzip vor, insbesondere für konzentrierte und getrocknete Zutaten. Es erweist sich als notwendig, ähnliche Ausnahmen bezüglich QUID vorzusehen. Die mengenmäßige Angabe der Zutaten (QUID) bezieht sich auf die Zutaten, wie sie im Zutatenverzeichnis angegeben sind. Beispielsweise muss sich die mengenmäßige Angabe der durch Be-griffe wie „Huhn", „Milch", „Ei" „Banane" angegebenen Zutaten auf deren rohe/vollständige Form beziehen, da die verwendeten Bezeichnungen keinen Hinweis auf eine erfolgte Behandlung enthalten und vermuten lassen, dass die Erzeugnisse in ihrer ursprünglichen Form verwendet wurden. Zutaten, aus deren Bezeichnung hervorgeht, dass sie nicht in roher/vollständiger Form verwendet wurden, wie zum Beispiel „Brathuhn", „Milchpulver", „kandierte Früchte", müssen wie üblich mengenmäßig aufgeführt werden. Gemäß Artikel 6 Absatz 5 Buchstabe a werden zugefügtes Wasser und flüchtige Zutaten im Verzeichnis der Zutaten nach Maßgabe ihres Gewichtsanteils am Enderzeugnis angegeben. Ferner kann Wasser unberücksichtigt bleiben, wenn es nicht mehr als 5% des Gewichts des Enderzeugnisses ausmacht. Aus Gründen der Kohärenz muss diese Bestimmung bei der Berechnung der Menge der Zutaten eines Lebensmittels, dem Wasser zugefügt wurde, berücksichtigt werden.
Die in der Etikettierung angegebenen Mengen bezeichnen die mittlere Menge der anzugebenden Zutat oder Zutatenklasse. Unter der mittleren Menge einer Zutat oder Zutatenklasse ist diejenige Menge der Zutat oder Zutatenklasse zu verstehen, die bei Einhaltung der Rezeptanweisungen und einer guten Herstellungspraxis Verwendung findet, wobei die Schwankungen innerhalb der guten Herstellungspraxis zu berücksichtigen sind.
*10 Artikel 24 Absatz 4 Buchstabe b zielt nun tatsächlich auf eine Zulassung der Verwendung der Bezeichnungen nach Artikel 23 Absatz 1 "nur" im Verzeichnis der Zutaten. Hier ist tatsächlich, anders als bei den Regeln zur "Verkehrsbezeichnung" ein Verbot der Verwendung außerhalb des "Verzeichnisses der Zutaten" gemeint. Für das "Verzeichnis der Zutaten" gilt nach der gemeinschaftsrechtskonformen Regelung des § 6 der deutschen Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV): "Das Verzeichnis der Zutaten besteht aus einer Aufzählung der Zutaten des Lebensmittels in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bei der Herstellung des Lebensmittels. Der Aufzählung ist ein geeigneter Hinweis voranzustellen, in dem das Wort "Zutaten" erscheint". Die Zutaten sind nach Absatz 3 "mit ihrer Verkehrsbezeichnung nach Maßgabe des § 4" anzugeben. Zutat ist nach § 5 Absatz 1 LMKV "jeder Stoff, einschließlich der Zusatzstoffe, der bei der Herstellung eines Lebensmittels verwendet wird und unverändert oder verändert im Enderzeugnis vorhanden ist". § 5 Absatz 2 enthält dann noch eine Aufzählung von vorhandenen Stoffen, die dort nicht als Zutat gelten sollen. Das Verzeichnis der Zutaten ist entsprechend seiner Zweckbestimmungen, dem Verbraucher genauen Aufschluss über das Produkt zu geben, gesetzlich, was seinen Inhalt angeht, streng geregelt. Hier muss auch die Mengenkennzeichnung der Zutat nach § 8 LMKV erfolgen, die QUID-Kennzeichnung.
Diesen strengen Inhaltsvorschriften steht die Freiheit gegenüber, das Zutatenverzeichnis gerade noch angemessen lesbar in einer 6-Punkt-Schrift wiederzugeben, oder es deutlicher im Verhältnis zu anderen Auslobungselementen herauszuheben. Ein deutliches Herausheben des Verzeichnisses der Zutaten ist auch nach dieser Verordnung nicht untersagt. Diese Verordnung erlaubt vielmehr die Angabe der Herkunft von beliebig geringen Zutaten eines Lebensmittels aus ökologischer Produktion, dies zwar beschränkt im Verzeichnis der Zutaten, aber ohne Beschränkung bezüglich der optisch herausgehobenen Gestaltung des Zutatenverzeichnisses. Während der ersten Jahre der Geltung der Vorgängerverordnung galt bis zum Jahresende 1997 die Vorschrift des Artikel 5 Absatz 6, die entsprechende Angaben im Verzeichnis der Zutaten erlaubte, aber nur, wenn nach Buchstabe a "mindestens 50 v.H. der Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs" aus ökologischem Landbau stammten. Diese Regelung wurde als eine nur für die erste Übergangszeit der gesetzlichen Normierung der Biokennzeichnung von Lebensmittel erforderliche Maßnahme aufgegeben. Insbesondere weil sie mit der Gefahr verbunden ist, Produkte, die nicht wirklich Bioprodukte sind, als solche erscheinen zu lassen. Die Begrenzung auf das Verzeichnis der Zutaten bewirkt nicht, dass Verbraucher nicht tatsächlich den falschen Eindruck gewinnen, ein Bioprodukt vor sich zu haben.
Dieser Aspekt wird insbesondere durch die Praxis der Lebensmittelunternehmen verschärft, ihre Produktlinien einheitlich zu gestalten und sie einheitlich mit einem ökologischen, "grünen" oder "fairen" Image zu verbinden. Nach den Vorgaben dieser Verordnung wäre es untersagt, beispielsweise eine Produktlinie mit dem Namen "Rio Verde" auszustatten und etwa die Aussage zu treffen, es handele sich um ein Eigenmarkensortiment, bei dem man sich nach und nach darum bemühe, die landwirtschaftlichen Zutaten aus ökologischer und als fair zertifizierter Landwirtschaft zu beschaffen. So wäre auch die Werbeaussage unzulässig, dass man dem Kunden damit in jedem Jahr ein Anwachsen dieser Anteile um 20% zusagt. All dies wären Aussagen, die außerhalb des Verzeichnisses der Zutaten getroffen werden.
Die Erfahrung aber zeigt, dass auch dann, wenn nicht ausdrücklich mit der Herkunft aus ökologischer Produktion geworben wird, der Verbraucher durch assoziative Werbelemente zu diesem Eindruck geführt wird: Sei es durch die Wahl von Markennamen wie "Rio Verde", die sich nach ihrem Klang und Erscheinungsbild der Aussage "Bio" annähern, sei es durch graphische, typisch ökologische Bildelemente aufgreifende Gestaltungen oder Beschreibungen der Produktion, die zwar nicht ausdrücklich von der Einhaltung ökologischer Regeln handeln, aber entsprechendes Vorgehen beschreiben und so letztlich den gleichen Eindruck bewirken.
Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat mit der neuen Regelung dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Die Kommission behauptete zwar, die Beschränkung der Bioherkunftshinweise auf das Verzeichnis der Zutaten würde dem Missbrauch entgegenwirken. Diese Einschätzung entspricht nicht den tatsächlichen Verkehrsverhältnissen.
*11 Was aber noch schwerer wiegt ist die Tatsache, dass angesichts der beliebigen Zulässigkeit von Bioangaben im Zutatenverzeichnis die Notwendigkeit entfallen ist, sich um einen Mindestanteil landwirtschaftlicher Zutaten aus ökologischer Produktion zu bemühen. Da jetzt jedwede, wie auch immer kleine Anteile solcher Zutaten im Verzeichnis der Zutaten ausgelobt werden können, ist zumindest für die Unternehmen, die sich für diese Auslobung entschieden haben, der Anreiz, weitere Zutaten in ökologischer Qualität zu beschaffen, gering. Die Beliebigkeit der Gestaltung wird allenfalls durch die Vorgabe eingeschränkt, dass nicht Zutaten aus ökologischer und nichtökologischer Produktion gleichzeitig vorhanden sein dürfen, wie dies in Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe d vorgegeben ist.
*12 In Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe c ist vorgegeben, dass im Verzeichnis der Zutaten und im selben Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung Bezeichnungen nach Absatz 1, also Hinweise auf die Herkunft aus ökologischer Produktion verwendet werden dürfen, wenn drei Bedingungen erfüllt sind. Hier stellt sich wieder die Frage wie unter Buchstabe a, was es bedeutet, wenn die Auslobung im gleichen Sichtfeld "wie die Verkehrsbezeichnung" erlaubt wird. Gemeint ist nicht dieselbe Packungsseite. Sondern die Angabe auf Seiten, die ohne Drehen der Packung in einer Stellung der Packung vom Betrachter in den Blick genommen werden können, so dass er die Angaben, die dort aufgebracht sind, wahrnehmen kann. Praktisch wichtig ist, ob der Hinweis auch auf der Schauseite des Produktes erfolgen kann, wenn dort die Verkehrsbezeichnung nicht wiedergegeben ist, insbesondere, weil sie, wie viele der gesetzlich vorgegebenen Verkehrsbezeichnungen, zu lang ist oder nach heutigem Sprachempfinden als schwerfällig wahrgenommen wird. Richtig dürfte die Auffassung sein, dass "im selben Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung" ähnlich wie bei Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe a hier bei Buchstabe c nicht bedeutet, dass nur im Sichtfeld der Verkehrsbezeichnung der Hinweis nach Artikel 23 Absatz 1 erfolgen darf, sondern dass er, wenn er dort erfolgt, auch an anderer Stelle, nämlich auf der Schauseite, auch wenn sie die volle Verkehrsbezeichnung nicht wiederholt, aufgenommen werden darf. Bei Fischstäbchen mit Fisch aus Wildfang und einer Bio-Panade könnte eine Verkehrsbezeichnung sein: "X-Filet aus Wildfang in einer Bio-Panade, in Bio-Öl vorgebraten und tiefgefroren".
*13 Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe c Unterabschnitt i hat eine ähnliche Funktion, wie die Listung von "Wassertieren" in Teil C.3. des Anhang VI der Vorgängerverordnung. "Wassertiere, nicht aus Aquakultur, die für die Herstellung herkömmlicher Lebensmittel verwendet werden dürfen" waren dort aufgeführt als Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 der Vorgängerverordnung, die nicht ökologisch erzeugt wurden.
In verarbeiteten Erzeugnissen durften diese folglich mit einem Anteil bis zu 5% gemäß Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der Vorgängerverordnung vorhanden sein ohne den Bio-Hinweis in der Verkehrsbezeichnung in Frage zu stellen. Betrug der Anteil mehr als 5%, nämlich bis 30%, konnte der Hinweis "X% der Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs sind nach den Grundregeln für den ökologischen Landbau gewonnen worden" nach Artikel 5 Absatz 5 a der Vorgängerverordnung Verwendung finden. Lag der Anteil, etwa von Fisch aus Wildfang, bei mehr als 30%, stellte sich die Frage, ob die Vorgängerverordnung Anwendung findet.
Überwiegend wurden Produkte mit einem solchen Wildfischanteil, jedenfalls aber solche mit einem Anteil von mehr als 50% dem nicht geregelten Bereich zugeordnet. Diese Verordnung sucht nun eine andere Lösung, in dem sie für verarbeitete Erzeugnisse, die eine Zutat aus Wildfang oder Jagd enthalten, vorgibt, wie der Hinweis auf die ökologische Produktion der anderen Zutaten, die nach den Regeln dieser Verordnung gewonnen wurden, erfolgen darf. "Hauptzutat" ist danach jedenfalls eine Zutat, die mehr als 50% der Zutaten ausmacht.
Dann würde sich aber die Frage stellen, was gilt, wenn die Thunfischzutat 45% eines Produktes ausmacht, währendem Bio-Öl und Bio-Gemüse einen Anteil von 55% ausmachen. Wenn hier die Wildfischzutat nicht "Hauptzutat" wäre, würde sich die Frage stellen, wie die Herkunft der überwiegenden Zutaten, nämlich jener aus ökologischer Produktion, ausgelobt werden darf. Die Folge dieser Auslegung wäre, dass Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe c überhaupt nicht zur Anwendung gelangt. Wäre der Bio-Hinweis nur nach Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe a, nämlich in der Verkehrsbezeichnung, oder Buchstabe b, nämlich im Zutatenverzeichnis, zulässig. Diese zweite Alternative wäre überraschend, denn sie würde bewirken, dass dann, wenn ein geringer Anteil einer Zutat aus Wildfang oder Jagd vorhanden ist, der Bio-Hinweis "im selben Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung" erfolgen kann, aber dann, wenn der Anteil an Wildfang sinkt der Bio-Hinweis auf die Herkunft des Gemüses und des Öls in die Zutatenliste verdrängt wird. Richtig dürfte die Auslegung sein, dass "Hauptzutat" jede Zutat aus der Jagd oder der Fischerei ist, die in der Verkehrsbezeichnung genannt wird. Würde das Tatbestandsmerkmal anders ausgelegt, hätte dies das kuriose Ergebnis, dass im gleichen Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung auf die Bio-Herkunft von Öl und Gemüse in einer Konserve mit Wildfangthunfisch hingewiesen werden kann, wenn dieses Öl und Gemüse einen geringeren Anteil am Produkt ausmacht, als der Fisch aus Wildfang. Würde aber das Gemüse und das Öl einen größeren Anteil ausmachen, würde die Angabe zur Bio-Herkunft in das Zutatenverzeichnis verdrängt.
Die "Erzeugnisse des Bodens, der Viehzucht und der Fischerei" sind nach der Legaldefinition des Artikel 32 Absatz 1 Satz 2 im EG-Vertrag "landwirtschaftliche Erzeugnisse". Erzeugnisse der Jagd gehören nicht dazu, wohl aber Thunfisch aus Wildfang. Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe a gibt für die Zusammensetzung verarbeiteter ökologischer Lebensmittel als verpflichtend vor, dass "das Erzeugnis ... überwiegend aus Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs hergestellt" wird. Wenn Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe c Erzeugnisse mit einer "Hauptzutat" als "Erzeugnis der Jagd" anspricht, fingiert diese Verordnung den "landwirtschaftlichen Ursprung" dieser Jagderzeugnisse.
*14 Hier wird verlangt, dass "andere Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs" im Produkt vorhanden sind, dessen "Hauptzutaten" Erzeugnisse "der Jagd oder Fischerei" sind. Damit wird impliziert, dass jene Erzeugnisse für die Zwecke dieser Verordnung als Erzeugnisse landwirtschaftlichen Ursprungs gelten. Die "anderen Zutaten" müssen ausschließlich aus ökologischer Produktion im Sinne dieser Verordnung stammen.
*15 Der Verweis auf Artikel 19 nimmt einen Verweis auf Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe c aus. Danach dürfen nichtökologische landwirtschaftliche Zutaten nur nach Positivlistung oder nach vorläufiger Zulassung durch einen Mitgliedstaat verarbeitet werden. Der Verweis stellt damit klar, dass es sich bei der Regel des Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe c letztlich um eine Zulassung der Erzeugnisse der Jagd und der Fischerei als landwirtschaftliche Zutaten im Sinne dieser Verordnung mit der Maßgabe handelt, dass diese Zutaten gemeinsam mit Zutaten aus ökologischer Produktion verarbeitet werden können, ohne dass der Hinweis auf das Vorhandensein der ökologischen Zutaten "im selben Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung" in Frage gestellt wird. Allerdings wird zur Vermeidung von Irreführung zu verlangen sein, dass bei derartigen Angaben der Anteil der Zutaten aus ökologischer Produktion in Prozent angegeben wird. Eine solche deutliche Klarstellung wird um so eher zu verlangen sein, desto geringer der Anteil der Bio-Zutaten aus landwirtschaftlicher Produktion und desto größer der entsprechende Anteil der Zutaten aus Wildfang oder Jagd ist, außerdem, desto deutlicher die Biozutat im Sichtfeld der Verkehrsbezeichnung herausgehoben wird. Es sollte also bei einem Anteil von 5% Bio-Olivenöl in einer Konserve, die im übrigen Thunfisch aus Wildfang enthält, die Prozentangabe zumindest dann im gleichen Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung erfolgen, wenn auf die Herkunft des Öls aus biologischer Produktion hingewiesen wird.
*16 Diese volle Verkehrsbezeichnung muss auf der Schauseite nicht wiederholt werden, um dort die Voraussetzungen für den Hinweis auf die Herkunft der Panade aus ökologischer Produktion zu schaffen. Vielmehr kann dort die Aussage erfolgen "Fischstäbchen mit Bio-Panade". Denn nach dem vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgegebenen Leitbild erfolgt die Information des Verbrauchers, welche Zutaten im Verhältnis zu wie viel anderen Zutaten aus ökologischer Produktion stammen, nicht im selben Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung. Vielmehr sind diese Angaben im Verzeichnis der Zutaten anzugeben, wie Artikel 23 Absatz 4 Satz 2 es anordnet. Das Verzeichnis der Zutaten muss aber nicht im selben Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung erscheinen.
Nach dem allgemeinen Lebensmittelkennzeichnungsrecht gilt die Vorgabe des Erscheinens "im gleichen Sichtfeld" für die Verkehrsbezeichnung, das Mindesthaltbarkeitsdatum und die Mengenkennzeichnung, nicht aber für das Verhältnis der Verkehrsbezeichnung zum Verzeichnis der Zutaten.
Der Gemeinschaftsgesetzgeber hatte in der Vorgängerverordnung in Artikel 5 Absatz 5a die Verpflichtung vorgegeben, es müsse ein Hinweis im selben Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung in folgender Form erfolgen: "X% der Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs sind nach den Grundregeln für den ökologischen Landbau gewonnen worden".
Auf eine solche präzise Angabe des tatsächlichen Anteils der Zutaten aus ökologischer Produktion am Produkt hat der Gemeinschaftsgesetzgeber für die Auslobung der Herkunft aus Jagd oder Wildfang nicht gesetzt. Dementsprechend hat die Vorgabe, die Bioangabe dürfe im selben Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung erfolgen, keinen in dem Sinne vorsorgenden Charakter, als dass dort ein Prozentanteil anzugeben ist.
Diese Verordnung verlangt auch nicht die Angabe des Mengenanteils (QUID) für jede Ökozutat, sondern im folgenden Satz nur eine zusammenfassende Mengenanteilangabe.
*17 Der Verbraucher wird über den tatsächlichen Bioanteil im Produkt nur im Verzeichnis der Zutaten entsprechend der Vorgabe des Artikel 23 Absatz 4 Satz 3 informiert. Für die Auslobung nach Buchstabe b und Buchstabe c ist dort vorgegeben, es dürfen Bezeichnungen nach Artikel 23 Absatz 1 nur "in Zusammenhang mit den ökologischen/biologischen Zutaten" getroffen werden und es muss im Verzeichnis der Zutaten der Gesamtanteil der ökologisch/biologischen Zutaten an den Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs angegeben werden.
Dies hat zur Folge, dass eine Pizza, in deren Zutatenverzeichnis die Herkunft von fünf der acht Zutaten als aus ökologischer Produktion stammend angegeben wird, der Verbraucher an keiner Stelle erfährt, welcher Mengenanteil auf diese Zutaten erfolgen, wenn nicht ohnehin eine QUID-Angabe erfolgt, vielmehr erfolgt zwingend eine Gesamtprozentangabe als Zusatzangabe im Verzeichnis der Zutaten. Es würde umgekehrt aber auch nicht genügen, im Verzeichnis der Zutaten jeweils eine QUID-Angabe bei den fünf Biozutaten vorzunehmen. Für die Auslobung nach Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe b und für die Auslobung nach Buchstabe c ist vielmehr zwingend eine Zusammenrechnung der Prozentanteile der Zutaten aus ökologischer Produktion vorgegeben. Das Lebensmittelkennzeichnungsrecht erlaubt die Aufnahme von Angaben in das Zutatenverzeichnis nur dort, wo sie gesetzlich vorgegeben sind. Hier ist ein zusätzliches Kennzeichnungselement für das Verzeichnis der Zutaten gesetzlich vorgegeben, nämlich eine Gesamtberechnung des Mengenanteils der Zutaten aus ökologischer Produktion. Dies könnte zu Gestaltungen "verführen", in denen das Zutatenverzeichnis so gestaltet wird, dass diese QUID-Angabe gestalterisch herausgestellt wird.
*18 Dem soll Artikel 23 Absatz 4 Satz 4 entgegenwirken, indem die Gesamt-QUID-Angabe für die Zutaten aus ökologischer Produktion "in der selben Farbe, Größe und Schrifttyp, wie die übrigen Angaben im Verzeichnis der Zutaten" erscheinen muss. Wer also bei der Gestaltung der Etikettierung von Produkten nach Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe b bezüglich der Herkunft aus ökologischer Produktion eine werbende Wirkung erreichen möchte, muss das Verzeichnis der Zutaten insgesamt so ins Auge fallen gestalten, dass die Pflichtangabe bezüglich des Gesamtanteils der Zutaten aus ökologischer Produktion auffällt. Da QUID-Angaben immer zulässig sind, denn die Verpflichtung zu solchen Angaben kann schon durch die graphische Gestaltung der Verpackung ausgelöst werden, ist es dem Gestalter eines Zutatenverzeichnisses für Produkte nach Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe b erlaubt, die Biokennzeichnung praktisch zweimal anzubringen: Einmal in einer Gesamt-QUID-Angabe und zum zweiten, indem der Biohinweis bezogen auf die einzelnen Zutaten, verbunden mit einer Prozentangabe, ebenfalls erscheint. Es kann also das Zutatenverzeichnis mit einer Fülle von Bioauslobungen versehen werden, und das Zutatenverzeichnis kann optisch so in den Vordergrund gestellt werden, dass die Angabe der Kommission, Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe b solle zwar den Hinweis auf die Herkunft aus ökologischer Produktion erlauben, dies aber an so unbedeutender Stelle, dass sie im Verkehr praktisch nicht wahrgenommen wird, die tatsächlichen Verhältnisse nicht zutreffend beschreibt.
*19 Artikel 23 Absatz 5 gibt vor, dass die Mitgliedstaaten "die erforderlichen Maßnahmen" treffen, um "die Einhaltung dieses Artikel sicherzustellen". Hier handelt es sich um eine eher unbeholfene Reaktion auf einen Redaktionsfehler bei der Abgrenzung des Anwendungsbereichs in Artikel 1 Absatz 3. Dort findet sich eine personale Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Verordnung. Danach findet die Verordnung zwar auf alle Unternehmer Anwendung, deren Tätigkeit sich auf Produkte im Sinne des Artikel 1 Absatz 2 bezieht. Von der personalen Anwendbarkeit der Verordnung bezüglich der Behörden der Mitgliedstaaten ist aber bei dieser Abgrenzung des Anwendungsbereichs keine Rede. Da aber Verordnungen wie die Gesetze der Mitgliedstaaten in diesen unmittelbar anwendbar sind und da Behörden die Aufgabe haben, die Gesetze ihres Landes zu vollziehen, liegt in der eigentümlich eingeschränkten personalen Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Verordnung eine Ungeschicklichkeit des Gemeinschaftsgesetzgebers. Jedoch wären die Mitgliedstaaten gleichwohl verpflichtet, durch eigene Maßnahmen sicherzustellen, dass die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Unternehmer die Vorgaben des Artikels einhalten.
*20 In Artikel 23 Absatz 6 wird die Kommission, wie schon in Artikel 38 Buchstabe b nochmals ermächtigt, das Regelbeispielverzeichnis der Bezeichnungen, die als Bezeichnungen im Sinne des Artikel 23 Absatz 1 gewertet werden, zu verändern. Die Reichweite dieser Veränderungen ist allerdings durch die Vorgaben in Artikel 23 Absatz 1 dieser Ratsverordnung eng dahingehend eingeschränkt, dass die Begriffe "Bio" und "Öko" in allen Märkten und unter allen Amtssprachen mit der gesetzlichen Fiktion versehen sind, die auch durch Kommissionsverordnung nicht aufgehoben werden kann, dass es sich um Hinweise auf die Herkunft aus ökologischer Produktion im Sinne dieser Verordnung handelt.
Artikel 24
Verbindliche Angaben
(1) Werden Bezeichnungen nach Artikel 23 Absatz 1 verwendet*1, muss
a) die Kennzeichnung auch die nach Artikel 27 Absatz 10 erteilte Codenummer der Kontrollbehörde oder Kontrollstelle enthalten, die für die Kontrolle des Unternehmers zuständig ist, der die letzte Erzeugungs- oder Aufbereitungshandlung vorgenommen hat; *2
b) bei vorverpackten Lebensmitteln auf der Verpackung auch das Gemeinschaftslogo nach Artikel 25 Absatz 1 erscheinen; *3
c) bei der Verwendung des Gemeinschaftslogos im selben Sichtfeld wie das Logo auch der Ort der Erzeugung der landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe erscheinen, aus denen sich das Erzeugnis zusammensetzt, und zwar je nach Fall in einer der folgenden Formen*4:
— „EU-Landwirtschaft", wenn die landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe in der EU erzeugt wurden; *5
— „Nicht-EU-Landwirtschaft", wenn die landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe in Drittländern erzeugt wurden; *6
— „EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft", wenn die landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe zum Teil in der Gemeinschaft und zum Teil in einem Drittland erzeugt wurden. *7
Sind alle landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe, aus denen sich das Erzeugnis zusammensetzt, in demselben Land erzeugt worden, so kann die genannte Angabe „EU" oder „Nicht-EU" durch die Angabe dieses Landes ersetzt oder um diese ergänzt werden. *8
Bei der genannten Angabe „EU" oder „Nicht-EU" können kleine Gewichtsmengen an Zutaten außer Acht gelassen werden, sofern die Gesamtmenge der nicht berücksichtigten Zutaten 2 Gewichtsprozent der Gesamtmenge der Ausgangsstoffe landwirtschaftlichen Ursprungs nicht übersteigt. *9
Die genannte Angabe „EU" oder „Nicht-EU" darf nicht in einer auffälligeren Farbe, Größe oder Schrifttype als die Verkehrsbezeichnung des Erzeugnisses erscheinen. *10
Bei aus Drittländern eingeführten Erzeugnissen sind die Verwendung des Gemeinschaftslogos nach Artikel 25 Absatz 1 und die Angaben nach Unterabsatz 1 fakultativ. Erscheint das Gemeinschaftslogo nach Artikel 25 Absatz 1 jedoch in der Kennzeichnung, so müssen die Angaben nach Unterabsatz 1 auch in der Kennzeichnung erscheinen. *11
(2) Die Angaben nach Absatz 1 müssen an gut sichtbarer Stelle, deutlich lesbar und unverwischbar angebracht sein. *12
(3) Spezifische Kriterien zur Aufmachung, Zusammensetzung und Größe der Angaben nach Absatz 1 Buchstaben a und c werden von der Kommission nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren erlassen. *13
Kommentierung des Artikel 24
*1 Wenn ein Hinweis auf die Herkunft aus ökologischer Produktion verwendet wird, greifen die Vorgaben des Artikel 24 als Bedingungen für die Rechtmäßigkeit dieser Verwendung. Es kommt für die "Bezeichnung nach Artikel 23 Absatz 1" nach der gesetzlichen Fiktion in jener Bestimmung nicht auf das tatsächliche Verständnis der Teilnehmer eines bestimmten Marktes an, sondern maßgebend ist die Widmung bestimmter Begriffe, insbesondere der Kürzel "Bio" und "Öko" als Kennzeichnung von Ökoprodukten, auch in Märkten, in denen diese Zweckbestimmung der Kennzeichnung nicht üblich oder auch nur verständlich ist.
*2 Ein Hinweis auf die Herkunft aus ökologischer Produktion ist nur zulässig, wenn die "Kennzeichnung" auch eine "Codenummer" aufführt. Es handelt sich nicht etwa um eine Codenummer, die für jedes kontrollunterworfene Unternehmen gesondert von der zuständigen Kontrollbehörde oder Kontrollstelle erteilt wird, sondern um eine eindeutige Codenummer, welche die Kontrollbehörde oder Kontrollstelle selbst identifizieren soll. Die Codenummern werden nach Artikel 27 Absatz 10 jeweils von den "Mitgliedstaaten" zugeteilt.
Die Kommission weigerte sich aus taktischen Gründen, ein einheitliches, gemeinschaftsweites Format für diese Codenummern vorzusehen, denn sie fürchtete, es würde die Codenummer das von der Kommission favorisierte einheitliche EU-Öko-Logo überflüssig machen. Die Folge der nationalen Vergabe der Codenummern ist eine bunte Vielfalt, die dazu führt, dass selbst Branchenkenner die national gewählten Kombinationen nicht als Codes von Ökokontrollstellen erkennen.
Manche der Mitgliedstaaten verwenden Codes, die ihre Zweckbestimmung durch entsprechende Kürzel erkennen lassen, so etwa Österreich, das der Kontrollstelle "Austria Bio Garantie (ABG)" den Code "AT-N-01-BIO" zuteilte, wobei "N" für Niederösterreich steht. So verfährt auch Deutschland, das den Code "DE-001-Öko-Kontrollstelle" der Ökokontrollstelle "BCS Öko-Garantie GmbH" vergab. Die französische Kontrollstelle "Ecocert S.A." führt entsprechend den Code "FR-AB 01", der für den nichtfranzösisch sprechenden Leser nicht erkennen lässt, dass es sich bei "AB" um die Abkürzung für "agriculture biologique" handelt.
In Irland wurde der Ökokontrollstelle "Demeter Standards Ltd." der Code "IRL-OIB 1" zugeordnet, in Italien der Ökokontrollstelle "Suolo & Salute srl" der Code "IT-ASS". Auch der Kenner weiß bei einem Produkt aus Luxemburg nicht, dass der Code "LU-01" für die von der Landwirtschaftsbehörde unterhaltene Ökokontrollstelle steht. Die Bedeutung der Codes "RE-01/2005/PL", "NL01", "MT01", "ES-AN-00-AE" oder "UK 2" entnimmt der Branchenkenner dem Verzeichnis der Kontrollstellen, das jährlich im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Teil C veröffentlicht wird, immer vorausgesetzt, dass er die Kürzel überhaupt mit einem Bezug auf die Ökokennzeichnung wahrnimmt.
*3 Die Vorgabe, dass "bei" vorverpackten Lebensmitteln "auf der Verpackung" das Gemeinschaftslogo erscheinen muss, stellt klar, dass das Gemeinschaftslogo, anders als die Codenummer der Kontrollstelle, nur in der Etikettierung der Produkte und nicht in Begleitpapiere aufzunehmen ist. Die Vorgabe ist nicht, dass in die Kennzeichnung bezüglich vorverpackter Lebensmittel das Gemeinschaftslogo aufzunehmen ist, denn dann wäre das Logo auch in Warenbegleitpapiere und andere Dokumente (Geschäftsbriefe) aufzunehmen, welche sich auf Ökoprodukte "beziehen", denn die Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe k bezieht in die "Kennzeichnung" alle Angaben ein, "die ein Erzeugnis begleiten oder sich auf dieses beziehen". Das EU-Öko-Logo muss also, anders als die Kontrollstellen-Codenummer, nicht in der "Kennzeichnung", sondern nur "auf der Verpackung" erscheinen.
"Vorverpackte Lebensmittel" sind in der Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe l definiert (vgl. die Kommentierung zu Artikel 2 *13). Als "vorverpackte Lebensmittel" gelten nur solche, die zur Abgabe an den "Endverbraucher oder an gemeinschaftliche Einrichtungen" bestimmt sind, nicht aber Verpackungen, die an Weiterverarbeiter abgegeben werden. Die Begriffsbestimmung erfasst nicht nur vollständig verschlossene Verkaufseinheiten, sondern auch solche, die das Lebensmittel nur teilweise umschließen, allerdings nur, wenn die teilweise umschlossenen Lebensmittel nicht ausgetauscht werden können, ohne dass die Verpackung ausgetauscht wird.
Es ist nicht festgelegt, an welcher Stelle "auf der Verpackung" das Gemeinschaftslogo erscheint. Es muss nicht im selben Sichtfeld wie die Verkehrsbezeichnung oder anderes lebensmittelrechtliches Pflichtkennzeichnungselement erscheinen.
*4 Es soll der "Ort der Erzeugung der landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe" angegeben werden. Mit dieser Pflichtangabe reagierte die Kommission auf die Kritik, dass ein EU-Öko-Logo, wenn es auf Ökoprodukten aus Drittstaaten verwendet wird, den Eindruck der Herkunft aus der Europäischen Gemeinschaft hervorruft und damit den Verbraucher irreführt. Die Kommission wollte das EU-Öko-Logo aber in jedem Fall durchsetzen und nahm daher in Kauf, dass dies aufgrund der Bedenken der Mitgliedstaaten nur mit einem Hinweis auf den Ort der landwirtschaftlichen Erzeugung durchsetzbar war. "Erzeugung" sind die Arbeitsschritte, die vor der Schwelle liegen, nach der ein verarbeitetes landwirtschaftliches Erzeugnis vorliegt. Wenn die "Erzeugung" nach dieser Begrifflichkeit an verschiedenen Orten erfolgt, ist davon auszugehen, dass die bodengebundenen Erzeugungsschritten den "Ort der Erzeugung" bestimmen. Letztlich zielt die Pflichtangabe des Orts der Erzeugung darauf, den Verbrauchern Gelegenheit zu geben, sich, wenn sie dies wünschen, für Produkte aus der Landwirtschaft der Gemeinschaft und damit gegen Produkte aus Drittstaaten zu entscheiden. Die englische Fassung des Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c handelt von einer "indication of the place where the agricultural raw materials ... have been farmed", so dass der (letzte) bodengebundene Erzeugungsschritt den "Ort der Erzeugung" für den Zweck dieser geographischen Herkunftsangabe bestimmt.
Da immer dann, wenn das Gemeinschaftslogo verwendet wird, "im selben Sichtfeld" die zwingend vorgegebene, nach ihrem Text aber unattraktive Angabe des Orts der landwirtschaftlichen Erzeugung erscheinen muss, ist zu erwarten, dass das Logo zwar auf der Schauseite angebracht wird, der geographische Hinweis dann aber auf einer anderen Seite platziert werden soll. Der Entwurf der Kommission für eine Verordnung über Lebensmittelinformationen vom Dezember 2007 sieht in seinem Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe j als Definition für "field of vision" vor: "... means all the surfaces of a package that can be read from a single viewing point, permitting rapid and easy access to label information by allowing consumers to read this information without needing to turn the packages back and forth; ..."
Dies hat zur Folge, dass die Herkunftsangabe auch auf dem Boden des Produktes angebracht werden kann, denn der Verbraucher, der das Produkt nach hinten neigt, kann sowohl die geographische Pflichtherkunftsangabe nach Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c, als auch das Logo mit einem Blick wahrnehmen, ohne das Produkt zum Zwecke der Wahrnehmung beider Informationen drehen oder hin und her wenden zu müssen.
Nach § 3 Absatz 3 Satz 3 müssen die Verkehrsbezeichnung und das Mindesthaltbarkeitsdatum oder ein MHD-Hinweis "im gleichen Sichtfeld" angebracht werden. Hier wird die Auffassung vertreten, "unter gleichem Sichtfeld" sei "eine Stelle zu verstehen, die mit einem Blick umfasst wird".
Richtig dürfte die gemeinschaftsrechtliche Definition sein, wie die Kommission sie vorgeschlagen hat, nach der es nicht darauf ankommt, ob es bei unveränderter Lage der Packung eines Blicks oder zweier Blicke bedarf, die Angaben zu erfassen. Es genügt, wenn die Angaben in einem Blickfeld liegen, auch wenn die Fokussierung des Blicks sich verändert. Keinesfalls muss die geographische Angabe mit dem Logo in Zusammenhang stehen. Wie auch bei den Pflichtangaben Verkehrsbezeichnungen, Mindesthaltbarkeitsdatum und Mengenangabe nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung können sich zwischen dem Logo und der Angabe des Orts der landwirtschaftlichen Erzeugung andere Angaben und Darstellungen befinden.
Der von Rathke geschilderten Auffassung des OLG Koblenz, es finde sich eine Verkehrsbezeichnung im oberen Viertel eines oberen Etiketts und die Angabe zur Mindesthaltbarkeit im unteren Bereich eines zweiten, auf der selben Vorderseite der Fertigpackung unten angebrachten Etiketts, nicht im selben Sichtfeld, ist nicht zu folgen. Sie ist durch das gemeinschaftsrechtliche, abweichende Verständnis überholt. Eine Einschränkung, die Platzierung der geographischen Herkunftspflichtangabe nach Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c frei zu wählen, so sie auch an der Unterseite anzubringen, könnte sich aus der Pflicht zur Angabe an "gut sichtbarer Stelle" ergeben, die in Artikel 24 Absatz 2 normiert ist (vgl. Kommentierung *12).
*5 "EU-Landwirtschaft" ist die Landwirtschaft, deren Ernteprodukte nicht gemäß Artikel 32 dieser Verordnung aus dem Handel mit Drittländern in die Europäische Gemeinschaft importiert werden. Handelt es sich aber um landwirtschaftliche Erzeugnisse, die aus der Gemeinschaft in ein Drittland exportiert und dort verarbeitet, sodann reimportiert werden, ist die Angabe "EU-Landwirtschaft" zu verwenden, wenn die landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe aus der Landwirtschaft in der Gemeinschaft stammen.
*6 "Nicht-EU-Landwirtschaft" ist Landwirtschaft in "Drittländern" (vgl. die Kommentierung zu Artikel 32 *1).
*7 Die Angabe "EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft" soll verpflichtend sein, wenn "die landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe zum Teil in der Gemeinschaft und zum Teil in einem Drittland erzeugt" wurden. In der Praxis der Lebensmittelunternehmen werden komplexe Verbundverpackungen (z.B. Tetra) in hohen Auflagen gefertigt, während deren Verbrauch die Herkunft der Rohstoffe nicht selten wechselt, dies insbesondere in einem so stark durch steigende Nachfrage geprägten Markt wie dem der meisten Bioprodukte. Es stellt sich die Frage, ob ungeachtet der tatsächlichen Herkunft praktisch fürsorglich die Angabe "EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft" gewählt werden darf.
Angesichts der praktischen Informationslosigkeit dieser Angabe, die den Verbraucher allenfalls darauf aufmerksam macht, dass er damit rechnen muss, dass die Produkte landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Drittländern enthalten, dürfte richtig sein, dass immer dann, wenn ein Lebensmittelunternehmen Anhaltspunkte dafür hat, dass während des Verbrauchs der Auflage einer Packung Zutaten aus Drittländern herangezogen werden müssen, die Angabe als vorsorgliche Maßnahme so gefasst werden kann, auch wenn zu Beginn der Produktion ausschließlich Ware aus der Gemeinschaft verwendet wird und es das Ziel des Lebensmittelunternehmens ist, davon nicht abzuweichen.
Die fürsorgliche Aufnahme der Angabe "Nicht-EU" führt, so jedenfalls das gesetzgeberische Motiv der geographischen Pflichtkennzeichnungsregelung, dazu, dass Verbraucher dem Produkt eher kritisch gegenüberstehen. Es sollte dem Lebensmittelunternehmen unbenommen sein, diesen Nachteil auch dann hinzunehmen, wenn die landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe in der EU erzeugt wurden.
Je großzügiger in der Auslegung der Platzierungsvorschriften für die geographische Herkunftsangabe verfahren wird, desto eher also die Herkunftsangabe durch einen Stempel, der gemeinsam mit dem MHD auf der Unterseite angebracht wird, erfolgen darf, desto eher lässt sich vertreten, dass nicht in weitem Umfang die Angabe "EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft" auch in Fällen angebracht wird, in denen die Herkunft aus "EU-Landwirtschaft" gegeben ist. Angesichts des Eigeninteresses der Lebensmittelunternehmen, die verbrauchsnahe landwirtschaftliche Erzeugung zu kommunizieren, ist hier allerdings ohnehin nicht mit einem Vielgebrauch in Folge von Nachlässigkeit zu rechnen.
*8 Wenn alle landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe in der Landwirtschaft eines Landes erzeugt wurden, so kann die Angabe "EU" oder "Nicht-EU" durch die Angabe dieses "Landes" ersetzt werden. Das Ziel ist es, Verbraucher zutreffend über die geographische Herkunft der landwirtschaftlichen Zutaten zu informieren, insbesondere um die Allgemeinheit der Information der Herkunft aus der "EU", wie sie mit dem EU-Öko-Logo verbunden ist und wie sie bei Drittlandsware falsch ist, zu ergänzen oder richtig zu stellen. Auf diesem Hintergrund ist der Begriff "Land", die englische Fassung handelt von "country", nicht als "Staat" im Sinne eines völkerrechtlichen Subjektes zu verstehen, sondern als Bezeichnung eines geographischen Gebiets, die vom angesprochenen Verkehrskreis als solche zutreffend verstanden wird. Damit ist die Angabe "Bayern" zulässig. Zulässig dürfte aber auch die Angabe "Südbaden" sein. Damit im Binnenmarkt Verbraucher zutreffend informiert werden, muss die regionale Gebietseinheit, die zum Ersatz der nach Artikel 24 Absatz 1 Satz c vorgeschriebenen Angabe herangezogen wird, im Zielmarkt hinreichend bekannt sein. Die Angabe "Puglia" für die Herkunft aus einer italienischen Region dürfte für den deutschen Markt nicht hinreichen, wohl aber für den italienischen. Die Angabe "Bayern" dürfte aber unbestritten gemeinschaftsweit als hinreichende Angabe nach Artikel 24 Absatz 1 Satz c gemäß dem Satz 2 der Vorschrift verwendet werden.
*9 Wenn der Anteil von "Nicht-EU"-Zutaten unter zwei Gewichtsprozent der "Gesamtmenge der Ausgangsstoffe landwirtschaftlichen Ursprungs" liegt, soll dies nicht zur Verpflichtung führen, die Angabe "EU-Landwirtschaft" zu ergänzen und die durch die Formulierung des dritten Sigelstrichs vorgegebene Fassung zu wählen. Es fällt auf, dass die Formulierung "Ausgangsstoffe" nicht nur Lebensmittelzutaten, sondern auch Zusatzstoffe landwirtschaftlichen Ursprungs einschließen könnte. Der Begriff "Ausgangsstoffe" lautet in der englischen Fassung "agricultural raw materials", was eher vermuten lässt, dass nicht auf die landwirtschaftliche Herkunft von Zusatzstoffen und anderen Stoffen abgestellt werden sollen, sondern dass ausschließlich Lebensmittelzutaten, die aus landwirtschaftlichen Rohstoffen hergestellt werden, Gegenstand der Betrachtung bei der Entscheidung sein soll, welche geographische Herkunft angegeben wird. Die entgegengesetzte Auffassung lässt sich angesichts der offenen Formulierung ebenfalls vertreten.
*10 Für die Angaben "EU" und "Nicht-EU" wird die Verpflichtung vorgegeben, den Abdruck nicht auffälliger vorzunehmen, als die Verkehrsbezeichnung des Erzeugnisses. Es soll also offenbar der Begriff "EU" nicht werbend herausgestellt werden können. Dieser Versuch, die Werbung mit dem produktionsnahen Verzehr von Ökoprodukten praktisch zu verbieten, schlägt aber fehl, denn Lebensmittelunternehmen sind nicht daran gehindert, außerhalb des durch Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c vorgegebenen geographischen Hinweises Angaben zur geographischen, insbesondere zur regionalen Herkunft zu machen. Die gesetzliche Verkehrsbezeichnung wird heute regelmäßig nicht auf den Schauseiten der Fertigpackungen, sondern an den Seiten und auf der Rückseite in einer zwar lesbaren Schrift und an gut sichtbarer Stelle angebracht, aber eben nicht so auffällig wie andere Angaben (vgl. Kommentierung des Artikel 23 *6).
*11 Für Produkte, deren landwirtschaftliche Ausgangsstoffe ausschließlich aus Drittländern eingeführt wurden, je nach Auslegung sind auch die Zusatzstoffe landwirtschaftlichen Ursprungs gemeint, soll die Verwendung des Gemeinschaftslogos freiwillig sein. Für Unternehmen, die mit einer Vielzahl von Produkten am Markt erscheinen und ein einheitliches Erscheinungsbild gewährleisten wollen, ist diese Vorschrift nicht attraktiv. Für ihr einheitliches Erscheinungsbild ist wichtig, dass das Gemeinschaftslogo auf jeder Packung erscheint.
*12 Von der Verpflichtung, das EU-Öko-Logo im "gleichen Sichtfeld" wie den Ort der landwirtschaftlichen Erzeugung anzugeben, zu unterscheiden ist die Verpflichtung, beide Angaben "an gut sichtbarer Stelle" anzubringen. Gut sichtbar sind Stellen einer Packung, an der die Kennzeichnung von dem Verbraucher erwartet wird. So entschied das Verwaltungsgericht Oldenburg, dass mit der Formulierung "an gut sichtbarer Stelle" die Anforderungen an die Kennzeichnung von Lebensmitteln reduziert worden sein und dem Erfordernis werde auch dadurch genügt, dass die Angaben an den Seitenflächen der Verpackung angebracht werden. Diese Entscheidung bezog sich auf eine Schweineschmalzpackung in Form eines Ziegels, bei der die Mengenangabe und das Mindesthaltbarkeitsdatum sich an der Unterseite befanden, während die Oberseite als Schauseite ausgestaltet war.
Längst durch die Entwicklung des Gemeinschaftsrechts überholt ist die ältere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Packungen daraufhin betrachtet werden, ob sie eine "dominierende Schauseite" aufweisen. Nach einer älteren Fassung der deutschen Lebensmittelkennzeichnungsvorschriften mussten Pflichtangaben an "einer in die Augen fallenden Stelle" angebracht werden. Eine "deutlich sichtbare Stelle" muss weder in die Augen fallen, noch auf der Schauseite der Packung angebracht werden. Für die Praxis wird sich die Frage stellen, wie der unbeholfene, praktisch informationslose geographische Hinweis auf die landwirtschaftliche Erzeugung auf der Packung so angebracht werden kann, dass er deren Ästhetik nicht beeinträchtigt und den Verbraucher nicht von wichtigeren Angaben ablenkt. Wenn das EU-Öko-Logo auf der als Schauseite ausgestalteten Vorderseite wiedergegeben wird, kann die Angabe des Orts der landwirtschaftlichen Erzeugung jedenfalls auf den beiden Seitenflächen, ebenfalls aber an der Oberseite des Produktes wiedergegeben werden.
Bei einer Angabe auf der Unterseite stellt sich die Frage, ob der Verbraucher die Angabe dort erwartet. Wenn sich dort auch andere Kennzeichnungselemente befinden, wird dies der Fall sein. Befinden sich dort keine, bedarf es einer Beurteilung im Einzelfall. Letztlich ist entscheidend, ob der Verbraucher auf der Unterseite die Pflichtangabe erwartet.
Diese Erwartung könnte durch einen Hinweis auf der Seite, auf der das EU-Öko-Logo verwendet wird, so erhöht werden, dass der Hinweis auf der Unterseite ohne Weiteres zulässig erscheint, etwa durch den Hinweis: "Ort der landwirtschaftlichen Erzeugung: Siehe Unterseite". Diese Gestaltung dürfte insbesondere in Betracht kommen, wenn wegen wechselnder Herkünfte die geographische Herkunftsangabe nicht in die vorgefertigte Etikettierung aufgenommen, sondern mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum aufgestempelt werden soll.
*13 Die Kommission wird ermächtigt, sowohl bezüglich der Codenummer gemäß Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe a Vorgaben zu machen als auch bezüglich des Gemeinschaftslogos nach Buchstabe c.
Artikel 25
Logos für ökologische/ biologische Produktion
(1) Das Gemeinschaftslogo für ökologische/biologische Produktion darf in der Kennzeichnung, Aufmachung und Werbung von Erzeugnissen verwendet werden, sofern diese die Vorschriften dieser Verordnung erfüllen. *1
Das Gemeinschaftslogo darf nicht für Umstellungserzeugnisse und Lebensmittel im Sinne des Artikels 23 Absatz 4 Buchstaben b und c verwendet werden. *2
(2) Nationale und private Logos dürfen in der Kennzeichnung und Aufmachung von Erzeugnissen sowie in der Werbung hierfür verwendet werden, sofern diese Erzeugnisse die Vorschriften dieser Verordnung erfüllen. *3
(3) Die Kommission legt nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren spezifische Kriterien für die Aufmachung, Zusammensetzung, Größe und Gestaltung des Gemeinschaftslogos fest. *4
Kommentierung des Artikel 25
*1 Nach Artikel 25 Absatz 1 darf das EU-Öko-Logo "in der Kennzeichnung, Aufmachung und Werbung" für verordnungskonforme Erzeugnisse verwendet werden. Der Begriff "Kennzeichnung" umfasst nach der Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe k insbesondere alle "Angaben", die "sich auf ein Erzeugnis beziehen". Das Gemeinschaftslogo darf daher in der Werbung, auf Warenbegleitscheinen und allen Kommunikationen angegeben werden, die sich auf verordnungskonforme Produkte beziehen. Die Vorgabe des Artikel 25 Absatz 1, welche die Verwendung des EU-Öko-Logos erlaubt, sieht einen grundlegend anderen Anwendungsbereich vor, als die Pflichtkennzeichnungsvorgaben des Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe b, denn dort ist von einer Pflicht zur Verwendung des Gemeinschaftslogos nur "auf der Verpackung" die Rede, nicht aber bei der "Kennzeichnung" im Sinne dieser Verordnung. Die Verpflichtung zur Angabe des Orts der landwirtschaftlichen Erzeugung nach Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c ist aber nicht auf die Verwendung des Gemeinschaftslogos auf der Verpackung beschränkt, sondern bezieht sich auf die Verwendung des EU-Öko-Logos an allen Stellen, wie sie Artikel 25 Absatz 1 Satz 1 erlaubt.
Nun wird aber die Nutzung des Gemeinschaftslogos auch in der "Werbung von Erzeugnissen" erlaubt, wobei der deutsche Text, in Korrektur des Grammatikfehlers der Übersetzung, von der "Werbung für Erzeugnisse" handeln müsste. Die englische Fassung handelt vom Gebrauch des Logos bei "labelling, presentation and advertising of products". Werbung für einzelne Produkte, welche das Gemeinschaftslogo wiedergibt, muss die geographische Herkunftsangabe des Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c im gleichen Sichtfeld wie das Logo zeigen. Werbung, die für eine Mehrzahl von Produkten mit unterschiedlichen geographischen Herkünften wirbt, muss, wenn man Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c beim Wortlaut nimmt, zumindest die Angabe "EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft" wiedergeben.
Angesichts des begrenzten Zwecks dieser Angabe, nämlich die Bedenken der Mitgliedstaaten auszuräumen, es entstünde bei Drittstaatenprodukten der Eindruck der Herkunft aus der Gemeinschaft und unter Berücksichtigung der praktischen Wirkung der Wiedergabepflicht, etwa bei Werbespots im Fernsehen, empfiehlt sich eine eher restriktive Auslegung der Pflicht, den Ort der Erzeugung der landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe anzugeben.
*2 Für Umstellungserzeugnisse darf das Gemeinschaftslogo nach Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 nicht verwendet werden. Die Erwägungsgründe geben an, dass das EU-Logo für Umstellungsprodukte nicht verwendet werden solle, um Verbraucher nicht "in Bezug auf den ökologischen/biologischen Charakter" zu täuschen. In der englischen Fassung ist davon die Rede, dass es darum gehe "not to misslead consumers as to the organic nature of the entire product" (vgl. Kommentierung zu den Erwägungsgründen *26). Die Formulierung der Erwägungsgründe geht an den tatsächlichen Verhältnissen der Produktion von Umstellungserzeugnissen vorbei, denn nach Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe b "finden sämtliche Vorschriften dieser Verordnung Anwendung" schon "während des Umstellungszeitraums". Es geht also nicht darum, eine Irreführung des Verbrauchers in Bezug auf den ökologischen/biologischen Charakter des "gesamten Erzeugnisses" zu verhindern, sondern die Umstellungserzeugnisse nicht in jeder Hinsicht Erzeugnissen aus schon länger umgestellter ökologischer/biologischer Produktion gleichzustellen.
Diese Verordnung setzt für die Kennzeichnung von Umstellungserzeugnissen merkwürdige Vorgaben: Neben dem Verbot der Verwendung des EU-Öko-Logos findet sich in Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe e die Vorgabe, dass "Lebensmittel aus während der Umstellung erzeugten Pflanzen nur eine pflanzliche Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs" enthalten dürften. Beim Wortlaut genommen würde dies bedeuten, dass pflanzliche Ernteprodukte aus Umstellungskulturen, sei es mit oder ohne Hinweis auf die Herkunft aus ökologischer Produktion, nur als pflanzliche Monoprodukte als Lebensmittel vermarktet werden dürfen. Dies ist natürlich nicht gemeint, vielmehr handelt es sich bei der Vorgabe um eine ungeschickte Übernahme der Vorgabe aus Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe d der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91.
Dort ist für pflanzliche Erzeugnisse vorgegeben, dass sie mit Hinweisen auf die Herkunft aus Umstellungskulturen versehen werden können, wenn der Umstellungszeitraum zu Buchstabe b von mindestens 12 Monaten vor der Ernte eingehalten wurde und wenn, so Buchstabe d, das Erzeugnis nur eine pflanzliche Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs enthält.
Die Vorgabe des Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe e lautet in der englischen Fassung: "Food produced from in conversion crops shall contain only one crop ingredient of agricultural origin". Diese Formulierung hat zur Folge, dass jedenfalls verarbeitete pflanzliche Monoprodukte, beispielsweise Brot, mit einem Hinweis nach Artikel 22 Absatz 1 versehen werden kann.
Davon, dass auf die Herkunft aus einer Kultur in "Umstellung" hingewiesen werden muss, ist in dieser Verordnung keine Rede. Allenfalls handelt die Vorschrift des Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 von der Unterstellung unter das gemeinschaftliche Kontrollsystem für die ökologische Produktion vor der Vermarktung "of any products as organic or in conversion to organic" oder in der deutschen Fassung vor dem Inverkehrbringen "als Umstellungserzeugnisse". Die Pflichthinweise, wie sie in der Vorgängerverordnung in Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe c vorgegeben wurden, fehlen in dieser Verordnung: "Hergestellt im Rahmen der Umstellung auf den ökologischen Landbau".
Ein derartiger Umstellungshinweis wird nicht verlangt. Man könnte überlegen, ob sich aus der allgemeinen lebensmittelrechtlichen Verpflichtung, die Irreführung von Verbrauchern zu vermeiden, eine Pflicht zur Angabe der Herkunft aus Umstellung ergibt. Dem steht aber gegenüber, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Materie hier spezialgesetzlich geregelt und einen entsprechenden Pflichthinweis nicht als nötig erachtet hat.
Artikel 23 Absatz 1 formuliert als Bedingung für die dort beschriebenen Angaben, dass die Erzeugnisse "die mit dieser Verordnung oder im Einklang mit ihr erlassene Vorschriften erfüllen". Das Durchlaufen der Umstellungszeit ist eine solche Vorschrift. Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe e enthält praktisch stillschweigend die Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers, dass jedenfalls verarbeitete pflanzliche Monoprodukte mit einem Hinweis auf die Herkunft aus biologischer/ökologischer Produktion versehen werden können. Denn wäre dies nicht so, würde es dieser einschränkenden Vorgabe nicht bedürfen.
Im Gegenzug stellt sich aber die Frage, welchen Sinn es macht, die Bioauslobung von verarbeiteten pflanzlichen Monoprodukten aus Umstellungsware zu erlauben, die von nicht verarbeiteten aber nicht, denn Artikel 19 enthält nur Regeln für verarbeitete Lebensmittel. Da diese Unterschreitung unter keinem Aspekt Sinn machen würde, ist Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe e im Wege der Analogie aufgrund einer offensichtlichen Regelungslücke so zu lesen, dass auch für nicht verarbeitete pflanzliche Ernteerzeugnisse die Auslobung ermöglicht ist, wobei aber auch hier nicht die Anordnung getroffen wird, es sei die Herkunft aus "Umstellung" anzugeben.
Äußerungen im Umfeld der Kommission deuten darauf hin, dass an dieser versteckten Stelle tatsächlich eine marktpolitische Entscheidung getroffen werden sollte, die Vermarktung von Umstellungsprodukten, jedenfalls als pflanzliche Monoprodukte, zu erleichtern. Manche Stimmen in den Fachkreisen des ökologischen Landbaus sehen in den Restriktionen für die Vermarktung von Erzeugnissen aus Umstellungsproduktion ein inzwischen überholtes Instrument, das im Kern nur dazu dient, die Bestandsschutzinteressen der schon umgestellten Betriebe im Verhältnis zu den neu an der Umstellung interessierten Betrieben zu wahren. Diese Kritiker argumentieren, dass das vollständige Einhalten der Vorschriften dieser Ordnung schon zu einem so deutlich von der herkömmlichen Lebensmittelproduktion abgesetzten Profil führt, dass Ware aus Umstellungsproduktion und aus vollständig umgestellter Produktion sich auch nach dem Integritätsbild der Verbrauchererwartung so nah steht, dass eine Differenzierung bei der Auslobung sich nicht rechtfertigt. Auch wenn die Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers, auf die Sonderauslobung von Umstellungsware zu verzichten, hier an schwer zugänglicher Stelle getroffen ist, ist zu vermuten, dass es sich um eine tatsächlich so beabsichtigte Änderung der Gesetzeslage handelt. Dies allerdings nicht radikal, denn es bleibt bei der Einschränkung der Auslobung von Umstellungsware auf pflanzliche Monoprodukte, allerdings sowohl verarbeitete, wie auch unverarbeitete. Sedes materie dieser Entscheidung ist Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe d, denn an keiner anderen Stelle setzt sich diese Verordnung mit Voraussetzungen der Kennzeichnung von Umstellungsprodukten auseinander. Dass Umstellungserzeugnisse mit Hinweisen auf ihre Herkunft versehen werden, ergibt sich allerdings mittelbar aus dem Verbot der Verwendung des Gemeinschaftslogos für Umstellungserzeugnisse in Artikel 25 Absatz 1 Satz 2.
Das Gemeinschaftslogo darf auch nicht für Lebensmittel verwendet werden, wie sie in Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe b und Buchstabe c normiert sind. Buchstabe c regelt verarbeitete Lebensmittel, deren Hauptzutat ein Erzeugnis der Jagd oder der Fischerei ist. Buchstabe b will verarbeitete Lebensmittel regeln, bei denen weniger als 95 Gewichtsprozent der Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs aus ökologischer/biologischer Produktion stammen. Da hier "nur" der Hinweis auf die Herkunft aus der ökologischer/biologischen Produktion "im Verzeichnis der Zutaten" gemäß Artikel 19 Absatz 4 Buchstabe b zulässig ist, wird konsequent auch die Verwendung des EU-Öko-Logos nicht zugelassen.
*3 "Nationale und private Logos" werden durch Artikel 25 Absatz 2 ausdrücklich für Erzeugnisse zugelassen, welche "die Vorschriften dieser Verordnung erfüllen". Hierin liegt eine radikale Abkehr von der ursprünglichen Absicht der Kommission, derartige Auslobungen zu unterdrücken, um den Verkehr von Öko-Produkten im gemeinsamen Markt durch den Abbau quasi-tarifärer Handelshemmnisse zu erleichtern (vgl. Kommentierung zu den Erwägungsgründen *26). Damit hat die Kommission ihren Versuch die staatlichen oder staatlich gestützten Logos, wie das französische Siegel "Agriculture Biologique (AB)" oder das deutsche Biosiegel, zu unterdrücken, aufgegeben. Schließlich liegt in dieser Vorschrift auch eine ausdrückliche Anerkennung der Legitimität der "privaten Logos" der Ökolandbauverbände.
Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Rechtslage in den USA, wo infolge der Formulierungen der föderalen Rechtsnormen seit Jahren Streit darüber herrscht, ob tatsächlich privaten Prüfzeichensystemen verboten sein soll und wirksam verboten wurde, die Vergabe ihrer Prüfzeichen an Anforderungen zu orientieren, die zwar den Anforderungen der gesetzlichen Regeln für die Ökoproduktion entsprechen, aber dazu noch weitere, darüber hinausgehende Anforderungen stellen. Die Rechtslage in den USA wird vielfach als Versuch der Nivellierung auf einen kleinen gemeinsamen Nenner verstanden. Der Entwurf der Kommission vom Dezember 2005 hatte den Versuch unternommen, das Gleiche zu bewirken, scheiterte aber am Widerstand der Mitgliedstaaten. Die ausdrückliche Gutheißung der nationalen und privaten Logos bezieht sich auf deren Verwendung für jedweden Zweck, insbesondere auch in der allgemeinen Werbung, aber auch in allen beliebigen Angaben, die sich auf Ökoprodukte beziehen, denn die Begriffsbestimmung der "Kennzeichnung" in Artikel 2 ist entsprechend breit gefasst.
*4 Artikel 25 Absatz 3 gibt der Kommission den Auftrag, in einer Kommissionsverordnung das Gemeinschaftslogo festzulegen. Die Kommission hat im Januar 2008 den Entwurf für eine Abänderung der Vorgängerverordnung (EWG) Nr. 2092/91 vorgelegt, mit der das bisherige Gemeinschaftslogo, das in Anhang V jener Verordnung enthalten war, durch ein neues Logo ersetzt wird.
Dieses neue Logo verwendet in einem runden Feld den Begriff "bio" mit einer geschwungenen Linie unter dem "io", so dass der Eindruck eines lachenden Gesichts entsteht. Es handelt sich um die praktisch gleiche Gestaltung, wie die des ALDI-Bio-Logos, welches von diesem Einzelhandelsunternehmen für sein Bio-Sortiment im Markt eingeführt ist. Die Kommission hat die Mitgliedstaaten und die Verkehrskreise beim Entwurf des Logos nicht konsultiert. Das Gemeinschaftslogo weist eine geringe Unterscheidungskraft auf. Es ist nicht wirklich "distinctive".
Im Verhältnis zum bisherigen EU-Öko-Logo nach Anhang V der Vorgängerverordnung, weist es aber den entscheidenden Vorteil auf, dass es nicht zu einer Familie von sehr ähnlichen, leicht zu verwechselnden EU-Logos gehört.
Das frühere Logo war als Teil einer "Familie" von Herkunftskennzeichnungen entwickelt worden. So stand die Ökoherkunft neben der geschützten geo
graphischen Herkunft oder der Herkunft aus traditioneller Produktion. Die neue Gestaltung vermeidet zumindest die Gefahr der unmittelbaren Verwechslung mit dem EU-Logo für die durch die Verordnung (EG) Nr. 510/2006 geschützten geographischen Herkunftsangaben.
Die von der Kommission im Januar 2008 vorgeschlagene Änderung des Anhang V der Vorgängerverordnung bewirkt, dass Lebensmittelunternehmen sich nach der Veröffentlichung dieser Änderungsverordnung im Amtsblatt und damit schon im Laufe des Jahres 2008 für die Verwendung des Gemeinschaftslogos entscheiden können, bevor es nach Artikel 25 Absatz 3 für die Zwecke dieser Verordnung festgelegt wurde. Es ist zu vermuten, dass die Kommission daraus ableiten wird, dass den Lebensmittelunternehmen keine großzügige Übergangsfrist für die Umgestaltung der Etiketten zu gewähren ist, allenfalls für den Aufbrauch vorhandener Verpackungsmaterialien. Damit ist enorme Verschwendung durch die Vernichtung vorhandener Packungsmaterialien angelegt.
Artikel 26
Besondere Kennzeichnungsvorschriften
Die Kommission erlässt nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren besondere Vorschriften für die Kennzeichnung und Zusammensetzung von *1
a) ökologischen/biologischen Futtermitteln, *2
b) Umstellungserzeugnissen pflanzlichen Ursprungs, *3
c) vegetativem Vermehrungsmaterial und Saatgut für den Anbau. *4
Kommentierung des Artikel 26
*1 Diese Ermächtigung der Kommission durch den Rat wiederholt, was sich ohnehin in Artikel 28 Satz 1 findet.
*2 Für ökologische Futtermittel enthält der Entwurf der Kommissionsverordnung vom Januar 2008 in Artikel 54 bis 56 Kennzeichnungsvorschriften.
*3 Für Umstellungsprodukte sieht er keine vor.
*4 Und ebenfalls keine für Saatgut.
TITEL V
KONTROLLEN
Artikel 27
Kontrollsystem
(1) Die Mitgliedstaaten führen ein System für Kontrollen ein und bestimmen eine oder mehrere zuständige Behörde(n), die für die Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen gemäß der vorliegenden Verordnung im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 zuständig ist (sind). *1
(2) Zusätzlich zu den Bedingungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 umfasst das für die Zwecke der vorliegenden Verordnung eingerichtete Kontrollsystem mindestens die Anwendung von Vorkehrungen und Kontrollmaßnahmen, die von der Kommission nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren festzulegen sind. *2
(3) Im Rahmen dieser Verordnung werden Art und Häufigkeit der Kontrollen auf der Grundlage einer Bewertung des Risikos des Auftretens von Unregelmäßigkeiten und Verstößen in Bezug auf die Erfüllung der Anforderungen dieser Verordnung bestimmt. Alle Unternehmer mit Ausnahme von Großhändlern die nur mit abgepackten Erzeugnissen handeln, und Unternehmern nach Artikel 28 Absatz 2, die an Endverbraucher oder -nutzer verkaufen, müssen in jedem Fall mindestens einmal jährlich darauf überprüft werden, ob sie die Vorschriften dieser Verordnung einhalten. *3
(4) Die zuständige Behörde*4 kann
a) ihre Kontrollbefugnisse einer oder mehreren anderen Kontrollbehörden übertragen. Die Kontrollbehörden müssen angemessene Garantien für Objektivität und Unparteilichkeit bieten und über qualifiziertes Personal und die erforderlichen Ressourcen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben verfügen; *5
b) Kontrollaufgaben einer oder mehreren Kontrollstellen übertragen. In diesem Fall benennen die Mitgliedstaaten Behörden, die für die Zulassung und Überwachung dieser Kontrollstellen zuständig sind. *6
(5) Die zuständige Behörde kann einer bestimmten Kontrollstelle nur dann Kontrollaufgaben übertragen, wenn die Voraussetzungen des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 erfüllt sind und wenn insbesondere *7
a) die Aufgaben, die die Kontrollstelle wahrnehmen darf, sowie die Bedingungen, der sie hierbei unterliegt, genau beschrieben sind; *8
b) nachgewiesen ist*9, dass die Kontrollstelle
i) über die Sachkompetenz, Ausrüstung und Infrastruktur verfügt, die zur Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben notwendig sind, *10
ii) über eine ausreichende Zahl entsprechend qualifizierter und erfahrener Mitarbeiter verfügt und *11
iii) im Hinblick auf die Durchführung der ihr übertragenen Aufgaben unabhängig und frei von jeglichem Interessenkonflikt ist; *12
c) die Kontrollstelle nach der Europäischen Norm EN 45011 bzw. ISO Guide 65 (Allgemeine Anforderungen an Stellen, die Produktzertifizierungssysteme betreiben) in der zuletzt im Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe C, bekannt gemachten Fassung akkreditiert und von den zuständigen Behörden zugelassen ist; *13
d) die Kontrollstelle der zuständigen Behörde regelmäßig bzw. immer, wenn diese darum ersucht, die Ergebnisse der durchgeführten Kontrollen mitteilt. Wird aufgrund der Ergebnisse der Kontrollen ein Verstoß festgestellt oder vermutet, so unterrichtet die Kontrollstelle unverzüglich die zuständige Behörde; *14
e) eine wirksame Koordinierung zwischen der übertragenden zuständigen Behörde und der Kontrollstelle stattfindet. *15
(6) Zusätzlich zu den Voraussetzungen des Absatzes 5 berücksichtigt die zuständige Behörde bei der Zulassung einer Kontrollstelle folgende Kriterien*16:
a) das vorgesehene Standardkontrollverfahren mit einer ausführlichen Beschreibung der Kontrollmaßnahmen und Vorkehrungen, die die Stelle den ihrer Kontrolle unterliegenden Unternehmern gegenüber zur Auflage macht; *17
b) die Maßnahmen, die die Kontrollstelle bei Feststellung von Unregelmäßigkeiten und/oder Verstößen zu ergreifen gedenkt. *18
(7) Die zuständigen Behörden dürfen folgende Aufgaben den Kontrollstellen nicht übertragen*19:
a) Überwachung und Überprüfung anderer Kontrollstellen; *20
b) Gewährung von Ausnahmen nach Artikel 22, es sei denn, dies ist in den von der Kommission nach Artikel 22 Absatz 3 erlassenen spezifischen Bestimmungen vorgesehen. *21
(8) Gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 veranlassen die zuständigen Behörden, die Kontrollstellen Aufgaben übertragen, bei Bedarf Überprüfungen oder Inspektionen der Kontrollstellen. Ergibt eine Überprüfung oder Inspektion, dass diese Stellen die ihnen übertragenen Aufgaben nicht ordnungsgemäß ausführen, so kann die übertragende zuständige Behörde die Übertragung entziehen. Dies geschieht unverzüglich, wenn die Kontrollstelle nicht rechtzeitig angemessene Abhilfemaßnahmen trifft. *22
(9) Zusätzlich zu den Anforderungen nach Absatz 8 muss die zuständige Behörde *23
a) sicherstellen, dass die Kontrollstelle ihre Kontrollen objektiv und unabhängig wahrnimmt; *24
b) die Wirksamkeit der Kontrollen überprüfen; *25
c) etwaige festgestellte Unregelmäßigkeiten oder Verstöße sowie die daraufhin getroffenen Abhilfemaßnahmen zur Kenntnis nehmen; *26
d) der Kontrollstelle die Zulassung entziehen, wenn diese die Voraussetzungen nach den Buchstaben a und b nicht erfüllt oder den Kriterien nach den Absätzen 5 und 6 nicht mehr genügt oder die Anforderungen der Absätze 11, 12 und 14 nicht erfüllt. *27
(10) Die Mitgliedstaaten teilen jeder Kontrollbehörde oder Kontrollstelle, die Kontrollaufgaben nach Absatz 4 durchführt, eine Codenummer zu. *28
(11) Die Kontrollbehörden und Kontrollstellen gewähren den zuständigen Behörden Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen und leisten jede Auskunft und Unterstützung, die den zuständigen Behörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Artikel erforderlich erscheint. *29
(12) Die Kontrollbehörden und Kontrollstellen stellen sicher, dass gegenüber den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmern mindestens die Vorkehrungen und Kontrollmaßnahmen nach Absatz 2 angewandt werden. *30
(13) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das eingerichtete Kontrollsystem im Einklang mit Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 für jedes Erzeugnis die Rückverfolgbarkeit auf allen Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs erlaubt, um insbesondere den Verbrauchern die Gewähr dafür zu bieten, dass die ökologischen/biologischen Erzeugnisse in Übereinstimmung mit den Anforderungen der vorliegenden Verordnung hergestellt worden sind. *31
(14) Die Kontrollbehörden und Kontrollstellen übermitteln den zuständigen Behörden jährlich spätestens bis zum 31. Januar ein Verzeichnis der Unternehmer, die am 31. Dezember des Vorjahres ihrer Kontrolle unterstanden. Bis spätestens zum 31. März jedes Jahres ist ein zusammenfassender Bericht über die im Vorjahr ausgeführten Kontrolltätigkeiten vorzulegen. *32
Die Europäische Norm EN 45011
Einführung
Die Zertifizierung eines Produktes (dieser Begriff schließt ein Verfahren oder eine Dienstleistung ein) ist ein Mittel, welches sicherstellt, dass es festgelegten Normen und anderen normativen Dokumenten entspricht. Einige Produktzertifizierungssysteme können eine Erstprüfung eines Produktes und die Begutachtung des Qualitätsmanagementsystems seines Anbieters einschließen, gefolgt von einer Überwachung, die das Qualitätsmanagementsystem des Werkes und die Prüfung von Proben aus dem Werk und vom freien Markt in Betracht zieht. Andere Systeme stützen sich auf Erst- und Überwachungsprüfungen, während wiederum andere nur die Typprüfung umfassen.
Diese Norm legt die Anforderungen fest, deren Einhaltung sicherstellen soll, dass unabhängige Zertifizierungssysteme durch die Zertifizierungsstellen vergleichbar und verlässlich betrieben werden; dies erleichtert die Akzeptanz auf nationaler und internationaler Ebene und fördert den internationalen Handel.
Die in dieser Norm enthaltenen Anforderungen sollen vor allem als allgemeine Kriterien für Stellen betrachtet werden, die Produktzertifizierungssysteme betreiben; sie werden vielleicht dann erweitert werden müssen, wenn bestimmte Industriebereiche oder andere Bereiche sich ihrer bedienen oder wenn besondere Anforderungen, wie Gesundheit und Sicherheit, in Betracht gezogen werden müssen.
Die Darlegung der Konformität mit festgelegten Normen oder anderen normativen Dokumenten erfolgt in Form von Zertifikaten oder Konformitätszeichen. Systeme für die Zertifizierung besonderer Produkte oder Produktgruppen nach bestimmten Normen oder anderen normativen Dokumenten erfordern in vielen Fällen ihre eigene erklärende Dokumentation.
Obwohl diese Norm für (unparteiische) dritte Stellen, die Produktzertifizierung durchführen, bestimmt ist, können viele ihrer Bestimmungen auch bei verfahren für die Feststellung der Produktkonformität durch den Anbieter oder Abnehmer von Nutzen sein.
Die Verschiedenheit der Zertifizierungssysteme mag zunächst unnötig erscheinen und Neulinge auf diesem Gebiet, Kunden und Zertifizierungsstellen gleichermaßen, sogar verwirren. Die ISO/IEC-Veröffentlichung "Certification and related activities" steht für den Erwerb von Hintergrundwissen zur Verfügung und hilft bei der Beanwortung von Fragen bezüglich der Tätigkeit der Stellen für die Konformitätsbewertung in der ganzen Welt. *33
1 Anwendungsbereich
1.1 Diese Norm legt die allgemeinen Anforderungen fest, die eine (unparteiische) dritte Stelle, die ein Produktzertifizierungssystem betreibt, erfüllen muss, um als kompetent und zuverlässig anerkannt zu werden.
In dieser Norm wird der Begriff "Zertifizierungsstelle" für jede Stelle verwendet, die ein Produktzertifizierungssystem betreibt. Das Wort "Produkt" wird im weitesten Sinne verwendet und schließt Verfahren und Dienstleistungen ein. Das Wort "Norm" schließt andere normative Dokumente, wie Spezifikationen oder technische Vorschriften ein. *34
1.2 Das von der Zertifizierungsstelle angewendete Zertifizierungssystem kann eines oder mehrere der folgenden Elemente umfassen, die - wie im ISO-IEC Guide 53 beschrieben - mit der Überwachung der Produktion oder der Begutachtung und Überwachung des Qualitätsmanagementsystems des Anbieters oder beiden verbunden werden können:
a) Typprüfung oder -untersuchung;
b) Prüfung oder Untersuchung von Proben, die vom Markt oder den Lagerbeständen des Anbieters oder aus beiden Quellen stammen;
c) Prüfung oder Untersuchung jedes Produktes, oder eines bestimmtes Produktes, ob neu oder bereits in Benutzung;
d) Losprüfungen oder -untersuchungen;
e) Bewertung von Entwicklungsunterlagen:
ANMERKUNG 1: ISO/IEC Guide 28 kann als Modell für eine Form eines unabhängigen Produktzertifizierungssystems herangezogen werden.
2 Normative Verweisungen
ISO 8402: 1994
Quality management and quality assurance - Vocabulary
ISO 10011-1:1990
Guidelines for auditing quality systems - Part 1: Auditing
ISO/IEC Guide 2:1996
Standardization and related activities - General vocabulary
ISO/IEC Guide 7:1994
Guidelines for drafting of standards suitable for use for conformity assessment
ISO/IEC Guide 23:1982
Methods of indicating conformity with standards for third-party certification systems.
ISO/IEC Guide 25:1990
General requirements for the competence of calibration and testing laboratories
ISO Guide 27:1983
Guidelines for corrective action to be taken by a certification body in the event of either misapplication of its mark of conformity to a product, or products which bear the mark of the certification body being found to subject persons or property to risk
ISO/IEC Guide 28:1982
General rules of a model third-party certification system for products
ISO/IEC Guide 39:1988
General requirements for the acceptance of inspection bodies
ISO/IEC Guide 53:1988
An approach to the utilization of a supplier's quality system in third-party product certification
ISO/IEC Guide 62:1996
General requirements for bodies operating assessment and certification/registration of quality systems*35
3 Definitionen
Es gelten die zutreffenden Begriffe nach ISO/IEC Guide 2 und ISO 8402. Die folgende Definition gilt im Rahmen dieser Norm.
3.1 Anbieter: Die Seite, die verantwortlich ist sicherzustellen, dass die Produkte den Anforderungen, auf denen die Zertifizierung beruht, entsprechen und, wenn anwendbar, fortlaufend entsprechen. *36
4 Zertifizierungsstelle
4.1 Allgemeine Bestimmungen
4.1.1 Die grundsätzlichen Regelungen und Verfahren, nach denen die Zertifizierungsstelle arbeitet, sowie deren administrative Anwendung dürfen selbst nicht diskriminierend sein und dürfen auch nicht diskriminierend angewendet werden. Soweit in dieser Norm nicht anders festgelegt, dürfen die Verfahren nicht derart angewendet werden, dass die Teilnahme von Antragstellern erschwert oder verhindert wird. *37
4.1.2 Die Zertifizierungsstelle muss ihre Dienstleistungen allen Antragstellern zur Verfügung stellen, deren Tätigkeitsfelder in ihrem erklärten Aufgabenbereich liegen. Unangemessene finanzielle und anderweitige Bedingungen sind unzulässig. Die Inanspruchnahme darf nicht an Bedingungen, wie die Größe des Antragstellers oder die Mitgliedschaft in einer Vereinigung oder Gruppe, geknüpft sein. Die Zertifizierung darf nicht von der Zahl der bereits ausgegebenen Zertifikate abhängig gemacht werden. *38
4.1.3 Die Kriterien, nach denen die Produkte eines Anbieters bewertet werden, müssen denjenigen in festgelegten Normen entsprechen. Anforderungen an zu diesem Zweck geeignete Normen enthält der ISO/IEC Guide 7. Wenn die Anwendung dieser Dokumente im Rahmen eines bestimmten Zertifizierungssystems Erläuterungen bedarf, müssen diese durch zuständige und unparteiische Gremien oder Personen, welche die notwendige Fachkompetenz besitzen, formuliert und von der Zertifizierungsstelle veröffentlicht werden. *39
4.1.4 Die Zertifizierungsstelle muss ihre Anforderungen, ihre Bewertung und ihre Entscheidung über eine Zertifizierung auf solche Inhalte beschränken, die sich ausdrücklich auf den Geltungsbereich der betreffenden Zertifizierung beziehen. *40
4.2 Organisation
Die Struktur der Zertifizierungsstelle muss so beschaffen sein, dass das Vertrauen in ihre Zertifizierungen gefördert wird.
Insbesondere muss die Zertifizierungsstelle:
a) unparteiisch sein;
b) verantwortlich sein für ihre Entscheidungen hinsichtlich Erteilung, Aufrechterhaltung, Erweiterung, Aufhebung und Entzug der Zertifizierung;
c) die Leitung (das Gremium, die Gruppe oder die Person) bestimmen, welche die allgemein Verantwortung hat für:
1) die Durchführung von Prüfungen, Inspektionen, Bewertungen und Zertifizierungen, wie in dieser Norm beschrieben;
2) die Festlegung von grundsätzlichen Regelungen für die Tätigkeit der Zertifizierungsstelle;
3) die Entscheidungen über Zertifizierungen;
4) die Aufsicht über die Umsetzung ihre grundsätzlichen Regelungen;
5) die Aufsicht über die Finanzen der Zertifizierungsstelle;
6) die Delegierung von Befugnissen an Gremien oder Einzelpersonen, um festgelegte Tätigkeiten in ihrem Namen auszuführen;
7) die technische Grundlage für die Erteilung der Zertifizierung;
d) über Dokumente verfügen, die sie als juristische Person ausweist;
e) über eine dokumentierte Struktur verfügen, die ihre Unparteilichkeit schützt, einschließlich der Vorkehrung, die Unparteilichkeit der Tätigkeiten der Zertifizierungsstelle sicherzustellen. Diese Struktur muss die Teilnahme aller maßgeblich beteiligten Seiten an der Erstellung von grundsätzlichen Regelungen und den Grundsätzen hinsichtlich Inhalt und Arbeitsweise des Zertifizierungssystems ermöglichen;
f) sicherstellen, dass jede Entscheidung über die Zertifizierung durch eine Person oder mehrere Personen getroffen wird, die nicht die Bewertung durchgeführt haben;
g) die im Zusammenhang mit der Zertifizierungstätigkeit stehenden Rechte und Pflichten ausüben;
h) entsprechende Festlegungen treffen, um die Haftung für ihre Maßnahmen und Tätigkeiten übernehmen zu können;
i) über die für ein Zertifizierungssystem notwendige finanzielle Stabilität und Ausstattung verfügen;
j) eine ausreichende Anzahl von Personal anstellen, das über die notwendige Ausbildung, Weiterbildung, technischen Kenntnisse sowie praktische Erfahrung verfügt, um seine Aufgabe im Rahmen der Zertifizierung in Bezug auf Art, Bereich und Umfang der ausgeführten Arbeiten unter einer verantwortlichen Leitung durchzuführen;
k) über ein Qualitätsmanagementsystem verfügen, das geeignet ist, Vertrauen in ihre Fähigkeit zu vermitteln, ein Zertifizierungssystem für Produkte zu betreiben;
l) grundsätzliche Regelungen und Verfahren anwenden, welche die Zertifizierung von Produkten eindeutig abgrenzt gegenüber allen anderen Tätigkeiten, an denen die Stelle noch beteiligt ist;
m) zusammen mit seiner verantwortlichen Leitung und dem Personal frei von jeglichem Druck kommerzieller, finanzieller und sonstiger Art sein, der die Ergebnisse des Zertifizierungsprozesses beeinflussen könnte;
n) über formelle Regeln und Strukturen für die Einsetzung und Arbeitsweise aller am Zertifizierungsprozess beteiligten Gremien verfügen. Diese Gremien müssen frei von jeglichem Druck kommerzieller, finanzieller und sonstiger Art sein, der ihre Entscheidungen beeinflussen könnte. Eine Struktur, bei der die Mitglieder so ausgewählt werden, dass ein Gleichgewicht der Interessen herrscht, ohne dass das Interesse einzelner überwiegt, wird als geeignet angesehen, diese Anforderung zu erfüllen;
o) sicherstellen, dass die Tätigkeiten von mit ihr in Beziehung stehenden Stellen die Vertraulichkeit, Objektivität und Unparteilichkeit ihrer Zertifizierungen nicht beeinträchtigt, und sie darf nicht:
1) Produkte der Art, die sie zertifiziert, liefern oder entwickeln;
2) den Antragsteller beraten oder Beratungsdienstleistungen für den Umfang mit Sachverhalten gewähren, die der Erlangung der beantragten Zertifizierung im Wege stehen;
3) Produkte oder Dienstleistungen irgendeiner anderen Art zur Verfügung stellen, welche die Vertraulichkeit oder Objektivität oder Unparteilichkeit ihre Zertifizierungsprozesses und ihrer Zertifizierungsentscheidungen gefährden könnten;
p) grundsätzliche Regelungen und Verfahren haben für die Behandlung von Beschwerden, Einsprüchen und Streitfällen über den Zertifizierungsprozess oder andere damit zusammenhängende Fragen, die durch Anbieter oder andere Stellen vorgebracht werden. *41
4.3 Tätigkeiten
Die Zertifizierungsstelle muss alle notwendigen Schritte unternehmen, um die Konformität mit den geltenden Produktnormen entsprechend den Anforderungen des bestimmten Produktzertifizierungssystems zu bewerten (siehe Abschnitt 3). Die Zertifizierungsstelle muss die geltenden Normen oder deren Teile sowie alle weiteren Anforderungen, wie über Probenahme, Prüfung und Inspektion, welche die Grundlage für das anzuwendende Zertifizierungssystem bilden, festlegen.
Sofern zutreffend, muss die Zertifizierungsstelle für die Lenkung ihrer Zertifizierungstätigkeit die Anforderungen für die Eignung und Kompetenz der Stelle(n) oder Person(en), welche die Prüfung, Inspektion oder Zertifizierung durchführen, nach den ISO/IEC Guides 25, 39 und 62 beachten. *42
4.4 Unteraufträge
Beschließt eine Zertifizierungsstelle, Arbeiten im Zusammenhang mit der Zertifizierung (z.B. Prüfung oder Inspektion) im Unterauftrag an eine externe Stelle oder Person zu vergeben, muss eine ausreichend dokumentierte Vereinbarung über die entsprechenden Festlegungen einschließlich solcher über Vertraulichkeit und Interessenkonflikte getroffen werden. Die Zertifizierungsstelle muss:
a) die gesamte Verantwortung für die Arbeiten tragen, die sie im Unterauftrag weitervergibt, und muss für die Erteilung, Aufrechterhaltung, Erweiterung, Aussetzung und den Entzug der Zertifizierung ihre Verantwortung aufrechterhalten;
b) sicherstellen, dass die mit einem Unterauftrag beauftragte Stelle oder Person kompetent ist, den anzuwendenden Festlegungen dieser und anderen Normen und Leitfäden, die sich mit Prüfung, Inspektion oder anderen technischen Aktivitäten befassen (siehe Abschnitt 2), gerecht wird, und weder direkt noch über ihren Arbeitgeber an der Entwicklung oder Herstellung der Produkte in einer Weise beteiligt ist, die die Unparteilichkeit beeinträchtigen kann;
c) die Zustimmung des Antragstellers einzuholen.
Anmerkung 2: Wenn im Zusammenhang mit der Zertifizierung stehende Arbeit bereits vor der Antragstellung auf Zertifizierung geleistet wurde, kann die Zertifizierungsstelle diese unter der Voraussetzung berücksichtigen, dass sie die Verantwortung entsprechend 4.4 a) übernehmen kann und bezüglich der in 4.4 b) genannten Punkte zufriedengestellt wird.
Anmerkung 3: Die Anforderungen nach 4.4 a) und b) sind darüber hinaus als Erweiterung auch dann zutreffend, wenn eine Zertifizierungsstelle Arbeiten einer anderen Zertifizierungsstelle, mit der sie eine Vereinbarung unterzeichnet hat, für die Erteilung ihrer eigenen Zertifizierung verwendet. *46
4.5 Qualitätsmanagementsystem
4.5.1 Die für die Qualität verantwortliche Leitung der Zertifizierungsstelle muss ihre Qualitätspolitik, Qualitätsziele sowie Qualitätsverpflichtungen festlegen und dokumentieren. Die Leitung muss sicherstellen, dass diese Politik auf allen Stufen der Organisation verstanden, verwirklicht und aufrechterhalten wird. *43
4.5.2 Die Zertifizierungsstelle muss ein Qualitätsmanagementsystem betreiben, das im Einklang mit den entsprechenden Festlegungen dieser Norm und der Art, dem Bereich sowie dem Umfang der durchzuführenden Arbeiten seht. Dieses Qualitätsmanagementsystem muß dokumentiert sein, und diese Dokumentation muß dem Personal der Zertifizierungsstelle zur Verfügung stehen. Die Zertifizierungsstelle muß die wirksame Umsetzung der in den Dokumenten des Qualitätsmanagementsystems festgelegten Verfahren und Anweisungen sicherstellen. Die Zertifizierungsstelle muß eine Person benennen, die direkten Zugang zur höchsten Leistungsebene hat und die, abgesehen von anderen Verantwortlichkeiten, festgelegte Befugnisse hat für;
a) Sicherstellung, daß in Übereinstimmung mit dieser Norm ein Qualitätsmanagementsystem festgelegt, eingeführt und aufrechterhalten wird, und
b) Berichterstattung an die Leitung der Zertifizierungsstelle über die Effektivität des Qualitätsmanagementsystems zum Zwecke der Qualitätsmanagement-Bewertung und als Grundlage für die Verbesserung dieses Systems. *44
4.5.3 Das Qualitätsmanagementsystem muß in einem Qualitätsmanagement-Handbuch und in damit zusammenhängenden Verfahrensanweisungen dokumentiert sein. Das Qualitätsmanagement-Handbuch muß mindestens beinhalten oder darauf verweisen:
a) eine Aussage zur Qualitätspolitik;
b) eine kurze Beschreibung der Rechtsform der Zertifizierungsstelle mit Angabe der Eigentümer und, wenn davon abweichend, die Namen der Personen, die die Zertifizierungsstelle kontrollieren;
c) die Namen, Qualifikation, Erfahrung und Aufgabenbereiche der verantwortlichen Leitung und des sonstigen Zertifizierungspersonals, sowohl intern als auch extern;
d) ein Organigramm, das, ausgehend von der verantwortlichen Leitung, die Zuweisungen von Befugnissen, Verantwortlichkeiten und Funktionen darstellt;
e) eine Beschreibung der Organisation der Zertifizierungsstelle, einschließlich der Einzelheiten über die Leitung (das Gremium, die Gruppe oder die Person) nach 4.2 c), deren Zusammensetzung, Aufgabenbereich und Verfahrensregeln;
f) die grundsätzlichen Regelungen und das Verfahren zur Qualitätsmanagement-Bewertung;
g) die Verfahren zur Erledigung der Verwaltungsarbeiten einschließlich der Lenkung der Dokumente;
h) die operativen und funktionellen Aufgaben und Beiträge hinsichtlich der Qualität, damit alle Beteiligten über Umfang und Ausmaß der Verantwortung jeder einzelnen Person informiert sind;
i) die grundsätzlichen Regelungen und das Verfahren zur Einstellung, Auswahl und Weiterbildung des Personals der Zertifizierungsstelle und deren Leistungskontrolle;
j) ein Verzeichnis der zugelassen Unterauftragnehmer und der Verfahren für die Begutachtung, Aufzeichnung und Überwachung ihrer Kompetenz;
k) die Verfahren zur Behandlung von Abweichungen und zur Sicherstellung der Wirksamkeit aller eingeleiteten Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen;
l) die Verfahren für die Bewertung der Produkte und die Durchführung des Zertifizierungsverfahrens, einschließlich:
1) der Bedingungen für die Ausstellung, Einbehaltung und die Einziehung der Zertifizierungsdokumente;
2) der Kontrolle über den Gebrauch und die Anwendung der bei der Produktzertifizierung eingesetzten Dokumente;
m) die grundsätzlichen Regelungen und das Verfahren für die Behandlung von Beschwerden, Einsprüchen und Streitfällen;
n) das Verfahren für die Durchführung interner Audits nach den Bedingungen von ISO 10011-1. *45
4.6 Bedingungen und Verfahren für Erteilung, Aufrechterhaltung, Erweiterung, Aussetzung und Entzug der Zertifizierung
4.6.1 Die Zertifizierungsstelle muss die Bedingungen für die Erteilung, Aufrechterhaltung und Erweiterung der Zertifizierung festlegen. Ebenso muss sie die Bedingungen für Aussetzung oder Entzug einer Zertifizierung für den gesamten Geltungsbereich der Zertifizierung oder für Teile davon festlegen.
4.6.2 Die Zertifizierungsstelle muss Verfahren haben:
a) für die Erteilung, die Aufrechterhaltung, den Entzug sowie gegebenenfalls die Aussetzung der Zertifizierung;
b) für die Erweiterung oder die Einschränkung des Geltungsbereichs der Zertifizierung;
c) für die erneute Begutachtung, wenn Änderungen das Design oder die Spezifikation des Produktes wesentlich beeinflussen, wenn sich die Normen oder Bestimmungen, denen das Produkt gemäß der Zertifizierung entsprechen soll, ändern, bei Eigentümer- oder Strukturwechsel oder Personalwechsel in der verantwortlichen Leitung des Anbieters, falls zutreffend, oder bei Vorliegen anderer Informationen, die darauf schließen lassen, dass das Produkt den Anforderungen des Zertifizierungssystems nicht mehr genügt. *47
4.7 Interne Audits und Qualitätsmanagement-Bewertung
4.7.1 Die Zertifizierungsstelle muss regelmäßige, geplante und systematische interne Audits über alle Verfahrensabläufe durchführen, um nachzuweisen, dass das Qualitätsmanagementsystem angewendet wird und wirksam ist.
Die Zertifizierungsstelle muss sicherstellen, dass:
a) das für den auditierten Bereich verantwortliche Personal über die Auditergebnisse informiert wird;
b) Korrekturmaßnahmen rechtzeitig und zweckdienlich durchgeführt werden;
c) die Ergebnisse des Audits dokumentiert werden. *48
4.7.2 Die verantwortliche Leitung der Zertifizierungsstelle muss in festgelegten Abständen das Qualitätsmanagementsystem der Zertifizierungsstelle bewerten, um seine künftige Eignung und Angemessenheit im Hinblick auf die Anforderungen dieser Norm sowie die festgelegte Qualitätspolitik und die Qualitätsziele sicherzustellen. Aufzeichnungen über solche Bewertungen müssen aufbewahrt werden. *49
4.8 Dokumentation
4.8.1 Die Zertifizierungsstelle muss (mittels Dokumenten, elektronischen Datenträgern oder in anderer Form) folgende Dokumentation zusammenstellen, in regelmäßigen Abständen aktualisieren und auf Wunsch verfügbar machen:
a) Informationen über die Autorisierung, unter welcher die Zertifizierungsstelle betrieben wird;
b) eine dokumentierte Erläuterung ihres Produktzertifizierungssystems einschließlich der Regeln und Verfahren für die Erteilung, Aufrechterhaltung, Erweiterung, Aussetzung und Entzug der Zertifizierung;
c) Informationen über die Bewertungs- und Zertifizierungsverfahren bezüglich jedes Produktzertifizierungssystems;
d) Angaben darüber, wie die Stelle finanziell getragen wird, sowie allgemeine Angaben über die Kosten, die Antragstellern und Anbietern zertifizierter Produkte in Rechnung gestellt werden;
e) eine Beschreibung der festgelegten Rechte und Pflichten von Antragstellern und Anbietern zertifizierter Produkte einschließlich der Anforderungen, Einschränkungen oder Beschränkungen für die Verwendung von Zeichen der Zertifizierungsstelle sowie für die Art und Weise der Bezugnahme auf die erteilte Zertifizierung;
f) Informationen über die Verfahren zur Behandlung von Einsprüchen, Beschwerden und Streitfällen;
g) ein Verzeichnis zertifizierter Produkte und ihrer Anbieter. *50
4.8.2 Die Zertifizierungsstelle muss Verfahren zur Lenkung aller Dokumente und Daten, die im Zusammenhang mit ihren Zertifizierungsaufgaben stehen, einrichten und aufrechterhalten. Nach der ersten Ausarbeitung sowie nach jeder nachfolgenden Änderung oder Ergänzung muss die Angemessenheit der Dokumente vor deren Herausgabe durch das zuständige und entsprechend autorisierte Personal geprüft und bestätigt werden. Ein Verzeichnis sämtlicher anwendbarer Dokumente mit Angaben über Ausgabedatum und Änderungsstand muss geführt werden. Die Verteilung dieser Dokumente muss so gelenkt werden, dass sichergestellt ist, dass das Personal der Zertifizierungsstelle und der Anbieter über die entsprechenden Dokumente verfügen, wenn dies für die Erledigung einer Aufgabe in bezug auf die Tätigkeiten der Zertifizierungsstelle erforderlich ist. *51
4.9 Aufzeichnungen
4.9.1 Die Zertifizierungsstelle muss ein Aufzeichnungssystem führen, das ihren speziellen Erfordernissen sowie den geltenden Bestimmungen entspricht. Aus den Aufzeichnungen muss hervorgehen, dass die Zertifizierungsverfahren wirksam angewendet wurden, insbesondere hinsichtlich der Zertifizierungsanträge, Bewertungsberichte, Überwachungstätigkeiten sowie anderer Dokumente über Erteilung, Aufrechterhaltung, Erweiterung, Aussetzung bzw. Entzug der Zertifizierung. Die Aufzeichnungen müssen so identifiziert, gehandhabt und beseitigt werden, dass die Vertraulichkeit der darin beschriebenen Verfahren und der Datenschutz sichergestellt werden. Die Aufzeichnungen müssen für eine ausreichende Zeit aufbewahrt werden, um eine fortdauernde Vertrauenswürdigkeit über mindestens einen vollständigen Zertifizierungszyklus oder entsprechend den gesetzlichen Vorschriften nachzuweisen. *52
4.9.2 Die Zertifizierungsstelle muss grundsätzliche Regelungen und Verfahren haben, damit die Aufzeichnungen über eine den vertraglichen Verpflichtungen, den gesetzlichen oder andern Verpflichtungen entsprechende Zeit aufbewahrt werden. Die Zertifizierungsstelle muss grundsätzliche Regelungen und Verfahren haben, die den Zugang zu diesen Aufzeichnungen in Übereinstimmung mit Abschnitt 4.10.1 dieser Norm festlegen.
Anmerkung 4: Der Frage, wie lange die Aufzeichnungen aufbewahrt werden sollen, ist unter Beachtung gesetzlicher Bestimmungen und Anerkennungsvereinbarungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. *53
4.10 Vertraulichkeit
4.10.1 Die Zertifizierungsstelle muss entsprechend den anzuwendenden Gesetzen angemessene Festlegungen getroffen haben, um die Vertraulichkeit der im Rahmen ihrer Zertifizierungstätigkeiten gewonnenen Informationen auf allen Organisationsebenen einschließlich ihrer Gremien sowie der externen Stellen oder Personen, die in ihrem Namen tätig werden, sicherzustellen. *54
4.10.2 Soweit in dieser Norm oder durch gesetzliche Bestimmungen nicht anders festgelegt, dürfen aus der Zertifizierungstätigkeit gewonnene Informationen über einzelne Produkte oder einzelne Anbieter nicht an Dritte ohne schriftliches Einverständnis dieses Anbieters weitergeleitet werden. In Fällen, in denen Gesetze die Weitergabe von Informationen an Dritte verlangen, muss der Anbieter im Rahmen der Gesetze über die weitergeleitete Information in Kenntnis gesetzt werden. *55
5 Personal der Zertifizierungsstelle
5.1 Allgemeines
5.1.1 Das Personal der Zertifizierungsstelle muss für seine jeweiligen Aufgaben, einschließlich der erforderlichen technischen Beurteilung und der damit verbundenen grundsätzlichen Regelungen und ihrer Umsetzung, kompetent sein.
5.1.2 Das Personal muss über eindeutig dokumentierte Anweisungen verfügen, die seine Pflichten und Verantwortlichkeiten festlegen. Diese Anweisungen müssen auf dem neuesten Stand gehalten werden. *56
5.2 Qualifikationskriterien
5.2.1 Damit sichergestellt ist, dass die Bewertungen und Zertifizierungen wirksam und einheitlich durchgeführt werden, muss die Zertifizierungsstelle Mindestanforderungen für die Kompetenz des Personals festlegen.
5.2.2 Die Zertifizierungsstelle muss von ihrem am Zertifizierungsprozess beteiligten Personal verlangen, dass es einen Vertrag oder ein anderes Dokument unterzeichnet, durch den sich das Personal zu folgendem verpflichtet:
a) Einhaltung der durch die Zertifizierungsstelle festgelegten Regelungen, einschließlich der Regeln über Vertraulichkeit und Unabhängigkeit gegenüber kommerziellen und anderweitigen Interessen; und
b) Angabe jeder früheren und/oder gegenwärtigen Verbindung, persönlich oder über seinen Arbeitgeber, mit einem Anbieter oder Konstrukteur von Produkten, mit deren Bewertung oder Zertifizierung sie beauftragt werden sollen.
Die Zertifizierungsstelle muss sicherstellen, dass und dokumentieren wie das unter Vertrag genommene Personal und, falls zutreffend, dessen Arbeitgeber alle Anforderungen, die in dieser Norm für Personal festgelegt sind, erfüllen.
5.2.3 Informationen über einschlägige Qualifikationen, Weiterbildungen und Erfahrungen jedes am Zertifizierungsprozess beteiligten Personals müssen durch die Zertifizierungsstelle aktuell gehalten werden. Die Aufzeichnungen über Weiterbildungen und Berufserfahrungen müssen auf dem neuesten Stand gehalten werden und folgendes enthalten:
a) Name und Anschrift;
b) Zugehörigkeit zu Organisationen und darin wahrgenommene Positionen;
c) Ausbildung und Berufsbezeichnung;
d) Berufserfahrung und Weiterbildung für die Tätigkeitsbereiche der Zertifizierungsstelle;
e) das Datum der letzten Aktualisierung dieser Aufzeichnungen;
f) eine Leistungsbeurteilung. *57
6 Änderungen der Anforderungen für die Zertifizierung
Die Zertifizierungsstelle muss in angemessener Weise beabsichtigte Änderungen der Zertifizierungsanforderungen bekannt geben. Sie muss die dazu vorgebrachten Standpunkte der betroffenen Kreise berücksichtigten, bevor sie über genaue Form und Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungen entscheidet. Nach der Entscheidung und Veröffentlichung der geänderten Anforderungen muss sie sich davon überzeugen, dass jeder Anbieter alle notwendig gewordenen Anpassungen innerhalb der Frist vornimmt, die nach Auffassung der Zertifizierungsstelle angemessen ist. *58
7 Einsprüche, Beschwerden und Streitfälle
7.1 Die Behandlung von Einsprüchen, Beschwerden und Streitfällen, die von Anbietern oder anderen gegenüber der Zertifizierungsstelle vorgebracht werden, muss durch Verfahren der Zertifizierungsstelle geregelt sein.
7.2 Jede Zertifizierungsstelle muss:
a) Aufzeichnungen über Einsprüche, Beschwerden, Streitfälle und über die mit Bezug auf die Zertifizierung eingeleiteten Abhilfemaßnahmen führen;
b) geeignete Folgemaßnahmen ergreifen;
c) die eingeleiteten Maßnahmen und deren Wirksamkeit dokumentieren. *59
8 Antrag auf Zertifizierung
8.1 Information über das Verfahren
8.1.1 Die Zertifizierungsstelle hat den Antragstellern eine aktualisierte und detaillierte Beschreibung der Bewertung- und Zertifizierungsverfahren für jedes Zertifizierungsprogramm sowie die Dokumente zur Verfügung zu stellen, die die Zertifizierungsanforderungen, die Rechte der Antragsteller und die Pflichten der Anbieter zertifizierter Produkte (einschließlich der von den Antragstellern und Anbietern zertifizierter Produkte zu zahlenden Gebühren) enthalten.
8.1.2 Die Zertifizierungsstelle muss vom Anbieter verlangen, dass er:
a) die relevanten Anforderungen des Zertifizierungsprogramms immer erfüllt,
b) sämtliche erforderlichen Vorkehrungen für die Durchführung der Bewertung trifft, einschließlich der Prüfung der Dokumentation, dem Zugang zu allen Bereichen, Aufzeichnungen (einschließlich der Berichte über interne Audits) und zum Personal zum Zwecke der Bewertung (d.h. Prüfung, Inspektion, Auditierung, Überwachung, Wiederholungsaudit) und der Behandlung von Beschwerden;
c) Erklärungen über die Zertifizierung nur hinsichtlich jenes Geltungsbereichs abgibt, für den die Zertifizierung erteilt wurde;
d) seine Produktzertifizierung nicht in einer Form anwendet, die die Zertifizierungsstelle in Verruf bringt und keine Erklärungen über seine Produktzertifizierung abgibt, welche die Zertifizierungsstelle als irreführend und nicht autorisiert ansehen kann;
e) nach Aussetzung oder Entzug der Zertifizierung jegliche Werbung einstellt, die sich auf die Zertifizierung in irgendeiner Weise bezieht, und sämtliche von der Zertifizierungsstelle geforderten Zertifizierungsdokumente zurückgibt;
f) die Zertifizierung ausschließlich dazu verwendet, um aufzuzeigen, dass Produkte hinsichtlich ihrer Konformität mit festgelegten Normen zertifiziert sind;
g) sich bemüht sicherzustellen, dass kein Zertifikat oder Bericht oder irgendein Teil davon in irreführender Weise verwendet wird;
h) die Anforderungen der Zertifizierungsstelle erfüllt, wenn er auf seine Produktzertifizierung in Kommunikationsmedien, wie Dokumente, Prospekte oder Werbematerial, Bezug nimmt.
8.1.3 Wenn sich der gewünschte Geltungsbereich der Zertifizierung auf ein bestimmtes System oder eine bestimmte Systemart der Zertifizierungsstelle bezieht, müssen dem Antragsteller alle erforderlichen Erläuterungen zur Verfügung gestellt werden.
8.1.4 Dem Antragsteller müssen auf Anfrage zusätzliche Informationen über den Antrag zur Verfügung gestellte werden. *60
8.2 Antrag
8.2.1 Die Zertifizierungsstelle muss einen förmlichen Antrag fordern, der von einem bevollmächtigten Vertreter des Antragstellers unterzeichnet ist, in dem selbst oder ihm beigefügt:
a) der Geltungsbereich der gewünschten Zertifizierung festgelegt wird;
b) der Antragsteller sein Einverständnis erklärt, die Zertifizierungsanforderungen zu erfüllen und jegliche für die Bewertung der zu zertifizierenden Produkten erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen.
8.2.2 Der Antragsteller muss mindestens folgende Informationen zur Verfügung stellen:
a) Unternehmensform, Name, Anschrift und Rechtsform;
b) eine Beschreibung der zu zertifizierenden Produkte, das Zertifizierungssystem und die Normen, nach denen jedes Produkt zu zertifizieren ist, soweit dem Antragsteller bekannt. *61
9 Vorbereitung der Bewertung
9.1 Vor der Bewertung muss die Zertifizierungsstelle den Zertifizierungsantrag einer Prüfung unterziehen und deren Ergebnisse dokumentieren, um sicherzustellen, dass
a) die Zertifizierungsanforderungen eindeutig festgelegt, dokumentiert und verstanden wurden;
b) jegliche Unterschiede in den Auffassungen zwischen Zertifizierungsstelle und Antragsteller ausgeräumt sind;
c) die Zertifizierungsstelle in der Lage ist, die Zertifizierungsleistung im Hinblick auf den Geltungsbereich der beantragten Zertifizierung und, falls zutreffend, auf den Sitz des Antragstellers und auf alle weiteren besonderen Anforderungen, wie die vom Antragsteller verwendete Sprache, zu erbringen.
9.2 Die Zertifizierungsstelle muss einen Plan für die Bewertung erstellen, damit die erforderlichen Vorbereitungen getroffen werden können.
9.3 Die Zertifizierungsstelle muss Personal einsetzen, das für die Erfüllung der Aufgaben der spezifischen Bewertung hinreichend qualifiziert ist. Es darf kein Personal eingesetzt werden, das selbst oder über einen Arbeitgeber an der Entstehung, Lieferung, Montage oder Wartung solcher Produkte in einer Form und innerhalb eines Zeitraums in einer Weise beteiligt war, welche seine Unparteilichkeit beeinträchtigen könnte.
9.4 Zur Sicherstellung einer umfassenden und korrekten Bewertung muss das beteiligte Personal mit den entsprechenden Arbeitsdokumenten ausgestattet werden. *62
10 Bewertung
Die Zertifizierungsstelle muss die Produkte des Antragstellers nach den Normen des in seinem Antrag festgelegten Geltungsbereichs entsprechend allen Zertifizierungskriterien bewerten, wie sie in den Regeln des Zertifizierungsprogrammes festgelegt sind. *63
11 Bewertungsbericht
Die Zertifizierungsstelle muss Verfahren für die Berichterstattung haben, die ihren Erfordernissen angepasst sind, jedoch müssen diese mindestens sicherstellen, dass:
a) das mit der Bewertung der Konformität der Produkte beauftragte Personal der Zertifizierungsstelle einen Ergebnisbericht über die Konformität mit allen Zertifizierungsanforderungen vorlegt;
b) die Zertifizierungsstelle dem Antragsteller unverzüglich einen vollständigen Bericht über das Ergebnis der Bewertung zur Kenntnisnahme vorlegt, aus dem alle zu beseitigenden Abweichungen ersichtlich sind, damit das Produkt alle Zertifizierungsanforderungen erfüllen kann und das Ausmaß weiterer erforderlicher Bewertungen und Prüfungen zu entnehmen ist. Kann der Antragsteller nachweisen, dass innerhalb eines festgelegten Zeitraums Korrekturmaßnahmen zur Erfüllung aller Anforderungen ergriffen worden sind, muss die Zertifizierungsstelle nur die notwendigen Teile des ersten Bewertungsverfahrens wiederholen. *64
12 Entscheidung über die Zertifizierung
12.1 Die Zertifizierungsstelle muss ihre Entscheidung über Zertifizierung oder Nichtzertifizierung eines Produktes auf der Grundlage der während des Bewertungsverfahrens gewonnenen Informationen sowie anhand jeglicher anderer zweckdienlicher Information treffen.
12.2 Die Zertifizierungsstelle darf ihre Befugnisse hinsichtlich Erteilung, Aufrechterhaltung, Erweiterung, Aussetzung oder Entzug der Zertifizierung nicht einer externen Person oder Stelle übertragen.
12.3 Die Zertifizierungsstelle muss jedem Anbieter zertifizierter Produkte seine Zertifizierungsdokumente übergeben, sei es in Form eines Briefes oder eines Zertifikates, die durch einen damit beauftragten Verantwortlichen unterzeichnet sind. Diese formellen Zertifizierungsdokumente müssen folgende Angaben zur Identifizierung enthalten:
a) Name und Anschrift des Anbieters, dessen Produkte zertifiziert werden;
b) Geltungsbereich der erteilten Zertifizierung, einschließlich, soweit zutreffend:
1) der zertifizierten Produkte, die durch Produkttyp oder Produktpalette identifiziert werden können;
2) der Produktnormen oder anderer normativer Dokumente, nach denen jedes Produkt oder jede Produktart zertifiziert ist;
3) des zutreffenden Zertifizierungssystems;
c) Datum des Inkrafttretens und, soweit zutreffend, die Geltungsdauer der Zertifizierung.
12.4 Als Antwort auf einen Antrag auf Änderung des Geltungsbereiches einer schon erteilten Zertifizierung muss die Zertifizierungsstelle entscheiden, welches Bewertungsverfahren , falls vorhanden, geeignet ist, um zu ermitteln, ob die Änderung durchzuführen ist oder nicht, und muss entsprechend dieser Entscheidung verfahren. *65
13 Überwachung
13.1 Die Zertifizierungsstelle muss über dokumentierte Verfahren für die Überwachung nach den für das entsprechende Zertifizierungssystem zutreffenden Kriterien verfügen.
13.2 Die Zertifizierungsstelle muss vom Anbieter verlangen, dass dieser sie über alle in Punkt 4.6.2 c) genannten Veränderungen informiert, z.B. über die beabsichtigte Modifizierung des Produktes, des Herstellungsprozesses oder, falls zutreffend, seines Qualitätsmanagementsystems, was zur Beeinflussung der Produktkonformität führt. Die Zertifizierungsstelle muss festlegen, ob die angekündigten Veränderungen weitere Untersuchungen erfordern. Wenn das der Fall ist, darf der Anbieter keine zertifizierten Produkte, die nach solchen Veränderungen entstanden sind, freigeben, bis die Zertifizierungsstelle ihn entsprechend benachrichtigt.
13.3 Die Zertifizierungsstelle muss ihre Überwachungstätigkeiten dokumentieren.
13.4 Wenn die Zertifizierungsstelle die weitere Verwendung ihres Zeichens auf begutachteten Produkttypen genehmigt, muss sie die gekennzeichneten Produkte in regelmäßigen Zeitabständen begutachten, um zu bestätigen, dass diese nach wie vor den Normen entsprechen. *66
14 Verwendung von Genehmigungen, Zertifikaten und Konformitätszeichen
14.1 Die Zertifizierungsstelle muss in angemessener Weise die Eigentümerschaft, die Verwendung und Präsentation von Genehmigungen, Zertifikaten und Konformitätszeichen regeln und überwachen.
14.2 Der ISO/IEC Guide 23 kann als Anleitung für die von der Zertifizierungsstelle genehmigte Verwendung von Zertifikaten und Zeichen genutzt werden.
14.3 Nicht korrekte Bezugnahme auf das Zertifizierungssystem oder irreführende Verwendung von Genehmigungen, Zertifikaten oder Zeichen in Veröffentlichungen, Katalogen usw. müssen durch geeignete Maßnahmen behandelt werden.
ANMERKUNG 5: Auf solche Maßnahmen wird im ISO Guide 27 Bezug genommen. Sie könne Korrekturmaßnahmen, den Entzug der Zertifizierung, Veröffentlichung des Verstoßes und, wenn angebracht, andere rechtliche Maßnahmen sein. *67
15 Beschwerden an Anbieter
Die Zertifizierungsstelle muss vom Anbieter zertifizierter Produkte verlangen, dass er:
a) Aufzeichnungen über alle an ihn gerichteten Beanstandungen bezüglich der Konformität eines Produktes mit den Anforderungen der betreffenden Norm führt und diese Aufzeichnungen der Zertifizierungsstelle auf deren Verlangen hin zugänglich macht;
b) bezüglich solcher Beanstandungen und aller an Produkten oder Dienstleistungen festgestellten Mängel, die die Erfüllung der Zertifizierungsanforderungen beeinträchtigen, angemessene Maßnahmen einleitet;
c) die durchgeführten Maßnahmen dokumentiert. *68
Kommentierung des Artikel 27
*1 Die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 setzt für die amtlichen Lebensmittelkontrollen einen gemeinschaftsrechtlichen Rahmen. Die hier vorgesehenen Kontrollen, insbesondere die Zertifizierungstätigkeit der privaten Kontrollstellen unter Akkreditierung der EN 45011 und dem ISO Guide 65 sind nach der Wertung des Gemeinschaftsgesetzgebers aber keine amtlichen Kontrollen. Dementsprechend wird hier auch nur die Durchführung "im Einklang" und nicht unter Beachtung der Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 für die Kontrollen nach Artikel 37 dieser Verordnung angeordnet.
Das Verhältnis der Verordnungen (EG) Nr. 882/2004 und Nr. 834/2007 muss im Licht des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom November 2007 im Verfahren der Kommission gegen Deutschland beurteilt werden.
Der Europäische Gerichtshof verurteilte die Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung des EG-Vertrags. Die EU-Kommission hatte gegen Deutschland Vertragsverletzungsklage erhoben, weil Deutschland die Tätigkeit der Ökokontrollstellen behindere, welche in anderen EU-Mitgliedstaaten zugelassen seien. Die EU-Kommission klagte wegen einer Verletzung der Freizügigkeitsgarantien im Binnenmarkt für Dienstleister. Deutschland verteidigte sich damit, dass die Ökokontrollstellen öffentliche Gewalt ausübten. Dieser Auffassung war auch das Bundesverwaltungsgericht in einem Streit einer Ökokontrollstelle mit dem Freistaat Bayern darüber gewesen, ob ihre Tätigkeit ohne deutsches Parlamentsgesetz als Wahrnehmung von Staatsaufgaben qualifiziert werden könne.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Beschluss vom 13.06.2006 die Klage einer Ökokontrollstelle mit dem Argument abgewiesen, es bedürfe nicht der Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, die Ökokontrolle zur Staatsaufgabe zu erklären, so dass Ökokontrollstellen hoheitlich beliehen werden können, denn dies habe schon der EG-Gesetzgeber getan. Der EuGH hat nun anders entschieden.
„42. Die Verordnung Nr. 2092/91 regelt bestimmte Mindestvoraussetzungen für Waren, die einen gemeinschaftlichen Vermerk oder ein gemeinschaftliches Emblem aufweisen, das die Herkunft aus ökologischem Landbau bestätigt. Sie verlangt, dass die Mitgliedstaaten ein System zur Überwachung der Erzeugung und Etikettierung solcher Waren einrichten. Nach Wahl des Mitgliedstaats kann dieses System einer oder mehreren staatlichen Kontrollbehörden und/oder privaten, von einer staatlichen Behörde zugelassenen und überwachten Kontrollstellen übertragen werden. Das Kontrollsystem muss selbst die Durchführung bestimmter Mindestmaßnahmen sicherstellen. 43. Wenn sich Mitgliedstaaten dafür entschieden haben, die Kontrolle ausschließlich einer oder mehreren staatlichen Behörden zu übertragen, stellen sich keine Fragen zur grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen. Gemäß der getroffenen Entscheidung haben private Stellen dann nicht die Befugnis, Kontrollen in diesen Mitgliedstaaten durchzuführen, unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit und vom Ort ihrer Niederlassung oder ihrer Niederlassungen. Die eigenen Behörden eines Staates sind ihrer Natur nach nicht befugt, Kontrollen außerhalb ihres Hoheitsgebiets durchzuführen. 44. Für den Fall, dass private Kontrollstellen, die in einem Mitgliedstaat zugelassen sind, ihre Dienste in einem anderen Mitgliedstaat anbieten wollen, der sich dafür entschieden hat, solchen Stellen die Verantwortung für Kontrollen zu übertragen, enthält die Verordnung keine Regeln und sieht keine Leitlinien vor. Grundsätzlich müssen solche Stellen dennoch berechtigt sein, ihre Dienste gemäß Art. 49 EG und vorbehaltlich der Beschränkungen dieser Berechtigung, die nach dem Vertrag oder der Rechtsprechung des Gerichtshofs gestattet sind, anzubieten".
Zur Frage der Ausübung öffentlicher Gewalt durch private Kontrollstellen, führte die Generalanwältin aus: „51. Gemäß Art. 45 EG (in Verbindung mit Art. 55 EG) findet Art. 49 EG auf Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, keine Anwendung. 52. Als Ausnahme von einer Grundfreiheit des Vertrags ist Art. 45 so auszulegen, dass sich seine Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, die diese Bestimmung den Mitgliedstaaten zu schützen erlaubt, unbedingt erforderlich ist (19). Demnach umfasst er nur Tätigkeiten, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen (20). Das schließt rein helfende und vorbereitende Aufgaben für die Stelle aus, die durch den Erlass der abschließenden Entscheidung öffentliche Gewalt ausübt (21). Zur Feststellung, ob eine Tätigkeit eine Ausübung öffentlicher Gewalt nach Art. 45 EG darstellt, prüft der Gerichtshof, ob Entscheidungen einer Person oder eines Unternehmens, die diese Tätigkeit ausüben, verbindlich sind (22). 53. In den vorliegenden Fällen unterliegen zugelassene private Kontrollstellen der Überwachung und Kontrolle durch die zuständige Behörde ihres Niederlassungsstaats. Die privaten Stellen führen selbst die notwendigen Kontrollen nach der Verordnung durch. Sie können Sanktionen, einschließlich der in Art. 9 Abs. 9 und Art. 10 Abs. 3 genannten, im Fall von Verstößen der Betriebe verhängen. Wie Deutschland hervorhebt, können sie auch bestimmte Ausnahmengenehmigungen erteilen. 54. Folglich betreiben die Kontrollstellen nach dem durch die Verordnung eingeführten System im Wesentlichen Produktzertifizierungssysteme unter der Überwachung der zuständigen Behörde (23). ... <19 – Urteil vom 15. März 1988, Kommission/Griechenland (147/86, Slg. 1988, 1637, Randnr. 7); Urteil vom 29. Oktober 1998, Kommission/Spanien (C-114/97, Slg. 1998, I-6717, Randnr. 34); Urteil vom 30. März 2006, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti (C-451/03, Slg. 2006, I-2941, Randnr. 45). 20 – Urteile vom 21. Juni 1974, Reyners (2/74, Slg. 1974, 631, Randnr. 45), und Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung. 21 – Urteil vom 13. Juli 1993, Thijssen (C-42/92, Slg. 1993, I-4047, Randnr. 22). 22 – Vgl. Urteile Reyners, Randnrn. 52 bis 53, Thijssen, Randnr. 21, und vom 10. Dezember 1991, Kommission/Griechenland (C-306/89, Slg. 1991, I-5863, Randnr. 7). 23 – Tatsächlich müssen sie nach Art. 9 Abs. 11 der Verordnung der Norm EN 45011 entsprechen, die Anforderungen an Stellen, die Produktzertifizierungssysteme betreiben, aufstellt.".
Die Generalanwältin hielt fest: „56. In der Verordnung wird nicht darauf hingewiesen oder angedeutet, dass die von einer privaten Kontrollstelle ausgeführten Aufgaben die Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des Gerichtshofs mit sich bringen". Und: „58. Offensichtlich unterscheidet sich die Praxis in Deutschland nach den Ländern. Manche Länder haben sich dazu entschieden, die Aufgaben privaten Kontrollstellen zu übertragen oder sie daran zu beteiligen. In anderen Ländern agieren private Kontrollstellen ausschließlich im Bereich des Privatrechts. In allen Fällen sind die Kontrollstellen jedoch der jeweils zuständigen Behörde untergeordnet. 59. Hinsichtlich der Befugnis der Kontrollstellen, Sanktionen zu verhängen, gibt es zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede. Manche können, entweder allein oder im Zusammenwirken mit der zuständigen Behörde, einige oder alle Maßnahmen nach Art. 9 Abs. 9 und Art. 10 Abs. 3 der Verordnung verhängen. In anderen Fällen werden diese Maßnahmen von den Landesbehörden erlassen. Wenn Befugnisse übertragen worden sind, handelt es sich um verwaltungsrechtliche Zuständigkeiten. Die Maßnahmen können aber auch in einem Vertrag zwischen den Kontrollstellen und den Erzeugern geregelt werden und so in den Bereich des Privatrechts fallen. Die Befugnis, Sanktionen zu vollstrecken (sowie bestimmte Verstöße zu ahnden), ist mit wenigen Ausnahmen den zuständigen Behörden vorbehalten. ... 63. Die Verordnung hindert Mitgliedstaaten nicht daran, verwaltungsrechtliche Befugnisse an Kontrollstellen zu übertragen; und Österreich und Deutschland steht es daher natürlich frei, dies zu tun. Sie dürfen die Grundfreiheiten dabei jedoch nicht beschränken".
Das Bundesverwaltungsgericht hatte demgegenüber die Auffassung vertreten, der Gemeinschaftsgesetzgeber habe die Tätigkeit der privaten Ökokontrollstellen als Staatsaufgabe qualifiziert: „Es liegt auf der Hand und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass Art. 8 und 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 die Kontrolle der Öko-Landbau-Unternehmen zu einer öffentlichen Aufgabe erklären, also zu einer Aufgabe, die aus Gründen des Gemeinwohls vom Staat bzw. hier von der Europäischen Gemeinschaft definiert und soweit erforderlich organisiert wird. Das ist gerade der Inhalt dieser Bestimmungen. Sie verpflichten diejenigen Unternehmen, die ihre Produkte und Waren als Erzeugnisse aus ökologischem Landbau kennzeichnen wollen, dies bei der zuständigen Behörde zu melden und ihre Tätigkeit einem Kontrollverfahren zu unterstellen (Art. 8 Abs. 1), und sie treffen Regelungen über den Inhalt dieses Kontrollverfahrens (Art. 9 Abs. 3 i.V.m. Anhang III) und seine Organisation (Art. 9 im Übrigen). Auch das Öko-Landbaugesetz geht selbstverständlich davon aus, dass es sich bei der Kontrolle der Öko-Landbau-Unternehmen um eine öffentliche Aufgabe handelt. Damit wurde die für die Ausübung der Grundrechte eines privaten Kontrollunternehmens wesentliche Entscheidung über die Errichtung eines öffentlichen Kontrollsystems durch den Gesetzgeber getroffen".
Der Europäische Gerichtshof folgte der Auffassung des deutschen Bundesverwaltungsgerichts nicht, sondern entschied: „39. Aus der Verordnung Nr. 2092/91 ergibt sich, dass die Tätigkeit privater Kontrollstellen und die Einzelheiten ihrer Ausübung wie folgt beschrieben werden können. 40. Erstens setzen die privaten Kontrollstellen nach Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2092/91 die in deren Anhang III aufgeführten Kontrollanforderungen und Vorkehrungen um. 41. Zweitens ziehen diese Stellen nach Art. 9 Abs. 9 Buchst. a und b der Verordnung die Konsequenzen aus den von ihnen durchgeführten Kontrollen, indem sie gegebenenfalls die Verwendung von Hinweisen auf den ökologischen Landbau für die von den kontrollierten Unternehmen vermarkteten Erzeugnisse erlauben bzw. im Fall eines offenkundigen Verstoßes oder eines Verstoßes mit Langzeitwirkung die Vermarktung der Erzeugnisse des betreffenden Unternehmens mit Hinweisen auf den ökologischen Landbau für die Dauer einer im Voraus mit der zuständigen Behörde festgelegten Frist untersagen. 42. Drittens müssen die privaten Kontrollstellen nach Art. 9 Abs. 6 Buchst. c und Abs. 8 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 2092/91 der mit ihrer Zulassung und Überwachung beauftragten Behörde über ihre Tätigkeit berichten, indem sie sie über festgestellte Unregelmäßigkeiten und Verstöße sowie über verhängte Sanktionen informieren, ihr jede erforderliche Auskunft erteilen und ihr alljährlich ein Verzeichnis der Unternehmen, die ihrer Kontrolle unterstanden haben, und einen Tätigkeitsbericht übermitteln. Außerdem sieht Art. 9 Abs. 8 Buchst. a vor, dass die privaten Kontrollstellen der zuständigen Behörde zu Inspektionszwecken Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen gewähren und in dem Maß auskunfts- und unterstützungspflichtig sind, wie dies der zuständigen Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben geboten erscheint. 43. Daraus ergibt sich zwar, dass die Tätigkeit der privaten Kontrollstellen nicht darauf beschränkt ist, einfache Kontrollen der Konformität von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus zu organisieren, sondern auch die Ausübung von Befugnissen in Bezug auf die aus diesen Kontrollen zu ziehenden Konsequenzen umfasst, doch ist hervorzuheben, dass die Verordnung Nr. 2092/91 die Kontrolle dieser Stellen durch die zuständige Behörde vorsieht. So unterstellt Art. 9 Abs. 4 der Verordnung die privaten Kontrollstellen der Überwachung durch die zuständige Behörde. Art. 9 Abs. 6 regelt u. a. die Einzelheiten dieser Überwachung und sieht insbesondere vor, dass die Behörde neben ihrer Zuständigkeit für die Erteilung und den Entzug der Zulassung die Objektivität gewährleistet und die Wirksamkeit der von den privaten Kontrollstellen durchgeführten Kontrollen überprüft. Darüber hinaus verpflichtet Art. 9 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung die Stellen, der zuständigen Behörde zu Inspektionszwecken Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen zu gewähren. 44. Es zeigt sich also, dass die privaten Kontrollstellen ihre Tätigkeit unter aktiver Überwachung durch die zuständige Behörde ausüben, die letztlich die Verantwortung für die Kontrollen und Entscheidungen dieser Stellen trägt, wie die in der vorstehenden Randnummer genannten Pflichten dieser Behörde belegen. Diese Schlussfolgerung wird im Übrigen durch § 3 Abs. 1 ÖLG bekräftigt, wonach die Wahrnehmung von Kontrollaufgaben im Sinne der Verordnung Nr. 2092/91 durch private Kontrollstellen nicht mit der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens verbunden sein kann. Daraus ergibt sich, dass die helfende und vorbereitende Rolle, die den privaten Kontrollstellen durch die Verordnung gegenüber der Überwachungsbehörde übertragen wurde, nicht als unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG angesehen werden kann".
Weiter: „45. Die Bundesrepublik Deutschland trägt jedoch vor, dass den privaten Kontrollstellen in Deutschland von der Verordnung abweichende Befugnisse übertragen worden seien. So seien sie befugt, Verwaltungsakte zu erlassen, deren verbindlicher Charakter demjenigen der von Verwaltungsbehörden getroffenen Entscheidungen entspreche. 46. Wie bereits in Randnr. 37 des vorliegenden Urteils festgestellt, ist in dieser Hinsicht zum einen zu betonen, dass die in Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahme so auszulegen ist, dass sich ihre Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, deren Schutz diese Bestimmung den Mitgliedstaaten erlaubt, unbedingt erforderlich ist. 47. Zum anderen steht zwar die Verordnung Nr. 2092/91 dem nicht entgegen, dass die Mitgliedstaaten die privaten Kontrollstellen zur Erfüllung ihrer Kontrolltätigkeit mit hoheitlichen Befugnissen ausstatten oder sie mit anderen Tätigkeiten betrauen, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen, doch ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Ausweitung der in den Art. 45 EG und 55 EG gestatteten Ausnahme auf einen Beruf als Ganzen nicht zu billigen, wenn die Tätigkeiten, die gegebenenfalls mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, einen abtrennbaren Teil der betreffenden Berufstätigkeit insgesamt darstellen (vgl. zu Art. 45 EG Urteil Reyners, Randnr. 47). 48. Wie in Randnr. 44 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, stellt die Tätigkeit der privaten Kontrollstellen, wie sie in der Verordnung Nr. 2092/91 festgelegt ist, als solche keine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt dar, so dass jede andere, zusätzliche Tätigkeit, die eine solche Teilnahme bildet, davon zwangsläufig abtrennbar ist".
Nach der Entscheidung des EuGH ist klar, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Tätigkeit der Ökokontrollstellen 1991 nicht als Staatsaufgabe qualifiziert hat. Das Bundesverwaltungsgericht hatte seine Entscheidung aber gerade auf die gegenteilige Annahme gestützt, dass nämlich der Gemeinschaftsgesetzgeber die Tätigkeit der Ökokontrollstellen als öffentliche Aufgabe qualifiziert habe. Da nun feststeht, dass dies nicht der Fall ist, entstehen in dem Gedankengebäude, auf dem das deutsche Ökolandbaugesetz beruht, Lücken. Das deutsche Ökolandbaugesetz delegiert die Befugnis, Ökokontrollstellen hoheitlich zu beleihen, an die Exekutive der Bundesländer.
Eine hoheitliche Beleihung, also die Übertragung einer Staatsaufgabe an einen Privaten setzt voraus, dass die übertragene Aufgabe als öffentliche Aufgabe, also als Staatsaufgabe, qualifiziert ist. Manche Juristen meinen, dass es Aufgaben gibt, die nicht von einer Rechtsnorm, sei es der Verfassung oder einem einfachen Gesetz, zur Staatsaufgabe qualifiziert werden müssen. Vielmehr gebe es Aufgaben, die schon aus der Natur der Rechtsordnung als Staatsaufgaben anzusehen seien, beispielsweise das Strafmonopol bei Mord. Andere meinen, dass Staatsaufgaben immer durch eine Rechtsnorm zu solchen qualifiziert werden. Wieder andere vertreten die Auffassung, dass man hier differenzieren müsse zwischen Aufgaben, die eindeutig dem Staat zugeordnet sind, und solchen, bei denen dies nicht so klar ist, so dass es einer gesetzlichen Zuordnungsnorm bedarf. Hier war das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls der Auffassung, wie die Begründung seines Beschlusses zeigt, dass es einer Zuordnungsnorm bedarf. Es hat diese in der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 gesehen und zwar als auf der Hand liegend. Hier irrte das Gericht. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat nach der Feststellung des EuGH das Gegenteil entschieden, nämlich dass das EU-Recht die Zertifizierungstätigkeit von Ökokontrollstellen nicht als Staatsaufgabe bewertet hat.
Damit sind die in manchen Bundesländern erlassenen Regelungen über die hoheitliche Beleihung wohl nicht rechtmäßig getroffen worden, denn es wurden Private mit privaten Aufgaben beliehen. Die Tätigkeit der Ökokontrollstellen ist nach dem Urteil des EuGH gemeinschaftsrechtlich, aber nach der Überlegung des Bundesverwaltungsgerichts eben auch nach nationalem Recht, eine private Aufgabe und keine Staatsaufgabe. Im Lichte der Ausführungen der Generalanwältin sind die Entscheidungsgründe des EuGH wohl so zu verstehen, dass auch die Entscheidung eines Mitgliedstaats, die nach der EN 45011 als Zertifizierungsstellen arbeitenden privaten Kontrollstellen in dieser Funktion in die öffentliche Verwaltung durch hoheitliche Beleihung einzugliedern, gegen den EG-Vertrag verstoßen würde.
Für Deutschland kommt hinzu, dass nach deutschem Verfassungsrecht der Parlamentsgesetzgeber wichtige, wesentlich in Grundrechte eingreifende Entscheidungen selbst treffen muss. Die Qualifizierung einer eigentlich privaten Zertifizierungsaufgabe als Staatsaufgabe, welche eine private Wirtschaftstätigkeit praktisch verstaatlicht, wäre eine solche Entscheidung. Entgegen der Annahme des Bundesverwaltungsgerichts liegt in der Entscheidung, die in manchen Bundesländern getroffen wurden, Ökokontrollstellen hoheitlich zu beleihen, ein solcher Grundrechtseingriff, weil eben die Qualifizierung der Tätigkeit dieser Kontrollstellen als öffentliche Aufgabe nicht schon durch den Gemeinschaftsgesetzgeber geschah.
Der EuGH stellte inzident fest, dass das Handeln der Bürger grundsätzlich der Sphäre der Gesellschaft zuzuordnen ist. Wenn dieses Handeln durch Gesetze geregelt wird, beispielsweise einer staatlichen Zulassung oder einer staatlichen Aufsicht unterworfen wird, verändert sich der Charakter dieses Handelns als solches nicht, private Aufgaben zu erfüllen. Die gesetzliche Regelung des Handlungsrahmens bewirkt nicht, dass die erfüllten Aufgaben zu Staatsaufgaben werden. Will ein Gesetzgeber eine solche Verstaatlichung privater Aufgaben herbeiführen, muss er dies durch Zuordnungsnormen tun, welche die entsprechende Aufgabe aus der Sphäre der Gesellschaft herausnehmen und in jene des Staates überführen.
Dies ist eine wesentliche Entscheidung, weil sie mit einem Eingriff in die Grundrechte des Beliehenen verbunden ist. Er verliert den Schutz seiner Grundrechte, unklar ist, ob ganz oder teilweise, im Verhältnis zur Aufsichtsbehörde, da er in die öffentliche Verwaltung eingegliedert wird und sich zum Beispiel nicht darauf berufen kann, dass er in seiner Handlungsfreiheit, in seiner Meinungsfreiheit oder in seiner Gewerbefreiheit beeinträchtigt wird, wenn er von der Aufsichtsbehörde gezwungen wird, deren Überlegungen zu folgen, was die Zweckmäßigkeit oder Rechtsmäßigkeit eines angeordneten Handelns angeht.
Nach der Entscheidung des EuGH ist nicht zulässig, die Zertifizierungstätigkeit von privaten Ökokontrollstellen, die als solche mit den Aufgaben der Ökokontrolle betraut wurden, als Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und damit der Dienst- und Fachaufsicht der Aufsichtsbehörde unterliegend zu behandeln. Es handelt sich vielmehr um eine private Zertifizierungsdienstleistung, die nach dem Gemeinschaftsrecht nicht nur als private Leistung qualifiziert ist. Vielmehr sind die Mitgliedstaaten, wenn sie private Kontrollstellen zur Tätigkeit zulassen, daran gehindert, diese Tätigkeit als Staatsaufgabe zu qualifizieren, denn private Kontrollstellen müssen die Normen für private Zertifizierungsdienstleister, wie beispielsweise die EN 45011, einhalten, und die Mitgliedstaaten müssen diese Einhaltung respektieren. Damit ist ein jederzeitiger Eingriff in die Zertifizierungstätigkeit durch die Aufsichtsbehörde im Wege der Fach- und Rechtsaufsicht, wie er mit der Qualifizierung als Staatsaufgabe und mit der hoheitlichen Beleihung einhergeht, unvereinbar.
Die Entscheidung des EuGH interessiert aus der Sicht der Mitgliedstaaten nicht in erster Linie mit dem Blick zurück auf die Frage, wie die Tätigkeit der Ökokontrollstellen unter der noch bis zum 01.01.2009 gültigen Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 zu organisieren ist, sondern mehr noch mit dem Blick auf die Frage, was für die Zeit ab dem Gültigwerden der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 gilt. Hat der EU-Gesetzgeber eine Verstaatlichung der privaten Ökozertifizierung durch die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 herbeigeführt? Ist sie eine Zuordnungsnorm, welche die Ökozertifizierung aus der Sphäre der Gesellschaft herausgetrennt und in jene des Staates übergeführt hat? Nach Artikel 27 (1) der Revisionsverordnung führen die Mitgliedstaaten ein gemeinschaftsrechtlich gesteuertes Kontrollsystem für den Ökolandbau ein und bestimmen Behörden, die für die Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen "im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 zuständig" sind. In Artikel 27 (4) ist vorgegeben, dass die "zuständige" Behörde (A) "ihre Kontrollbefugnisse .... anderen Kontrollbehörden übertragen" und (B) "Kontrollaufgaben einer oder mehreren Kontrollstellen übertragen" kann. Für die Übertragung von Kontrollaufgaben an Kontrollstellen gibt Artikel 27 (5) vor, dass "die Kontrollstelle nach der europäischen Norm EN 45011 .... akkreditiert" ist.
In Deutschland wurde Artikel 27 häufig als Bekenntnis des Gemeinschaftsgesetzgebers im Sinne einer Qualifizierung der Ökokontrolle als Teil der staatlichen Lebensmittelaufsicht und damit als Staatsaufgabe verstanden. Es lohnt sich, die Entscheidung des EuGH mit Blick darauf zu lesen, ob dieser den am 01.01.2009 in Kraft tretenden Text ebenfalls so auslegen würde. Dagegen spricht der gedankliche Ansatz des Urteils, denn der EuGH unterscheidet die "helfende und vorbereitende" Funktion der Zertifizierungstätigkeit der privaten Ökokontrollstellen von den dadurch vorbereiteten Eingriffsakten nach Artikel 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91. Die entsprechende Regelung findet sich jetzt, ganz ähnlich, in Artikel 30 der Revisionsverordnung. Dass sich an der Sicht des EuGH, dass dann, wenn privaten Kontrollstellen Kontrollaufgaben übertragen werden, sie diese Aufgaben als private Zertifizierungsdienstleistungsaufgaben wahrnehmen, durch die Neuregelung nichts ändert, wird man aus deutscher Sicht in Erwägung ziehen müssen.
Dies verschiebt den Handlungsrahmen für die nationalen Gesetzgeber bei der Implementierung der Verordnung (EWG) Nr. 834/2007. Abweichend von der bislang vorherrschenden Sicht in Deutschland ist die Zertifizierungstätigkeit, also das Ausführen von Kontrollbesuchen und das Ausstellen der Bescheinigungen nach der EN 45011, so wie dies auch in Artikel 29 der Revisionsverordnung vorgesehen ist, private Zertifizierungsdienstleistung und zwar in dem Sinne, dass diese Zertifizierung nicht Ausübung „öffentlicher Gewalt" im Sinne des Gemeinschaftsrechtes ist. Es ist zu überlegen, was daraus für die Umsetzung der neuen Vorschriften in Deutschland bedeutet.
Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat diese Zertifizierungsleistungen aus der Sicht des EuGH wohl auch in dieser Verordnung nicht als öffentliche Aufgaben qualifiziert. Insbesondere die Autonomie, wie sie durch die EN 45011 vorausgesetzt wird, würde die private Kontrollstelle aus seiner Sicht nicht wahrnehmen können, wäre sie Teil der öffentlichen Verwaltung und damit nicht nur einer Rechts- sondern der Zweckmäßigkeits-(Fach-)Aufsicht der Aufsichtbehörde unterstellt.
Das deutsche Ökolandbaugesetz ist heute so angelegt, dass es den Exekutiven der Bundesländer, also nicht den Länderparlamenten, sondern der Verwaltung in den Ländern, überlässt, zu entscheiden, ob die Tätigkeit von Ökokontrollstellen auf deren Territorium als Staatsaufgabe qualifiziert und die Ökokontrollstellen damit beliehen werden. Es fragt sich, was an die Stelle dieses Mechanismus treten soll. Es wäre denkbar, im Bundesgesetz klarzustellen, dass die Zulassungsentscheidung durch die BLE für die deutschen Kontrollstellen bewirkte, dass sie im gesamten Bundesgebiet zertifizierend tätig werden können. Weiter, dass die Eingriffe, welche in Artikel 9 und in Artikel 30 vorgesehen werden, von den Behörden der Bundesländer vorgenommen werden.
Wenn eine hoheitliche Beleihung mit der eigentlichen Zertifizierungstätigkeit gemeinschaftsrechtlich nicht zulässig ist, wofür, es sei denn die Ökokontrolle wird vollständig verstaatlicht, gute Argumente sprechen, entfällt dieser Teil der bisherigen Länderpraxis vollständig, es sei denn, es würde den in anderen Mitgliedstaaten tätigen Ökokontrollstellen eine Zugangsoption angeboten, die sie ohne wesentliche Hindernisse aufgrund ihrer Zulassung im Sitzland auch in Deutschland tätig werden lässt. Dies ginge aber mit einer entsprechenden Inländerdiskriminierung einher.
*2 Soweit diese Verordnung Regelungen trifft, gehen diese als spezialgesetzliche Vorrangregelungen den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 vor. Dieser spezialgesetzliche Vorrang bezieht sich auch auf Durchführungsvorschriften, welche als Kommissionsverordnungen im Artikel-37-Verfahren dieser Verordnung erlassen werden. Der Entwurf der Kommission vom Januar 2007 gibt unter seinem Titel IV eine weitgehende Übernahme der Vorgaben des Anhang III der Vorgängerverordnung vor.
*3 Die "Art und Häufigkeit der Kontrollen" werden auf der Grundlage einer Bewertung des "Risikos des Auftreten von Unregelmäßigkeiten und Verstößen" gegen Vorschriften der Verordnung bestimmt. Die Fachkreise des ökologischen Landbaus hatten sich aus dieser Vorschrift über die risikoorientierte Konzentration von Kontrollmaßnahmen erhofft, dass das pauschale Abprüfen auch von kleinsten landwirtschaftlichen Betrieben und Verkaufsstellen durch eine Besichtigung jedes Jahr von einer stärker risikoorientierten Konzentration der Kontrollen abgelöst werden würde.
Der Entwurf der Kommissionsverordnung vom Januar 2008 verlangt aber in Durchbrechung dieses Ansatzes der Ratsverordnung zur Risikoorientierung der Kontrollmaßnahmen in Artikel 60 Absatz 1 wenigstens eine physische Inaugenscheinnahme aller Unternehmen jährlich. Der Entwurf dieser Kommissionsverordnung berücksichtigt auch nicht die in Artikel 27 Absatz 3 Satz 2 dieser Ratsverordnung vorgesehene Differenzierung, wonach Großhändler, die nur mit Fertigpackungen handeln, und Einzelhändler, die nur an Endverbraucher abverkaufen, nicht "in jedem Fall mindestens einmal jährlich darauf geprüft werden müssen, ob sie die Vorschriften dieser Verordnung einhalten". Die Entscheidung der Ratsverordnung, dass bei Großhändlern und dem Einzelhandel mit Endverbrauchern auch mehrjährige Prüfzeiträume angemessen sind, wird durch den Vorschlag der Kommissionsverordnung vom Januar 2008 ins Gegenteil verkehrt, wenn dort pauschal und ohne Differenzierung nicht nur eine jährliche Kontrolle, die auch elektronisch durch Warenflussprüfung oder ähnliche Instrumente erfolgen könnte, verlangt wird, sondern sogar eine jährliche Inaugenscheinnahme der Einrichtungen, die möglicherweise, wie häufig beim Großhandel, nur aus einem Büro mit elektronischer Dokumentation bestehen.
*4 Die zuständige Behörde ist in der Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe n legal definiert (vgl. Kommentierung des Artikel 2 *15).
*5 Hier wird der definierten Behörde in den Mitgliedstaaten die Kompetenz übertragen, zu entscheiden, ob die Kontrollen durch andere Behörden, nämlich Kontrollbehörden (vgl. Kommentierung des Artikel 2 *16), ausgeführt werden oder ob die "Kontrollaufgaben einer oder mehreren Kontrollstellen übertragen werden" (vgl. Kommentierung des Artikel 2 *17). Die Vorgabe des Gemeinschaftsrechts verkennt hier den Vorrang der Verfassungen in den nationalen Rechtsordnungen. Die Wahl, ob in Deutschland die Ökokontrolle durch Kontrollbehörden der Bundesländer oder durch private Kontrollstellen unter der Überwachung durch die Behörden der Länder durchgeführt wird, kann nach den Vorgaben des Grundgesetzes nicht durch die Exekutive erfolgen. Es handelt sich um eine Entscheidung, die so tief in den Grundrechtsschutz der eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebe der Ökokontrollstellen eingreift, dass diese Entscheidung dem parlamentarischen Gesetzgeber überlassen ist. Deutschland hat diese Entscheidung der Bundesgesetzgeber im Ökolandbaugesetz unter Zustimmung des Bundesrates gefällt. In den meisten anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ist die Lage nicht anders, denn die meisten verfügen über einen Grundrechtsschutz der Unternehmen gegenüber staatlichen Eingriffen.
*6 Spiegelbildlich soll die zuständige Behörde Kontrollaufgaben "einer oder mehreren Kontrollstellen" übertragen können. Hier werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, die privaten Kontrollstellen durch ihre Behörden zuzulassen und zu überwachen.
*7 Hier verweist diese Verordnung auf eine Regelung der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 und führt dann weiter in einem umfangreichen Katalog Anforderungen auf, die sich praktisch wortgleich in der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 finden. Diese umfangreichen Regelungen wurden erst auf Drängen der Mitgliedstaaten in diese Verordnung aufgenommen. Der Sinn war offensichtlich zu bewirken, dass die Bestimmungen dieser Verordnung als lex specialis Vorrang vor jenen der allgemeinen Lebensmittelüberwachungsverordnung erhalten, so dass sich die Praxis der Ökokontrolle nach den spezifischen Anforderungen dieses Bereichs richten kann.
Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 lautet:
"(2) Die zuständige Behörde kann einer bestimmten Kontrollstelle spezifische Aufgaben nur übertragen, wenn: a) die Aufgaben, welche die Kontrollstelle durchführen darf, und die Bedingungen, unter denen sie diese Aufgaben durchführen darf, genau beschrieben sind; b) nachgewiesen ist, dass die Kontrollstelle: i) die Sachkompetenz, Ausrüstung und Infrastruktur besitzt, die zur Durchführung der an sie übertragenen Aufgaben notwendig sind, ii) über eine ausreichende Zahl entsprechend qualifizierter und erfahrener Mitarbeiter verfügt, iii) im Hinblick auf die Durchführung der ihr übertragenen Aufgaben unabhängig und frei von jeglichem Interessenkonflikt ist; c) die Kontrollstelle gemäß der Europäischen Norm EN 45004 „Allgemeine Kriterien für den Betrieb verschiedener Typen von Stellen, die Inspektionen durchführen" und/oder gemäß einer anderen Norm — wenn diese einen engeren Bezug zu den betreffenden übertragenen Aufgaben hat — arbeitet und akkreditiert ist; d) die Laboratorien gemäß den Normen nach Artikel 12 Absatz 2 betrieben werden; e) die Kontrollstelle der zuständigen Behörde regelmäßig bzw. immer, wenn diese darum ersucht, die Ergebnisse der durchgeführten Kontrollen mitteilt. Wird aufgrund der Ergebnisse der Kontrollen ein Verstoß festgestellt oder vermutet, so unterrichtet die Kontrollstelle unverzüglich die zuständige Behörde; f) eine effiziente und wirksame Koordinierung zwischen der übertragenden zuständigen Behörde und der Kontrollstelle besteht".
Damit wird klar, dass Artikel 27 Absatz 5 dieser Verordnung mit Artikel 5 Absatz 2 der Lebensmittelüberwachungs-Verordnung (EG) Nr. 882/2004 in den Buchstaben a und b sowie d und e praktisch wortgleich ist. Insbesondere die Bundesregierung hatte sich gegen den Revisionsvorschlag der Kommission vom Dezember 2005 mit dem Kritikpunkt des "Systemwechsels im Kontrollverfahren mit der Tendenz der Verstaatlichung des Kontrollsystems" gewandt. Die kritischen Mitgliedstaaten haben sich durchgesetzt und die Aufnahme der für die Ökokontrolle wesentlichen Elemente der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 in diese Verordnung durchgesetzt. Diese Regelungen verdrängen damit die allgemeinen Regelungen der Lebensmittelkontroll-Verordnung als spezielle Regelungen.
*8 Die Übertragung von Kontrollaufgaben an private Kontrollstellen kann von den Mitgliedstaaten differenziert erfolgen. Da aber die Kontrollstelle nach Artikel 27 Absatz 5 Buchstabe c die Anforderungen der Europäischen Norm EN 45011 nicht nur erfüllen, sondern danach akkreditiert sein muss, müssen die Aufgaben der Konformitätsbewertung, wie sie in der Europäischen Norm vorgegeben sind, der Kontrollstelle übertragen werden. Nur Ausschnitte der Kontrollen, wie sie auch der EuGH in seinem Urteil als abtrennbar bezeichnete, können von der Übertragung ausgenommen werden.
*9 Diese Verordnung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Behörden mit der "Überwachung" der Kontrollstellen beauftragen. Dies schließt ein, dass die Kontrollstellen laufend nachweisen, dass sie über die Tätigkeitsvoraussetzungen verfügen. Da allerdings die Akkreditierung nach der EN 45011 vorgegeben ist, ist der Bereich der Kontrollstellen, der Gegenstand der Akkreditierung ist, der Überwachung durch die Akkreditierungsstellen anvertraut, so dass der Nachweis durch den Nachweis der Akkreditierung erfolgt.
*10 Die Verordnung beschreibt hier Anforderungen, die ebenfalls von der EN 45011 formuliert werden (vgl. Kommentierung des Artikel 27 *13).
*11 Die hinreichende personelle Ausstattung wird von der EN 45011 als Akkreditierungsvoraussetzung ebenfalls beschrieben. Die dort niedergelegten Voraussetzungen sind präziser und daher spezieller (vgl. Kommentierung des Artikel 27 *13).
*12 Die Objektivität von Kontrollstellen wird durch die Struktur der Kontrollstellen, wie sie in Nummer 4.2 der EN 45011 vorgegeben ist (vgl. Kommentierung des Artikel 27 *39), gewahrt. Die Struktur muss nicht den Ausschluss widerstreitender Interessen gewährleisten, sondern die "Teilnahme aller maßgeblichen beteiligten Seiten an der Erstellung von grundsätzlichen Regelungen und den Grundsätzen hinsichtlich Inhalt und Arbeitsweise des Zertifizierungssystems ermöglichen". Anders als noch in einer früheren Fassung der EN 45011 wird nicht verlangt, dass das Lenkungsgremium die widerstreitenden, auf die Zertifizierung bezogenen Interessen repräsentieren und so praktisch in einem System des Gleichgewichts konkurrierender Interessen Objektivität gewährleistet. Es genügt, dass die Struktur und die Verfahren, die Gegenstand der Akkreditierung nach der EN 45011 sind, die Objektivität gewährleisten.
*13 Diese Verordnung verlangt eine Akkreditierung der Kontrollstellen nach der "Europäischen Norm EN 45011 bzw. ISO Guide 65 (Allgemeine Anforderung an die Stellen, die Produktzertifizierungssysteme betreiben). Die Akkreditierung wird gemäß der "zuletzt im Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe C, bekannt gemachten Fassung" verlangt.
Im Amtsblatt der Europäischen Union war die EN 45011 noch nicht bekannt gemacht worden. Auch nicht, als die Anforderung, die Bedingungen der EN 45011 einzuhalten, erstmals mit der Verordnung (EG) Nr. 1935/95 in Artikel 8 Absatz 11 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 aufgenommen wurde. Zu dieser Verordnung vertrat die Kommission die Auffassung, dass die allgemeine Zugänglichkeit der EN 45011 über private Verlage genüge und dass es entgegen des Erfordernisses nach Artikel 254 Absatz 2 EG-Vertrag keiner Veröffentlichung im Amtsblatt bedürfe. Die Neufassung in dieser Verordnung geht offenbar von der gegenteiligen Auffassung aus und verlangt Akkreditierung gemäß der Veröffentlichung der EN 45011 im Amtsblatt, was der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entsprechen dürfte (vgl. das durch den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich im Fall Gottfried Heinrich eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren zur Frage, ob Gemeinschaftsrechtsnormen ohne Veröffentlichung im Amtsblatt wirksam werden können (C-345/06)).
Auf diesem Hintergrund wird die Vorgabe dieser Verordnung, Kontrollstellen hätten ihre Akkreditierung nachzuweisen, erst nach einer Veröffentlichung der EN 45011 im Amtsblatt, so wie im Text dieser Verordnung vorausgesetzt, gültig.
Im Februar 2006 vertrat die bei der Generaldirektion Landwirtschaft zuständige Arbeitsgruppe F5 die Auffassung, sie trage keine Verantwortung für die Veröffentlichung der EN 45011 im Amtsblatt, denn dafür sei die Generaldirektion Wirtschaft zuständig. Wenn die Veröffentlichung der EN 45011 bis zum Gültigwerden dieser Verordnung am 01.01.2009 nicht im Amtsblatt erfolgt, bleibt Artikel 27 Absatz 5 Buchstabe c unwirksam. Er hat dann keine Funktion. Die gesetzgeberische Entscheidung des Rates würde durch das Unterlassen der Kommission, die Veröffentlichung der EN 45011 im Amtsblatt herbeizuführen, ohne Wirkung bleiben. Die Kommission würde durch diese Nichtveröffentlichung ihre institutionellen Pflichten gegenüber dem Rat verletzen.
Der Verweis auf eine bestimmte, im Amtsblatt veröffentlichte Fassung der EN 45011 ersetzt die in der Vorgängerverordnung enthaltene Verweisung, die zunächst eine statische Verweisung auf die Fassung der EN 45011 aus dem Jahre 1989 war. Diese wurde durch die Fassung vom Februar 1998 ersetzt. Die statische Verweisung wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1804/1999 durch eine dynamische Verweisung ersetzt. Seither galt gemäß Artikel 9 Absatz 11 der Vorgängerverordnung, dass die Kontrollstellen die EN 45011 in ihrer jeweils gültigen Fassung einzuhalten hatten. Dies bewirkte, dass eine gesetzliche Pflicht durch außergesetzliche Normierungen definiert wurde und zwar "dynamisch" in dem Sinne, dass die gesetzliche Pflicht jeweils der Fortentwicklung der außergesetzlichen Norm, eben der EN 45011 folgte. Eine derart dynamische Verweisung ist unseres Erachtens unzulässig, wenn, wie hier, die Norm dazu dient, durch das Festsetzen von Pflichten in Unternehmen einzugreifen, seien es die Kontrollstellen selbst oder die Unternehmen, die sich den Kontrollen unterstellt haben. Derartige Eingriffe müssen durch oder aufgrund eines Gesetzes in den gesetzlich vorgesehenen Verfahren des Setzens staatlicher Normen erfolgen. Die Delegation solcher Eingriffsbefugnisse auf außergesetzliche Normsetzung ist unzulässig, wenn sie, wie dies im Kontrollsystem des ökologischen Landbaus der Fall ist, nicht nur unerheblich in Freiheitsrechte, etwa die Gewerbefreiheit oder die Freiheit des Eigentums, eingreifen.
Die neue Fassung dieser Verordnung berücksichtigt dieses Bedenken, indem immer nur die im Amtsblatt ordnungsgemäß bekanntgemachte Fassung der EN 45011 wirksam wird und damit die gesetzgeberische Vorgabe der Akkreditierung entsprechend erst nach der Veröffentlichung im Amtsblatt und entsprechend der im Amtsblatt veröffentlichten Fassung verbindlich wird.
Die Europäische Norm EN 45011 enthält den gleichen Wortlaut wie der ISO Guide 65. Es handelt sich um eine wortgleiche Übernahme des 1996 vom ISO Committee und Conformity Assessment (CASCO) erarbeiteten Textes. Verantwortlich war der Arbeitsausschuss NQSZ-3 "Zertifizierungsgrundlagen" im europäischen Normensystem. Gegenüber der Ausgabe der EN 45011, die für die Ökokontrolle 1995 durch die Änderung des Artikel 9 Absatz 11 verbindlich gemacht worden war, ist die gegenwärtig geltende Fassung der EN 45011 aus dem Jahre 1998 verändert. Es wird nun nicht mehr, wie noch bei der Vorgängerfassung ein "Lenkungsgremium" verlangt, dessen Mitglieder so ausgewählt werden, dass alle Gruppen, die am Zertifizierungsprozess interessiert sind, repräsentiert sind, ohne dass einzelne Interessen vorherrschen. Durch die gleichmäßige Re-präsentanz widerstreitender Interessen sollte die Unparteilichkeit der Zertifizierungsstelle gesichert werden. Die entsprechende Formulierung, die abermals die Repräsentanz der widerstreitenden Interessen vorsieht, findet sich nun im Abschnitt 4 Punkt 2 Buchstabe e: "Diese Struktur muss die Teilnahme aller maßgeblich beteiligten Seiten an der Erstellung von grundsätzlichen Regelungen und den Grundsätzen hinsichtlich Inhalt und Arbeitsweise des Zertifizierungssystems ermöglichen". Der Charakter des Dokuments wird damit deutlich: Es handelt sich um eine Vorgabe für die Selbstorganisation widerstreitender Interessen in einer Branche, die durch ausgewogene Repräsentanz im Kontrollsystem in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden sollen. Eine derartige Selbstorganisation im gesellschaftlichen Bereich entspricht nicht dem in Deutschland verbreiteten Bild, dass es die Aufgabe staatlicher Intervention ist, auf die Beachtung gesetzlicher Normen hinzuwirken.
Die Europäische Norm EN 45011 wurde durch Beschluss des CEN/CENELEC vom 08.08.1997 angenommen. CEN steht für Comité Européen de Normalisation. CENELEC ist die entsprechende Einrichtung für Unternehmen die mit elektrischem Strom zu tun haben. Mitglieder sind die jeweils nationalen Normungsinstitute und elektrotechnischen Komitees in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
*14 Hier wird der Informationsfluss von der Kontrollstelle zu der nationalen Behörde vorgegeben, welcher die Überwachung gemäß Artikel 27 Absatz 4 Buchstabe b anvertraut ist. Nach dem für Artikel 30 vorgegebenen Grundsatz der verhältnismäßigen Reaktion auf die Nichteinhaltung der Vorschriften dieser Verordnung (vgl. Kommentierung des Artikel 30 *1) wird auch hier die Unterrichtung nicht über jedes beliebige Abweichen erfolgen, sondern bezüglich solcher Sachverhalte, die für die Arbeit der überwachenden Behörde relevant ist, sei es, weil es die Tätigkeit anderer Kontrollstellen oder sei es, das es die Tätigkeit weiterer Unternehmer betrifft.
*15 In der Praxis liegt die Hauptschwierigkeit darin, die aufsichtsführende Behörde zu einem zügigen, aber verhältnismäßigen Eingreifen zu bewegen.
*16 Nachdem diese Verordnung in Artikel 5 Teile des Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 wörtlich, mit einigen Abweichungen, wiederholt und damit zu spezialgesetzlichen Vorschriften macht, welche die jener Verordnung verdrängen, werden hier in Artikel 27 Absatz 6 weitere, eigene Vorgaben formuliert. Diese decken sich allerdings mit den Anforderungen, wie sie sich schon aus der Notwendigkeit der Akkreditierung nach der EN 45011 ergeben.
*17 Das "Standardkontrollverfahren mit einer ausführlichen Beschreibung der Kontrollmaßnahmen und Vorkehrungen" ist im "Qualitätsmanagement-Handbuch" gemäß EN 45011 Nummer 4.5.3 dokumentiert.
*18 Es werden "Maßnahmen" im Falle der Nichteinhaltung der Vorschriften dieser Verordnung durch Unternehmer verlangt, welche die Kontrollstelle ergreift. Gefordert sind nicht notwendig eigene Sanktionen, also nicht notwendig Vertragsstrafen. Maßgebend ist die Vorgabe in Nummer 14.3 der EN 45011, nach der Verstöße mit geeigneten Maßnahmen geahndet werden müssen. Es kann sich um den Entzug der Zertifizierung, die Veröffentlichung des Verstoßes oder auch andere rechtliche Maßnahmen, beispielsweise die Information staatlicher Behörden oder der Staatsanwaltschaft über den zugrunde liegenden Sachverhalt handeln. Wie die Kontrollstelle handelt, muss in ihrem Qualitätshandbuch nach der EN 45011 und gemäß der weiteren Europäischen Normen, auf welche diese verweist, dokumentiert sein.
*19 Durch den Gemeinschaftsgesetzgeber den staatlichen Behörden in den Mitgliedstaaten vorbehalten und damit als Staatsaufgabe gemeinschaftsrechtlich qualifiziert sind die hier aufgeführten Aufgaben.
*20 Die Überwachung von Kontrollstellen gemäß Artikel 27 Absatz 4 Buchstabe b darf einer anderen (privaten) Kontrollstelle nicht zur Wahrnehmung als private Aufgabe übertragen werden. Allerdings sind die Mitgliedstaaten, wie das Schlussplädoyer der Generalanwältin und die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom November 2007 zeigen, nicht daran gehindert, auch Private hoheitlich mit der Aufgabe zu beleihen, private Kontrollstellen zu kontrollieren. In Deutschland ist dies keine Frage, die sich praktisch gestellt hat. Die sich gerade entwickelnde gesetzliche Regelung zur Akkreditierung betrachtet die Akkreditierung gemeinschaftsrechtlich als Staatsaufgabe, so dass wenn Private akkreditieren, nationale Beleihungsakte erforderlich sind.
*21 Hier ist vorgesehen, dass Ausnahmen, welche durch Kommissionsverordnung als Flexibilisierungsregelung gemäß Artikel 22 vorgesehen werden, immer dann, wenn sie nicht allgemein vorgesehen, sondern unter die Bedingung einer Genehmigung gestellt sind, nicht von den privaten Kontrollstellen genehmigt werden können, sondern von den zuständigen Behörden, es sei denn, dass dies in der Kommissionsverordnung ausdrücklich anders geregelt ist. In der Tat findet sich schon in den Entwurf der Kommissionsverordnung vom Januar 2008 die Vorgabe in Artikel 36 Absatz 1 Buchstabe a Unterabschnitt v, dass Parallelproduktion bei der Umstellung unter der Voraussetzung der Genehmigung eines Umstellungsplans durch entweder die Kontrollstelle oder die Kontrollbehörde steht. In diesem Fall sieht also schon die Kommissionsverordnung vor, dass es den Mitgliedstaaten freigestellt sein soll, wie bisher die Kontrollstellen Genehmigungsentscheidungen im Rahmen der Flexibilisierungsregelung des Artikel 22 treffen zu lassen.
*22 Auch an dieser Stelle wird auf Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 Bezug genommen, allerdings so, dass deren gesamter Gehalt hier in dieser Verordnung spezialgesetzlich wiederholt wird. Der Text in jener Verordnung lautet: "(3) Die zuständigen Behörden, die Kontrollstellen besondere Aufgaben übertragen, veranlassen bei Bedarf Überprüfungen oder Inspektionen der Kontrollstellen. Ergibt eine Überprüfung oder Inspektion, dass diese Stellen die ihr übertragenen Aufgaben nicht ordnungsgemäß ausführen, so kann die übertragende zuständige Behörde die Übertragung entziehen. Dies geschieht unverzüglich, wenn die Kontrollstelle nicht rechtzeitig angemessene Abhilfemaßnahmen trifft". Damit ist klar, dass die Vorschriften jener Verordnung durch die spezielleren Vorrangregelungen dieser Verordnung verdrängt werden. Damit wird der Überlegung insbesondere aus Deutschland, die von Herrn Minister Seehofer mit Nachdruck vorgetragen worden war, Rechnung getragen, dass eine weitere Verstaatlichung des Ökokontrollsystems nicht gewünscht wird.
*23 Diese Verordnung wiederholt mit einer gewissen Redundanz, dass Kontrollstellen, die den Anforderungen, insbesondere auch den durch Akkreditierung belegten Anforderungen, nicht mehr entsprechen, die Zulassung entzogen werden muss. Dies setzt regelmäßig den Verlust der Akkreditierung voraus. Eine von der Einschätzung des Akkreditierers abweichende Auffassung der zuständigen Behörde genügt nicht.
*24 Die "objektive und unabhängige" Wahrnehmung der Kontrollen wird in dieser Verordnung herausgestellt. Objektiv und unabhängig müssen die Kontrollen insbesondere auch gegenüber den Überwachungsbehörden sein, die nicht selten in der föderalistisch organisierten Bundesrepublik mit 16 verschiedenen zuständigen Länderbehörden partikulare regionale Interessen durchzusetzen versuchen, sei es dass Anforderungen dieser Verordnung strenger interpretiert werden als in anderen Bundesländern oder dass sie weniger streng interpretiert werden. Die Kontrollstellen müssen diese Verordnung nach ihrem sachverständigen Wissen und entsprechend ihrer Rechtsauffassung interpretieren. Dabei dürfen sie sich nicht von Kontrollbehörden zu widersprüchlichen, von Land zu Land unterschiedlichen Rechtsauffassungen drängen lassen. Soweit sie sich mit der überwachenden Behörde nicht einigen können, müssen die Verwaltungsgerichte entscheiden.
*25 Die Wirksamkeit der Kontrollen sollen durch die zuständige Behörde überprüft werden. Diese Überprüfung erfolgt durch die Vorlage der Akkreditierung gemäß der EN 45011, denn die gesetzlich gesteuerte, staatlich geprägte Akkreditierung hat nach Artikel 27 Absatz 5 Buchstabe c gerade den Zweck, die Überwachung der Kontrollstellen zu systematisieren und zu professionalisieren.
*26 Die Überwachungsbehörden sollen festgestellte Unregelmäßigkeiten und Verstöße und die entsprechenden Abhilfemaßnahmen zur Kenntnis nehmen. Dies unter Berücksichtigung des in Artikel 30 Absatz 1 dieser Verordnung niedergelegten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Diese Zurkenntnisnahme zielt insbesondere darauf, die Überwachungsbehörden in den Stand zu setzen, Vergleiche zur Praxis anderer kontrollunterstellter Unternehmen und anderer Kontrollstellen zu ziehen.
*27 Der Entzug der Zulassung wird in Artikel 27 Absatz 9 Buchstabe d als Aufgabe der zuständigen Behörde formuliert. In Deutschland wäre dies die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung entsprechend den Vorgaben des Ökolandbaugesetzes. Die gleiche Beauftragung findet sich allerdings auch schon in Artikel 27 Absatz 8 Satz 7. Die Autoren dieser Verordnung hielten eine gewisse Redundanz offenbar für nützlich. Tatsächlich ergibt sich so eine durchgehend spezialgesetzliche Regelung aller wichtigen Aspekte des Kontrollverfahrens, so dass die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 mit ihren Vorschriften praktisch vollständig verdrängt wird.
*28 Eine "Codenummer" sollen die Mitgliedstaaten nun jeder "Kontrollbehörde oder Kontrollstelle" zuordnen. Die Kommission hat aus taktischen Gründen, weil sie es vorzog, ein EU-Öko-Logo durchzusetzen, eine Harmonisierung der Codierung der Ökokontrollstellen abgelehnt. Schon die Vorgängerverordnung hatte seit 1996 vorgegeben, dass die Mitgliedstaaten den Kontrollstellen und -behörden "eine Codenummer .... erteilen". Tatsächlich wurden nicht Codenummern, sondern alphanumerische Codierungen zugeteilt (vgl. Kommentierung zu Artikel 24 *2).
*29 Der Zugang zu den Einrichtungen der Kontrollstellen soll den zuständigen Behörden gewährt werden. Dies entspricht den Regelungen der Vorgängerverordnung.
*30 Die Autoren dieser Verordnung haben es als notwendig angesehen, die Kontrollbehörden und Kontrollstellen in den Mitgliedstaaten zu verpflichten, nicht nur diese Verordnung, sondern auch die zu ihrer Durchführung ergangenen Kommissionsverordnungen zu beachten, was eigentlich selbstverständlich ist.
*31 Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 lautet:
" (1) Die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln und Futtermitteln, von der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren und allen sonstigen Stoffen, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, dass sie in einem Lebensmittel oder Futtermittel verarbeitet werden, ist in allen Produktions-, Verarbeitungs-und Vertriebsstufen sicherzustellen. (2) Die Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer müssen in der Lage sein, jede Person festzustellen, von der sie ein Lebensmittel, Futtermittel, ein der Lebensmittelgewinnung dienendes Tier oder einen Stoff, der dazu bestimmt ist oder von dem erwartet werden kann, dass er in einem Lebensmittel oder Futtermittel verarbeitet wird, erhalten haben. Sie richten hierzu Systeme und Verfahren ein, mit denen diese Informationen den zuständigen Behörden auf Aufforderung mitgeteilt werden können. (3) Die Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer richten Systeme und Verfahren zur Feststellung der anderen Unternehmen ein, an die ihre Erzeugnisse geliefert worden sind. Diese Informationen sind den zuständigen Behörden auf Aufforderung zur Verfügung zu stellen. (4) Lebensmittel oder Futtermittel, die in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden oder bei denen davon auszugehen ist, dass sie in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht werden, sind durch sachdienliche Dokumentation oder Information gemäß den diesbezüglich in spezifischeren Bestimmungen enthaltenen Auflagen ausreichend zu kennzeichnen oder kenntlich zu machen, um ihre Rückverfolgbarkeit zu erleichtern. (5) Bestimmungen zur Anwendung der Anforderungen dieses Artikels auf bestimmte Sektoren können nach dem in Artikel 58 Absatz 2 genannten Verfahren erlassen werden".
Es handelt sich um ein System des "One-Step-Up" und des "One-Step-Down". Gemeint ist nicht, dass eine Rückverfolgbarkeit vom Produkt im Laden bis zurück zum Landwirt durch die Dokumentation des letztverarbeitenden Unternehmens möglich sein muss. Angesichts der vielfältigen Vermischungsvorgänge wäre dies auch wenig praktikabel. Verlangt ist nach der herrschenden Interpretation der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 auch nicht, dass der Durchlauf der eingekauften Stoffe durch die Produktion dokumentiert wird. Vielmehr beschränkt sich das System der Rückverfolgbarkeit, wie es durch die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vorgegeben ist, darauf, dass im Falle von Rückrufen festgestellt werden kann, wohin Lebensmittel geliefert wurden. Ziel des Rückverfolgbarkeitssystems ist es, im Falle von unsicheren Produkten gezielte und präzise Rücknahmen vorzunehmen und damit unnötig weitergehende Eingriffe bei Problemen zu vermeiden.
Davon zu unterscheiden sind andere, anspruchsvollere, betriebsinterne Rückverfolgungssysteme:
"The Regulation EC No. 178/2002 does not contain a regulatory requirement for process (internal) traceability, just the general requirement that traceability shall be established at all stages of production, processing and distribution. In addition to the
regulation CIAA outlines the possible voluntary extensions to the traceability systems (see Chapter 5). 3.4 Provisions with regard to systems and procedures for traceability Article 18 does not contain any detailed provision with regard to the design of systems and procedures for documenting traceability. For example, operators are not required by law to invest in sophisticated IT systems. Depending on the size of the company concerned, and the amount of data involved, a paper-based system for managing delivery/procurement documents and customer invoices may be adequate - i.e. proper book-keeping may, in itself, suffice to fulfil the relevant provision of Article 18. However, it is clear that relevant IT systems will be indispensable where large amounts of data are involved. The legal requirement remains general in order to be applicable to a wide range of food (or feed) companies affected - including crafts companies, medium-sized enterprises and large multinational corporations. 3.5 Summary Regulation (EC) No. 178/2002 is designed to achieve a basic traceability requirement. The provisions of Article 18 cannot be interpreted as requiring companies to ensure internal traceability of specific batches, to set up stage-overarching traceability systems or to use IT systems. Article 18 gives companies a certain amount of flexibility, as long as the possibility of tracing and recalling products not in compliance with food safety requirements is ensured. A clear distinction should be made between the obligations of traceability of food business operators imposed by the legal provisions of Article 18 and additional voluntary procedures (see Chapter 5)".
*32 Hier wird die jährliche Übermittlung eines Verzeichnisses der kontrollunterstellten Unternehmen verlangt. Außerdem ein "zusammenfassender Bericht" über die im Vorjahr ausgeführten Kontrolltätigkeiten, was ausschließt, dass es sich um einen mehr als fünf Seiten umfassenden Bericht, der sich auf wesentliche Vorgänge konzentriert, handelt.
*33 Die EN 45011 wurde von einer kleinen Arbeitsgruppe von Spezialisten der Produktzertifizierung aus dem industriellen Bereich entwickelt. Sie ist keine perfekte normative Formulierung, sondern eher ein Arbeitsergebnis mit ad-hoc-Charakter, das zu einem bestimmten Zeitpunkt eingefroren wurde und seitdem benützt wird. Schon die Einführung erklärt in einer erfrischend informellen Weise, dass die "Verschiedenheit der Zertifizierungssysteme" unnötig erscheinen könnte und "Neulinge auf diesem Gebiet, Kunden und Zertifizierungsstellen gleichermaßen, sogar verwirren". So ist es. Die Vorgaben der EN 45011 zielen auf eine Produktzertifizierung und allenfalls durch entsprechende Anwendung auf eine verfahrensbezogene Zertifizierung. Die Verfahrensbezogenheit der Vorgaben dieser Verordnung macht aber das damit verbundene Zertifizierungssystem aus.
*34 Dies wird in der Nr. 1.1 zutreffend beschrieben, in dem dargelegt wird, dass, wenn immer in der EN 45011 von einem "Produkt" die Rede ist, auch ein "Verfahren" gemeint sein kann, nämlich, wie hier in dieser Verordnung, das Verfahren der ökologischen Produktion. Dieses Verfahren, nämlich die Einhaltung der Vorschriften für dieses Verfahren, ist Gegenstand der Konformitätsfeststellung nach der EN 45011, nicht etwa in erster Linie die Feststellung der Konformität der Ökoprodukte. Am Produkt selbst wird allerdings geprüft, ob etwa die Etikettierungsvorschriften bis Titel IV eingehalten sind.
*35 Die Begriffe der EN 45011 sind nicht so schlüssig in ein System von Normen eingebettet, wie die normativen Verweisungen der Nummer 2 dies vermuten lassen könnten. Die EN 45011 ist mit dem auf der globalen Ebene entwickelten ISO Guide 65 identisch. Seine Begrifflichkeiten stimmen aber mit jenen der aufgeführten ISO-Dokumente nicht wirklich so schlüssig überein, dass das Heranziehen jener Dokumente den Erkenntniswert des hier als EN 45011 vorliegenden Textes wesentlich steigern würde. Dies hat seinen Grund insbesondere darin, dass die Texte vornehmlich für End-of-Pipe-Zertifizierungen verfasst wurden.
*36 Der Begriff "Anbieter" steht dem Unternehmen gleich, dessen Produktionsverfahren kontrolliert werden sollen.
*37 Das Prinzip der Nichtdiskriminierung ist hier detailliert und spezialgesetzlich in der Nr. 4.1 der EN 45011 festgelegt.
*38 Das Prinzip des Zugangs für alle Antragsteller zu den Diensten jeder Zertifizierungsstelle ist hier in der Nr. 4.1.2 der EN 45011 niedergelegt. Es handelt sich um eine gegen Kartelle gerichtete Bestimmung, die verhindern sollte, dass eine Gruppe von Unternehmen durch ein gemeinsames Inanspruchnehmen einer Kontrollstelle und den Ausschluss anderer Unternehmen praktisch ein normatives und Zertifizierungsmonopol am Markt mit unangreifbarer Qualitätsführerschaft erhält. In einem Angebotsmarkt, der von der Konkurrenz mehrerer privater Kontrollstellen mit gleichwertigem Sachverstand und Renommee geprägt ist, hat diese Feststellung keine praktische Funktion, sie sollte daher nicht so ausgelegt werden, dass Kontrollstellen gegen ihren Willen zur Begründung von Kontrollverträgen mit bestimmten Unternehmen gezwungen werden, deren Leitungen sie aufgrund eigener oder fremder Erfahrungen misstraut.
*39 Das Erfordernis einer Struktur, welche die Unparteilichkeit schützt, ergibt sich aus dem Zweck der Zertifizierung. Dass diese Unparteilichkeit aber durch die "Teilnahme aller maßgeblich beteiligten Stellen" an der Einrichtung des Zertifizierungssystem gewährleistet werden soll, ist etwas Besonderes: Der Aspekt der Eigenverantwortung und Selbstorganisation wird auch hier hervorgehoben. Nicht der Staat gewährleistet durch seine institutionale Neutralität die Objektivität, sondern das Zertifizierungssystem gewährleistet die Unparteilichkeit durch die ausgleichende Präsenz widerstreitender Wirtschaftsinteressen.
Die "Kriterien" und die "festgelegten Normen", von denen die Nummer 4.1.3 der EN 45011 handelt, sind die Kriterien dieser Verordnung und der dazu als Kommissionsverordnung ergehenden Durchführungsvorschriften. Diese Verordnungen des Gemeinschaftsrechts sind die "festgelegten Normen". Die "Produkte eines Anbieters" sind die "Verfahren" derer sich die kontrollunterstellten Unternehmen bei der Herstellung von Ökoprodukten bedienen.
*40 Hier wird klargestellt, dass die Kontrollstellen als Zertifizierungsstellen nicht über diese Verordnung hinausgehende Anforderungen stellen dürfen, wenn sie Zertifizierungen nach dieser Verordnung vornehmen.
*41 Unter Abschnitt 4.2 der EN 45011 werden eine Vielzahl von Anforderungen formuliert, die in der Akkreditierung von Kontrollstellen geprüft werden. Der wichtigste Aspekt ist ein "Qualitätsmanagementsystem" der Kontrollstelle selbst, wie es in Buchstabe k festgehalten ist. Eine dokumentiert unparteiliche Struktur und eine Unparteilichkeit der Tätigkeiten der Zertifizierungsstelle wird in Buchstabe e in den Vordergrund gestellt, in dem Satz 2 die "Teilnahme aller maßgeblich beteiligten Stellen an der Erstellung von grundsätzlichen Regelungen und den Grundsätzen hinsichtlich Inhalt und Arbeitsweise des Zertifizierungssystems" verlangt. In einer früheren Fassung der EN 45011 wurde ein Lenkungsgremium verlangt, das die widerstreitenden Interessen, insbesondere konkurrierende Unternehmen, abnehmende Unternehmen unter sachverständiger Einrichtungen an einen Tisch setzen und durch den Widerstreit der einander entgegengesetzten Interessen Objektivität gewährleisten sollte. Dies wird in dieser Fassung der EN 45011 so nicht formuliert, jedoch klingt an dieser Stelle die Berücksichtigung all dieser Interessen zumindest bei der Schaffung der Struktur und der Grundlage des Zertifizierungssystem an. In Buchstabe p wird ein System der Behandlung von Beschwerden und Streitfällen verlangt. Da die EN 45011 durch die Verweisung in dieser Verordnung in deren Text und damit in den Kreis der gesetzlichen Regelungen der Gemeinschaft einbezogen wurde, sind die Grundsätze des fairen Verfahrens und der Objektivität der Entscheidung zu berücksichtigen.
In Abschnitt 4.2 Nummer 6 Buchstabe f gibt sie das Vier-Augen-Prinzip für die Zertifizierungsentscheidung vor. Unter Abschnitt 4.2 Nummer 6 Buchstabe o der EN 45011 wird es den Kontrollstellen untersagt, zu beraten. Es wird festgestellt, die Kontrollstelle dürfe nicht "den Antragsteller beraten oder Beratungsdienstleistungen für den Umfang mit Sachverhalten" zu "gewähren, die der Erlangung der beantragten Zertifizierung im Wege stehen". Damit ist klar, dass Kontrollstellen darauf hinweisen dürfen, dass Sachverhalte der Zertifizierung entgegenstehen. Das Beratungsverbot bezieht sich darauf, wie die Sachverhalte betriebstechnisch und wirtschaftlich sinnvoll so verändern werden können, dass der dann veränderte Sachverhalt der Zertifizierung nicht mehr im Wege steht. Jede Zertifizierung geht mit einer Konformitätsbewertung einher, die gerade auch den Sinn hat, dem kontrollunterstellten Unternehmen zu erkennen zu geben, wo es den Anforderungen dieser Verordnung noch nicht gerecht wird. Wenn eine Kontrollstelle dies schon bei Beginn ihrer Tätigkeit feststellt, hat sie nicht zu warten, bis das gesamte Verfahren durchlaufen ist, um der Unternehmensleitung mitzuteilen, dass die Zertifizierung nicht möglich ist. Vielmehr hat sie nach Treu und Glauben diese Mitteilung unverzüglich vorzunehmen, um insbesondere dem Unternehmen Gelegenheit zur Abhilfe zu geben.
*42 Der Text ist hier korrigierend dahin zu lesen, dass es sich um ein Verfahrenszertifizierungssystem handelt.
*43 Abschnitt 12.2 der EN 45011 enthält ein Übertragungsverbot für Zertifizierungsentscheidungen. Spiegelbildlich geht es hier nicht um Zertifizierungsentscheidungen, sondern um die Feststellung von Sachverhalt durch Inspektion.
*44 Da diese Verordnung die Ziele und Grundsätze auch des Kontrollverfahrens niederlegt, bleibt für die Kontrollstellen an diesem Punkt wenig Spielraum.
*45 Das "Qualitätsmanagementsystem" wird detailliert spezialgesetzlich hier beschrieben. Damit werden alle weniger ausgeführten Normen durch das speziellere Gesetz verdrängt.
*46 Das "Qualitätsmanagement-Handbuch" dokumentiert das Vorgehen der Kontrollstelle im Detail. Es dient als Steuerungsinstrument. Die EN 45011 macht klar, dass jede Kontrollstelle für ihr eigenes Qualitätsmanagement-Handbuch verantwortlich ist und bei seiner Entwicklung und Pflege keinen Weisungen unterworfen ist, es sei denn, abweichende Regelungen oder ergänzende würden durch Kommissionsverordnung als Durchführungsvorschriften im Verfahren des Artikel 37 erlassen.
*47 Das Verfahren des Entzugs ist in Artikel 30 dieser Verordnung im Ansatz geregelt. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit jeder Sanktion ist dort spezialgesetzlich vorgegeben. Artikel 85 des Entwurfs für eine Kommissionsverordnung vom Januar 2008 sieht ein System von Verfahrensschritten in Verdachtsfällen vor.
*48 "Interne Audits" sollen die eingerichteten Verfahrensabläufe darauf prüfen, ob sie tatsächlich die kritischen Punkte der ökologischen Produktion erfassen.
*49 Die Audits müssen zu einer Bewertung durch die verantwortliche Leitung der Zertifizierungsstelle führen. Die Bewertungen müssen dokumentiert werden.
*50 Das "Qualitätsmanagement-Handbuch" ist der Ort, an dem die Zertifizierungsstellen ihr "Produktzertifizierungssystem" dokumentieren, wie es hier verlangt wird. Buchstabe g sieht ein "Verzeichnis zertifizierter Produkte" vor. Da Gegenstand des Zertifizierungsverfahrens hier Verfahren sind, nämlich das Verfahren der ökologischen Produktion, bedarf es keines Verzeichnisses der von den kontrollierten Unternehmen hergestellten Produkte, sondern das Verzeichnis des kontrollierten Unternehmens.
*51 Nummer 4.8.2 der EN 45011 verlangt ein Dokumentenmanagement.
*52 Es wird die Dokumentation der Zertifizierungstätigkeit verlangt und bezüglich der Aufbewahrungsdauer angeordnet, dass "mindestens ein vollständiger Zertifizierungszyklus" aufzubewahren sei. Die Kontrollstellen werden regelmäßig zu mehrjährigen Aufbewahrung gesetzlich verpflichtet sein, denn sie müssen alleine schon aufgrund von Treu und Glauben im Kontrollvertrag als Dauerschuldverhältnis die Unterlagen aufbewahren, die etwa Landwirte benötigen, um Behörden bei Streit über Subventionsrückforderungen darlegen zu können, dass sie entsprechend und im Rahmen ökologischer Zertifizierung gehandelt haben.
*53 Eine 10jährige Aufbewahrung wird in der Regel als angemessen anzusehen sein.
*54 Den Zertifizierungsstellen werden Geschäftsgeheimnisse bekannt, beispielsweise die Rohstoffquellen von verarbeitenden Lebensmittelunternehmen. Hier muss die Schweigepflicht vertraglich und organisatorisch gesichert werden.
*55 Es gilt ein Informationsweitergabeverbot unter dem Vorbehalt der Erlaubnis durch diese Verordnung oder für ihre Durchführung ergehende Kommissionsverordnungen.
*56 Die Zertifizierungsstellen müssen personell geeignet ausge-stattet sein, was aber nicht ausschließt, dass, wie Nummer 4.4 dies erläutert, auch wichtige Funktionen im Unterauftrag durch andere erledigt werden können, nur nicht die Zertifizierungsentscheidung, die der Kontrollstelle nach Nummer 12.2 vorbehalten ist.
*57 Hier werden Anforderungen an die Verträge formuliert, welche die Zertifizierungsstelle mit ihrem Personal schließt, einschließlich der entsprechend aufzunehmenden Pflichten, etwa der Pflicht zur Fortbildung.
*58 Hier wird eine Verpflichtung der Kontrollstelle begründet, bevorstehende Veränderungen dieser Verordnung und der entsprechenden Kommissionsverordnungen den kontrollierten Unternehmen zur Kenntnis zu bringen. Auch wird die Verpflichtung begründet, die Einhaltung neuer Vorschriften zu überprüfen.
*59 Es muss ein Verfahren zur Kontrolle von Entscheidungen auf den Antrag der betroffenen Unternehmen eingerichtet werden. Es kann sich dabei um die Behandlung von Gegenvorstellungen intern handeln, aber auch um Schiedsverfahren unter Beiziehung Dritter.
*60 In Nummer 8.1.2 wird eine Selbstverpflichtung des kontrollierten Unternehmens, als "Anbieter" in Nummer 3.1 benannt, verlangt. In Nummer 8.1.2 wird eine allgemeine Missbrauchsaufsicht der Kontrollstelle über die kontrollunterstellten Unternehmen verlangt.
*61 In Nummer 8.2.1 Buchstabe b wird eine Selbstverpflichtung des antragstellenden Unternehmers, also des Verantwortlichen aus der Leitung des Unternehmens verlangt, dafür Sorge zu tragen, dass das von ihm gesteuerte Unternehmen die Bedingungen dieser Verordnung erfüllt.
Die Nummer 8.2.2 legt den Inhalt der Meldungen nach Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe a fest, den festzulegen die Kommission durch Artikel 28 Absatz 6 ebenfalls beauftragt ist. Da in der EN 45011 diese Festlegung schon erschöpfend erfolgte, bedarf es der Durchführungsvorschrift durch die Kommissionsverordnung hier nicht.
*62 Die Vorbereitung "vor der Bewertung" meint für die Zwecke der Ökokontrolle die Feststellung des Sachverhalts durch Augenschein und durch Auswertung der Dokumentationen des Unternehmens, insbesondere der Eingangs- und der Ausgangsdokumentation. Wenn mit der Nummer 9.3 der EN 45011 Satz 1 der Einsatz von Personal verlangt wird, das für die Erfüllung der Aufgaben der spezifischen Bewertung hinreichend qualifiziert ist, wird insbesondere entsprechender landwirtschaftlicher Sachverstand verlangt sein. Angesichts der Vielzahl der Verfahren, die Gegenstand der Ökokontrolle sind, wird nicht gesteigertes Fachwissen im Detail der Produktion, sondern Querschnittswissen und entsprechende praktische Erfahrung zu verlangen sein.
*63 Hier wird Vollständigkeit der Konformitätsprüfung verlangt.
*64 Der "Ergebnisbericht über die Konformität mit allen Zertifizierungsanforderungen" ist eine Niederlegung des bei der Kontrolle beobachteten Sachverhalts verbunden mit einer Subsumption unter die Tatbestände, also die gesetzlichen Formulierungen der Forderungen dieser Verordnung in deren Vorschriften. Es wird in der Nummer 11 Buchstabe b impliziert, dass die Berichte über die Konformitätsbewertung, hier nicht der Produkte, sondern der Verfahren, Abweichungen feststellen können. Diese werden als "alle zu beseitigenden Abweichungen" bezeichnet. Es wird dargelegt, dass dem Antragsteller Gelegenheit gegeben werden muss, Abweichungen zu beseitigen, "damit das Produkt alle Zertifizierungsanforderungen erfüllen kann".
Gemeint ist für die Zwecke der Ökokontrolle: "... damit das Produktionsverfahren alle Zertifizierungsanforderungen erfüllen kann". Im letzten Satz der Nummer 11 der EN 45011 ist vorgegeben, dass das kontrollunterstellte Unternehmen Gelegenheit haben muss, "innerhalb eines festgelegten Zeitraums Korrekturmaßnahmen zur Erfüllung aller Anforderungen "zu ergreifen". Hat es diese ergriffen, müssen nur die entsprechend notwendigen Teile des Bewertungsverfahrens wiederholt werden, nämlich mit dem Ziel festzustellen, ob die Korrektur hinreichend vollständig war. Dies impliziert, dass die Ökovermarktung nicht etwa während des festgesetzten Zeitraums ausgesetzt werden muss, wenn die Kontrollstelle dies nicht als gemäß Artikel 30 dieser Verordnung angemessen erachtet.
*65 In Nummer 12.3 wird vorgegeben, dass die Kontrollstelle für die zertifizierten Verfahren "Zertifizierungsdokumente" übergibt, "sei es in Form eines Briefes oder eines Zertifikates". Weiter ist vorgegeben, dass der "Geltungsbereich der erteilten Zertifizierung" anzugeben ist. Diese Verordnung enthält die gleiche Verpflichtung in Artikel 29. Deren Formulierungen gehen spezialgesetzlich als die jüngere Norm vor (lex posterior derogat legi priori). Dies allerdings nur insoweit, als Artikel 29 präzisere Anforderungen enthält, als die EN 45011.
*66 Es wird eine Verpflichtung der Kontrollstellen begründet, von den kontrollunterstellten Unternehmen die Mitteilung aller wichtigen Veränderungen zu verlangen.
*67 Die "nicht korrekte Bezugnahme auf das Zertifizierungssystem" muss die Kontrollstelle "durch geeignete Maßnahmen" nach der Nummer 14.3 der EN 45011 "behandeln". Nicht korrekt wäre etwa die Verwendung eines Bezugs auf diese Verordnung mit Bezug auf Erzeugnisse, die nicht in ihren Anwendungsbereich fallen, wie er nach Artikel 1 Absatz 2 dieser Verordnung abgegrenzt ist. Allerdings geht es hier nur darum, ob der Eindruck erweckt wird, was unzutreffend wäre, dass die Herstellung eines Erzeugnisses, das nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, im Rahmen des gesetzlich durch diese Verordnung vorgegebenen Kontrollsystems überwacht wurde. Soweit private Kontrollstellen außerhalb des gesetzlich geregelten Bereichs sachverständige Bewertungen vornehmen, müssen sie die auftraggebenden Unternehmen dazu veranlassen, hinreichend klar zu kommunizieren, dass es sich um Bewertungen außerhalb des gesetzlichen Systems handelt, für das die Kontrollstelle als private Sachverständige, aber eben nicht als private Kontrollstelle, die unter staatlicher Überwachung tätig werden, vorgenommen haben.
*68 Beschwerden, insbesondere Kundenbeschwerden, welche an die kontrollierten Unternehmen gerichtet werden, aber auch Beschwerden von Wettbewerbern und Behörden müssen von den kontrollunterstellten Unternehmen dokumentiert und die Informationen müssen der Zertifizierungsstelle zur Verfügung gestellt werden. Sie erhält so Hinweise auf kritische Punkte im Sinne der Risikoorientierung der Ökokontrolle.
Artikel 28
Teilnahme am Kontrollsystem
(1) Jeder Unternehmer, der Erzeugnisse im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 erzeugt, aufbereitet, lagert, aus einem Drittland einführt oder in Verkehr bringt, ist verpflichtet, vor dem Inverkehrbringen von jeglichen Erzeugnissen als ökologische/biologische Erzeugnisse oder als Umstellungserzeugnisse *1
a) seine Tätigkeit den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem diese Tätigkeit ausgeübt wird, zu melden; *2
b) sein Unternehmen dem Kontrollsystem nach Artikel 27 zu unterstellen. *3
Unterabsatz 1 gilt auch für Ausführer, die Erzeugnisse ausführen, die im Einklang mit den Produktionsvorschriften dieser Verordnung hergestellt wurden. *4
Lässt ein Unternehmer eine seiner Tätigkeiten von einem Dritten ausüben, so unterliegt dieser Unternehmer dennoch den unter den Buchstaben a und b genannten Pflichten, und die in Auftrag gegebenen Tätigkeiten unterliegen dem Kontrollsystem. *5
(2) Die Mitgliedstaaten können Unternehmer, die Erzeugnisse direkt an Endverbraucher oder -nutzer verkaufen, von der Anwendung dieses Artikels befreien, sofern diese Unternehmer die Erzeugnisse nicht selbst erzeugen, aufbereiten oder an einem anderen Ort als in Verbindung mit der Verkaufsstelle lagern oder solche Erzeugnisse nicht aus einem Drittland einführen oder solche Tätigkeiten auch nicht von Dritten ausüben lassen. *6
(3) Die Mitgliedstaaten bestimmen eine Behörde oder Stelle, die diesbezügliche Meldungen entgegennimmt. *7
(4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jeder Unternehmer, der die Vorschriften dieser Verordnung erfüllt und als Beitrag zu den Kontrollkosten eine angemessene Gebühr entrichtet, einen Anspruch hat, in das Kontrollsystem einbezogen zu werden. *8
(5) Die Kontrollbehörden und Kontrollstellen führen ein aktualisiertes Verzeichnis mit Namen und Anschriften der ihrer Kontrolle unterliegenden Unternehmer. Dieses Verzeichnis ist den betroffenen Parteien zur Einsicht bereitzuhalten. *9
(6) Die Kommission erlässt nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren Durchführungsbestimmungen zur Regelung des Verfahrens für die Meldung und Unterstellung nach Absatz 1 des vorliegenden Artikels, insbesondere hinsichtlich der in die Meldung nach Absatz 1 Buchstabe a des vorliegenden Artikels aufzunehmenden Informationen. *10
Kommentierung des Artikel 28
*1 Jeder "Unternehmer" soll hier verpflichtet werden. "Unternehmer" sind natürliche und juristische Personen, die verantwortlich dafür sind, dass die Öko-Unternehmen, welche sie unter ihrer Kontrolle haben, die Vorschriften dieser Verordnung einhalten. Diese Definition in Artikel 2 Buchstabe d entspricht jener der Lebensmittel-Basis-Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Dort findet sich die Definition dieses Begriffes und zwar im Gegensatz zur Definition des Begriffs "Unternehmen".
Unternehmer sind natürliche oder juristische Personen, welche Unternehmen beherrschen. Geschäftsführer beherrschen juristische Personen. Juristische Personen beherrschen andere juristische Personen, und sie selbst stehen unter der Kontrolle ihrer gesetzlichen Vertreter, ihrer Geschäftsführer bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder ihrer Vorstände bei der Aktiengesellschaft. Diese Verordnung verwendet den Begriff "Unternehmer" hier so, dass man meinen könnte, dass er tatsächlich auch hier in dieser Verordnung meint, was er in der Lebensmittel-Basis-Verordnung bedeutet. Da Geschäftsführungen und Vorstände häufig die Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Vorschriften bei der Lebensmittelherstellung an fachlich qualifizierte leitende Mitarbeiter delegieren, sind in diesen Fällen jene die "Unternehmer" im Sinne der Verordnung. Da diese aber nicht selten wechseln ist die Meldepflicht hier doch eher als eine Pflicht der Unternehmen zu verstehen, welche durch ihre Vertreter, nämlich die Unternehmer angemeldet werden (vgl. Kommentierung des Artikel 2 *5).
Die Pflicht, die hier begründet wird, erstreckt sich nicht auf alle Unternehmer, die nach der Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung in Artikel 1 Absatz 3 in diesen Anwendungsbereich fallen, denn dann wären auch Transportunternehmen und Werbeagenturen verpflichtet. Vielmehr wird der Kreis der Beteiligung am Umgang mit Ökoprodukten in der englischen Fassung durch die Begriffe "who produces, prepares, stores, or imports from a third country... or who places such products in the market" abgegrenzt. In der deutschen Fassung maßgebend sind die Tatbestandsmerkmale des Erzeugens, des Aufbereitens, des Lagerns, des aus einem Drittland Einführens und des Inverkehrbringens. In den Verkehr bringt, wer auch nur zum Inverkehrbringen bereithält. Es bereitet auf, wer auch nur "alterations" beim "labelling concerning the organic production methods" vornimmt, wobei "labelling" sich auf alle Worte bezieht "referring to a product" (vgl. Kommentierung des Artikel 2 *10 und *12).
Wenn tatsächlich die Kennzeichnung alle Angaben einschließt, welche sich auf ein Ökoprodukt beziehen, sind Angaben in Handelsdokumenten ebenfalls Kennzeichnung. Der Kreis der Kontrollpflichtigen ist weitgefasst. Nicht erfasst sind nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers, wie sich aus den unterschiedlichen Formulierungen des personellen Anwendungsbereichs in Artikel 1 Absatz 3 und dem Kreis der Kontrollpflichtigen in Artikel 28 Absatz 1 ablesen lässt, wer "nur wirbt", also die Werbeagenturen, die Medien und die Textschaffenden. Nicht erfasst sind auch die, die nur transportieren, also die Spediteure. Schon wenn sie Leistungen erbringen, die in Zusammenhang mit der Handelsdokumentation stehen, wenn also dort Ökoangaben im Sinne des Artikel 23 Absatz 1 in Bezug auf Produkte gemacht werden, sind Dienstleister an der Kennzeichnung beteiligt und damit an der Aufbereitung, die hier als kontrollpflichtig bezeichnet ist.
*2 Die Meldung der Tätigkeit erfolgt gegenüber den zuständigen Behörden, wie sie in Artikel 2 Buchstabe n definiert ist. Wer hier seine Tätigkeit anmeldet, ergibt sich aus dem Begriff des "Unternehmers". Aufgrund der lebensmittelrechtlichen Unterscheidung des Begriffs "Unternehmer" und "Unternehmen" könnte man meinen, dass der ökoverordnungsrechtlich verantwortliche leitende Mitarbeiter oder das zuständige Mitglied der Geschäftsführung oder des Vorstandes sich persönlich zu melden hat. Dies macht wenig Sinn, denn auf diese Weise würde zwar klargestellt, wer der tatsächlich fachkundige Verantwortliche ist, es würde aber eine nicht sachdienliche Flut von ständigen Veränderungen an die Behörden gemeldet, die im Kontrollsystem keinen rechten Sinn macht.
*3 Nicht der Unternehmer, also der für die Einhaltung der Vorgaben dieser Verordnung in einem Unternehmen Verantwortliche unterstellt sich dem Kontrollsystem, sondern der Verantwortliche, welcher das Unternehmen unter seiner Kontrolle hat. In Deutschland schließt er dazu regelmäßig einen Kontrollvertrag, der, solange die Ökokontrolle nicht als Staatsaufgabe durch deutsches Gesetz qualifiziert ist, privatrechtlichen Charakter hat, wie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zeigt (vgl. Kommentierung des Artikel 26 *1). In Ländern, die keine privaten Kontrollstellen mit Kontrollaufgaben betrauen, sondern Behörden diese Aufgaben durchführen lassen oder in denen durch Gesetz die Aufgabe der Kontrolle als Staatsaufgabe bestimmt wird, gleichzeitig aber verbunden mit der Übertragung dieser Staatsaufgaben als private Kontrollstellen im Wege der hoheitlichen Beleihung, haben diese Verträge öffentlich-rechtlichen Charakter. In Vollzug des Vertragsverhältnisses müssen die Kontrollstellen dann die einschlägigen Verwaltungsverfahrens-, Verwaltungszustellungs- und Verwaltungsvollstreckungsgesetze beachten. Sie stellen dabei in der Regel fest, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Akte angreifbar oder nichtig ist, mit dem Maß der normativen Regulierung steigt.
*4 Hier soll klargestellt werden, dass, wer immer Produkte in der Europäischen Union herstellt, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen und die er beim Export als Ökoprodukte kennzeichnen möchte, sich als Verantwortlicher eines Ausführers gemäß Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe a melden und das ausführende Unternehmen gemäß Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe b Satz 1 dieser Verordnung dem gemeinschaftsrechtlichen Kontrollsystem für die ökologische Produktion unterstellen muss. Dies ist missglückt. Es ist fraglich, ob die Vorschrift Anwendung findet, wenn die Produktion ausdrücklich nach US-amerikanischen NOSB-Regeln zertifiziert und so bezeichnet ist. Dagegen spricht der vorliegende Wortlaut, der als "Ausführer" nicht erfasst, wer seine Produkte gerade nicht im Einklang mit dieser Verordnung herstellt. Der Text kann auch als Ausnahme von Artikel 23 Absatz 2 gelesen werden. Wer beim Export nach US-Recht auslobt, muss die Verordnung gerade nicht einhalten.
*5 In Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe b Satz 3 wird klargestellt, dass die für einen Subunternehmer, also ein auftragnehmendes Unternehmen tätigen "Unternehmer", das heißt die für das Unternehmen Verantwortlichen, den Pflichten des Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe a und b genügen müssen, indem sie ihre Tätigkeit anmelden und ihr Unternehmen dem gemeinschaftsrechtlichen Kontrollsystem für die ökologische Produktion unterstellen. Die Tätigkeit von lohnverarbeitenden Unternehmen muss von deren Unternehmensleitung selbst dem Kontrollsystem unterstellt werden. Diese Tätigkeit kann nicht praktisch im Annex zu oder inzident in der Kontrolle des auftraggebenden Unternehmens kontrolliert werden. Auftraggebende Unternehmen sind insbesondere die, die Ökoprodukte unter Eigenmarken mit einem einheitlichen Auftritt und entsprechender Wahrnehmung am Markt anbieten, die Produkte jedoch nicht selbst verarbeiten, sondern verarbeiten lassen.
Die Frage, inwieweit Lohnverarbeitung im unmittelbar bäuerlichem Bereich, etwa das Schlachten, das Herstellen von Würsten oder das Trocknen von Getreide, das praktisch in Anlehnung an die Kontrolle der landwirtschaftlichen Unternehmen kontrolliert werden kann, ist hier nicht behandelt.
*6 Da in der Praxis der Mitgliedstaaten Angaben in Bezug auf Ökoprodukte in Handelspapieren entgegen der gesetzlichen Definition der "Verarbeitung" auch in der Vorgängerverordnung nicht in das gesetzliche Kontrollsystem aufgenommen wurden, erfolgt dies durch eine Änderung des Artikel 8 Absatz 1 der Vorgängerverordnung durch die Verordnung (EG) Nr. 392/2004.
Wie schon Artikel 8 Absatz 1 Satz 2 sieht nun Artikel 28 Absatz 2 vor, dass Mitgliedstaaten, wie Deutschland dies im Ökolandbaugesetz getan hat, die Vermarktung direkt an Endverbraucher aus dem gesetzlichen Kontrollsystem herauszunehmen. Klüger wäre es, den Handel mit Fertigpackungen, wie er in Artikel 27 Absatz 3 Satz 2 angesprochen ist, insgesamt aus dem Kontrollsystem herauszunehmen, denn dies führt zu formalen, letztlich aber irrelevanten Kontrollvorgängen, mit welchen die Kontrollstellen und Behörden sich ohne wirkliche Risikoorientierung aufhalten. Dass der Handel mit offenen Waren gegenüber dem Endverbraucher durch die Mitgliedstaaten vollständig aus dem Kontrollverfahren entfernt werden kann, erscheint nicht gerade zwingend. Denn ebenso schlüssig ließe sich hier ein auf dem Zufallsprinzip beruhendes System spontaner, nicht angekündigter Kontrollen gemäß Artikel 27 Absatz 4 Buchstabe a denken.
Umpackvorgänge im Großhandel, insbesondere bei der Trennung oder Pflege von Obst- und Gemüsepartien, geben in der Regel mehr Anlass zur Kontrolle als Abverkäufe in Einzelhandelsfilialen. Die Filialen zu prüfen erscheint angesichts der Vertauschungs-, Täuschungs-, Irrtums- und Betrugsmöglichkeiten auf der Handelsebene als Detailverliebtheit, die das Kontrollsystem von einer wirklich Risikoorientierung letztlich abhält. Dass es einen Unterschied macht, ob ein Einzelhändler am Ort des Verkaufs oder in einem gesonderten Lager, etwa für mehrere Einzelhandelsfilialen, Fertigpackungen mit Ökoprodukten lagert oder die Ware von den Herstellern just in time zu den Einzelhandelsfilialen anliefert, drängt sich nicht auf. Dass sich die Lagerung von Fertigprodukten als Tatbestandsmerkmal geriert, welches entscheidet, ob der Einzelhandel kontrollpflichtig ist oder nicht, erscheint nicht sachgerecht.
Was "in Verbindung mit der Verkaufsstelle" meint, ist strittig. Das deutsche Bundesministerium vertrat im Herbst 2006 die Auffassung, dass es sich um eine räumliche Verbindung handeln muss, also Lagerung an der gleichen Stelle, währendem andere die Auffassung vertraten, dass eine organisatorische Verbindung gemeint sei, also eine Einordnung der Lagerung in den Einzelhandelsbetrieb, so wie dies bei Logistikcentern großer filialisierter Einzelhandelsunternehmen üblich ist, die Fertigpackungen von den Herstellerunternehmern erst dorthin anliefern lassen, um von dort die Ware bedarfsgerecht auf die einzelnen Filialen zu verteilen. Dafür spricht, dass sich das Risiko durch eine direkte Anlieferung vom Hersteller an die Einzelhandelsfilialen nicht erhöht, denn mit den Fertigpackungen manipuliert ohnehin, wenn sie einmal das Herstellerunternehmen verlassen haben, niemand. Dies schon aus wirtschaftlichen Gründen des unverhältnismäßigen Aufwands wegen. Denn der Aufwand wäre höher als der Gewinn einer Vertauschung oder eines Betrugs.
*7 Die Meldungen nach Artikel 28 Absatz 1 müssen nicht von Behörden entgegengenommen werden, sie können, wie in Deutschland üblich, von Kontrollstellen entgegengenommen werden, welche die Meldungen dann weiterleiten. Dies gilt insbesondere für die Meldung der verantwortlichen "Unternehmer" nach Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe a.
*8 Ein Diskriminierungsverbot für die Ausgestaltung und Administration der Zertifizierung findet sich in der EN 45011 unter der Nummer 4.1.1. Diese Verordnung betont den Anspruch auf Zugang zum Kontrollsystem, wie dies schon in Artikel 9 Absatz 2 der Vorgängerverordnung zu finden war. In der Nr. 4.1.2 der EN 45011 ist vorgegeben, dass die Zertifizierungsstelle ihre Dienstleistungen allen Antragstellern zur Verfügung stellen muss. Die Regelung ist historisch durch praktische Monopole von Zertifizierungsgesellschaften bedingt. Wenn eine Industrie, etwa der Maschinenbau, sich auf eine bestimmte Norm einigte, war es in der Regel eine Zertifizierungsstelle, welche diese Norm verwaltete. Hier sollte einem praktischen Kartell vorgebeugt und die Verpflichtung begründet werden, diskriminierungsfreien Zugang allen Unternehmen der Branche zu gewährleisten. Die Regelung passt auch in Mitgliedstaaten, in denen es nur eine Kontrollstelle, häufig eine behördliche, gibt.
Sie passt nicht in Mitgliedstaaten, in denen mehrere oder sogar eine Vielzahl von Kontrollstellen mit gleichartigen Renommee und gleichartiger Sachkunde miteinander konkurrieren. In solcher Lage fehlt die sachliche Grundlage für die hier vorliegende Regelung. Wahrscheinlich ist es angesichts der Unstimmigkeit der Regelung richtig, Kontrollstellen nicht gegen den Wunsch ihrer Leitungen zur Kontrolle bestimmter Unternehmen zu verpflichten, insbesondere, wenn in die Zuverlässigkeit deren leitender Mitarbeiter kein Vertrauen besteht.
*9 Das Verzeichnis der kontrollierten Betriebe entspricht der Vorgabe des Abschnitts 4.8.1 Buchstabe g der EN 45011. Es ist das Verzeichnis, das nach Artikel 27 Absatz 14 jährlich der zuständigen Behörde im Mitgliedstaat zu übermitteln ist. "Betroffene" Parteien sind in der englischen Fassung "interested parties", als jedermann, der den Zugang nicht zu offensichtlichem Missbrauch anstreibt. "Zugänglich" ist in der englischen Fassung "verfügbar" ("available"). Es besteht ein Anspruch auf Verfügbarmachung für jeden aus nicht offensichtlich rechtswidrigen Gründen am Verzeichnis Interessierten.
*10 Die Kommission wird hier im Wege der Delegation von Rechtssetzungsbefugnis durch den Rat ermächtigt, Durchführungsregelungen als Kommissionsverordnung im Verfahren nach Artikel 37 zu erlassen. Diese Kompetenz findet sich allgemein auch schon in Artikel 38 Satz 1. Die Meldungen nach Satz 1 Buchstabe a sollen von der Kommission geregelt werden, wahrscheinlich um eine gemeinschaftsweit harmonisierte Datengrundlage in der Hand der zuständigen Behörden zu schaffen.
Artikel 29
Bescheinigungen
(1) Die Kontrollbehörden und Kontrollstellen nach Artikel 27 Absatz 4 stellen jedem Unternehmer, der ihren Kontrollen unterliegt und in seinem Tätigkeitsbereich die Anforderungen dieser Verordnung erfüllt, eine entsprechende Bescheinigung aus. Diese Bescheinigung muss zumindest über die Identität des Unternehmers und die Art oder das Sortiment der Erzeugnisse sowie über die Geltungsdauer der Bescheinigung Aufschluss geben. *1
(2) Jeder Unternehmer muss die Bescheinigungen seiner Lieferanten prüfen. *2
(3) Die Form der in Absatz 1 genannten Bescheinigung wird nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren erstellt, wobei die Vorteile einer elektronischen Bescheinigung zu berücksichtigen sind. *3
Kommentierung des Artikel 29
*1 Artikel 29 Absatz 1 verdrängt als spezialgesetzliche Regelung die entsprechende Vorgabe, welche Kontrollstellen nach der Europäischen Norm EN 45011 und dem gleichlautenden ISO Guide 65 (allgemeine Anforderungen an Stellen, die Produktzertifizierungssysteme betreiben) gemäß Artikel 27 Absatz 5 Buchstabe c dieser Verordnung einzuhalten haben.
Die EN 45011 verlangt die Ausstellung von Zertifikaten in ihrem Abschnitt 12.3. "Die Zertifizierungsstelle muss jedem Anbieter zertifizierter Produkte seine Zertifizierungsdokumente übergeben, sei es in Form eines Briefes oder eines Zertifikates, die durch einen damit beauftragten Verantwortlichen unterzeichnet sind. Diese formellen Zertifizierungsdokumente müssen folgende Angaben zur Identifizierung enthalten: a) Name und Anschrift des Anbieters, dessen Produkte zertifiziert werden; b) Geltungsbereich der erteilten Zertifizierung, einschließlich, soweit zutreffend: 1) der zertifizierten Produkte, die durch Produkttyp oder Produktpalette identifiziert werden können; 2) der Produktnormen oder anderer normativer Dokumente, nach denen jedes Produkt oder jede Produktart zertifiziert ist; 3) des zutreffenden Zertifizierungssystems; c) Datum des Inkrafttretens und, soweit zutreffend, die Geltungsdauer der Zertifizierung".
Diese Verordnung verlangt in Artikel 29 Absatz 1, was für die privaten Kontrollstellen durch Abschnitt 12.3 der EN 45011 in Verbindung mit Artikel 27 Absatz 5 Buchstabe c gilt, nicht aber für Kontrollbehörden. Artikel 29 Absatz 1 ist lex specialis im Verhältnis zu Abschnitt 12.3 der EN 45011.
Diese Verordnung gibt nicht nur den Kontrollstellen, sondern auch den Kontrollbehörden, also staatlichen Einrichtungen, für welche die Einhaltung der Vorgaben der EN 45011 oder des ISO Guide 65 von dieser Verordnung nicht vorgeschrieben wird, die Verpflichtung auf, eine "Bescheinigung" auszustellen. Dies nicht nur auf Antrag, sondern routinemäßig gegenüber "jedem Unternehmer".
Es handelt sich aber nicht um eine Bescheinigung, welche die biologische Qualität bestimmter Erzeugnisse oder gar Lots bestätigt, sondern um eine Bescheinigung, welche sich auf das "Unternehmen" bezieht, das nach Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe b dem Kontrollsystem unterstellt ist. So erklärt sich die Formulierung in Artikel 29 Absatz 1 Satz 2, dass die "Identität des Unternehmers" und "die Art oder das Sortiment der Erzeugnisse" in die "Bescheinigung" aufzunehmen sind. Außerdem ist die "Geltungsdauer der Bescheinigung" anzugeben. Damit wird klar, dass es sich nicht um eine Bescheinigung der Kontrollstelle handelt, dass eine bestimmte Menge eines Erzeugnisses aus einem bestimmten Betrieb als Ökoprodukt zertifiziert wird.
Sondern es wird der Betrieb bezüglich der Herstellung einer bestimmten Art von Produkten zertifiziert, ohne dass über die Mengen, die dort hergestellt werden, eine Aussage getroffen wird. Hier liegt ein Versäumnis der Kommission vor, denn die Angabe, um welche Größenordnung der Produktion der anzugebenden "Erzeugnisse" es sich beim Unternehmen, für das die Bescheinigung erstellt wird, handelt, wäre essenziell, um den Lieferempfängern und ihren Kontrollstellen eine Chance zu geben, die Größenordnung der Lieferung von Ökoprodukten zumindest auf ihre Plausibilität zu prüfen.
Wenn in Artikel 29 Absatz 1 davon die Rede ist, dass für "Unternehmer" Bescheinigungen ausgestellt werden und dass ihre "Identität" in die Bescheinigung aufzunehmen ist, stellt sich die Frage, was der Verordnungsgeber hier wirklich meint. Wenn man von der Begriffsbestimmung in Artikel 2 Buchstabe d ausgeht, welche die Definition der Lebensmittel-Basis-Verordnung übernimmt, die im Gegensatz zum Begriff des "Unternehmens" steht, hat dies zur Folge, dass das Pflichtensystem des Artikel 28 Absatz 1 einerseits für die "Unternehmer", also die konkret handelnden Personen gilt, während die Unterstellung unter das Kontrollsystem durch einen Kontrollvertrag gemäß Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe b für das "Unternehmen" erfolgt. Konsequenz ist dann die Ausstellung der Bescheinigung bezogen auf das der Kontrolle unterstellte "Unternehmen".
*2 Bei welcher Gelegenheit der Empfänger von Lieferungen die "Bescheinigung seiner Lieferanten" prüfen muss und wie diese Prüfung erfolgen soll, ob ihm also Originalurkunden, ausgefertigt von der Kontrollstelle seiner Lieferanten vorliegen müssen, ergibt sich aus dieser Verordnung nicht.
*3 Nach Artikel 29 Absatz 3 wird die Form der Bescheinigungen durch Kommissionsverordnung im Artikel-37-Verfahren dieser Verordnung festzulegen sein. Hier ist von einer Berücksichtigung der Möglichkeiten "einer elektronischen Bescheinigung" und ihrer Vorteile die Rede, was nahe legt, dass, solange Durchführungsbestimmungen im Sinne des Artikel 38 Satz 1 nicht in Kraft getreten sind, die Prüfung der Bescheinigungen in jeder sachgerechten, den praktischen Bedürfnissen des Verkehrs und der Wirksamkeit des Kontrollsystems gerecht werdender Weise erfolgen können.
Artikel 30
Maßnahmen bei Verstößen und Unregelmäßigkeiten
(1) Bei Feststellung einer Unregelmäßigkeit hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung stellt die Kontrollbehörde oder Kontrollstelle sicher, dass in der Kennzeichnung und Werbung für die gesamte von der Unregelmäßigkeit betroffene Partie oder Erzeugung kein Bezug auf die ökologische/biologische Produktion erfolgt, wenn dies in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Vorschrift, gegen die verstoßen wurde, sowie zu der Art und den besonderen Umständen der Unregelmäßigkeit steht. *1
Bei Feststellung eines schwerwiegenden Verstoßes oder eines Verstoßes mit Langzeitwirkung untersagt die Kontrollbehörde oder Kontrollstelle dem betreffenden Unternehmer die Vermarktung von Erzeugnissen mit einem Bezug auf die ökologische/biologische Produktion in der Kennzeichnung und Werbung für eine mit der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats vereinbarte Dauer. *2
(2) Die Informationen über Unregelmäßigkeiten oder Verstöße, die den ökologischen/biologischen Status eines Erzeugnisses beeinträchtigen, müssen umgehend zwischen den betroffenen Kontrollstellen, Kontrollbehörden, zuständigen Behörden und Mitgliedstaaten ausgetauscht und gegebenenfalls der Kommission mitgeteilt werden. *3
Die Ebene, auf der die Mitteilung erfolgt, ist von der Schwere und dem Umfang der Unregelmäßigkeit bzw. des Verstoßes abhängig. *4
Die Form und die Modalitäten dieser Mitteilungen können von der Kommission nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren geregelt werden.*5
Kommentierung des Artikel 30
*1 Artikel 30 Absatz 1 normiert spezialgesetzlich die Anwendung des allgemeinen, dem Rechtsstaatsprinzip innewohnenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit allen Eingriffshandelns. Es handelt sich um ein spezialgesetzliches Angemessenheitsgebot. Es soll nicht jede Nichtbeachtung der Vorschriften dieser Verordnung bewirken, dass die Angaben gemäß Artikel 23 Absatz 1 unzulässig werden. Vielmehr geht diese Verordnung von dem Gedanken aus, dass nicht jeder Verstoß gegen Vorschriften dieser Verordnung die "Integrität" in Frage stellt. Dementsprechend sieht Artikel 30 Absatz 1 Satz 1 nicht vor, dass die "Feststellung einer Unregelmäßigkeit" ungeachtet ihrer Bedeutung zur Partienaberkennung der Ökozertifizierung führt.
Artikel 30 Absatz 1 Satz 1 verlangt die Beurteilung der "besonderen Umstände" eines jeden Einzelfalls von Unregelmäßigkeiten. Dieses Tatbestandsmerkmal zwingt zur Berücksichtigung aller Parameter, die für die Frage des Erhalts oder der Verletzung der Integrität der betroffenen Produkte maßgebend sind. Die weiteren Tatbestandsmerkmale, insbesondere die "Bedeutung" der Vorschrift, gegen welche verstoßen wurde, wie auch die "Art" der Verletzung, sind Beispiele für besondere Umstände, die zu berücksichtigen sind. Zu diesen besonderen Umständen gehört auch der innere Sachverhalt, also das Bewusstsein des die Unregelmäßigkeit Verursachenden. Hier kann es einen Unterschied machen, ob mit Absicht, Vorsatz, bedingtem Vorsatz (dolus eventualis), schwerer, mittlerer oder leichter Fahrlässigkeit gehandelt wurde. Auch kann maßgebend sein, ob sich die Unregelmäßigkeit auf das Produkt ausgewirkt hat, was bei schlichten Verstößen gegen Aufzeichnungs- und andere kontrollbezogene Pflichten nicht der Fall ist.
Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat damit eine Praxis in den Mitgliedstaaten beendet, nach der deren Behörden oder Gerichte die Auffassung vertraten, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schon durch den Gemeinschaftsgesetzgeber bei der Formulierung aller Vorschriften der Verordnung beachtet worden sei, so dass bei der Anwendung der Verordnung dieser Grundsatz keine eigenständige Bedeutung mehr habe (vgl. das Verwaltungsgericht Lüneburg zum Fall von GVO-Spuren in Schweinefutter während sechs Tagen gegenüber dreißig Wochen ökologischer Fütterung).
Artikel 30 Absatz 1 handelt von "Unregelmäßigkeiten" im ersten Satz und von "Verstößen" im zweiten Satz. "Unregelmäßigkeiten" sind Abweichungen von den Vorschriften dieser Verordnung, ohne dass dabei qualifiziert wird, ob sie unwissend oder vorsätzlich erfolgen. Der Begriff des "Verstoßes", in der englischen Sprachfassung "infringement" und in der französischen "infraction", hebt ebenfalls nicht auf die innere Haltung des Handelnden, sondern nur auf den objektiven Rechtsbruch ab. Auch "Verstöße" können ohne Vorsatz erfolgen.
*2 Während Artikel 30 Absatz 1 Satz 1 sich auf Sanktionen bezüglich einzelner Partien oder Erzeugungen bezieht, handelt Artikel 30 Absatz 1 Satz 2 von Fällen, in denen gegenüber einem "Unternehmer" ein befristetes, partielles Berufsverbot ausgesprochen wird. Artikel 30 Absatz 1 Satz 2 gibt vor, dass bei einem "schwerwiegenden Verstoß" oder einem "Verstoß mit Langzeitwirkung" die Kontrollbehörde oder Kontrollstelle eine Untersagung aussprechen könne. Der Begriff "schwerwiegend" stellt darauf ab, dass nicht jede Unregelmäßigkeit zu einer solchen Untersagung führen kann, auch nicht eine Unregelmäßigkeit, die zu einer Partienaberkennung führte, sondern es muss sich um einen besonders schweren Fall des Verstoßes handeln. Das Angemessenheitsgebot des ersten Satzes dieser Vorschrift gilt auch hier. Es handelt sich bei diesem Gebot um eine Konkretisierung dessen, was in einem Rechtsstaat ohnehin gilt. Daher ist unerheblich, dass der zweite Satz die Vorgabe des ersten hier nicht wiederholt.
Die in dieser Verordnung gewählten Formulierungen haben einen Mangel des entsprechenden Textes der Vorgängerverordnung in deren Artikel 9 Absatz 9 Buchstabe b korrigiert, in dem von einer Untersagung bei einem "offenkundigen Verstoß oder einem Verstoß mit Langzeitwirkung" die Rede war. Da "offenkundig" oder "evident" sich auf die Frage der Erkennbarkeit des Verstoßes für Andere bezog, wäre das einen Verstoß raffiniert verschleiernde Unternehmen im Verhältnis zu einem plump und aufdeckbar handelnden Unternehmen privilegiert worden. Es wurde daher versucht, den Begriff des "offenkundigen Verstoßes" im Sinne einer teleologischen Reduktion als "schwerwiegender Verstoß" auszulegen. Der damit verbundene Meinungsstreit wurde durch die Neufassung dieser Verordnung und die Formulierung in Artikel 30 Absatz 1 Satz 2 beendet.
Die Neufassung wirft allerdings die Frage auf, ob die Sanktion nun nicht mehr gegenüber einem "Unternehmen", sondern nur noch gegenüber einem "Unternehmer" ausgesprochen werden kann. Nach der Begriffsbestimmung in Artikel 2 Buchstabe d ist ein "Unternehmer" eine natürliche oder juristische Person, die selbst für die Einhaltung von Vorschriften verantwortlich ist. Diese Begriffsbestimmung lehnt sich an jene in der Lebensmittel-Basis-Verordnung an, die zwischen "Lebensmittelunternehmern" und "Lebensmittelunternehmen" unterscheidet. Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe a, wo "Unternehmer" verpflichtet werden, ihre "Tätigkeit" zu melden, währenddem sie im folgenden Buchstaben b verpflichtet werden ihr "Unternehmen", also das, für welches sie verantwortlich sind, dem gemeinschaftsrechtlichen Kontrollsystem nach Artikel 27 zu unterstellen, ist auch hier das Tatbestandsmerkmal des "Unternehmers" als jenes des "Unternehmens" zu lesen. Wenn dem Prokuristen eines Unternehmens die Ökovermarktung untersagt würde, würde sie eben der Geschäftsführer vornehmen. Richtiger Empfänger des Vermarktungsverbots auf Zeit ist das Unternehmen.
Die Praxis mancher Mitgliedstaaten war bezüglich der Berufsverbote auf Zeit, wie sie in Artikel 9 Absatz 9 Buchstabe b der Vorgängerverordnung vorgesehen waren und jetzt in Artikel 30 Absatz 1 Satz 2 vorgesehen sind, in Teilen unverhältnismäßig. So hielt das Verwaltungsgericht München das Verbot der Vermarktung von Biomilch durch einen Bergbauern, der von 60 Jungkälbern 5 unzulässig angebunden hatte, für richtig.
Das Berufsverbot auf Zeit bezieht sich auf die "Vermarktung von Erzeugnissen mit einem Bezug auf die ökologische/biologische Produktion", was zur Folge hat, dass beispielsweise Landwirte nicht daran gehindert sind, die Erzeugung von Produkten fortzusetzen und diese nach dem Ende des durch Verwaltungsakt verfügten Berufsverbots abzuverkaufen. Damit ist der Produzent verderblicher Waren schwer bestraft, der Produzent von Wein und anderen Erzeugnissen mit langer Haltbarkeit praktisch nicht. Dies entspricht der gegenwärtigen Praxis unter der Vorgängerverordnung. Wenn es um schwerwiegende Verstöße bei der Verarbeitung von Ökoprodukten geht, wird die Regelung gänzlich unverständlich, denn sie bewirkt in ihrer heutigen Fassung, dass ein Unternehmen, welches im Lohnauftrag für andere Unternehmen tätig wird, also Ökoprodukte nicht selbst vermarktet, sondern für Andere zur Vermarktung durch diese herstellt, von der Sanktion nicht betroffen sein kann.
Das Vermarktungsverbot auf Zeit gemäß Artikel 30 Absatz 1 Satz 2 wirft das Problem der Kumulation auf. Da Sanktionen nicht unverhältnismäßig wirken dürfen, stellt sich die Frage, wie die Verhängung von Bußgeldern oder Strafen nach den Gesetzen des jeweiligen Mitgliedstaats berücksichtigt werden, bzw. wie eine nach Artikel 30 Absatz 1 Satz 2 ausgesprochene Sanktion bei ihrer Verhängung zu berücksichtigen ist. Man kann auch die Frage stellen, ob es sich bei Artikel 30 Absatz 1 Satz 2 um eine strafrechtliche Sanktion handelt, da an persönliches Verhalten ein persönliches Berufsverbot angeknüpft wird. Dieses persönliche Berufsverbot hat überwiegend Sanktionscharakter, weil insbesondere in der ersten Alternative an die "Schwere des Verstoßes" angeknüpft wird, insbesondere an der individuellen Schuld des Handelnden, währenddem der Aspekt der Sicherung der ökologischen Integrität von Produkten und Produktion nicht im Blickpunkt steht. Das Vermarktungsverbot auf Zeit dient nicht dazu, die Erzeugungsbedingungen von künftig vermarkteten Produkten zu verändern, was das Beispiel des Landwirts, der weiter produziert und dann nach dem Ende des Vermarktungsverbots abverkauft, bestätigt, sondern es geht um die Herbeiführung einer Verhaltensänderung der in Unternehmen handelnden Personen, also der "Unternehmer" im Sinne der Lebensmittel-Basis-Verordnung.
Wenn, was denkbar ist, in der Sanktion des Artikel 30 Absatz 1 Satz 2 eine strafrechtliche Sanktion des Gemeinschaftsrechts eigener Art liegt, würde das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis idem) zu beachten sein. Sollte es in seiner strengen Form nicht greifen, wäre es entsprechend zur Sicherung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anzuwenden.
Es ist nicht leicht zu verstehen, weshalb Verstöße "mit Langzeitwirkung" zu Vermarktungsverboten führen sollen. Als praktisch relevante Fälle sind allenfalls solche denkbar, in denen erzeugte Produkte durch Zeitablauf, nämlich bis zum Ablauf des Vermarktungsverbots an ökologischer Integrität gewinnen, etwa indem Pestizidbelastungen während der Lagerung durch Zersetzen verloren gehen.
Die Gegenüberlegung, ob das Verbot vor der Nutzung kontaminierter Betriebseinrichtungen oder Böden für die ökologische Produktion schützt, führt nicht weiter, weil Gegenstand der Untersagung ja gerade nicht die ökologische Produktion, sondern nur die Vermarktung der Produkte ist.
Wenn ein Verstoß zur Kontamination von Produktions- oder Verarbeitungseinrichtungen führte, ist Artikel 30 Absatz 1 Satz 2 kein geeignetes Mittel zur Bewältigung. Vielmehr sind die Vorschriften über zu beachtende Umstellungszeiten bei der Nutzung von Böden oder über die Vermeidung von Kontaminationen bei der Nutzung von Verarbeitungseinrichtungen einschlägig. Hier geht es aber nicht um Sanktionen, wie sie Gegenstand des Artikel 30 Absatz 1 Satz 2 sind, sondern um die Prüfung, ob in einer gegebenen Produktion die Voraussetzungen für eine ökologische Produktion gegeben sind, welche die vorausgesetzte Integrität wahren.
*3 Artikel 30 Absatz 2 Satz 1 verpflichtet zur "Information über Unregelmäßigkeiten oder Verstöße". Adressat dieser Verpflichtung sind "Kontrollstellen, Kontrollbehörden, zuständige Behörden", des weiteren auch Mitgliedstaaten und die Kommission selbst. Diese Pflicht zum Informationsaustausch steht in einem erstaunlichen Gegensatz zur Formulierung in Artikel 31 Satz 2, wo nur davon die Rede ist, dass es diesen Stellen überlassen sein soll ("können"), die Informationen auszutauschen. Der Gegenstand der Informationen unterscheidet sich nur geringfügig. Artikel 30 Absatz 2 Satz 1 handelt von "Unregelmäßigkeiten oder Verstößen". Artikel 31 handelt von allen "einschlägigen Informationen", die notwendig sind, um zu "gewährleisten, dass ein Erzeugnis nach den Vorschriften dieser Verordnung hergestellt wurde". Das Spektrum der von Artikel 31 erfassten Informationen ist daher breiter, denn hier geht es um einen Informationsaustausch auch über Umstände, die nicht Unregelmäßigkeiten oder Verstöße sind, sondern die erforderlich sind, um wirksame Kontrollen herbeizuführen. Der Unterschied ist aber gering. Um so unverständlicher ist es, dass die Verordnung gegenüber den aufgeführten informationspflichtigen Stellen ein derart unklares Signal über die Reichweite ihrer aktiven Informationspflicht gibt.
*4 Artikel 30 Absatz 2 Satz 2 formuliert den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin, dass die Adressaten der Mitteilung, wohl auch ob die Mitteilung überhaupt erfolgt, von der "Schwere und dem Umfang" abhängen sollen.
*5 Artikel 30 Absatz 2 Satz 3 sieht vor, dass die Kommission die "Form und die Modalitäten" der "Informationen über Unregelmäßigkeiten oder Verstöße" im Artikel-37-Verfahren regeln könne. Gemeint ist hier die Regelung durch eine Kommissionsverordnung. Dieser Ermächtigung hätte es nicht bedurft, denn die Kommission ist zum Erlass von Durchführungsbestimmungen schon durch Artikel 38 Satz 1 dieser Verordnung allgemein ermächtigt. Dem korrespondiert, dass sie auch die aktive Weitergabe von Informationen, die sich nicht auf festgestellte "Unregelmäßigkeiten oder Verstößen" beziehen, regeln könnte, indem sie Formen und Modalitäten dieser Mitteilung im Artikel-37-Verfahren durch Kommissionsverordnung regelt.
Artikel 31
Informationsaustausch
Auf Antrag müssen die zuständigen Behörden, die Kontrollbehörden und die Kontrollstellen einschlägige Informationen über die Ergebnisse ihrer Kontrollen mit anderen zuständigen Behörden, Kontrollbehörden und Kontrollstellen austauschen, soweit der Antrag mit der Notwendigkeit begründet ist zu gewährleisten, dass ein Erzeugnis nach den Vorschriften dieser Verordnung hergestellt wurde. Sie können diese Informationen auch von sich aus austauschen. *1
Kommentierung des Artikel 31
* 1 Der "Informationsaustausch", der hier geregelt wird, bezieht sich nicht auf die Information von Verbrauchern oder Unternehmen, etwa über die Verletzung der Vorschriften dieser Verordnung durch andere. Diese Informationen können in Deutschland gemäß dem Verbraucherinformationsgesetz des Bundes abgefragt werden. Die Informationen, die bei privaten Kontrollstellen vorhanden sind, werden von den zuständigen Zulassungs- und Aufsichtsbehörden mitgeteilt, soweit die privaten Kontrollstellen als Verwaltungshelfer oder private Beliehene tätig werden. So wird die Nichteinhaltung der Vorschriften dieser Verordnung regelmäßig durch entsprechende Vermerke in den Inspektionsberichten der Ökokontrollstellen dokumentiert. Nach dem Informationsgesetz des Bundes können die dort verzeichneten Verstöße gegen diese Verordnung als Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Normen abgefragt werden, denn diese Verordnung wurde aufgrund der Annexkompetenz aus Artikel 37 für lebensmittelrechtliche Regelungen, die mit den Erzeugnissen nach Anhang I des EG-Vertrags zu treffen sind, erlassen. Aufzeichnungen, die in den Kontrollberichten vorhanden sind, sind von den Aufsichtsbehörden auf Anfrage jedermann mitzuteilen. Dies gilt für beliehene, wie für nicht beliehene Kontrollstellen. Es bedarf keines besonderen Auskunftsinteresses. Die Verbraucherinformation ist ein Jedermannsrecht. Die Auskünfte sind gebührenfrei, da es sich um solche gemäß § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Verbraucherinformationsgesetzes handelt.
Artikel 31 dieser Verordnung regelt andere Informationen. Wenn eine Kontrollstelle zu prüfen hat, ob Pestizidspuren einer Gemüsekultur auf Verstöße des Landwirts zurückzuführen sind, wird sie ein Interesse haben aufzuklären, ob die ihm von einem anderen Betrieb gelieferten Jungpflanzen möglicherweise schon mit diesen Pestiziden belastet waren oder ob gar die Pestizidbelastung auf die Beizung des Samens, aus dem die Jungpflanzen gezogen worden waren, zurückgeht. Da in der Vergangenheit die Kontrollstellen sich wechselseitig eher zögernd Auskunft erteilten, wurde hier eine Verpflichtung normiert, dass die eine Kontrollstelle der anderen Kontrollstelle auf Antrag Informationen zu erteilen hat. Bedingung für die Pflicht, Informationen zu erteilen, ist, dass die beantragende Kontrollstelle die Information benötigt, um zu gewährleisten, dass ein Erzeugnis nach den Vorschriften dieser Verordnung hergestellt wurde. Ein allgemeines Informationsinteresse genügt nicht, aber jedes Interesse, dass darauf zielt, Entscheidungen über das eigene Verhalten als Kontrollstelle entsprechend den Vorschriften dieser Verordnung zu treffen. Artikel 31 Satz 1 betrifft nur die Mitteilung von Information auf Antrag des Empfängers. Satz 2 stellt klar, dass die Information auch ohne entsprechenden Antrag auf eigene Initiative erteilt werden kann.
Es fällt auf, dass hier keine Pflicht zur aktiven, ungefragten Information von Kontrollstelle zu Kontrollstelle begründet wurde.
Denn es hätte nahegelegen, eine Pflicht zur Mitteilung von Informationen vorzusehen, wenn die "Notwendigkeit" begründet ist, diese Information zu erteilen, um zu "gewährleisten, dass ein Produkt nach den Vorschriften dieser Verordnung hergestellt wurde". Dass Artikel 31 Satz 2 durch seine den Eindruck freien Beliebens der Informationsträger begründet, derart notwendige Informationen Anderen mitzuteilen oder nicht, geht an der Zielsetzung dieser Verordnung, ein schlüssiges Kontrollsystem zu begründen, vorbei. Ökokontrollstellen, die ihr Wissen für sich behalten, können dies mit Artikel 31 Satz 2 begründen. Für die staatlichen Kontrollbehörden gilt das Gleiche.
In auffallendem Gegensatz zu der Freiheit, Informationen aktiv zu vermitteln oder nicht, wie sie in Artikel 31 Satz 2 formuliert ist, steht die Verpflichtung in Artikel 30 Absatz 2 Satz 1 über Fälle festgestellter Unregelmäßigkeiten und Verstöße zu berichten. Da Informationen aber in der Praxis gerade dann, wenn Unregelmäßigkeiten und Verstöße noch nicht festgestellt werden konnten, erforderlich sind, um überhaupt eine Prüfung vorzunehmen, ist das Verhältnis zwischen der Freiheit zu aktiver Information in Artikel 31 Satz 2 und der Pflicht zu aktiver Information in Artikel 31 Absatz 2 Satz 1 ungeeignet abgegrenzt. Hier liegt ein Versäumnis des Gemeinschaftsgesetzgebers vor.
TITEL VI
HANDEL MIT
DRITTLÄNDERN
Artikel 32
Einfuhr konformer
Erzeugnisse
(1) Ein aus einem Drittland eingeführtes Erzeugnis darf in der Gemeinschaft als ökologisches/bio-logisches Erzeugnis in Verkehr gebracht werden, sofern*1
a) das Erzeugnis den Vorschriften der Titel II, III und IV sowie den gemäß dieser Verordnung erlassenen für seine Produktion einschlägigen Durchführungsbestimmungen genügt; *2
b) alle Unternehmer, einschließlich der Ausführer, der Kontrolle durch eine nach Absatz 2 anerkannte Kontrollbehörde oder Kontrollstelle unterworfen worden sind; *3
c) die betreffenden Unternehmer den Einführern oder den nationalen Behörden die von der Kontrollbehörde oder Kontrollstelle gemäß Buchstabe b ausgestellte Bescheinigung nach Artikel 29 jederzeit vorlegen können, die die Identität des Unternehmers, der den letzten Arbeitsgang durchgeführt hat, belegt und es ermöglicht, die Einhaltung der Bestimmungen der Buchstaben a und b dieses Absatzes durch diesen Unternehmer zu überprüfen. *4
(2) Die Kommission erkennt nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren die Kontrollbehörden und Kontrollstellen nach Absatz 1 Buchstabe b des vorliegenden Artikels, einschließlich der Kontrollbehörden und Kontrollstellen nach Artikel 27, die in Drittländern für die Durchführung der Kontrollen und die Ausstellung der Bescheinigungen nach Absatz 1 Buchstabe c des vorliegenden Artikels zuständig sind, an und stellt ein Verzeichnis dieser Kontrollbehörden und Kontrollstellen auf. *5
Die Kontrollstellen müssen nach der Europäischen Norm EN 45011 bzw. ISO Guide 65 (Allgemeine Anforderungen an Stellen, die Produktzertifizierungssysteme betreiben) in der zuletzt im Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe C, bekannt gemachten Fassung akkreditiert sein. Die Kontrollstellen werden einer regelmäßigen Evaluierung vor Ort, Überwachung und mehrjährigen Wiederbewertung ihrer Tätigkeiten durch die Akkreditierungsstelle unterzogen. *6
Bei der Prüfung der Anträge auf Anerkennung fordert die Kommission bei der Kontrollbehörde oder Kontrollstelle alle erforderlichen Informationen an. Die Kommission kann auch Sachverständige beauftragen, vor Ort eine Prüfung der Produktionsvorschriften und der von der betreffenden Kontrollbehörde oder Kontrollstelle in dem Drittland durchgeführten Kontrolltätigkeiten vorzunehmen. *7
Die anerkannten Kontrollstellen oder Kontrollbehörden stellen die Bewertungsberichte der Akkreditierungsstelle oder gegebenenfalls der zuständigen Behörde über die regelmäßige Evaluierung vor Ort, Überwachung und mehrjährige Wiederbewertung ihrer Tätigkeiten zur Verfügung. *8
Auf der Grundlage der Bewertungsberichte stellt die Kommission mit Unterstützung der Mitgliedstaaten eine angemessene Überwachung über die anerkannten Kontrollbehörden und Kontrollstellen sicher, indem sie eine regelmäßige Überprüfung ihrer Anerkennung vornimmt. Die Art der Überwachung wird anhand einer Bewertung des Risikos von Unregelmäßigkeiten oder Verstößen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung festgelegt. *9
Kommentierung des Artikel 32
*1 Die Europäische Gemeinschaft muss Ökoprodukten aus Drittstaaten den Zugang zum gemeinsamen Markt öffnen. Dies gehört zu ihren WTO-Pflichten, insbesondere nach dem TBT-Abkommen. Produkten, die unter gleichwertigen Bedingungen wie Ökoprodukte in der Europäischen Gemeinschaft produziert wurden, muss der Zugang zum EU-Markt gewährt werden. Dieser Gleichwertigkeitszugang wurde durch die Vorgängerverordnung gewährt. Die Gleichwertigkeitsprüfung erfolgte entweder durch die Kommission, nämlich wenn Drittstaaten mit dem Begehren vorstellig wurden, in einer Drittlandsliste mit bestimmter auf ihrem Territorium zuständigen Kontrollstellen geführt zu werden. Noch nicht einmal ein Dutzend Drittstaaten unterwarf sich diesem Verfahren. Kein Mitgliedstaat hat von der Möglichkeit nach Artikel 11 Absatz 7 der Vorgängerverordnung Gebrauch gemacht, sich dafür einzusetzen, dass eine Kontrollstelle eines Drittlands in die Drittlandsliste aufgenommen wird. Auf diese Weise lief die Gleichwertigkeitsprüfung einzelner Kontrollstellen auf der Kommissionsebene, die 1991 als Hauptzugangspfad zum EU-Binnenmarkt geplant worden war, ins Leere. Nur Importe aus Argentinien, Australien, Costa Rica, Israel, der Schweiz und Neuseeland erfolgten unter dem Regime der Drittlandsliste. Für Erzeugnisse aus Drittländern, die nicht auf der Drittlandsliste geführt wurden, war das System der Einzelfallimportermächtigungen eingeführt. Die Einführer legten danach jeweils nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten Nachweise für die Gleichwertigkeit der Produktion und Kontrollen von Bioprodukten aus Drittstaaten vor. In Deutschland war nach § 2 Absatz 1 Nummer 4 des Ökolandbaugesetzes die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung für die Erteilung der Genehmigung der Vermarktung von aus Drittländern eingeführten Erzeugnissen nach Artikel 11 Absatz 6 der Vorgängerverordnung zuständig. Die Kommission betrieb die Revision der Vorgängerverordnung im Wesentlichen mit dem Ziel, ihre Kompetenzen im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten zu stärken, was für den Zweck der Drittlandimporte bedeutet, dass die Mitgliedstaaten hier keine Kompetenz mehr haben werden. Dies soll zur Folge haben, dass Unterschiede in der Bewertung, wie sie sich in der Praxis zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten entwickelten, nicht mehr auftreten sollen.
Künftig wird es sich um Unterschiede der Praxis verschiedener Kontrollstellen handeln, die den Markt prägen. Diese Verordnung sieht nämlich nicht die Prüfung einzelner Importe vor, wie sie bislang für die meisten Drittlandimporte durch die Behörden der Mitgliedstaaten erfolgte, vielmehr soll sich die Äquivalenzprüfung auf die Praxis von Kontrollstellen beziehen. Es sollen zwei Listen für Kontrollstellen und eine Liste für Drittländer geführt werden.
Die eine Liste für Kontrollstellen soll die Kontrollstellen erfassen, welche Drittstaatenprodukte auf ihre Gleichwertigkeit prüfen. Die andere Liste der Kontrollstellen soll jene umfassen, welche Drittstaatenprodukte auf ihre Konformität mit den EU-Anforderungen überprüfen.
Die Liste der Drittstaaten soll Drittstaaten mit ihren Kontrollstellen aufführen, welche die Drittstaatenprodukte auf ihre Gleichwertigkeit mit Ökoprodukten überprüfen.
Neben dem Ziel der Kommission, die eigene institutionelle Position zu sichern und die Drittstaatenkontrolle aus den Verwaltungen der Mitgliedstaaten abzuziehen und auf der Kommissionsebene anzusiedeln, wird überlagert durch den Versuch, einer vermeintlichen weiteren WTO-Pflicht gerecht zu werden, nämlich der Pflicht, nicht nur einen Gleichwertigkeitsimport anzubieten, sondern zugleich auch einen alternativen Pfad, nämlich den Pfad der Importe unter vollständiger Konformitätsgewährleistung zu eröffnen. Hier dürfte allerdings ein Missverständnis vorliegen, das eher Anlass zu weiteren WTO-Auseinandersetzungen geben wird, als dass diese vermieden werden. Drittstaatenprodukte, die nicht mit einer Konformitätszertifizierung importiert werden, sondern nur mit einer Gleichwertigkeitszertifizierung, werden eher auf das Misstrauen stossen, doch nicht wirkliche Bioprodukte zu sein. Denn wenn es die Möglichkeit der Konformitätszertifizierung gibt, werden sich die Einkäufer fragen, warum sie nicht diese erhalten, sondern nur eine Gleichwertigkeitszertifizierung.
Diese Verordnung führt in die Behandlung von Ökoprodukten aus Drittstaaten völlig neu eine Differenzierung ein, welche die Vorgängerverordnung nicht kannte. Die Vorgängerverordnung erlaubte die Einfuhr von gleichwertigen Drittstaatenprodukten ohne Diskriminierungsmöglichkeit durch eine Konformitätszertifizierung auch für Drittstaatenprodukte. Diese Verordnung eröffnet nun aber diese Diskriminierung und wird daher Anlass zu Auseinandersetzungen im WTO-System geben. Ein Staat, der aufgrund seiner Agrarstruktur die Gleichwertigkeitszertifizierungen erlangen kann, insbesondere für größere kleinbäuerliche Produktionsgruppen, wird sich mit Recht dagegen wehren, dass ihm die Konformitätszertifizierung verwehrt wird und seine Erzeuger damit im Verhältnis zu Erzeugern aus anderen Drittstaaten mit stärker industriell geprägter Ökoproduktion, die sich ohne Weiteres als EU-konform zertifizieren lässt, diskriminiert werden.
Artikel 32 Absatz 1 formuliert Bedingungen für das Inverkehrbringen eines Erzeugnisses aus Nicht-EU-Ländern als "ökologisches/biologisches Erzeugnis". Die englische Fassung handelt von einer Vermarktung "as organic". Gemeint ist das Inverkehrbringen unter Gebrauch der Begriffe, die im Wege der gesetzlichen Fiktion des Artikel 23 Absatz 1 vom Gemeinschaftsgesetzgeber als Kennzeichnung ökologischer/biologischer Erzeugnisse festgestellt wurden.
"Drittland" sind die Gebiete, die nicht in den Geltungsbereich des EG-Vertrags gemäß dessen Artikel 299 fallen. Absatz 1 führt die Mitgliedstaaten auf. Absatz 2 stellt klar: "Dieser Vertrag gilt für die französischen überseeischen Departments, die Azoren, Madeira und die Kanarischen Inseln".
1998 trat die Europäische Gemeinschaft dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen bei. Folglich gehört zum Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts nach dessen Grundsätzen neben dem Küstenmeer auch der Festlandssockel, nicht aber die hohe See. In der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) haben die Küstenstaaten nach Artikel 56 des Seerechtsübereinkommens "souveräne Rechte zum Zweck der Erforschung und Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und der nicht lebenden natürlichen Ressourcen". Produkte der Aquakultur oder des Fischfangs, die nach diesem Regime der Europäischen Gemeinschaft zuzurechnen sind, sind keine Drittstaatenerzeugnisse.
Nach Artikel 299 Absatz 6 findet der Vertrag auf die Hoheitszonen Großbritanniens und auf Zypern keine Anwendung und auch nicht auf die Färöer. Die überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, die in Anhang II des EG-Vertrags aufgeführt sind, die also als Drittstaaten behandelt werden, sind die Folgenden:
Das völkerrechtlich von Dänemark abhängende autonome Gebiet Grönland. Neukaledonien und seine Nebengebiete, Französisch-Polynesien, die französischen Antarktisgebiete, Wallis und Futuna, alles überseeische Gebiete der französischen Republik. Die "collectivités territoriales" Mayotte und St. Pierre et Miquelon . Aruba und die Niederländischen Antillen (Bonaire, Curaçao, Saba, Sint Eustatius, Sint Maarten) mit besonderen Beziehungen zu den Niederlanden. Außerdem Anquilla, die Kaimaninseln, die Falklandinseln, Südgeorgien und die südlichen Sandwichinseln, Montserrat, Pitcairn, St. Helena mit den Nebengebieten, das Britische Antarktis-Territorium, das Britische Territorium im Indischen Ozean, die Turks- und Caicosinseln, die Britischen Jungferninseln und Bermuda als überseeische Länder und Gebiete mit besondern Beziehungen zu Großbritannien. Diese Gebiete sind völkerrechtlich nicht selbständig. Sie werden durch ihre jeweiligen Mutterländer vertreten. Gleichwohl gelten sie für die Zwecke dieser Verordnung als Drittstaaten.
*2 Wenn hier davon die Rede ist, dass ein "Erzeugnis" den Vorschriften der "Titel II, III und IV" genügen soll, wird die Systematik dieser Verordnung auf den Kopf gestellt. Titel II enthält Grundsätze, welche den Gesetzgeber beim Erlass von Durchführungsverordnungen steuern. Erst Titel III und die folgenden enthalten gesetzliche Verpflichtungen, die sich unmittelbar an die rechtsunterworfenen Unternehmen richten. Die hier vorliegende Formulierung lässt sich allenfalls dadurch erklären, dass beim Einsatz von Stoffen, die nicht der Positivlistungspflicht unterliegen, die Erzeuger und Kontrollstellen nach Artikel 16 Absatz 5 prüfen müssen, ob die Verwendung der nichtpositivlistungspflichtigen Erzeugnisse und Stoffe "den Zielen und Grundsätzen des Titels II" entspricht. Insoweit, also mittelbar durch Verweisung von Vorschriften des Titel III auf die Inhalte des Titel II kommt es zur Relevanz des Titel II für die Beurteilung der Herstellung von Erzeugnissen. Es handelt sich aber nur um eine überaus mittelbare Relevanz, so dass das Aufführen des "Titel II" eher als redaktionelle Unsicherheit anzusehen ist.
*3 Es wird verlangt, dass "alle Unternehmer" der Kontrolle unterworfen sind. Die "Ausführer" werden herausgehoben genannt. Spiegelbildlich ist jeder Unternehmer, der "aus einem Drittland einführt" nach Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 zur Teilnahme am innergemeinschaftlichen Kontrollsystem verpflichtet. Das Tatbestandsmerkmal "alle" Unternehmer bezieht sich auf die Unternehmer, die, würde die Produktion in der Europäischen Gemeinschaft erfolgen, nach Artikel 28 Absatz 1 zur Teilnahme am Kontrollsystem verpflichtet wären. Diese Verordnung verpflichtet die Kontrollbehörden und Kontrollstellen, die anerkannt und in die Liste der Konformitätskontrollstellen für Drittlandsimporte aufgenommen wurden, nicht ausdrücklich zur Einhaltung der Vorschriften des Titel V. Dies geht möglicherweise auf den Gedanken zurück, dass die Akkreditierungsstelle eine entsprechende Einhaltung verlangen könnten. Folgerichtig ist dies aber nicht, denn die Akkreditierung setzt einen Akkreditierungsmaßstab voraus. Dieser ist hier nicht gesetzt, weil die Anwendung des Titel V für Kontrollstellen, die in Drittstaaten Konformitätsprüfungen vornehmen, nicht angeordnet ist. Die Lücke kann aber durch Analogie geschlossen werden.
*4 Das Tatbestandsmerkmal der "betreffenden" Unternehmer bezieht sich auf den Kreis der Unternehmer, die nach Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe b außerhalb der Europäischen Gemeinschaft kontrollunterworfen sein müssen. Diese Unternehmer haben gegenüber zwei Gruppen, einerseits gegenüber den "Einführern", andererseits gegenüber den "nationalen Behörden", gemeint sind die Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Einführer ansässig ist, eine Verpflichtung, die Kontrollbescheinigungen nach Artikel 29 vorzulegen.
Es handelt sich dabei um die Konformitätszertifikate, welche die Kontrollstellen nach der EN 45011 vorzulegen haben. Der Inhalt dieser Bescheinigungen ist durch Artikel 29 Absatz 1 Satz 2 begrenzt auf die schlichte Angabe der Identität des Unternehmens und der Art oder des Sortimentes der Erzeugnisse, die dort hergestellt werden. Es handelt sich keineswegs um eine partienbezogene Bescheinigung. Hierin liegt eine wesentliche Handelserleichterung für Drittstaatenprodukte, die mit einer Konformitätszertifizierung nach Artikel 32 in die Europäische Gemeinschaft eingeführt werden. Für sie ersparen sich die Importeure die Verwaltungsarbeit, die mit dem partienbezogenen Zertifikat einhergeht, wie es nach Artikel 33 Absatz 1 dieser Verordnung als "Kontrollbescheinigung für das Erzeugnis erteilt" und der Ware bis zum Betrieb des ersten Empfängers beigefügt sein muss. Der Verwaltungsaufwand für die Gleichwertigkeitseinfuhr ist damit deutlich höher als für Konformitätsimporte. Die damit einhergehende Diskriminierung wirkt als nichttarifaires Handelshemmnis.
Die betriebsbezogenen Konformitätszertifikate müssen nicht vorgelegt werden, sondern sie müssen jederzeit vorgelegt werden "können", wenn dies gefordert wird. Ziel der Vorlage ist auch nicht etwa die Prüfung der Identität aller Unternehmer, die am Handel beteiligt sind, sondern nur eine Identitätsprüfung des Betriebs, "der den letzten Arbeitsgang durchgeführt" hat. Diese für einen gesetzlichen Tatbestand eher ungeschickte Formulierung nimmt die Begrifflichkeit auf, wie sie in den Fachkreisen der ökologischen Produktion verwandt wird. Gemeint ist der letzte Schritt der "Aufbereitung", also der letzte Schritt der Verpackung, der letzte Schritt des Eingriffs in die Kennzeichnung betreffend die ökologische/biologische Produktionsweise (vgl. Kommentierung des Artikel 2 *10).
*5 Wenn hier vorgegeben wird, dass die Kommission nach dem Artikel-37-Verfahren Kontrollbehörden und -stellen anerkennt, die in Drittländern die Konformitätskontrolle durchführen, ist damit der Erlass von Listen dieser Einrichtungen durch Kommissionsverordnung gemeint. Im Verhältnis zu antragstellenden Kontrollstellen wäre die Entscheidung der Kommission, dem Antrag nicht zu folgen und dem Artikel-37-Ausschuss keinen Entwurf mit der Listung der Kontrollstelle vorzulegen, eine Entscheidung, welche die Kontrollstelle so individualisiert betrifft, dass diese selbst klagbefugt wäre.
Gegen Akte der Europäischen Gemeinschaften können Einzelne nur ausnahmsweise, nämlich dann klagen, wenn sie in einer nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs besonders individualisierten Weise betroffen sind. Dies ist jedenfalls dann gegeben, wenn ein Antrag auf Zulassung abschlägig verbeschieden wird. Diese Verordnung handelt zwar nicht von Anträgen von Kontrollstellen, sondern von einer Verpflichtung der Kommission eine Liste aufzustellen. Jedoch ergibt sich aus der Natur der Sache, dass es sich um die Entscheidung über ein Individualbegehren handelt, da die Kommission keine Kontrollstellen listen wird, die mit Listung nicht einverstanden sind. Dementsprechend sieht der Entwurf der Kommission für eine Kommissionsverordnung zur Durchführung der Drittlandsimportregelungen in Artikel 7 vor, dass die Kommission das Aufführen in der entsprechenden Liste der Kontrollstellen aufgrund eines Antrags der Kontrollstelle erfolgt. Folgt die Kommission diesem Antrag nicht, ist die Kontrollstelle klagbefugt.
Die Verpflichtung, diese Liste aufzustellen, gilt nach Artikel 11 der Vorgängerverordnung in der Fassung vom Dezember 2006 nun schon seit dem Jahresbeginn 2007. Die Kommission wurde nicht tätig. Entsprechend ist damit zu rechnen, dass dann, wenn eine Kontrollstelle einmal in der Liste aufgeführt ist, die als Anhang zu einer Kommissionsverordnung im Amtsblatt veröffentlicht wird, in diese Listung nicht mehr eingegriffen wird, diese vielmehr jahrelang ungeprüft fortbesteht (vgl. Kommentierung des Artikel 32 *9).
Neu ist auch die Liste der Ökokontrollstellen, welche in Drittstaaten die Übereinstimmung mit EU-Anforderungen kontrollieren können sollen und zwar auch in Drittstaaten, die mit ihren eigenen Kontrollstellen in einer Drittlandsliste geführt werden. Diese Drittstaaten werden die neuen Aktivitäten der international tätigen „EU-Ökokontrollstellen" kritisch sehen. Es ist fraglich, ob Drittstaaten künftig dulden werden, dass Beauftragte der EU-Kommission auf ihrem Staatsgebiet die Kontrollstellen kontrollieren. China hat im Notifikationsverfahren vor der WTO schon auf die Beachtung seiner Souveränität hingewiesen. Manche Handelsunternehmen werden den neuen Importweg der „übereinstimmenden" Produkte bevorzugen, weil sie diesen Weg als den sichersten erachten. Was ist aber dann mit den anderen Bioprodukten aus Drittstaaten, die als „nur" gleichwertig zertifiziert wurden? Wie werden sie wahrgenommen? Ihre Zertifizierung wird eben als nur gleichwertig, aber nicht dem EU-Recht konform bewertet. Die Artikel-32-Importe werden den Artikel-33-Importen vorgezogen werden.
*6 Die Kommission legte im Februar 2007 als Teil ihres "New Approach" einen Entwurf für eine Verordnung "über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten" vor. Mit der Verabschiedung wird 2008 gerechnet. So ist vorgesehen, dass jeder Mitgliedstaat bis zum Jahresende 2009 eine nationale Akkreditierungsstelle einrichtet. In Deutschland ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie federführend. Es wird die für Deutschland erforderlichen nationalen Rechtsvorschriften entwerfen. Die Akkreditierung wird nach den Entwürfen der Kommission als im Grunde staatliche Angelegenheit behandelt, die nicht Gegenstand von Wettbewerb konkurrierender Akkreditierer sein soll.
In Deutschland hatte sich ein System von Akkreditierungsstellen im geregelten und im nichtgeregelten Bereich herausgebildet. Im Gegensatz zur Akkreditierung, die als Tätigkeit in der Verantwortung des Staates behandelt wird, wird die Tätigkeit der Kontrollstellen gemeinschaftsrechtlich als Tätigkeit konkurrierender sachverständiger Einrichtungen betrachtet.
Akkreditierung ist die Bestätigung durch eine dritte Stelle, nämlich den Akkreditierer, dass eine Ökokontrollstelle als Konformitätsbewertungsstelle die Kompetenz besitzt, ein Unternehmen darauf zu prüfen, ob es die Vorgaben dieser Verordnung einhält. Es geht also um die Prüfung, ob die in dieser Verordnung vorgesehenen Konformitätsbewertungsaufgaben von einer Kontrollstelle erfolgreich durchgeführt werden können.
Dass diese Verordnung nicht mehr nur ein Einhalten der Bedingungen der EN 45011 oder des ISO Guide 65, beide textgleich, vorsieht, wie dies noch bei der Vorgängerverordnung der Fall war, erklärt sich auf dem Hintergrund dieser jüngsten Entwicklung, nach der das System der Akkreditierung erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird, dies nicht nur auf der Gemeinschaftsebene, sondern auch in Deutschland. Denn auch hier entwickelte sich das Akkreditierungswesen eher spontan aus dem Bedürfnissen der Wirtschaft heraus.
In Deutschland akkreditiert das DAP Deutsches Akkreditierungssystem Prüfwesen GmbH. Gesellschafter sind der Verband der Materialprüfungsämter e.V. (VMPA), die Germanische Lloyd Industrial Services GmbH (GLIS), die Landesgewerbeanstalt Bayern (LGA) und der Verband der TÜV e.V. (VdTÜV). Es akkreditiert Laboratorien, aber auch Ökokontrollstellen. Da diese Akkreditierungen gesetzlich nicht geregelt sind, spricht man von einer Tätigkeit "im gesetzlich nicht geregelten Bereich".
Als Akkreditierer im gesetzlich nicht geregelten Bereich kann bis heute jeder auftreten. Der gesetzlich geregelte und der gesetzlich nicht geregelte Bereich, also der Bereich, in dem sich Zertifizierungsstellen freiwillig der Akkreditierung unterziehen, ist im Deutschen Akkreditierungsrat (DAR) vertreten. Er ist selbst kein Akkreditierer, sondern wirkt politisch und auf der internationalen Ebene. Für den gesetzlich geregelten Bereich wurde 2001 durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eine Koordinierungsgruppe des gesetzlich geregelten Bereichs (KOGB) bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post gegründet. Manche der Behörden von Bund und Ländern, die Aufgaben der Akkreditierung aufgrund gesetzlicher Regelungen wahrnehmen, sind dort vertreten. Die Arbeitsgebiete beziehen sich insbesondere auf das gesetzliche Messwesen, technische Arbeitsmittel, Medizinprodukte, Schiffsausrüstungen und Gefahrstoffe.
Da die Akkreditierung von Kontrollstellen im gemeinschaftsrechtlichen System für den ökologischen Landbau bislang noch nicht gesetzlich angeordnet war, denn die Vorgängerverordnung nannte die EN 45011 nur als Maßstab für die Zulassungsentscheidung der Behörden, waren bislang Akkreditierer, etwa die DAP GmbH, im nicht gesetzlich geregelten Bereich als Akkreditierer von Ökokontrollstellen tätig. Manche der Ökokontrollstellen suchten diese Akkreditierung, um im internationalen Verkehr Kompetenz deutlicher kommunizieren zu können.
Es fällt auf, dass die Kontrollstellen, wenn sie in eine als Kommissionsverordnung geführte Liste aufgenommen sind, zwar ihre Akkreditierung aufrecht erhalten müssen, Artikel 32 Absatz 2 Satz 3 sieht aber nur "mehrjährige Wiederbewertungen ihrer Tätigkeiten" durch die Akkreditierungsstelle vor. Es überrascht, dass Unternehmen, die mit Ökoprodukten befasst sind, sich in der Regel jährlich einer Kontrolle unterziehen müssen, Kontrollstellen selbst, die international Konformitätsprüfungen vornehmen, aber offenbar nur im Abstand von mehreren Jahren geprüft werden sollen. Allerdings sollen diese Kontrollen dann "vor Ort" erfolgen, was meint, dass nicht nur die Dokumentationslage am häufig europäischen Sitz der Kontrollstelle überprüft wird, sondern die praktische Wirksamkeit der Kontrolle am Ort der kontrollierten Produktionshandlungen in den Drittstaaten.
Damit wird ein exterritoriales Tätigwerden der Akkreditierungsstellen verlangt. Da diese nach der Auffassung der Kommission als Stellen zu bewerten sind, die staatliche Aufgaben wahrnehmen und nicht im Wettbewerb zu einander stehen, wird zu solcher Tätigkeit regelmäßig die Zustimmung der Drittstaatenregierungen einzuholen sein. Die englische Fassung spricht "regular on-the-spot evaluation" und "multiannual re-assessment" durch die Akkreditierungsstelle. Gemeint ist offenbar die Wiederholung der Akkreditierung in mehrjährigem Abstand und während dieser Zeit zu geeigneten Zeitpunkten gelegentliche Kontrollbegleitungen vor Ort. Das Tatbestandsmerkmal "regelmäßig" bezogen auf die Kontrollbegleitungen meint wahrscheinlich solche, wie sie zur Vorbereitung der Entscheidung über die Wiederakkreditierung erforderlich sind. Derart gelegentliche Kontrollbegleitungen und Prüfung der Dokumentation in mehrjährigem Abstand steht in erstaunlichem Gegensatz zur Nachhaltigkeit der behördlichen Aufsicht über private Kontrollstellen, die im Binnenmarkt tätig sind.
Zur EN 45011 und dem ISO Guide 65 siehe die Kommentierung des Artikel 24 *13.
*7 Die Kommission soll bei der Prüfung des Antrags auf Listung von der antragstellenden Kontrollstelle alle erforderlichen Informationen einfordern können. Dies erscheint selbstverständlich, weil bei fehlender Information keine sachdienliche Entscheidung getroffen werden kann. Es sollen aber auch "Sachverständige" beauftragt werden können, "vor Ort" eine Prüfung vorzunehmen. Das Tatbestandsmerkmal "vor Ort" kann den Ort der Ökoproduktion, aber auch den Sitz der Kontrollstelle betreffen, insbesondere, wenn sie in einem Drittland angesiedelt ist. Dass zu den Kontrollstellen, die in der Konformitätsliste aufgeführt werden können, nicht nur die zumindest in einem der Mitgliedstaaten zugelassenen Kontrollstellen gehören, stellte die Definition in Artikel 2 Buchstabe p klar.
*8 Hier findet sich an unauffälliger Stelle ein Hinweis darauf, mit welcher praktischen Entwicklung des internationalen Zertifizierungsmarktes zu rechnen ist: Die in der Europäischen Gemeinschaft für eine Tätigkeit in einem der Mitgliedstaaten zugelassenen und nach der EN 45011 oder dem ISO Guide 65 akkreditierten Kontrollstellen, die von den für sie zuständigen Behörden überwacht werden, sollen der Kommission Berichte der Akkreditierungsstelle und der nationalen Aufsichtsbehörde vorlegen, wenn sie ihre Listung für die Konformitätsimporte aus Drittstaaten beantragen. Auf diesem Hintergrund ist damit zu rechnen, dass die großen europäischen Kontrollstellen auf dieser Konformitätsliste vertreten sein werden und keine oder nur wenige Kontrollstellen aus Drittstaaten.
*9 Hier wird vorgegeben, dass zusätzlich zu der "mehrjährigen Wiederbewertung" der Akkreditierung der für Konformitätsimporte aus Drittstaaten gelisteten Kontrollstellen auch die Kommission eine "angemessene Überwachung" der anerkannten Kontrollbehörden und Kontrollstellen sicherstellt. Die Worte "über die" in der deutschen Fassung beruhen auf einem Grammatikfehler, die Worte sollten durch "der" ersetzt werden. Die Kommission soll eine "regelmäßige Überprüfung" der "Anerkennung" vornehmen. Wie Artikel 32 Absatz 2 unterscheidet diese Vorschrift zwischen der Anerkennungsentscheidung und der Aufnahme in die Liste der Konformitätskontrollstellen für Drittlandsimporte. Die Kommission soll ihre Überwachung risikoorientiert anlegen. Die Risikoorientierung von Kontrollen im Bereich der ökologischen Produktion ist an dieser Stelle, nicht aber in Artikel 27 dieser Verordnung aufgenommen worden. Auch für landwirtschaftliche Kleinstbetriebe sieht dementsprechend der Entwurf einer Kommissionsverordnung vom Januar 2008 in Artikel 60 ohne Differenzierung eine Vorortkontrolle vor. Die "Unterstützung der Mitgliedstaaten" ist nicht näher definiert. Es ist unwahrscheinlich, dass sie praktisch relevant wird (vgl. Kommentierung des Artikel 32 *16).
Mit der Verordnung (EG) Nr. 1991/2006 vom 21.12.2006, berichtigt veröffentlicht im Amtsblatt vom 02.02.2007, L27/11 war als neuer Artikel 11 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 ein Text erlassen worden, der dem Wortlaut der Artikel 32 und 33 dieser Verordnung im Wesentlichen entsprach. Im zweiten Erwägungsgrund stellte die Kommission dort klar, dass "in die Gemeinschaft eingeführte ökologische Erzeugnisse aus dem Gemeinschaftsmarkt ... mit einem Hinweis auf den ökologischen Landbau in Verkehr gebracht werden können" sollen, "wenn sie nach Produktionsvorschriften erzeugt wurden und Kontrollregelungen unterliegen, die mit dem Gemeinschaftsrecht konform oder diesem gleichwertig" seien.
Dass Drittlandsimporte unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob sie als "konform" oder "gleichwertig" bewertet werden, war neu und überraschend. Die Kommission erklärte auch in der Diskussion ihrer Motive mit den Mitgliedstaaten diese nur undeutlich damit, dass ihre Rechtsberater in WTO-Angelegenheiten die Auffassung vertreten hätten, die neue Regelung sei aus Gründen des internationalen Freihandelsrechts so erforderlich: Es müsse einerseits die Möglichkeit der Einfuhr als vollständig konforme Ökoprodukte und andererseits die Möglichkeit der Einfuhr als gleichwertige Ökoprodukte geben.
In diesen Erwägungsgründen war von der neuen Zentralfunktion der Kommission für die Konformitätseinfuhr keine Rede. Zur Äquivalenzeinfuhr wurde festgehalten: "(3) Drittländer, deren Produktionsstandards und Kontrollregelungen den in der Gemeinschaft geltenden Vorschriften gleichwertig sind, sollten anerkannt werden, und eine Liste dieser Länder sollte veröffentlicht werden. Die Kontrollstellen oder Kontrollbehörden, die in Drittländern, die nicht in die Liste aufgenommen wurden, für die Durchführung der Kontrollen zuständig sind, sollten ebenfalls anerkannt und in ein Verzeichnis aufgenommen werden. Unternehmen in Drittländern, die ihre Erzeugnisse unmittelbar in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften herstellen, sollten ihre Tätigkeit den von der Kommission zu diesem Zweck anerkannten Kontrollstellen und Kontrollbehörden unterstellen können".
Der 2007 neu gefasste Wortlaut des Artikel 11 findet sich nun in dieser Verordnung wieder als die Artikel 32 und Artikel 33. Artikel 32 sieht andere, neue Voraussetzungen und ein anderes, neues Verfahren für den Import von Ökoprodukten aus Drittstaaten vor, als Artikel 33, dessen Vorschriften dem bisherigen Verfahren in den wesentlichen Zügen entsprechen. Allerdings fehlt Artikel 11 Absatz 6 der Vorgängerverordnung.
Nach dieser Verordnung würden folglich die von Mitgliedstaaten erteilten Einzelfallimportsermächtigungen am 01.01.2009 wegfallen, wenn nicht durch eine Kommissionsverordnung nach Artikel 40 gerade diese Regelung wieder eingeführt würde (vgl. Kommentierung Artikel 40).
Artikel 33
Einfuhr von Erzeugnissen mit gleichwertigen Garantien
(1) Ein aus einem Drittland eingeführtes Erzeugnis darf auch in der Gemeinschaft als ökologisches/biologisches Erzeugnis in Verkehr gebracht werden, sofern *1
a) das Erzeugnis nach Produktionsvorschriften produziert wurde, die den Vorschriften der Titel III und IV gleichwertig sind; *2
b) die Unternehmer Kontrollmaßnahmen unterworfen worden sind, die an Wirksamkeit denjenigen des Titels V gleichwertig sind und die fortlaufend und effektiv angewandt worden sind; *3
c) die Unternehmer ihre Tätigkeiten auf allen Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs des Erzeugnisses in dem betreffenden Drittland einem nach Absatz 2 anerkannten Kontrollsystem oder einer nach Absatz 3 anerkannten Kontrollbehörde oder Kontrollstelle unterstellt haben; *4
d) die zuständigen Behörden, Kontrollbehörden oder Kontrollstellen des nach Absatz 2 anerkannten Drittlandes oder eine nach Absatz 3 anerkannte Kontrollbehörde oder Kontrollstelle eine Kontrollbescheinigung für das Erzeugnis erteilt hat, wonach es den Bestimmungen dieses Absatzes genügt. *5
Das Original der Bescheinigung gemäß diesem Absatz muss der Ware bis zum Betrieb des ersten Empfängers beigefügt sein; anschließend hat der Einführer die Bescheinigung mindestens zwei Jahre lang für die Kontrollbehörde oder Kontrollstelle bereitzuhalten. *6
(2) Die Kommission kann nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren diejenigen Drittländer anerkennen, deren Produktionssystem Grundsätzen und Produktionsvorschriften genügt, die denen der Titel II, III und IV gleichwertig sind, und deren Kontrollmaßnahmen von gleichwertiger Wirksamkeit sind wie diejenigen des Titels V; sie kann diese Länder in ein entsprechendes Verzeichnis aufnehmen. Bei der Gleichwertigkeitsprüfung sind die Leitlinien CAC/GL 32 des Codex Alimentarius zu berücksichtigen. *7
Bei der Prüfung der Anträge auf Anerkennung fordert die Kommission bei dem Drittland alle erforderlichen Informationen an. Die Kommission kann Sachverständige beauftragen, vor Ort eine Prüfung der Produktionsregeln und Kontrollmaßnahmen des betreffenden Drittlandes vorzunehmen. *8
Bis zum 31. März jedes Jahres übermitteln die anerkannten Drittländer der Kommission einen kurzen Jahresbericht über die Anwendung und Durchsetzung der in dem betreffenden Land geltenden Kontrollmaßnahmen. *9
Auf der Grundlage der in diesen Jahresberichten enthaltenen Informationen stellt die Kommission mit Unterstützung der Mitgliedstaaten eine angemessene Überwachung der anerkannten Drittländer sicher, indem sie deren Anerkennung regelmäßig überprüft. Die Art der Überwachung wird anhand einer Bewertung des Risikos von Unregelmäßigkeiten oder Verstößen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung festgelegt. *10
(3) Für Erzeugnisse, die nicht gemäß Artikel 32 eingeführt und nicht aus einem nach Absatz 2 des vorliegenden Artikels anerkannten Drittland eingeführt werden, kann die Kommission nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren die Kontrollbehörden und Kontrollstellen, einschließlich der Kontrollbehörden und Kontrollstellen nach Artikel 27, die in Drittländern für die Durchführung von Kontrollen und die Erteilung von Bescheinigungen nach Absatz 1 des vorliegenden Artikels zuständig sind, anerkennen und ein Verzeichnis dieser Kontrollbehörden und Kontrollstellen erstellen. Bei der Gleichwertigkeitsprüfung sind die Leitlinien CAC/GL 32 des Codex Alimentarius zu berücksichtigen. *11
Die Kommission prüft jeden Antrag auf Anerkennung, der von einer Kontrollbehörde oder Kontrollstelle eines Drittlandes eingereicht wird. *12
Bei der Prüfung der Anträge auf Anerkennung fordert die Kommission bei der Kontrollbehörde oder Kontrollstelle alle erforderlichen Informationen an. Die Tätigkeit der Kontrollstelle oder Kontrollbehörde wird von einer Akkreditierungsstelle oder gegebenenfalls einer dafür zuständigen Behörde einer regelmäßigen Evaluierung vor Ort, Überwachung und mehrjährigen Wiederbewertung unterzogen. Die Kommission kann auch Sachverständige beauftragen, vor Ort eine Prüfung der Produktionsvorschriften und der von der betreffenden Kontrollbehörde oder Kontrollstelle in dem Drittland durchgeführten Kontrolltätigkeiten vorzunehmen. *13
Die anerkannten Kontrollstellen oder Kontrollbehörden stellen die Bewertungsberichte der Akkreditierungsstelle oder gegebenenfalls der zuständigen Behörde über die regelmäßige Evaluierung vor Ort, Überwachung und mehrjährige Wiederbewertung ihrer Tätigkeiten zur Verfügung. *14
Auf der Grundlage dieser Bewertungsberichte stellt die Kommission mit Unterstützung der Mitgliedstaaten eine angemessene Überwachung der anerkannten Kontrollbehörden und Kontrollstellen sicher, indem sie eine regelmäßige Überprüfung der Anerkennung vornimmt. Die Art der Überwachung wird anhand einer Bewertung des Risikos von Unregelmäßigkeiten oder Verstößen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung festgelegt. *15
Kommentierung des Artikel 33
*1 Diese Verordnung sieht ein duales System von Ökoimporten aus Drittstaaten vor. Es soll Drittlandimporte geben, die als vollständig den EU-Vorschriften vollständig entsprechend behandelt werden und andere, die als gleichwertig behandelt werden. Der Sinn dieser einen Teil der Drittstaatenproduzenten diskriminierenden Regelung erschließt sich nicht aus dieser Verordnung, sondern nur aus im Gesetzgebungsprozess nicht angesprochenen, versteckten Motiven. Die Kommission hatte im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1567/2005 angekündigt, dass sie eine Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 vorschlagen werde, "um die derzeitigen nationalen Ausnahmeregelungen für Einfuhren durch ein neues dauerhaftes System zu ersetzen, das auf technischen Äquivalenzbewertungen durch Stellen beruht, die von der Gemeinschaft für diesen Zweck eingesetzt werden".
Dass die Kommission hier für sich in Anspruch nimmt, den Vollzug des Gemeinschaftsrechts zwar nicht unmittelbar an sich zu ziehen, aber doch in der Weise Einfluss auszuüben, dass private "Stellen" von ihr zu diesem Zweck "eingesetzt" werden, weist daraufhin, dass der Vollzug des Gemeinschaftsrechts den Mitgliedstaaten hier entzogen wird. Vor Jahren war noch davon die Rede gewesen, dass die Prüfung der Verkehrsfähigkeit von Ökoprodukten aus Drittstaaten durch Fachbehörden der Mitgliedstaaten in der Weise erfolgen könne, dass jedem Mitgliedstaat eine "Spezialisierung" auf bestimmte Herkunftsländer zugewiesen werde, die sich an sprachlichen oder agrarkulturellen Übereinstimmungen mit den Herkunftsländern orientieren könnte. Diese Verordnung zielt nun darauf, der Kommission Verwaltungskompetenzen zu übertragen.
Durch Artikel 32 wird zusätzlich zum Importweg für „gleichwertige" Produkte, der durch Artikel 33 weiterhin eröffnet bleibt, ein neuer Weg für Produkte eröffnet, die den EU-Regeln genau „entsprechen". Entsprechend der englischen Sprachfassung kann man diesen Importpfad als "Compliance Track" bezeichnen, abgleitet von "Compliance", der Bezeichnung für das Beachten ärztlicher Empfehlungen durch die Patienten. Oder als Complianceeinfuhr. Dieser Weg für Ökoprodukte, bei denen das völlige Übereinstimmen von Herstellung und Kontrolle mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts festgestellt werden soll, ist neu.
Für die neue Kategorie der Produkte, die von „Unternehmen in Drittländern, die ihre Erzeugnisse unmittelbar in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften herstellen", stammen, gibt es ein welthandelsrechtliches Motiv: Die EU hatte 2005 einen Streit mit den USA über geographische Herkunftsbezeichnungen vor einem WTO-Panel verloren. Die EU-Kommission meint nun, sie sei verpflichtet, Drittstaatenproduzenten eine Ökozertifizierung anzubieten, die der für Ökoerzeuger in der EU vollständig entspricht und ihr nicht nur gleichwertig ist. Sie meint, dazu wegen des Prinzips der nicht weniger vorteilhaften Behandlung („non less favourable treatment") verpflichtet zu sein. Hier irrt sie wahrscheinlich, was nicht weiter ins Gewicht fiele, wenn der Handel und die Verbraucher durch die jetzt unterschiedlichen Ökostandards für „gleichwertige" im Gegensatz zu den „konformen" Ökoprodukten aus Drittstaaten nicht verwirrt werden würden und wenn nicht der Zugang zum EU-Ökomarkt besonders für wirtschaftlich bäuerliche Erzeuger der Entwicklungsländer im Ergebnis erschwert würde.
*2 Anders als Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe a wird hier nicht die Konformität, also nicht das vollständige den Vorschriften dieser Verordnung Entsprechen verlangt, sondern nur eine gleichwertige Produktion. Mit Staunen kann der Leser hier nur wahrnehmen, dass aber nicht etwa die Gleichwertigkeit in dem Sinne verlangt wird, dass die "Ziele und Grundsätze" dieser Verordnung, wie sie in Artikel 2 vorgegeben sind, umgesetzt werden. Vielmehr verzichtet diese Verordnung auf die Gewährleistung einer den "Zielen und Grundsätzen" dieser Verordnung gleichwertigen Produktion in Drittstaaten. Die Kommission hatte schon die Nennung des Codex Alimentarius als Maßstab für die Gleichwertigkeitsprüfung in Artikel 33 Absatz 3 Satz 2 damit begründet, dass mehr Spielraum geschaffen und die Importe aus Drittländern erleichtert werden sollen. Dass tatsächlich die Anforderungen an die Gleichwertigkeitsimporte geringer sein sollen, als dies unter Artikel 11 der Vorgängerverordnung praktiziert wurde, ergibt sich aus dem Verzicht auf die Nennung der Vorschriften des Titel II in dieser Vorschrift des Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe a.
*3 Hier werden, anders als in Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe a die Vorschriften des Titels V genannt, und es wird verlangt, dass die Kontrollen "an Wirksamkeit" jenen des Titels V "gleichwertig" sind. Da auf die Wirksamkeit und nicht auf die Art und Weise ihrer Vornahme abgestellt wird, können strukturell völlig andere Kontrollen angewandt werden als in der Europäischen Gemeinschaft. Das Tatbestandsmerkmal der Gleichwertigkeit ist hier mit der Orientierung auf die Wirksamkeit verbunden, so dass nicht nach gleichwertigen Strukturen, sondern nach gleichwertiger Effektivität gefragt ist. Dass die Kontrollen "effektiv" angewandt werden müssen, verdoppelt nur das Tatbestandsmerkmal der Wirksamkeit. Dass sie fortlaufend angewandt werden müssen, schränkt die Orientierung an der Wirksamkeit dahingehend ein, dass es sich zumindest um wiederholte Kontrollen handelt, was aber nicht ausschließt, dass es sich um solche handelt, die in mehrjähriger Folge angewandt werden.
Für die Tätigkeit außerhalb gelisteter Drittländer, also nur für Erzeugnisse, die nicht aus gelisteten Drittländern stammen, kann die Kontrolle von Konformitätsimporten durch Kontrollstellen erfolgen, die von der Kommission in einer Liste geführt werden. Es gibt also zwei Listen von Kontrollstellen, einmal solche, die die Konformität zertifizieren und einmal solche, welche die Gleichwertigkeit zertifizieren. Es fällt auf, dass die Kontrollstellen, welche die Konformität zertifizieren, keineswegs nur in den Drittstaaten tätig werden können sollen, die nicht in der Drittstaatenliste nach Artikel 33 Absatz 3 Satz 1 aufgeführt sind. Die Konformitätskontrollstellen sollen weltweit in allen Drittstaaten tätig werden. Die Gleichwertigkeitskontrollstellen aber nur in den Staaten, die noch nicht in die Drittstaatenliste aufgenommen wurden. Die Kontrollstellen, die nur Gleichwertigkeitsprüfungen anbieten, haben damit einen deutlich geringeren Markt. Selbst wenn die Zahl der Drittstaaten nicht wesentlich wächst, bedeutet dies praktisch zwingend, dass international tätigen Kontrollstellen ein hoher Anreiz gesetzt wird, in erster Linie Konformitätskontrollen für Drittstaaten anzubieten, weil sie hier einen wirklich globalen, insbesondere auch nicht durch die Drittstaatenlistung eingeschränkten Markt vorfinden. Dies verbunden mit dem Vorteil, dass der empfangende Handel der Europäischen Gemeinschaft die Konformitätszertifizierung der Drittstaatenökoware als hochwertiger ansehen dürfte.
*4 Der Kreis der Unternehmer, die sich Kontrollen unterstellt haben, wenn das Produkt, mit dem sie befasst waren, als Konformitätsimport in die Europäische Gemeinschaft eingeführt werden soll, wird hier ganz anders abgegrenzt als in Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe b. Dort ist der "Ausführer" ausdrücklich benannt. Hier wird er nicht benannt. Dort wird durch das Tatbestandsmerkmal "alle Unternehmer" zumindest mittelbar auf die Abgrenzung in Artikel 28 Absatz 1 verwiesen. Hier nicht. Hier wird vielmehr eine Begrifflichkeit gebraucht, die in Artikel 2 Buchstabe b gesetzlich definiert ist.
Diese Begrifflichkeit schließt die Beförderung des Produktes ein (vgl. Kommentierung des Artikel 2 *3). Nach dem Wortlaut des Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c im Vergleich zu Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe b und der Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe b hätte dies zur Folge, dass Ausführer bei Äquivalenzimporten nicht den Kontrollstellen unterstehen müssten, wohl aber die Transporteure, die das Produkt im Drittland beförderten. Dies macht keinen Sinn: Das Tatbestandsmerkmal der "Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs", wie es in Artikel 2 Buchstabe b definiert und hier in Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c singular angewandt ist, beruht auf einem Redaktionsfehler. Es ist nicht die Absicht des Gesetzgebers, den Transport von Gleichwertigkeitsware in Drittstaaten der Kontrollpflicht zu unterstellen, nicht aber den Transport von Konformitätsprodukten. Die nach Absatz 2 anerkannten Kontrollstellen sind solche, die in einem Drittlandsverzeichnis aufgeführt sind, während es sich bei den von Absatz 3 erfassten um solche Stellen handelt, die in einer Liste der Gleichwertigkeitskontrollstellen geführt werden, ähnlich wie die Konformitätskontrollstellen in der Liste nach Artikel 32 Absatz 2 geführt werden.
*5 Bei der Kontrollbescheinigung handelt es sich um ein Formular, das durch Kommissionsverordnung vorgegeben wird. Nach dem Entwurf für diese Verordnung vom November 2007 handelt es sich um das Formular, wie es schon durch die Verordnung (EG) Nr. 1788/2001 vorgegeben worden war.
*6 Die Ungleichbehandlung der Konformitäts- und der Gleichwertigkeitsimporte dadurch, dass nur diesen das Original einer partienbezogenen Bescheinigung der Kontrollstelle beizufügen ist, rechtfertigt sich durch nichts. Es handelt sich um eine Diskriminierung der Gleichwertigkeitsimporte, die in der Praxis der importierenden Handelsunternehmen erhebliches Gewicht haben dürfte.
*7 Hier ist die Fortsetzung der Drittlandsliste vorgesehen, wie sie bislang als Anhang zu einer laufend veränderten Verordnung (EWG) Nr. 94/92 geführt wurde. Neu wurde auch die „Berücksichtigung" der Richtlinien des Codex Alimentarius eingeführt: Sie gilt nur für den Gleichwertigkeitsimport, der in Artikel 33 geregelt ist. Daraus folgt für diesen Importweg eine durchaus beabsichtigte Senkung des Anforderungsprofils. Auf diese Weise wird der Gegensatz von vollständig EU-konformer und nur „gleichwertiger" Ökoimportware noch verschärft. Die EU-Kommission hatte 2005 betont, dass mehr Bio-Produkte die Verbraucher erreichen sollen. Dass dies durch künftig zwei verschiedene Bioimportqualitäten geschehen soll, trägt wohl nicht zu einem klaren Profil der Bioprodukte am Markt bei.
*8 Mit gleichem Text wie in Artikel 32 Absatz 2 Sätze 3 und 4 wird hier die Anforderung von Information und das Beauftragen von Sachverständigen vorgesehen. Hier, anders als bei Artikel 32, sind die Drittstaaten selbst die Antragsteller, werden also gegen das Tätigkeiten von sachverständigen Kontrolleuren vor Ort auf ihrem Staatsterritorium keine Einwendungen erheben. Zumindest kann man von einem inzidenten Einverständnis, das durch den Antrag erklärt wird, ausgehen.
*9 Es wird ein "kurzer Jahresbericht" der Drittstaaten verlangt. Dies indiziert, dass der Jahresbericht nicht geeignet sein muss, das Fortbestehen der Listungsvoraussetzungen zu überprüfen.
*10 Damit werden die Jahresberichte der Drittstaaten keine geeigneten Informationen für eine Risikoorientierung der Überwachungsmaßnahmen der Kommission bieten. Nach der bisherigen Praxis der Kommission erfolgen Maßnahmen der Überwachung mit vieljährigen Abständen. Eine praktisch wirksame Überwachung durch die Kommission gibt es nicht. Sie ist, so wie diese Verordnung angelegt ist, auch in der Zukunft nicht zu erwarten.
*11 Die Liste der Drittstaaten wird es weiter geben. Es ist die Liste der Länder, deren Öko-Anbauregeln und -Kontrollverfahren als gleichwertig angesehen werden. Sie wird als EU-Verordnung geführt. Eigentlich handelt es sich um ein Gesetz, das laufend überarbeitet wird. Nur wenige Staaten sind aufgenommen worden, und daran wird sich wohl nichts ändern (Argentinien, Australien, Costa Rica, Indien, Israel, Schweiz, Neuseeland)
Vorläufig wird es auch weiter Einzelvermarktungsermächtigungen geben: Für Ökoprodukte aus anderen, nicht gelisteten Drittländern. Sie werden von den Behörden der EU-Mitgliedstaaten erteilt, wenn diese den Öko-Anbau und die Öko-Kontrolle als gleichwertig mit denen in den EU-Regeln beurteilen.
*12 Dass die Kommission "jeden Antrag" prüft, hat Bedeutung, da die Kommission in der Regel völlig frei ist, eine Initiative zu entfalten und dem Artikel-37-Ausschuss einen Vorschlag für eine Kommissionsverordnung vorzulegen. Wenn hier vorgegeben ist, dass sie prüfen muss, impliziert dies zunächst, dass sie jeden Antrag auch verbescheiden muss. Da diese Entscheidung den Antragsteller individuell betrifft, ist der Rechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof eröffnet. Willkürentscheidungen sind damit ausgeschlossen. Es stellt sich die weitere Frage, ob die Kommission das Ergebnis ihrer Prüfung im Artikel-37-Ausschuss zur Abstimmung bringen muss. Dies ergibt sich aus diesem Tatbestandsmerkmal nicht.
*13 Artikel 33 Absatz 3 Satz 3 wiederholt die Regelungen des Absatz 2 Satz 2, hier nun nicht für die Drittlandsliste, sondern für die Liste der Kontrollstellen, die Gleichwertigkeitsimporte zertifizieren.
*14 Wenn hier verlangt wird, dass die für die Gleichwertigkeitsimporte aus Drittstaaten gelisteten Kontrollstellen "Bewertungsberichte der Akkreditierungsstelle" oder der "zuständigen Behörde" über Evaluierungen vor Ort zur Verfügung stellen, übersah der Gemeinschaftsgesetzgeber, dass es gerade zum Charakter der Gleichwertigkeit gehörte, dass die entsprechenden Kontrollstellen nicht nach dem ISO Guide 65 oder EN 45011 akkreditiert sind. Die Übernahme des Textes aus Artikel 32 Absatz 2 Satz 6, wo er für die Konformitätskontrollstellen Sinn macht, erscheint hier als Gedankenfehler. Es wird regelmäßig auch keine "zuständige Behörde" im Drittstaat geben. Diese ist zwar in die Begriffsbestimmung des Artikel 2 Buchstabe o aufgenommen (vgl. Kommentierung des Artikel 2 *16), jedoch werden die Gleichwertigkeitskontrollstellen regelmäßig in Drittstaaten tätig sein, in denen sich der Staat für die Ökokontrolle entweder nicht interessiert oder sie bewusst dem privaten Sektor in eigener Verantwortung überlässt. Dass dieser Verordnung die unterschiedlichen Sachverhalte durch die immer gleichen, nicht passenden Klauseln regeln will, bewirkt einen inkonsistenten Eindruck der Rechtsnorm.
*15 Wenn auf die "Bewertungsberichte", die ja regelmäßig nicht vorhanden sein werden, als Maßstab für die Überwachungsmaßnahmen der Kommission und für die Risikoorientierung dieser Überwachungsmaßnahmen abgestellt wird, liegt es nahe zu erwarten, dass es eine solche Überwachung durch die Kommission nicht geben wird.
Es wird zwar die "Unterstützung der Mitgliedstaaten" angesprochen, welche die Kommission bei ihren Überwachungsmaßnahmen heranziehen soll. Angesichts der Arbeitslast, welche die Kommission durch die neue Struktur in Artikel 32 und 33 an sich gezogen hat, ist nicht zu erwarten, dass sie die Mitgliedstaaten überhaupt zu entsprechender Mithilfe auffordert. Im Zuge der Arbeiten an dieser Verordnung war davon die Rede, dass die Kommission die Mitgliedstaaten um die Bereitstellung von Sachverständigen für Vorortkontrollen bitten könnte. Die Mitgliedstaaten hatten allerdings überwiegend Skepsis signalisiert, denn sie sehen sich nicht in der Rolle von Hilfsorganen der Kommission bei Vollzug von Aufgaben, die ihnen gerade, abweichend von der Vorgängerverordnung, entzogen wurden. Dass die englische Formulierung des Tatbestandsmerkmals eher den Hilfscharakter durch die Formulierung "assisted by the Member States" in den Vordergrund stellt, ist nicht hilfreich.
ÜBERGANGS- UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Artikel 34
Freier Warenverkehr für
ökologische/biologische
Erzeugnisse
(1) Die zuständigen Behörden, Kontrollbehörden und Kontrollstellen dürfen die Vermarktung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen, die von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen anderen Kontrollbehörde oder Kontrollstelle kontrolliert wurden, nicht aus Gründen des Produktionsverfahrens, der Kennzeichnung oder der Darstellung dieses Verfahrens verbieten oder einschränken, sofern diese Erzeugnisse den Anforderungen dieser Verordnung entsprechen. Insbesondere dürfen keine anderen als die in Titel V vorgesehenen Kontrollen oder finanziellen Belastungen vorgeschrieben werden. *1
(2) Die Mitgliedstaaten können in ihrem Hoheitsgebiet für die ökologische/biologische pflanzliche und tierische Erzeugung strengere Vorschriften anwenden, sofern diese Vorschriften auch für die nichtökologische/nichtbiologische Erzeugung gelten und mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang stehen und die Vermarktung außerhalb des Hoheitsgebiets des betreffenden Mitgliedstaats produzierter ökologischer/biologischer Erzeugnisse dadurch nicht unterbunden oder eingeschränkt wird. *2
Kommentierung des Artikel 34
*1 Die Vorgängerverordnung enthielt in Artikel 12 Satz 1 eine Weisung an die Mitgliedstaaten: "Jedes Verbot oder jede Beschränkung der Vermarktung .... aus Gründen der Art der Erzeugung, der Etikettierung oder der Kennzeichnung der Art der Erzeugung durch die Mitgliedstaaten ist unzulässig". Artikel 34 dieser Verordnung enthält in Absatz 1 eine ähnliche, keineswegs aber gleiche Regelung.
Ähnlich ist die Regelung, weil wiederum vorgegeben wird, es dürfe "nicht aus Gründen des Produktionsverfahrens, der Kennzeichnung oder der Darstellung dieses Verfahrens" die Vermarktung von Erzeugnissen "verboten oder eingeschränkt" werden. Nun ist dieser Befehl aber nicht an die Mitgliedstaaten, sondern nur an die "zuständigen Behörden, Kontrollbehörden und Kontrollstellen" gerichtet.
Dem Gesetzgeber der Mitgliedstaaten wäre damit die Möglichkeit für ein Verbot oder eine Beschränkung, sowie sie noch von Artikel 12 Satz 2 der Vorgängerverordnung verboten war, eröffnet. Dies steht aber in Gegensatz zum Anspruch einer Verordnung der Europäischen Gemeinschaft, die eine vollständige Harmonisierung in dem Bereich, in dem sie Regeln setzt, bewirken soll.
Dass tatsächlich Artikel 34 Absatz 1 Satz 1 die gleiche Bedeutung haben soll wie Artikel 12 Satz 1 der Vorgängerverordnung, ergibt sich im Gegenschluss aus Artikel 34 Absatz 2, in dem, beschränkt auf die "pflanzliche und tierische Erzeugung" bestimmte strengere Vorgaben als zulässig erklärt werden. Wenn aus der vertragskonformen Wirkung von Verordnungen nicht folgen würde, dass die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten gehindert sind, strengere Regeln zu erlassen, hätte es der Befreiung durch Artikel 24 Absatz 2 nicht bedurft. Es wird die "Darstellung dieses Verfahrens" ausdrücklich in dem Sinne privilegiert, dass die Mitgliedstaaten die Vermarktung von verordnungskonformen Erzeugnissen nicht wegen der zutreffenden Darstellung des Produktionsverfahrens, wie es die Verordnung vorgibt, verbieten oder einschränken dürfen.
In Deutschland gibt es eine Diskussion zur Frage, ob der Nichteinsatz der Gentechnik bei der Herstellung von Bioprodukten durch eine Beschreibung der Vorgaben der Verordnung erfolgen darf oder ob diese Angaben ausschließlich, so wie es eine Rechtsverordnung des Bundes vorsieht, durch den Wortlaut "ohne Gentechnik" getroffen werden dürfen.
Wenn Ökoprodukte aus anderen Mitgliedstaaten nach Deutschland eingeführt werden, gilt ohnehin die Verkehrsfähigkeit entsprechend der Rechtslage im Staat, in dem das Produkt in den Verkehr gebracht wurde, denn die zusätzlichen nationalen Kennzeichnungsregeln sind offensichtlich nicht notwendig, um "zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls" gerecht zu werden (Cassis-de-Dijon). Aber auch für Bioprodukte aus deutscher Produktion ist der Mitgliedstaat Deutschland daran gehindert, für den Vertrieb zusätzliche Kennzeichnungselemente zu verlangen, so die Angabe "ohne Gentechnik", wenn in der Kennzeichnung die Vorgaben der EU-Verordnung, angelehnt an ihren Wortlaut, zutreffend beschrieben werden sollen.
Nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe e ist der Einsatz mineralischer Stickstoffdünger im ökologischen Landbau verboten. Also darf die Aussage in die Kennzeichnung aufgenommen werden: "Hergestellt ohne Einsatz mineralischer Stickstoffdünger". Kein Mitgliedstaat dürfte als zusätzliche Kennzeichnungsvorschrift Aussagen über den Nichteinsatz mineralischer Stickstoffdünger anordnen, dass diese Angabe nur mit einem bestimmten Wortlaut erfolgen dürfe.
Genauso kann auch nicht verlangt werden, dass das Verbot der Verwendung von GVO, wie es in Artikel 9 dieser Verordnung vorgegeben ist, nur durch die Worte "ohne Gentechnik" dem Verbraucher in der Kennzeichnung von Ökoprodukten mitgeteilt werden dürfen.
Es wird in Artikel 34 Absatz 1 Satz 2 weiter vorgegeben, es dürften keine anderen als die in dieser Verordnung vorgesehenen Kontrollen "oder finanziellen Belastungen" vorgeschrieben werden. Diese Bestimmung dürfte ein Versuch sein, die in Frankreich einige Jahre übliche Praxis einzuschränken, für die Vermarktung unter Nutzung des Logos "AB" zusätzliche Kontrollen zu verlangen, insbesondere Inspektionen durch Mitarbeiter des französischen Agrarministeriums etwa in bayerischen Molkereien für Milch, die zur Verarbeitung zu "AB"-Käse nach Frankreich geliefert werden sollte.
*2 Artikel 34 Absatz 2 sieht eine Ausnahme von Behinderungsverbot dahin vor, dass dann, wenn ein Mitgliedstaat für die pflanzliche und tierische Erzeugung allgemein strengere Vorschriften als die Vorschriften dieser Verordnung anwendet, jene Vorschriften auch für Bioprodukte gelten. Die strengeren nationalen Regeln müssen sich aber auf die "Erzeugung" beziehen, nicht etwa auf die Kennzeichnung. Die deutsche Angabe "ohne Gentechnik" ist zwar auch für Produkte vorgeschrieben, die nicht aus ökologischer Erzeugung stammen, es handelt sich aber um eine Kennzeichnungs- und nicht um eine zwingende Erzeugungsregelung. An nationalen Vorschriften, die strengere Regeln setzen, als diese Verordnung es tut, sind Normen über die Ausweisung von Wasserschutzgebieten denkbar oder Fütterungsverbote, die darauf zielen, Epidemien einzuschränken. Derart strengere Produktionsbedingungen dürfen von den Mitgliedstaaten ohne Verletzung dieser Verordnung angeordnet werden, wenn dies allgemein für deren Landwirtschaft gilt und wenn für den Import von Ökoprodukten in diesen Mitgliedstaat diese strengeren Regeln unbeachtlich sind. Die strengeren Anforderungen dürfen sich weder auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten noch auf Ökoprodukte aus Drittländer auswirken.
Artikel 35
Mitteilungen
an die Kommission
Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission regelmäßig folgende Informationen*1:
a) Name und Anschrift sowie gegebenenfalls Codenummer und Konformitätszeichen der zuständigen Behörden; *2
b) Liste der Kontrollbehörden und Kontrollstellen und ihrer Codenummern sowie gegebenenfalls ihrer Konformitätszeichen. Die Kommission veröffentlicht regelmäßig das Verzeichnis der Kontrollbehörden und Kontrollstellen. *3
Kommentierung des Artikel 35
*1 Artikel 35 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Identität und die Adressen von Behörden und Kontrollstellen mitzuteilen. Eine Mitteilung der dem gemeinschaftlichen Kontrollsystem für die ökologische Produktion unterstellten Unternehmen erfolgt nicht. Artikel 27 Absatz 14 sieht zwar vor, dass die Kontrollbehörden und Kontrollstellen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ein Verzeichnis von Unternehmen vorlegen. Diese Kommissionsverordnung ordnet aber keine Weitergabe an die Kommission an.
Es ist in dieser Verordnung auch kein "Bericht über die Überwachungsmaßnahmen" der Mitgliedstaaten gefordert, wie er bezüglich der Maßnahmen auf dem Territorium eines jeden Mitgliedstaats nach Artikel 15 Satz 1 der Vorgängerverordnung vorgesehen war. Der Grund dürfte darin liegen, dass die Kommission dem Rechnungshof nicht abermals Anlass geben möchte, sich über die unzureichende Auswertung aus in den Mitgliedstaaten gewonnenen Erkenntnissen zu beschweren.
Ob die Mitgliedstaaten die Kommission über festgestellte Verstöße informieren, ist durch die Vorgabe des Artikel 30 Absatz 2 praktisch ihnen überlassen. Artikel 30 Absatz 2 Satz 2 gibt zwar vor, dass "die Ebene, auf der die Mitteilung erfolgt" von der "Schwere und dem Umfang der Unregelmäßigkeit" oder des Verstoßes abhängig sein soll, jedoch entfällt die jährliche Berichtspflicht der Mitgliedstaaten.
*2 Die "zuständigen Behörden" sind jene nach der Legaldefinition des Artikel 2 Buchstabe n.
*3 Die "Kontrollbehörden" und "Kontrollstellen" sind jene, die durch die Begriffsbestimmungen in Artikel 2 Buchstaben o und p festgelegt sind.
Artikel 36
Statistische Informationen
Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission die statistischen Angaben, die für die Durchführung dieser Verordnung und die Folgemaßnahmen erforderlich sind. Diese statistischen Angaben werden im Rahmen des statistischen Programms der Gemeinschaft definiert. *1
Kommentierung des Artikel 36
*1 Manche Beobachter sehen Statistiken über die Entwicklung der Ökomärkte, die durch Behörden erhoben werden, in Folge der regelmäßig damit einhergehenden schleppenden Verarbeitung und Bereitstellung als wertlos an. Andere beklagen den Mangel statischer Daten und halten es für richtig, Unternehmen, die mit der Vermarktung von Ökoprodukten befasst sind, durch gesetzlichen Zwang und Bußgeldandrohungen aufzuerlegen, auf kleingliedrige Produktkategorien aufgeteilte Angaben über die Herkünfte, Empfänger, Mengen und Umsätze zu dokumentieren. Diese Verordnung entscheidet den Meinungsstreit nicht, sondern verlagert ihn über die Entscheidung über das statistische Programm der Gemeinschaft (siehe die Kommentierung zu den Erwägungsgründen *36).
Artikel 37
Ausschuss für ökologische/
biologische Produktion
(1) Die Kommission wird von einem Regelungsausschuss für ökologische/biologische Produktion unterstützt. *1
(2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 5 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG. *2
Der Zeitraum nach Artikel 5 Absatz 6 des Beschlusses 1999/468/EG wird auf drei Monate festgesetzt. *3
Kommentierung des Artikel 37
*1 Der "Regelungsausschuss" repräsentiert die Mitgliedstaaten, ähnlich wie der Rat der Europäischen Union. Der Regelungsausschuss setzt sich aus Vertretern der Fachministerien der Mitgliedstaaten zusammen. Die Mitgliedstaaten lassen sich meist von Beamten der mittleren Ebene ihrer Agrarministerien vertreten. Für manche der föderal organisierten Mitgliedstaaten treten auch Mitarbeiter der Agrarverwaltung ihrer Bundesländer auf.
*2 Der Beschluss des Rates vom 28.06.1999 dient der "Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse". Nach dem sechsten Erwägungsgrund soll auf das Verwaltungsverfahren zurückgegriffen werden, wenn es um eher alltägliche Maßnahmen zur Umsetzung der gemeinsamen Agrarpolitik geht. Nach dem siebten Erwägungsgrund soll auf das Regelungsverfahren "bei Maßnahmen von allgemeiner Tragweite, mit denen wesentliche Bestimmungen von Basisrechtsakten angewandt werden sollen" Anwendung finden. Die Kommission hatte in ihrem Entwurf vom Dezember 2005 vorgeschlagen, ihr die Ausgestaltung wesentlicher Details dieser Verordnung, insbesondere der Positivlisten, im Verwaltungsverfahren anzuvertrauen. Dem sind die Mitgliedstaaten nicht gefolgt.
Artikel 5 sieht vor: "Regelungsverfahren (1) Die Kommission wird von einem Regelungsausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem der Vertreter der Kommission den Vorsitz führt. (2) Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuss einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann. Die Stellungnahme wird mit der Mehrheit abgegeben, die in Artikel 205 Absatz 2 des Vertrags für die Annahme der vom Rat auf Vorschlag der Kommission zu fassenden Beschlüsse vorgesehen ist. Bei der Abstimmung im Ausschuss werden die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten gemäß dem vorgenannten Artikel gewogen. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil. (3) Die Kommission erlässt unbeschadet des Artikels 8 die beabsichtigten Maßnahmen, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmen. (4) Stimmen die beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht überein oder liegt keine Stellungnahme vor, so unterbreitet die Kommission dem Rat unverzüglich einen Vorschlag für die zu treffenden Maßnahmen und unterrichtet das Europäische Parlament. (5) Ist das Europäische Parlament der Auffassung, dass ein Vorschlag, den die Kommission auf der Grundlage eines gemäß Artikel 251 des Vertrags erlassenen Basisrechtsakts unterbreitet hat, über die in diesem Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgeht, so unterrichtet es den Rat über seinen Standpunkt. (6) Der Rat kann, gegebenenfalls in Anbetracht eines solchen etwaigen Standpunkts, innerhalb einer Frist, die in jedem Basisrechtsakt festzulegen ist, die keinesfalls aber drei Monate von der Befassung des Rates an überschreiten darf, mit qualifizierter Mehrheit über den Vorschlag befinden. Hat sich der Rat innerhalb dieser Frist mit qualifizierter Mehrheit gegen den Vorschlag ausgesprochen, so überprüft die Kommission den Vorschlag. Die Kommission kann dem Rat einen geänderten Vorschlag vorlegen, ihren Vorschlag erneut vorlegen oder einen Vorschlag für einen Rechtsakt auf der Grundlage des Vertrags vorlegen. Hat der Rat nach Ablauf dieser Frist weder den vorgeschlagenen Durchführungsrechtsakt erlassen noch sich gegen den Vorschlag für die Durchführungsmaßnahmen ausgesprochen, so wird der vorgeschlagene Durchführungsrechtsakt von der Kommission erlassen".
Eine "Standardgeschäftsordnung" für Ausschüsse wurde 2001 im Teil C des Amtsblatt veröffentlicht. Unter der Überschrift "Transparenz" sieht ihr Artikel 14 vor: "Die Beratungen des Ausschusses sind vertraulich". Dies ist der zweite Absatz, währendem der erste Absatz vorsieht: "Für den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Ausschusses gelten die gleichen Grundsätze und Bedingungen wie für die Dokumente der Kommission. Ihr obliegt es, über die Anträge auf Zugang zu diesen Dokumenten zu befinden". Es sind also nicht die Mitgliedstaaten, die bezüglich der Information über ihre Arbeit in ihrem eigenen Ausschuss befinden, sondern der Ausschuss wird als ein Instrument der Kommission behandelt.
*3 Nach Absatz 6 des Artikel 5 kann der Rat, wenn er einem Vorschlag der Kommission nicht folgt, ihn mit qualifizierter Mehrheit ablehnen. Dafür ist in Artikel 5 Absatz 6 Satz 1 eine Frist von höchstens drei Monaten bestimmt. Die hier getroffene Festsetzung entspricht dieser Höchstfrist. In anderen Fällen wurde auch nur ein Monat festgesetzt. Die Frist von drei Monaten ist meist so knapp bemessen, dass sich die Mitgliedstaaten in komplexen Fachfragen nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen können. In diesem Fall setzt sich die Kommission nach Artikel 5 Absatz 6 Satz 3 der Entscheidung durch, indem sie den "vorgeschlagenen Durchführungsakt" selbst als Kommissionsverordnung erlässt.
Artikel 38
Durchführungsbestimmungen
Die Kommission erlässt nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren im Rahmen der Ziele und Grundsätze des Titels II Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung*1. Dazu gehören insbesondere Durchführungsbestimmungen zu
a) den Produktionsvorschriften des Titels III, insbesondere hinsichtlich der spezifischen Anforderungen und Bedingungen, die die Unternehmer zu erfüllen haben; *2
b) den Kennzeichnungsvorschriften des Titels IV; *3
c) dem Kontrollsystem des Titels V, insbesondere zu Mindestkontrollanforderungen, Überwachung und Überprüfung, spezifischen Kriterien für die Übertragung von Aufgaben an private Kontrollstellen, den Kriterien für deren Zulassung und den Entzug der Zulassung sowie den Bescheinigungen gemäß Artikel 29; *4
d) den Vorschriften für Einfuhren aus Drittländern nach Titel VI, insbesondere hinsichtlich der Kriterien und Verfahren für die Anerkennung von Drittländern und Kontrollstellen nach Artikel 32 und Artikel 33, einschließlich der Veröffentlichung der Verzeichnisse der anerkannten Drittländer und Kontrollstellen sowie hinsichtlich der Bescheinigung nach Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe d wobei die Vorteile einer elektronischen Bescheinigung zu berücksichtigen sind; *5
e) den Vorschriften für den freien Warenverkehr für ökologische/bio-logische Erzeugnisse nach Artikel 34 und für Mitteilungen an die Kommission nach Artikel 35. *6
Kommentierung des Artikel 38
*1 Der Rat delegiert einen Teil seiner Rechtssetzungsbefugnis an die Kommission. Die Kommission kann "Durchführungsbestimmungen" zu dieser Verordnung als Kommissionsverordnungen erlassen. Dazu muss sie zunächst die Zustimmung der Mitgliedstaaten im Ausschuss nach Artikel 37 Absatz 2 einholen. Erhält sie diese nicht und entscheidet der Rat auch nicht mit qualifizierter Mehrheit, setzt die Kommission sich mit ihrem Entwurf durch. Nur die Kommission kann Entwürfe vorlegen. Nur sie hat das Initiativrecht. Der delegierten Rechtssetzungsmacht der Kommission sind aber Grenzen gesetzt. Artikel 38 Satz 1 verweist auf den "Rahmen", der durch die "Ziele und Grundsätze des Titels II" gesetzt worden ist. Kommissionsverordnungen dürfen diesen Rahmen nicht überschreiten. Sie dürfen sich nicht in Widerspruch zu Vorgaben im Titel II setzen. Einige der Ziele und Grundsätze dieses Titels sind so allgemein formuliert, dass sie praktisch keine Grenzen setzen, andere aber durchaus so, dass die Kommission die Rechte des Rats und der Mitgliedstaaten verletzen würde, wenn sie abweichende Kommissionsverordnungen erlässt. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob es der Kommission gelingt, die Mehrheit der Vertreter der Mitgliedstaaten im Ausschuss nach Artikel 37 dieser Verordnung zur Zustimmung zu bewegen.
Auch eine Kommissionsverordnung, die mit Zustimmung der Mitgliedstaatenvertreter im Artikel-37-Ausschuss erlassen wurde, verletzt den Rat in seinen Rechten, wenn die dort getroffenen Durchführungsbestimmungen mit den "Zielen und Grundsätzen" des Titels II nicht vereinbar sind. Artikel 38 Satz 1 beschreibt eine wirklich wichtige Funktion dieser "Ziele und Grundsätze", die eben nicht darin liegt, rechtsunterworfenen Unternehmen oder den Behörden in den Mitgliedstaaten Handlungsbefehle zu erteilen. Vielmehr handelt es sich um ein Instrument in der institutionellen Abgrenzung von Verantwortlichkeiten zwischen Kommission und Rat.
*2 Artikel 38 Satz 2 dient demgegenüber nicht dazu, die Reichweite der an die Kommission delegierten Kompetenz zu beschreiben. Die Kommission kann Durchführungsbestimmungen als Kommissionsverordnungen auch zu anderen Gegenständen erlassen als jenen, die im Beispielskatalog der Buchstaben a bis e aufgeführt sind. Die "Produktionsvorschriften des Titels III" müssen mit Durchführungsbestimmungen insoweit ergänzt werden, als die Anlagen der Vorgängerverordnung nun als Kommissionsverordnung erlassen werden. Diese Verordnung und die Kommissionsverordnung mit Durchführungsvorschriften werden im Ergebnis weitgehend die Vorschriften der Vorgängerverordnung enthalten, insbesondere die unveränderten Positivlisten, nur eben neu organisiert und mit vielfältigen, geringfügigen Abweichungen, die den rechtsunterworfenen Unternehmen und den Behörden umfangreich Anlass zur Überlegung geben werden, ob die Veränderungen zu einer inhaltlich veränderten Rechtspraxis führen sollen oder zufälligen Charakter haben.
*3 Die Kennzeichnungsvorschriften des Titel VI sind in dieser Verordnung schon schlüssig vorgegeben. Hier bedarf es nicht zwingend Durchführungsvorschriften. Dementsprechend sieht der Entwurf der Kommission vom Januar 2008 in ihrem Titel III nur Vorschriften für die Kennzeichnung von Futtermitteln und die Festlegung des Gemeinschaftslogos vor.
*4 Artikel 38 Satz 2 Buchstabe c nennt Durchführungsbestimmungen für das Kontrollsystem des Titel V, insbesondere zu "Mindestkontrollanforderungen, Überwachung und Überprüfung, spezifische Kriterien für die Übertragung von Aufgaben an private Kontrollstellen, den Kriterien für deren Zulassung und den Entzug der Zulassung sowie die Bescheinigungen gemäß Artikel 29". Die hier genannten Aspekte bedürfen aber offenbar nach der Wertung der Autoren des Kommissionsentwurfs vom Januar 2008 keiner Regelung, denn ihr Entwurf sieht nur die Übernahme der Vorgaben des Anhang III der Vorgängerverordnung in einen Titel IV einer Durchführungsverordnung der Kommission vor. Dies ist konsequent, denn diese Verordnung gibt in Artikel 27 Absatz 5 Buchstabe c die Akkreditierung der privaten Kontrollstellen nach der Europäischen Norm 45011 oder dem ISO Guide 65 vor. Dort sind diese Gegen-stände erschöpfend geregelt (vgl. Kommentierung des Artikel 27 *13).
*5 Artikel 38 Satz 2 Buchstabe d nennt die Erforderlichkeit der Aufstellung von Verzeichnissen von Kontrollstellen für die Zwecke des Imports aus Drittländern, einerseits als vollständig den Ökokennzeichnungsvorschriften der Gemeinschaft entsprechend, andererseits als ihnen nur gleichwertig. Die Veröffentlichung der Listen erfolgt durch Kommissionsverordnungen. Die Entscheidung über die Aufnahme einzelner Kontrollstellen hat keinen normativen Charakter, sondern ist eine Entscheidung über einen Einzelfall, gegen die die betroffene Antragstellerin durch Klage beim Europäischen Gerichtshof vorgehen kann.
*6 Die Kommission ließ sich in Artikel 38 Satz 2 Buchstabe e zu Durchführungsbestimmungen zu den "Vorschriften für den freien Warenverkehr für ökologische/biologische Erzeugnisse nach Artikel 38" ermächtigen. Der aufmerksame Leser erinnert sich hier an das Argument der Kommission, private Prüfzeichen seien an manchen Märkten so stark, dass sie ein innergemeinschaftliches Handelshemmnis seien, denn man könne dänischen Joghurt in Belgien nicht verkaufen, ohne drei private Prüfzeichen zu führen. Die Kommission hatte in ihrem Entwurf vom Dezember 2005 die Zwangslizenzierung und die Bezahlung dafür durch eine Administrationsgebühr zu Lasten vorhandener privater Prüfzeichensysteme vorgesehen. Die Mitgliedstaaten hatten dies abgelehnt, und dementsprechend findet sich diese Vorgabe in der hier vorliegenden Ratsverordnung nicht mehr. Es liegt der Eindruck nah, als sei Buchstabe e eingeführt worden, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die vom Rat abgelehnte Zwangslizenzierung zu Lasten privater Prüfzeichen doch, nun aber im Kleide einer "Durchführungsvorschrift" in einer Kommissionsverordnung zu erlassen. Ein solcher Versuch würde offensichtlich die Grenzen der der Kommission vom Rat gesetzten Normsetzungskompetenz überschreiten.
Die Vorgabe, es sollten Durchführungsvorschriften für Mitteilungen an die Kommission nach Artikel 35 erlassen werden können, bezieht sich auf die schlichte Mitteilung von Namen und Adressen durch die Mitgliedstaaten. Dabei geht es nicht etwa um die Namen der kontrollunterstellten Betriebe, sondern ausschließlich um die der Behörden und privaten Kontrollstellen. Diese wird jährlich im Amtsblatt Teil C veröffentlicht.
Artikel 39
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91
(1) Die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 wird zum 1. Januar 2009 aufgehoben. *1
(2) Verweisungen auf die aufgehobene Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 gelten als Verweisungen auf die vorliegende Verordnung. *2
Kommentierung des Artikel 39
*1 Nach Artikel 39 Absatz 1 wird die Vorgängerverordnung am Jahresende 2008 "aufgehoben". Damit ist gemeint, dass sie die rechtliche Wirkung für Sachverhalte verliert, die nach diesem Zeitpunkt eintreten. Für Sachverhalte, die in der Zeitachse davor liegen, bleibt die Vorgängerverordnung verbindlich.
*2 "Verweisungen" auf die Vorgängerverordnung gelten als "Verweisung" auf diese Verordnung. Verweise auf die Vorgängerverordnung finden sich insbesondere in allen als Durchführungsvorschriften zur Vorgängerverordnung ergangenen Kommissionsverordnungen. Wahrscheinlich haben die Autoren dieser Verordnung übersehen, das mit dieser Regelung zwar die Ratsverordnung (EWG) Nr. 2092/91 aufgehoben wurde, aber praktisch sämtliche Kommissionsverordnungen mit Durchführungsvorschriften zu jener Verordnung unbegrenzt bis zu ihrer ausdrücklichen Aufhebung fortgelten würden. Es wird sich zeigen, ob die Kommission es versteht, mit diesen selbst geschaffenen Problemen umzugehen und im Zuge des Erlasses von Durchführungsvorschriften für die Verordnung die fortgeltenden Kommissionsverordnungen, die zur Durchführung der Vorgängerverordnung erlassen wurden, aufzuheben.
Artikel 40
Übergangsmaßnahmen
Sofern erforderlich, werden Maßnahmen zur Erleichterung des Übergangs von den Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 zu den Vorschriften der vorliegenden Verordnung nach dem in Artikel 37 Absatz 2 genannten Verfahren erlassen. *1
Kommentierung des Artikel 40
*1 Durch Artikel 40 ermächtigt der Rat die Kommission, von den Wirkungen dieser Verordnung abweichende Durchführungsvorschriften zu erlassen, insbesondere die Geltung der Vorgängerverordnung über den in Artikel 39 bestimmten Zeitpunkt hinaus anzuordnen. Für Sachverhalte, die vor dem Jahresende 2008 liegen, bleibt die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 ohnehin gültig. Für Sachverhalte, die ihren Ausgang vor dem Jahresende 2008 nehmen, aber in das Folgejahr hineinwirken, kann es aus Gründen der Klarstellung erforderlich sein, die Wirkung dieser Verordnung einzuschränken und die Fortwirkung der Vorgängerverordnung ausdrücklich durch eine Kommissionsverordnung zu erklären. Der Entwurf der Kommission vom Januar 2008 sieht solche Vorschriften nicht vor.
Artikel 40 enthält eine auf den ersten Blick eigentümlich redundant wirkende Wiederholung der schon im letzten Absatz der Artikel dieser Verordnung mit immer gleichen Wortlaut aufgeführten Ermächtigung der Kommission, durch Kommissionsverordnung im Verfahren des Artikel 37 Durchführungsvorschriften festzulegen. Da diese nicht anders wirken, als die allgemeine Regelung des Artikel 38 Satz 1, stellt sich die Frage, weshalb hier im Artikel 40 nun noch eine weitere Ermächtigung aufgeführt wird. Es handelt sich nicht nur um eine Ermächtigung, sondern zugleich um eine Verpflichtung zur Rechtssetzung. Beispielsweise war in Artikel 11 Absatz 6 der Vorgängerverordnung zu den Ökoimporten aus Drittstaaten aufgenommen worden, dass das bisherige Verfahren der Einzelfallimportermächtigung, das durch die Behörden der Mitgliedstaaten verwaltet wurde, solange fortgesetzt wird, bis eine Liste der Kontrollstellen, die die Konformität von Drittstaatenprodukten zertifizieren, aufgestellt ist und zwölf Monate nach Veröffentlichung dieser Liste vergangen sind.
Da insbesondere landwirtschaftlichen Erzeugern in nicht weit entwickelten Drittländern der Zugang zur vollständigen Konformitätszertifizierung in der Regel verwehrt sein wird, insbesondere im Bereich der kleinbäuerlichen Gruppenzertifizierung, wird es zur Vermeidung WTO-widriger Handelsdiskriminierung wichtig sein, den Zugangspfad der Gleichwertigkeitsprüfung solange offen zu halten, bis alle landwirtschaftlichen Erzeuger in Drittländer, die bislang Ökoprodukte in die Europäische Gemeinschaft lieferten, Zugang unter dem neuen Regime über eine dann gelistete Kontrollstelle gefunden haben. Die noch mit der Verordnung (EG) Nr. 1991/2006 in Artikel 11 Absatz 6 der Vorgängerverordnung aufgenommene Übergangsregelung fehlt in der Ratsverordnung. Sie wird aber nach einer von der Kommission im November 2007 vorgelegten Kommissionsverordnung über Drittlandsimporte, dort durch Artikel 15 wiederum in das Gemeinschaftsrecht aufgenommen.
Unübersichtlicher lässt sich die Entwicklung der Rechtslage nicht gestalten. Das Motiv dürfte im Bestreben der Kommission zu finden sein, die Regelungsmacht an sich zu ziehen und nicht etwa schon durch Ratsverordnung, wie dies unter Artikel 11 Absatz 6 der Vorgängerverordnung geschah, auch die Übergangsregelungen zu erlassen.
Es überrascht aber, dass die Kommission die beiden Listen mit Kontrollstellen nicht aufstellte, die aufzustellen sie schon seit dem Gültigwerden der Verordnung (EG) Nr. 1991/2006 am 01.01.2007 verpflichtet ist. Die Kommission soll 2007 die Bearbeitung von Listungsanträgen noch nicht einmal aufgenommen haben. Da sie verpflichtet ist, die Ökoregeln nicht als nichttarifäres Handelshemmnis anzuwenden, ist die Kommission spiegelbildlich insbesondere auch durch den Auftrag des Artikel 40 dieser Verordnung verpflichtet, Übergangsregelungen als Kommissionsverordnung vorzuschlagen und im Artikel-37-Verfahren zur Abstimmung zu bringen. Artikel 40 ist damit praktisch ein Reparaturauftrag gerichtet auf die Sicherung des Status Quo in einer Lage, in der die Kommission zwar die Verantwortlichkeit für die Gleichwertigkeits- und Äquivalenzkontrolle von Drittstaatenimporten an sich zieht, sie tatsächlich aber seit dem Jahresbeginn 2007 nicht vornimmt.
Im Artikel 88 Absatz 3 des Kommissionsentwurfs vom Januar 2008 finden sich Übergangsvorschriften bezüglich der Verpackungen, die das EU-Öko-Logo, wie es neu durch Anhang XI dieses Verordnungsentwurfs eingeführt werden soll, nicht tragen. Die beiden vorgeschlagenen Regelungsalternativen würden zu einer unerträglichen Belastung der ökologischen Lebensmittelwirtschaft führen. Alle Fertigpackungen mit Ökohinweisen, die das neue EU-Öko-Logo nicht tragen, dürften nach dieser Regelung nach dem 31.12.2008 nicht mehr in den Verkehr gebracht werden, es sei denn es handelt sich um solche Fertigpackungen, die das EU-Öko-Logo nach Anhang V der Vorgängerverordnung (EWG) Nr. 2092/91 tragen. Es ist zu vermuten, dass das neue Logo in den nächsten Monaten auch noch in die Vorgängerverordnung aufgenommen wird. Die Vorgabe ist gleichwohl so formuliert, dass sie zweierlei bewirkt:
Auch die (wenigen) Lebensmittelunternehmen, die das alte EU-Öko-Logo nach bisheriger Rechtslage verwendet haben, müssten ihre Leerpackungsbestände, die zum Jahresende 2008 noch vorliegen, vernichten. Die Lebensmittelunternehmen, die (wie die meisten) das EU-Öko-Logo nicht sofort auf ihren Packungen verwendeten, dürften weder zum Jahresende 2008 vorhandene Leerpackungen aufbrauchen, noch verpackte und etikettierte Produkte abverkaufen. Der Kommissionsentwurf würde Lebensmittelunternehmen, die das EU-Öko-Logo nicht verwendeten, abzustrafen.
Die Health-Claims-Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die im Januar 2007 im Amtsblatt veröffentlicht wurde, sah unter Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 vor, dass nichtkonforme Produkte noch bis zum 31.07.2009 vermarktet werden dürfen. Eine ähnliche Übergangsfrist sollte auch hier vorgesehen werden. Eine sinnvolle Formulierung wäre, dass Erzeugnisse, die unter Beachtung der Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 mit einem Hinweis gemäß dessen Artikel 2 ausgestattet werden, noch bis zum Jahresende 2009 hergestellt und in den Verkehr gebracht werden dürfen. Die bis zu diesem Zeitpunkt verpackten und etikettierten Produkte sollten unbegrenzt abverkauft werden. Eine kürzere Übergangsfrist würde zu einer nicht ökologischen Vernichtung von vorrätigem Verpackungsmaterial, insbesondere hochwertigen Verbundpackungen, die in hohen Auflagen produziert werden müssen, führen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen wären von einer rücksichtslosen Übergangsregelung schwer betroffen.
Artikel 41
Bericht an den Rat
(1) Die Kommission legt dem Rat bis zum 31. Dezember 2011 einen Bericht vor. *1
(2) In dem Bericht werden insbesondere die bei der Anwendung dieser Verordnung gesammelten Erfahrungen dargelegt und Überlegungen insbesondere zu folgenden Fragen angestellt*2:
a) Anwendungsbereich dieser Verordnung, insbesondere hinsichtlich ökologischer/biologischer Lebensmittel, die durch gemeinschaftliche Verpflegungseinrichtungen aufbereitet werden; *3
b) Verbot der Verwendung von GVO, einschließlich der Verfügbarkeit von nicht durch GVO hergestellten Erzeugnissen, der Erklärung des Verkäufers sowie der Durchführbarkeit spezifischer Toleranzschwellen und deren Auswirkungen auf den ökologischen/bio-logischen Sektor; *4
c) Funktionieren des Binnenmarktes und des Kontrollsystems, wobei insbesondere zu bewerten ist, ob die eingeführten Verfahren nicht zu unlauterem Wettbewerb oder zu Hindernissen für die Produktion und die Vermarktung ökologischer/biologischer Erzeugnisse führen. *5
(3) Die Kommission fügt dem Bericht gegebenenfalls geeignete Vorschläge bei. *6
Kommentierung des Artikel 41
*1 Die Kommission beachtet nicht den Grundsatz, dass Gesetzen ein eigener Wert nicht nur wegen ihres Inhalts zukommt, sondern dass auch ein unvollkommenes Gesetz seinen eigenen Wert hat, wenn es längere Zeit unverändert bleibt und damit Rechtssicherheit an einem Markt schafft.
Die Kommission hat durch die Aufhebung der Vorgängerverordnung und den praktisch inhaltsgleichen Erlass der neuen Verordnung, nur eben in völlig anderer Struktur und mit einer Fülle geringfügiger Abweichungen, deren Sinn nicht immer ersichtlich ist, Rechtsunsicherheit geschaffen. Es zeichnet sich ab, dass auch diese Verordnung keine Ruhe schaffen und den Rechtsrahmen nicht für längere Zeit verbindlich festlegen wird. Die Kommission hat sich vom Rat den Auftrag geben lassen, einen Bericht schon zum Ende des zweiten Jahres nach Inkrafttreten dieser Verordnung vorzulegen.
*2 Nach Artikel 41 Absatz 2 sollen in diesem Bericht neben anderen Fragen, deren Behandlung in das Belieben der Kommission gestellt ist, drei Aspekte behandelt werden.
*3 Der Ausschluss der "gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen" aus dem Anwendungsbereich dieser Verordnung ist eines der Berichtsthemen. Bei dieser Wortwahl fällt auf, dass der in Artikel 1 formulierte Ausschluss sich eigentlich auf die Arbeitsgänge und nicht auf die Verpflegungseinrichtungen selbst bezieht.
*4 Als zweites soll über die Erfahrungen mit dem Verbot der Verwendung von GVO berichtet werden, dabei insbesondere mit Blick auf die Erklärungen der Verkäufer dort, wo es keine Gentechnikpflichtkennzeichnung gibt. Außerdem bezüglich der "Durchführbarkeit spezifischer Toleranzschwellen", womit die Frage gemeint ist, ob strengere Schwellenwerte für Ökoprodukte eingeführt werden können als der Schwellenwert von 0,9% für die Gentechnikpflichtkennzeichnung. Hier kommt zum Tragen, dass nach dem Verständnis der Kommission 0,9% gentechnischer Veränderung der Maßstab für die Entwicklung von Koexistenzmaßnahmen zwischen transgenen und gentechnisch nicht veränderten Kulturen sei. Einer wesentlichen Unterschreitung des Schwellenwertes bedarf es nach der Auffassung der Kommission nicht.
*5 Über das "Funktionieren des Binnenmarktes und des Kontrollsystems" soll mit Blick darauf berichtet werden, "ob die eingeführten Verfahren nicht zu unlauterem Wettbewerb" führen.
*6 Die Kommission hat hier ihre Kritik am Rat untergebracht. Die Kommission will die Praxis unter dieser Verordnung darauf kontrollieren, ob es nach wie vor schwierig ist, Joghurt aus Dänemark in Großbritannien und Belgien ohne Nutzung privater, dort national eingeführter Prüfzeichen zu vermarkten. Die Kommission hatte diese Prüfzeichen durch ein Verbot der Besserwerbung und durch ein System der Zwangslizenzierung dieser Prüfzeichen für alle zertifizierten Ökoprodukte, gleich wo immer sie global erzeugt wurden, unterdrücken wollen. Der Rat war dem nicht gefolgt.
Artikel 42
Inkrafttreten und
Anwendung
Diese Verordnung tritt am siebten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. *1
Für bestimmte Tierarten, Wasserpflanzen und Mikroalgen, für die keine ausführlichen Produktionsvorschriften vorliegen, gelten die Kennzeichnungsvorschriften des Artikels 23 und die Kontrollvorschriften des Titels V. Bis zur Aufnahme ausführlicher Produktionsvorschriften gelten nationale Bestimmungen oder — falls solche Bestimmungen nicht bestehen — von den Mitgliedstaaten akzeptierte oder anerkannte private Standards. *2
Diese Verordnung gilt ab dem 1. Januar 2009. *3
Kommentierung des Artikel 42
*1 Spätestens mit dem Inkrafttreten verpflichtet diese Verordnung die Mitgliedstaaten, ihre praktische Wirkung nicht zu konterkarieren, sei dies durch nationale Regelungen, etwa von Aquakulturprodukten, die nicht in den Anwendungsbereich der Vorgängerverordnung fielen, oder durch ein Durchsetzen von Regelungen dieser Vorgängerverordnung, die mit den neuen Regeln dieser Verordnung nicht kompatibel sind. Die Pflicht zur Gemeinschaftstreue schließt ein, die Vorgängerverordnung in den letzten Tagen ihrer Gültigkeit nicht so auszulegen, dass die Vollzugspraxis sich in Gegensatz zu den neuen Regelungen dieser Verordnung stellt.
*2 Für Wasserpflanzen und für Algen, die keine Meeresalgen sind, etwa Spirulina oder Chorella, liegen keine ausführlichen Produktionsvorschriften vor. Solange diese auch nicht als Kommissionsverordnung erlassen werden, wird hier angeordnet, dass zumindest die Kennzeichnungsvorschriften und Kontrollvorschriften dieser Verordnung zur Anwendung gelangen. Die Kontrolle prüft die Konformität zu den nationalen Regelungen in den Mitgliedstaaten. Sofern diese fehlen, sind die durch Rechtsnorm, dort durch statische oder dynamische Verweisung einbezogenen privaten, "anerkannten" Standards maßgebend. Wenn es an dieser Verweisung fehlt, sind Maßstab die "akzeptierten" Standards, nämlich solche, welche der Verkehrserwartung entsprechen, ja sogar sie regelmäßig im Wesentlichen geprägt haben. Diese Verordnung bestätigt diesen Geltungsrang der privaten Standards, welche die berechtigte Verkehrserwartung prägen. Sie belässt es nicht bei der Sanktion von Verstößen gegen diese Verkehrserwartung entsprechend dem allgemeinen lebensmittelrechtlichen Irreführungsverbot, vielmehr wird ein Einbeziehen der Produktion in das gemeinschaftsrechtliche Kontrollsystem für die ökologische Produktion angeordnet. Dies verbunden mit der Verpflichtung, die hier vorgegebenen, gesetzlichen Kennzeichnungsregelungen einzuhalten.
*3 Im Gegensatz zu dem Inkrafttreten der Verordnung wird hier ein Gelten ab dem 01. Januar 2009 angeordnet. Gelten bedeutet, dass die in der Verordnung normierten Pflichten ab diesem Zeitpunkt von den rechtsunterworfenen Unternehmen, aber auch den Mitgliedstaaten zu beachten sind. Die Kommission muss Verpflichtungen, beispielsweise das Aufstellen der "Muss"-Liste der Konformitätskontrollstellen für die Drittlandsimporte bis dahin erledigt haben.
Häufig versäumt die Kommission solche Fristen. Mitgliedstaaten können dann die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erheben. Im Gegensatz zur Kommission, welche die Mitgliedstaaten regelmäßig mit Vertragsverletzungsverfahren überzieht, nehmen die Mitgliedstaaten in der Regel die Säumnis der Kommission hin.
Dass die Verordnung "gilt" hat zur Folge, dass die Kennzeichnungsvorschriften, beispielsweise die Verpflichtung, das EU-Öko-Logo auf allen Produkten anzubringen, eingehalten werden müssen. Dies nicht etwa nur auf Produkten, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht etikettiert waren, sondern auch auf Produkten, die vor dem Stichtag verpackt zur Auslieferung bereitstehen. Die Verordnung enthält noch keine sinnvollen Vorgaben für eine angemessene Übergangsfrist, insbesondere fehlt ihr eine großzügige Abverkaufsregelung von zwei Jahren, wie sie etwa bei der Claims-Verordnung vorgesehen wurde.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. *1
Geschehen zu Luxemburg am 28. Juni 2007. *2
Im Namen des Rates
Der Präsident
S. GABRIEL
ANHANG
ANGABEN NACH ARTIKEL 23 ABSATZ 1
BG: бИОЛОГЙЧеН
ES: ecológico, biológico
CS: ekologické, biologické
DA: økologisk
DE: ökologisch, biologisch *3
ET: mahe, ökoloogiline
EL: βιολογικό
EN: organic
FR: biologique
GA: orgánach
IT: biologico
LV: biologisks, ekologisks
LT: ekologiškas
LU: biologesch
HU: ökológiai
MT: organiku
NL: biologisch
PL: ekologiczne
PT: biológico
RO: ecologic
SK: ekologické, biologické
SL: ekološki
FI: luonnonmukainen
SV: ekologisk.
Kommentierung der Schlussformel und des Anhangs
*1 Die Verordnung gilt entsprechend den Vorgaben des EG-Vertrags unmittelbar in jedem Mitgliedstaat mit Verbindlichkeit bezüglich aller ihrer Teile. Die Verordnung ist damit so wie nationales Gesetzesrecht unmittelbar verpflichtend. Die Verordnung bedarf keiner nationalen Transformationsnorm. Die Mitgliedstaaten sind nicht nur daran gehindert, andere Regeln zu erlassen, sondern auch daran, die Vorschriften im eigenen Recht zu wiederholen, weil bezüglich des Rechtsursprungs, ob nationales oder Gemeinschaftsrecht, kein Zweifel entstehen soll. Die Mitgliedstaaten müssen aber Entscheidungen, die ihnen diese Verordnung anträgt, so die Entscheidung über die privatrechtliche oder die öffentlichrechtliche Ausgestaltung des gemeinschaftlichen Kontrollsystems für die ökologische Produktion auf ihrem Staatsgebiet selbst treffen. Da sie mit dieser Entscheidung in der Regel in die Grundrechte der privaten Kontrollstellen eingreife, muss diese Ausgestaltung nach dem Staatsorganisations- und Verfassungsrecht der meisten Mitgliedstaaten durch deren parlamentarischen Gesetzgeber getroffen werden. Dies gilt nicht für Dänemark, denn dort wurde die Ökokontrolle von Anfang an, schon in den 80iger Jahren des vorherigen Jahrhunderts, staatlich organisiert.
*2 Der Rat tagte bei seinem Beschluss am 28. Juni 2007 in Luxemburg. Ausgefertigt hat die Ratsverordnung der deutsche Umweltminister Gabriel als Präsident des Rats in den letzten Tagen des deutschen Ratsvorsitzes während des ersten Halbjahres 2007.
*3 Wenn für die deutsche Sprache hier "ökologisch" und "biologisch" als Angaben nach Artikel 23 Absatz 1 aufgeführt sind, handelt es sich nur um Regelbeispiele, also um Begriffe, die als Hinweis auf die Herkunft aus ökologischer Produktion entsprechend Artikel 23 Absatz 1 gelten. Die beiden Begriffe stehen nebeneinander. Sie sind synonym. In die Vorgängerverordnung war der Begriff "biologisch" im Zuge des Beitritts von Österreich zur Gemeinschaft aufgenommen worden, weil dort der Begriff "ökologisch" als dem Sprachgefühl fremd empfunden wurde.
Es handelt sich bei dem Katalog den Anhangs nicht um Vorgaben, die in dem Sinne einzuhalten wären, dass der Hinweis nach Artikel 23 Absatz 1 in der deutschen Sprache entweder "ökologisch" oder "biologisch" lauten muss. Genauso könnte ein Anbieter sich dazu entscheiden, sich einer eigenen Begrifflichkeit zu bedienen, vielleicht sogar einer Wortmarke, die aufgrund ihrer Originalität als unterscheidungsfähig (distinctive) wahrgenommen wird, zugleich aber den Eindruck der Herkunft aus der ökologischen Produktion, also den Eindruck des Artikel 23 Absatz 1 vermittelt. Auch produktionsbezogene Begriffe, wie "aus umweltschonendem Anbau" oder aus "naturnahen Kulturen" sind Angaben nach Artikel 23 Absatz 1, die ihre Qualität als solche durch die Regelbeispiele des Anhangs zu dieser Verordnung nicht verlieren.
Viele dieser Begriffe befinden sich allerdings in einer Zone, in der den Betrachtern nicht deutlich ist, ob es sich tatsächlich um eine ökologische Produktion nach dieser Verordnung handelt oder um eine Produktionsform, die sich dieser nur annähert, ohne ihre Bedingungen wirklich vollständig zu erfüllen. Tatsächlich wurden in Baden jahrelang Weine mit dem Hinweis "aus umweltschonendem Anbau" angeboten, obgleich chemisch-synthetische Fungizide, die in der biologischen Produktion nicht erlaubt sind, zum Einsatz gelangten. Die Definition der Angaben nach Artikel 23 Absatz 1 ist in dieser Verordnung so weit gefasst, dass Angaben wie "umweltschonend" klar die Verhaltenspflichten auslösen, welche diese Verordnung mit Angaben nach Artikel 23 Absatz 1 verknüpft. Wer solche Begriffe gebraucht, muss das Normenprogramm dieser Verordnung erfüllen.
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